Skip to main content

Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

See other formats


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world's books discoverable online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover. 

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 

We also ask that you: 

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 

About Google Book Search 

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world's books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web 



at |http : //books . google . com/ 




über dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 



Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen. 



RTeae 

JAHRBÜCHER 

(ur 

Philologie and Paedag^og^k, 

oder 

Mlritische BibUotheh 

fär das 

Sclinl- iiiid IJnterrIclilswesen. 



In Verbindung mit einem Vereine von Gelehrten 

heraasgegeben 

von 

II. Jfohann €!hrUMan «FoJkn 

and 

Prof. meinhold Xiota. 




SIBkBfiHrZKlIlirTfiR JAHRdAVd. 

Fünfzigster Band. Erstes Heft. 



Druck und Verlag von B. G. Teubner. 
1847. 



Kritische Beartheilnngen. 



1. ETPinUHZ. Euripidis Fabulae. R«cognovH, Latine 

Tertit, in duodecini fabaias annotationem criticam acripsit, onniam 
ordineiQ chronologicum indagavit Theobaldtu Fix, Inest Tarietaa co- 
dicum Parisinorum 2817. et 2887. accurate exoarpta. Parisiia, editore 
Ambroaio Finnin Didot. MDCCCXLIV. LXXIV and 6l6 S. in gr. 8. 

2. Euripides, Von /. /. C Donner. Heidelberg, '^takadeniische 
Yerlagshandlang Ton C. F. Winter. Erster Band 1841. 408 S. 
Zweiter Band 1845. 351 S. in 8. 

8. Euripidis Fabulae Selectae, Recognovit et in usam 
scholarum edidit Augustus Witzschel. Jenae prostat apud Frieder. 
Mauke. Vol. T. Hippolytum continens. MDCCCXLlir. X 
und 134 S. Vol. II. Iphigeniam in Tauride continens. 
MDCCCXLIV. X und 151 S. Vol. )II. Alcestin continens. 
MDCCCXLV. XXII und 133 S. in 12. ' 

4k. Euripidis Iphigenin Tauriea. Recensuit F. H. BoUe. 
In asum scholarum. Editio secunda emendatior. Lipsiae, samtibas 
iibr. Hahnianae. MDCCCXLVI. in 8. 

Unter den neuesten Schriften, welche die Kritik und Erklär 
rung des Euripides betreffen , miifisen die drei «raten , jede in 
Ihrer Art ^ %« den guten und theilweise vorifigiichen gerechnet 
werden; auch die viert« bietet Einseines für Erklfirang, was Be^ 
achtung verdient. Der gegenwärtige Bericht wil) luerst die EigeiH' 
thumlichkeit einer jeden im Allgeraeinen korx anffihren , und so-- 
ilann, um nicht au weitläufig au werdeii, ein eiaadnea Stuck etwas 
genauei' durchgehen , und hierbei augieicb ein paar andere Stucke, 
die sach in der bis jetzt erschienenen Auswahl des Hrn. Witaschel 
enthalten sind, gelegentlich berücksichtigen. 

Nr. 1, gehört zu den besten Leistungen , welche in der be- 
kannten Didot'schen Bibliotheca Graeca bis jetct geliefert worden 
sind. Es bat aanüich Hr. Fix den Text ron Matthii und W. Din* 

1* 



4 ' Griechische Literatur. 

dorf in Corpus p. Sceiiicorum zu Grunde gelegt, und diesen mit 
eigenen und fremden Hülfsmittcln sehr vorsichtig und besonnen 
revidirt. Unter den letztern werden besonders G. Hermanni irri- 
mortalia merita hervorgehoben. Unter den eigenen Hiilfsmitteln 
des Verfassers verdienen besonders Beachtung thcils die erneute 
Vergleichung der ältesten Pariser codd. 2712. und 2713. zu den 
ersten sieben Stücken, welche Handschriften, wie Hr. F. sich 
ausdruckt, quaedam bona aubministrarunt, was aber leider nicht 
im Einzelnen dargelegt wird (zu einzelnen Stücken hat Hr. F. auch 
noch andere Handschriften eingesehen); tbeils die Vergleichung 
der auf dem Titel genannten Mss. zu den zehn Stücken von Sup- 
plicea h\% Hercul^fur.^ aus denen Hr. F. die Torzügiichsten Va- 
rianten ausgewählt, aber die „rarietas^* übergangen hat, (um seine 
Worte zu gebrauchen) „mäi vel a Musgravio rede signiflcata 
erat , vel consentiebat cum Matthiaei [so überall statt Matthiae, 
was bekanntlich schon Genitiv ist] Aid. et relL In uno Cyclope 
omnia memoravt^^ ein Umstand, der besonders in Beziehung auf 
Md. et relL zu mancherlei Zweifein führt. Auch die Behauptung 
des Hrn. F., dass nämlich diese Pariser und die von Furia für Mat- 
thiä verglichenen Florentiner bis zu dem Grade übereinstimmen, 
„ut alteris accurate excussis alterorum coUatlo non possit deside- 
rari^S ist nooh nicht über jeden Zweifel erhoben, da Hr. F. das 
auf dem Titel stehende Accurate nicht in sefner ganzen Strenge 
in Anspruch nähmen kann. Denn er bemerkt selbst zu Anfange 
der Supplices: „Libros mss. Bibliothecae regiae — ego in lociSj 
uhi operae preiium esse v'idebatur^ inspexi denuo. Consentiunt 
aatem Codices illi in plerisque locis ita cum Florentinis 1. 2., ut 
neutros lectionem ullam memorabilera habere ar&i7rer, quae non 
alteri parti sit communis.^^ Vgl. die Note zu Iphig. Aul. 824. 
Daher hat auch Hr. F. nicht selten die bisherige Vergleichung der 
Florentiner Mss. in Zweifel gezogen, so dass sehr zu wünschen 
wäre, es möchte ein Gelehrter, der hierzu Gelegenheit und Müsse - 
besitzt, von Neuem eine gründliche Collation (aber nicht bloss 
„in locis ubi operae pretium videtur^') vornehmen, um all dieses 
Bubjective Glauben und Meinen in objective Gewissheit verwandelt 
■u sehen. 

Ein anderer Punkt, den die Vorrede berührt, sind die beiden 
Codices Italici des Henricus Stephanus. Hr. F. erklärt dieselben 
nach dem Vorgange Anderer geradezu für erdichtet und hat die 
wesentlichsten Punkte zur Beurtheilung auf klare und übefsicht- 
Uche Weise ■uBaroroengestellt. Ob indess das Urtheil über Ste- 
phanus in dieser Allgemeinheit sich halten lasse, oder ob man 
auch hier zu einem ähnlichen Resultate gelange, als Sin tenis in 
Hinsicht auf Plutarch in -SchneidewinV Philologus 1. Jahrg. S. 
134 ff. vorträgt, das zu untersuchen muss denen überlassen blei- 
ben, welche speciell mit dem kritischen Apparate des Euripides 
bis In jede Einzelheit hinein sich beschäftigt haben. Hr. F. hat 



ftaripidi« fabuläe , recog. Fix. 5 

wenigtlent su dieser Unterscichung eine verdienstliche' Anregung 
gegeben und die Grundlinien für den Gang einer solchen Pf Sfadg 
Torgezeichnet. 

Was aber dieser Ausgabe einen Torzüglichen Werth yerieiht, 
ist die auf die Vorrede folgend« Chronologia Fäbularum p*. V bis 
XII) und die Annolatio Crüica-^w den letzten zwölf Stücken, nach 
der gewöhnlichen Reihenfolge. Beides sind selbststiindige Arbei- 
ten, in denen die umfangreiche Gelehrsamkeit tind der Scharfsinn 
des Verfassers auf riihmliehe Weise hervortritt. Dnd wenn aueii 
Einzelnes von Hrn. F. übersehen oder noch nidit benutzt ist, wie 
z. B. für die Chronologie die Arbeiten von Zirndorfer und W. 
Dindorf, so erregt doch die vielseitige Bekanntschaft mit der 
deutschen philologischen Literatur und deren selbststindige Be- 
nutzung den gerechtesten Beifall, und macht diese Ausgabe übef- 
baupt für Jeden unentbehrlich, der sich mit Enripides aueh nur 
für die Schule etwas genauer beschäftigt. Ueber den Zweck die- 
ser Annotatio spricht sich Hr. F. also aus : ,,In bis eam mihi legem 
scripsi, ut in aliorum dicla commentariis [vielmehr commeniariia 
dicla] nusquam repeterem, nisi ubi necessitas erat aut in re cri« 
tica aut in decursu disputationis aliorum placita et inventa comme- 
morandi. Neque voiebam commentarium scribere, qui nou est hü- 
jus loci, sed primimi Enripidem accurata simul et perspicua trans- 
iatione expiicare, dein crisin meam brevibu« nötis asserere, denique 
quaedam rectius, si ßeri posset, constituere> Das Letztere be- 
zieht sich darauf, dass Hr. F. nicht blos kürzere Noten zii ein- 
zelnen Steilen des Enripides gegeben, sondern auch bisweilen einen 
längern allgemeinereu Excurs mit eingewebt hat über Dinge , die 
entweder noch streitig oder nach der Ansicht des Herausgebers 
noch nicht genügend behandelt sind , wie z. B. über eine besondere^ 
Stellung von aal zu Suppl. 426., über die Sitte der Alten, aus dem 
Gedächtnisse zu citiren, zu fph. Aul. 407.^ über il$ und ig zu 
Rhes. 96., über den Gebrauch der Substantiva und Adjectiva'bet 
Völkernamen zu Bacch. 1. mit folgender Einleitung: „Data hac 
occasione paucis repetam quae Lipsiae oiim, sodalis semlnarit 
philologici, de vario usu genitivi hominis gentilis et adjectivi apud 
tragicos disputavi, praeside D. Beckio, viroveneräbili^'; über Wie- 
derholung desselben Wortes nach kurzem Zwischenräume zu Bacch. 
647.; über ro'dsund rad$ zuHeracl. 246.; über die Formen Ugog 
und [gog zu Ion 1317.; über den Ictus des tribrachys in dreisyi- 
bigen Wortern zu Elect. 13.: alles Bemerkungen, welche den 
Werth dieser Ausgabe erhöhen. Hierzu kommen nicht wenige 
Conjectnren und eigene Ansichten zu einzelnen Stellen von em- 
pfehlungswerther Wichtigkeit. Aach sind manche Stellen aus 
Enripides Fragmenten, die in diese Ausgabe nicht mit aufgenommen 
sind, lind aus andern Autoren gelegentlich emendirt oder genauer 
erläutert. So in den Noten zu Suppl. 639. Hei. 973. Ion 239. 
407. 762. 932. 1006. 1138. Herc. für. 293. 907. 1244. Elect. 13. 



6 GrMohische Lkarator. 

324. 425. Cycl. 434. *)i wu ebenfdls tod deuUiehen Philologen 
BeachlODg verdient. 

Nicht minder beachtenswerth ist die lateinische Uebersetiung , 
welche überhaupt < wie bekannt, eine Eigenthümlichkeit der Didot'- 
achen Sammlung bildet. Hqi F. hat die alte latcln. Uebersetiung, 
welche schon Barnes und Musgrave yerbessert haben , mit grosser 
Genauigkeit und Sorgfalt so revidirt , dass sie nicht nnr dem Ge- 
danken, sondern auch der Form nach dem griechischen Texte ent« 
spricht, über die Hälfte ganz neu Ist und nicht selten die Stelle 
eines Commentars auf würdige Weise vertreten kann. 

Aber ongeachtet dieser rühmlichen Vorzüge, welche die 
Annotatio und die Uebersetznng unbestreitbar enthalten, wird 
doch der Leser auch zur Wahrnehmung einzelner Mängel und, 
wie es natürlich Ist, in jedem Stücke zu mancherlei abweichenden 
Ansichten veranlasst werden. Inwiefern diess auf einzelne Stellen 
alch bezieht , davon wird weiterhin Einiges angeführt werden. All- 
gemeinerer Art ist Folgendes. Hr. F. hat bisweilen Conjectnren 
von Gelehrten in den Text gesetzt oder ältere und neuere Con- 
jectnren im Texte gelassen, ohne dass in der Annotatio etwas be- 
merkt ist. So z. B. in der Iphig. Taur. v. 852. lyto d' a [nikho^ 
ot8\ 861. xBQvlßtov tnv skh, beides von Seidler, 901. xov xAti- 
ovo' von Hermann, 038. tl ZQW^ d^äöav von Elmsiey, 1264. & 
% SlJtMkkB xv%Hv von Seldler, u. s. w. Welche üebelstände ein 
Bolchea Verfahren mit sich führe, hat Walz in der Beurtheilunc 
dieser Ausg. (in den Heidelberger Jahrbb. 184f>, Nr. 38. S. (iOO f.) 
gewiss unter allgemeiner Beistimmnng auseinandergesetzt. Ferner 
hat Hr. F. nach jener bekannten , schon oftmals getadelten Un- 
sitte ein posttt, recepi^ Bcripsi^ reposui etc. gebraucht, wo die 
betreffende Lesart bereits von Vorgängern in den Text gesetzt ist^ 
wie z. B. Iphig. Taur. v. 87. (dedi)^ 261. {reduxi)^ 288. (posui)^ 
675. (renovavi memoriamlibrorum),708. (712. Ist Druckfehler) po- 
Bui pro puncto comma post (pUmv^ 1027. und 1061.(recepi), 1387. 
(reposui), wo ein cum Hermanno hinzuzufügen war, oder 881. 
„Scripsi e codicibus %%k&6ai^^ aber nach dem Vorgange Mehre- 
rer, auch.Hermann's, 1042. „Aberat sIgnum interrogandi post 
-i^a>^ was bereits in mehreren Ausgaben steht, 1299. „Scripsl, 
ut res postulabat, fiivEOve [Druckf.f. iihxtüu] zuftlv''\ was schon 
Markland vorgeschlagen hat. Dergleichen nun lässt sich ans jed- 
wedem Stücke erwähnen. 



*) Alle diese Stellen sollten dieHH. MablmannundJenickeln 
ihrem mit Sorgfalt a. Grändlichkeit gearbeiteten Repertoriam angehorigem 
Platze mit anffobren , wie sie es aus ähnlichen Schriften gethan haben. 
Es ist dieser Umstand an so niitsiicher ond noth wendiger gerade bei sol- 
chen Werken , wlilcbe, wie Fix Anigabe, aber ihren innem Gehalt keinen 
Index enthalten. 



Earipidfi fkbuki«, rootgvFiz. 7 

Wm aber die htelMsobe UeberlMCiaDg betrlffl, Mo tii^tll ilA 
angeachtet der gewissenhaften and sorgfiltigen Bearbeftong dndi 
Tereinselte Mängel mit fast allen lat. Uebenetiungen ta grleeb« 
Autoren« Hierher g^ört bisweilen das an grosse Streben Aacll 
Wdrtlichkeit, wodurch ein steifer and thdl weise dankler Oe« 
danke entsteht, namentlich in der Heeliba, ferner der Oebmaoll 
Ten schlechten oder spätlateinitchen Wörtern an Stellen, wo beiH 
sere und eben so entsprechende vorhanden sind* So s« B., aw 
wenigstens ein paar Fälle su erwähnen , Orest. 1602. malluvian 
(XHf^ßfov)^ Hippol. 988. c9ngruentiam (ßolgmv)^ 1093. eohaöi" 
tairix (tftifM&ffxs), 1137. mansiones pueÜäe (wQag äffanavlai)^ 
Alcest. 1049. juvencula (victywrf)^ Ipbig. AuL 1366. GraBeütd^ 
eae (Ekktivitcmv); so öfters wie Iphig. Taar. 600. Bbendas. 1033. 
and Phoen. 902. promtiiudinem (t6 wcQo&vfiov) st. promptum anl<- 
mam, 1032. ad eseogilandas teöhnaw (BÜQlöKBilf ti%vitg) st. arte« 
oder artificia, 1135. stolum ißtokov). Auch mancherlei Oramma-* 
tisches hat hierher Bezug, wie Hippel. 465. liberls adjMMse Y^ 
nerera, 1005. spectare cnpidus sum, 1288. verbisnxoris p9rsu€nuM 
(fivd'oig dloxov TCHö^d'Blg)^ eben so f phlg. Taur» 1049. permOMB 
verbis {itBlöaöa fit^oig). Alcest. 1019. cujos rei caasa eeiiC, 
dicam. Iph. Tanr. 34. templo in isto st. hoc (yaotöi^iv toi^dti) wo 
der Tempel vor Angen steht. 116. haud^a^am St. nenne in der 
Frage. 268. daemones quidam hie aedent iiti (detlfiovtg tivag 
ttiööovöiv otds) St. quidam sedent iUic. 512. atifu^modo st qttO^ 
dammodo u. s. w. In andern Fällen stösst man auf dunkle oder 
angenaue Ausdrucke, oder auch auf falsche CJebersetsang. Vo* 
letalerer Art ist Hippel. 465. iv Ooqpoc<5i ydg ttid ' l0ri Oi^tiDi^ 
kttvd^dyeiv td (iij xakA^ inter enilidai enlm icauiiones ete«^ wt» 
aber 0otpoi6i oflPenbar Mascolin, ist. Alcest. 133. ndvta yctQ fjdij 
TBtikiötai ßaöikBvöiv^ omnia enlm jam perfecta sunt tegina^. 
Muss regibua heissen; denn es besieht sich, wie schob der Scho^ 
liast bemerkt, auf den Admetos, nicht auf Aleestis. 231. tetP fd^ 
ov g)Uav, dkkd tpiktixav — inoipBiy non caram enin^ tantum^ 
sed carissimam — videbis, wo düs tantum einen ganit falschen 
Sinn hineinträgt. S. Pflagk s. d. St. — 516. naz^iq fB fAJiß 
(Dpatog, BtitsQ oXxBxai, at vero pater /orfft^se aeyo maiunis obHi*, 
si modo obiit, mit dem nnricbtigen /or/tfS99. Derartiges nun lässt 
sich Manches bemerken , wovon unten noch einige Beispiele. 

Indcssist dies Alles, wie oben bemerkt, fast sämmtlicfaeii 
latein. Uebersetanngen aus früherer Zeit gemeinsam. Man musa 
aber in unseren Tagen billiger Weise an solche Arbeiten di^ For- 
derung steilen, dass alle diese Dinge entfernt werden ; denn e« 
sollen dergleichen Uebertragungen doeh wahrlich nicht eine er- 
giebige (Quelle för lateinische Antibarbari sein. Um Jedoch 
den Schein einer nnw&rdigen Tadelsucht fematihalten , wird aus- 
drücklich hinaogefngt, dass dieser Umstand hier ntir als Nebon^ 
Sache berührt worden Ist, und dass die Erwähnung desselben dl« 



8 GriMhisolM Litoratur« 

HaoptMitong .iH Hertiuigcbeni Biehl beehitriöhtigeii «olL Es 
bldbt Tlehnebr du Verdienst deg Hrn. F. ungeaehmfilert, and 
dles^ (reffliche Autgabe yerdieni eine weit grossere Beachtanf^ 
eis sie bis jetst in Deutsohland gefunden na haben scheint. So 
sieht man noch keine Spur der Bentitsung im dritten Bandchen 
der Witsscherschen Ausgabe, in der Bothe*8chen Bearbeitung der 
Iphig. Taur., auch nicht im «weiten Bande des Werices ^ zu dem 
wir qns jetat wenden unter 

Nr. 2. Der Name des Herrn Donner hat auf dem Gebiete 
der Uebersetsungsicunst bereits einen so rühmlichen Klang, dass 
es überjHGssig wäre; Wenn Jemand noch ^ausfnhrJich davon spreclien 
wollte. Der Hanptvorsng der Donner sehen Uebersetzungen, den 
jede neue Leistung desselben immer Idarer hervorgesteilt hat, ist 
eine ausgezeichnete sprachliche Gewandtheit im deutschen Ans- 
drucic. Daher sind eine Menge Ton Stellen mit solcher Meister- 
schaft wiedergegeben , dass mau ein deutsches Original und nicht 
eine Uebersetzung zu hören glaubt. Diess fühlt man am betten, 
wenn irgend ein Stuck vor Gebildeten , welche des Griechischen 
nicht kündig sind, vorgelesen wird. Und dazu eignet sich gerade- 
zu am meisten Euripides, weil dieser Dichter die innerste Welt 
des Menschen und sein Gemüthsleben bis in den dunkelsten Hin- 
tergrund entiiüllt , mit Verwischung der nationalen Farbe nach der 
Forderung seiner Zeit den welthistorischen Standpunkt erstrebt 
und so auf die Architektonik des modernen Drama einen entschie- 
denen EInfluss ausgeübt hat. Daher vermag auch Euripides das 
Interesse der Gebildeten , denen der tiefere Lebenskern der hel- 
lenischen Nationalität nicht bekannt ist , weit mehr zu fesseln, als 
ein anderer Tragiker, und es wurde ein Stück, wie etwa die Tan- 
rische Iphigenia, a^f die Buhne gebracht, einen stärkeren Ein- 
druck auf diese Gebildeten machen, als irgend ein Stück des So- 
phokles. Dies offenbart sich bereits bei der blossen Leetüre. 

Es ist daher ein wichtiges Verdienst, dass Hr. D. es unter- 
nommen hst, auch diesen Dichter den Deutschen geniessbar zu 
machen. Denn er hat eine Uebersetzung geliefert, vor welcher 
in sprachlicher Hinsicht alle frühem Versuche im Ganzen zurück- 
treten müssen, und mir Johannes Minckwitz in der Nach- 
bildung von drei Euripideischen Stucken als ebenbürtig genannt 
werden ksnn. Hierzu kommt, dass Hr. D. sehr eifrig gestrebt 
hat , nicht blos im Allgemeinen den richtigen Ton in lesbarer 
Sprache zu treffen , sondern auch im Einzelnen nach Möglichkeit 
den Text zu erschöpfen , und somit zugleich einen wesentlichen 
Beitrag zum Verstandniss des Dichters zu liefern. Denn die Be- 
hauptung mancher vornehmen Geister, dass Uebersetzungen „keine 
wissenschaftliche Bedeutung haben für die Literatur, aus welcher 
abersetzt wird, sondern höchstens für die Sprache, in welche 



Boripidas tmi Donner. 9 

nben^tst and welche ^adnrch eni^tert wfrd^'''),' Vanii bei ientn 
keine Geltung, gewinnen , die sich erinnern ^ welchen mSchtigen 
Einflns» s. B. die Uebertragnngen Ton'Voss einst geübt haben, ftö 
dass Niebuhr*^) Toil Begeistern ng^ schrieb, dass von Vosa „eine 
neue Aera dea Verständnisses des Alt er thnma^^ anhebe. 
Fär ein solches Verstahdniss des Enripidea nun hat Hr. D. man- 
chen beachtnngswerthen Beitrag geliefert, theiis im gelungenen 
Ausdruck der deutsehen Uebersetzung selbst, theiis auch in den 
beigefügten Anmerkungen. ' Ein gewissenhafter und geschmack- 
voller Ucbersetzer nemlrch mnss jede Kleinigkeit sorgsam beach- 
ten, sich überall ftir eine bestimmte Erklärnng oder Lesart ent- 
scheiden, und manchmal sogar erst den Text überhaupt übersetzbar 
machen, wahrend ein Herausgeber öfters liber eine schwierigere 
Stelle .entweder gänzlich hin wegschliipft , oder nur verschiedene 
Ansichten ohne Entscheidung neben einander atellt. Und diesen 
Beruf hat Hr. D. schon längst in seiner ganzen Wichtigkeit aner- 
kannt und vermöge seines Talentes mit glücklichem. Erfolge in Er- 
füllung gebracht. 

Doch mit derselben Freimüthigkeit, mit welcher ich die Vor- 
züge der Donner'schen Uebersetzung kurz angegeben habe, möge 
es erlaubt sein auch das zu erwähnen ^ was mir mangelhaft oder 
der Aenderung bedürftig zu sein scheint Zuerst vermisst man 
bei Euripides nicht minder als bei Sophokles zu jedem einzelned 
Stücke eine kurze Einleitung, etwa in der Art, wie sie Thudfchum 
seiner Uebersetzung des Sophokles beigegeben hat. Es ist dfee 
nämlich für diejenigen Leser, für welche dergleichen Uebersetznn- 
gen zunächst berechnet sind, ein nothwendlges Erfordernisa. 
Zweitens lässt der Mangel einer Vorrede , für deren Wegfall kein 
genügender Grund vorjiegt, den Leser über mancherlei Punkte 
im Zweifel. So unter Anderem in Beziehung auf die Anmerkungen. 
Hr. D. hat, wie es scheint, den Teit von Matthiä zu Grunde 
gelegt, und bat, wo er von demselben abwich , die befolgte Lesart 
oder die gebilligte Erklärung in den Anmerkungen anführen wollen. 
Aber dies ist nur theilweise geschehen und bei nicht wenigen 
Stellen vermisst man eine derartige Aufklärung, wiewohl Im zwei- 
ten Theile die Anmerkungen etwas zahlreicher sind, als im ersten* 
Manchmal ist auch erwähnt, was schon bei Matthiä im Texte steht, 
so dass mau in dieser Beziehung wieder in Zweifel geräth Hieran 
kommt, dass überall, wo Lesarten angegeben sind , Fremdes und 
Eigenes, Altes und Neues bunt durch einander blos mit dem ein- 
fachen i. d. h. Liesa, ohne nähere Rechtfertigung, angeführt wird. 



*) Worte Ton Hans Reichardtin dem mit Selbstüberschätzung 
geschriebenen Werkchen : Die Glieder nng der Philologie. Tü- 
bingen 1846. S. 103. 

♦♦) Vgl. Niebnhr's Brief etc. von K. G. Jacob. S. 12. 



10 GfMiiMh» Litmtn. 

Oft ftber Hr, D. Im Stuttgarter Prognami tm 1844, dts die Uebelu 
■et^ng der Iphigeoie in Aulis bis v. 1084. enthalt, bemerkt hat, 
das« in den kurien Noten auch der Philoiog Ton Fach manche« 
Beachtenawerthe finden dürfte, und dies Urtheil lugleioh von 
der vorliegenden Ueberaetaung gilt, ao hatte er durchana daa 
Binaelne aorgfaltSg trennen und Jedem daa Seinige auertheiiett 
aollen, aumai da diea an vereinaelten Stellen (man sieht nicht) 
nach welchem Principe) geschehen ist. Ich will nur Begründung 
dieaea Urtheila nur Bin Stuck in dieser Hinsicht durchgehen« In 
den Anmerkungen lurlphigeniainTaiuri fuhrt das i. bei Vs. 
15. 65. 110. 17.1 177. 185. 339. 362. 381. 388. 393. 400. 414w 
432. 623. 730. 787. 811. 828.844. 1170. 1190. 1213. 1225. 1228. 
1240. 1390. 1414. von 6. Hermann entlehnte Leaarten auf; von 
Seidler rühren her die Lesarten bei Vs. 186. 462. 855. 1061« 
1080.1305.; von Markland bei Vs. 568.648, 872.; von BIma- 
ley bei 195.399. 461.; vonTyrwhitt bei 361.; von Matthii 
bei 1261. Mit Namen genannt werden nur Hermann au 176. 
und 246., und B o t h e zu 415. und 742. ; Lesarten,*die bereits bei 
Matthiä im Texte stehen, werden angeführt zu Vs. 771. 868. 
077. 1089. 1189. 1305. Bigenthum des Hrn. D. endlich sind die 
bei Vs. 112. 117. 140. 357. 559. 568. 655. 872. 874. 1218. 1424. 
erwähnten und in der Uobersetiung befolgten Vorschläge , wovon 
unten die Rede sein wird. 

Was nun die Uebersetsung aelbst betrifft, ao vermisst der 
Beurtheiler wieder die Vorrede , um über Manches eine Auskunft 
BU erhalten. Wie die Arbeit ihm vorliegt , möchten die Ausslel- 
lungen au vereinzelten Steilen auf folgende Punkte sich zurück- 
führen lassen. Brstens sind manche Verse bios für 
daaAuge berechnet, aber nicht für das Ohr, was na- 
mentlich durch Apoatrophirung herbeigeführt wird. 
Eis ist dies eine Sache, aufweiche die Uebersetzer der Tragiker 
und Komiker noch nicht überall mit der nöthigen Sorgfalt geach- 
tet haben. So steht bei Hm. D. in der Hecub. 24: „Vom Sohn' 
Achi Ileus' hingewürgt. '^ V. 775: ,,Und mordet' ihn, und 
würdigt', als er daa vollbracht, | Ihn nicht des Grabes, schien^ 
dert' ihn in's Meer hinab.'' V. 780: „Und Recht und Unrecht 
atellt' es uns für's Leben fest.'' Auf ähnliche Weise sind apo- 
atrophirte Imperfecta zu lesen v. 1099., Phoen. 1347. 1376. 
1377., Orest, 55.483., Hippel. 337. 1340., Iphig. Aul. 277., Bacch. 
530., Hei. 172. 274,, wo überall der Zuhörer, auch wenn sich der 
Vorleser der möglichsten Deutlichkeit und Schärfe in der Aua- 
sprache befleissigt , nur Präsens formen hört. Einige Härte zu- 
gleich mit theilweiser Unverständlichkeit enthalten auch die Apo- 
strophirungen in Phoen. 571. 679. Orest. 335. 424. Med. 470. 
Iph. T. 337. Bacch. 1220. Andrem. 953. Eine aweite Erinnerung 
dürfte überhaupt vereinzelte Härten und Unbehülfllch« 
keiten in Auadruck betreffen, die beaonders durch 



Eoripidti ton Don«^. 11 

Qaantitit, Wovlitellaiig, Sfttsy6rbfn^uli|f, Zuiafli« 
mensiehnni^^odcr dur chWegUsgnn g einzelner Wllrt» 
chen erzeugt werden. So Hecdb« 14: ,,weder Schild noch 
Lanze ]ft | zu föhren tiogt' icli Knabe schon mit meinem Arm*^ 
▼• 136 : ,,die H e 1 1 a a V o I k: «ich ge<lprert im Tod'« ohne f fi r. 245 : 
,,War Ich esr, der dich rettct\ ana dem Landfe llera'^ ohne Copola. 
289. am Schluas: v^ird aie dein Ansehe doch"*« etc. 531: „daa 
dunlile Bhit | der reinen Jangfran trinite, das wir spenden dir<^, 
ist das dir durch die W<»rt8telIong eben so unpassend betont ala 
988. 1170. Phoen. 404. Ebendas. 92: ,,So warte^ bis ich hier zn- 
Tor umschaue noch>^ 828: ,)Am heiligen Orte, wo sich Gottr- 
heitmir enthüllt '« ohne Artilcel. 881 ,,Prum geh' ich; lebt 
Wohl! Muss es sein, ich Einer will,'' etc. j'wiewohl r. 909. und 
1432. die richtige Messung zu finden ist). 1125: ,,Am siebten 
Thore.'^ 1401: ^^Und senkte mühsam, aber doch, er, der zuvor ) 
gestürzt^' etc. Orest. 458 : ^, Welche Wolke soll | Ich vor mich 
breiten unddesGreises Aug' entfliehn?^« anfffillige Constrne« 
tion, wo der Text hat: noiov iitl7tQ06^6v vttpiyg ^^cofiai^ ^kgov- 
rog ofiftdtfov q)BV'ymv xöpirg; 926: „Und dessen, was euch 
ziemte, thun das Gfegentheil.^^ 1011: „Und aber weh mir! 
für dt 'yd fiak' av^ig- Medea 1: „Dass dfkstre Symplegadeii 
durch das Argoschitf | niemals geflogen wäre'' etc. Ö3U: „lern- 
test Reclit und Sitte hier, nicht höher achten, als Gesetz, die 
rohe Kraft" ist durch die Wortstellung undeutlicher als das Grle* 
chische xal dUf^v Ijclötaöm, vo^oig rs XQ^ö^ai fitj ngSg l^xvog 
Xagiv. Hipp. 667: ,,Der Götter wer wird retten?^' 1242: 
„oder was thun sollen wir dem Armen.^' Alcest. 732: 
„Fremde ... , die bedienend, ich auftrug die Mahlzeit.'* 991 : „dle^ 
ses Weib bewahre mir, | bis ich den König mordet' im Bistoner- 
land.'< Iph. T. 790: „Auf schön Gewebe sticktest du*s, wohl 
weist du noch?'' 1310: „Was enffliehtihrüber Meer?" Bacch. 
232: „Ich kann es nicht beschreiben, wl§ gross seine Macht«'^ 
Cyol. 275: „Freunde, sagt, woher ihr kamt, | von wannen stam- 
met, welche Stadt euch auferzog'' ohne ihr. Hei. 77: ,, Was, 
wer du sein magst, Armer, fliehst du so vor mir,'* wo die grie- 
chische Wortstell ong r/d', iJ takalitCDQ\ ogtig Sv pk Ant^rga- 
q>rig nachgeahmt worden konnte. 994 : „Unmöglich ! D o ch wi ei 
wenn ich, in dem Pallast versteckt,'* etc. Andrem. 171: „des 
Mörders Sohn gebierst du Kinder.'^ 554 : Die Fesseln löset, oder 
trifft euch Ungemach.'* 

Man kann drittens aufiihlen einaelne verfehlte Ans« 
drücke, sei es daaa sie den Geschmack verletaen, 
oder Bweideutig aind, oder undeutlich, so dass sie 
den Leser oder Hörer nicht auf diejenige Vorstel- 
lung führen, welche Im Originale liegt. Einselne Bei- 
spiele: Hecnb. 114: „Zwiefiltlge Meinung theilte des Volks 
Speerkoto digea Heer/' Aber das Volk ist ja «elbst das Heer; 



12 Gri«cliiich6.Lit«ratur. 

Der Text hat iv* 'Ekki^mv ötgatov, alxfifit^v. Phoen. 330: 
„Scbon hat er gegeu sich das Schwert ^suckt, ... verflucht 
beulend seinem Geschlecht'^ für ötsva^fav agag tsxvoig. 
375: „Schlimm freite mich dein Vater, und dann wurdest du.^^ 
ist undeutlich für ipvval %i öL Orest 1263: „Gebt fröhliche 
Kunde/i'' statt dyyskiav. Derselbe Plural steht Phoen. 1321. 
1524^ wo der Text den Singular hat. Med. 684., ,,So sterb' er, 
ist er, wie du sagst, der schlechte Mann^^ für fro vvv. Hippel, 
fi^: ^,Was huldigst da den einem hohen Gotte nicht'l | 
Welch einer Gottheit! Hüte dich for bösem Wort/^ wo Nie- 
mand, wie aus den gricchischien Worten, die Furien heraushört, 
1075: „Nut heulend. legt von diesen Einer Hand an roich'^ wo 
der Dichtet einfach xlalcov hat. Alcest 1025: „Jugendlichen 
Trota zu bändigen | Ist schwer, Herakles, und das Deine liegt 
mir an/^ Ist dunkler und unverständlicher als der Text iya di 
6ov nQ0fi7i%lav Sich. Iph. Aul. 350: „Deine Tochter schlach- 
ten 'S wo Earipides &vöav hat. Dasselbe gilt für Iph. T. 24. Iph. 
lAul. 904: „ich stehe, wie du siehst, ein Weib, | Unter meister- 
losen Banden*' {dq)ly(jtat .*. vavtiitov öxQctthv^ avaQ%ovJ'' 
Iph. T. 571: „Du denn (du bist ja, scheint mir, nicht unedler 
Art) Du sei gerettet'^ für 6v de ist undeutsch. 1133: „Thoas: 
Woraus" erkanntest du die Schuld der Fremdlinge^ Iphigen: 
Ich zieh die Beiden, als das Bild sich umgewandt'^ Ist un- 
deutlich, während das einfache iqXtyxov sogleich verstanden wird. 
Bacch. 293: „Jetzt bist du fern uns; weise, denkst du thöricht 
nur.^^ Erreicht an Verständlichkeit noch nicht das Griechische 
vvv yig nltsi ts Hat q>Qovc5v ovdiv q)Qovelg. Einige Male ist 
JElr. D., ohne Zweifel wider Wissen, auf Reime gerathen, wie 
%. B. Iphig. Aul. 1476: 

„Iphigenia. 
Ihr schuft mich , Hellas' Volk' ein Li ch t ; 
Den Tod zu leiden weigr' ich n i c h t ^^ 
Der Text hat S^gBilfag^Ekkadi ßs qfdog' \ davovöa Ö* ovk dval- 
voyiai. Eben so Iphig« T. 505 : 

„Iphigenia. 

Abscheu für Hellas Söhne, nicht für mich allein! 
Orestes. 

Auch ich empfand sie bitte)*, ihre Buhlerei'n^S 
wo dem Texte dies fremd ist. 

Im Vorhergehenden ist schon ein paar Mal der Fall Torge- 
kommen, dass Hr. D. etwas weggelassen oder zugesetzt hat, und 
gerade diese Weglassungeri und Zusätze, wo sie gegen 
den Charakter der Rede Verstössen, möchten eine vierte 
Erinnerung bilden. Die Auslassung ganzer Verse, namentlich in 
der Medea, ohne dass in den Anmerkungen auch nur die leiseste 
Andeutung gegeben wird, will ich übergehen, da Hr. D. vielleicht 
selbst schon nach Einsicht in die (später erschienenen) Arbeiten 



Guripides von Donner. 13 

TOB Firnhab^r, W its seh el, Klotz anderer MeinoDgist^ und 
will nur in HioBiclit der unpassenden Zusitze Einen Fall er- 
wähnen, der öfters zurücl(l(ehrt. In Anreden nämlich oder bei 
genealogischen Angaben pflegt Hr. D. bisweilen des Metrom's we- 
gen^ wie CS scheint, ein Beiwort hinzuzufügen, wie z. B. Hecab; 
521: ,,Achflleus edler Sohn% (Euripides blos Ttalg '^;t^AAic9s), 
und bringt dadtiri:h in die tragische Kede suf unpassende Weise 
ein episches Moment hinein. So findet sich gerade das Epitheton 
edler, wo der griech. Dichter es nicht hat, hinzugesetzt: Phoen. 
18^. 289. Iphig. Aul. 48. Iph. T. 74'). 1369. Hei. 328 (vgl. 308). 
Andrem. 20. 840. 1101. Auch auf andere Zusätze stösst man, wid 
in der bekannten Stelle Phoen. 462:. „Das Wort der Wahrheit« 
Mutter, ist einfach und schlicht^% wo aber durch den Znsatz der 
Gemeinplatz, dessen Einflechtung bekanntlich zu den Charakter- 
zdgen des Euripides gehört, getrübt wird. Manchmal ist zugleich 
das Bild umgewandelt, wie Bacch. 1165: „Pantheus entbluht« 
meinem Schooss, sein achter Sohn^^ für lliv^Bvg ifiy xb xal 
naxQog xoLvavia. Doch es bedarf für einen solchen Meister ia 
der Uebersetzungskunst, wie Hr. D. ist, nur eines Winkes, wenn 
er anders die Erinnerung für begröndet hält« 

Mit dem, was bis jetzt bemerkt worden ist, hangen zusam- 
men ein paar Provinzialismen und eigcnthiimlich« 
ausdrücke, die dem Leser oder Hörer auffällig sind. 
So Hecub. 31 : „Der Mutter wegen waudl' ich um^^ für atoöof. 
Eben so Phoen. 685: „Ich schweifte lang' um.^^ Orest. 207: 
„Was irr' ich umt^' 677: „In tausend Muh'n umirrcnd.^^ Hei. 
1157: „Wo trieb er um.'^ 1578: „Menelaos, der so vielfacli 
um geirrt. ^^ Ferner Hecub. 210: «,mein schmShIiches Looa 
Jammr^ ich.^^ 435: „reck* aus die Hand!^' (iKtstvov x^'i*^)- 
770: „der nicht die Götter drunten, noch die oberen Gefürch- 
tet.'' Phoen. 976: „Als ich, der Mutter früh beraubt, ein Waise 
ward. :' 12^1; „nun gilt dein Kampf die Stadt.'' Iph. Aul. 7'2U 
„warte dort den Mädchen ab.'^ (naQ^ivovgtijfiikei). 910: „Mit 
Maasse lernt' er.'' Iph. T. 147: „Da den Bruder ich weint' In 
einsamem Gram ! " 753: „Was sag' ich, Freund^ Wo sind wir, 
wo verirrten wir?'- («ov xot ov&* BVQti(tt9a\)> 1120: „Von 
freiem?" (avrdfiatoi;). Bacch. 814: „erscheine mir, um- 
hüllt der Bacchen Festgewand", ohne die Präposition mit. 
Bacch. 890: „Wo stillweiser Sinn der Stetblichen ohne Wink 
sich zu dem Göttlichen gewandt*', für das dn{^oq>a0i6Tos» 1148: 
„Weh! Wann ihr einst erkanntet, was ich frevelte", ist in sol- 
cher Verbindung, wo es auf die Vergangenheit in der Zukunft 
(ipQOvi26a6ai • . aky^öBTs) gehen soll , auffällig. Eben so Iph^ T. 
1402: „Und wenn du kamst^' etc. (fürorai;— fcoA^g). Hei. 807: 
„lasset ...des Tantalus Gescblech^e glücklich werden" (yivog'td 
TavrdksLov), 1446: „Ihr Jammervollen, wie zertrümmert* 
euer Kiel?" in intransitiver Bedeutung. Androm. 314: „Ob deines 



l4 Griaohiflche Literatur. 

Freveli halben.^ 1164: „Und ehe stand mein Sinn so hodi.^^ 
Anderes ist iweifelsohne ein nicht angesd^^r Drnclcfehier, wie 
Iph. Aul. 227: ,,wir salin den . . WunderanbUclc, dass unser Auge 
sich sättige'' sUtt sättigte (cSg «kiiöaifii), oder die fehlende In- 
ttrpunction ibid. 388. und andere Kleinigkeiten. 

Es bleibt endlich noch übrig suerwähnen, dsss Hr. D. b i s w e i - 
len falsche Lesarten befolgt "oder den Sinn einer 
Stelle verfehlt hat. Man darf aber hier nicht vergessen, 
dass Hr. D. bei der Uebersetsung des ersten Bandes , namentlich 
bei dem Orestes i» den Phönissen und der Medea, die erst spater 
erschienenen Leistungen von Hermann, Firnhaber, TVitzschel, Klots 
u. A. noch nicht benutsen konnte, sondern im Wesentlichen auf 
die Matthifi'sche Ausgabe beschränkt war, und dass er daher bef 
einer neuen Ausgabe eine Reihe von Stellen von selbst andern 
werde. Ich will deshalb blos ein paar Stellen von der Art berüh- 
ren, wo man nach den Hüifsmitteln , die dem Uebersetzer schon 
vorlagen 9 etwas Besseres erwartet hätte. Medea 40 f. ist über* 
setst: „ich fürchte sehr, 

Sie schleicht in's Haus her schwelgend , wo ihr Lager steht, 
Durchbohrt mit scharfem Stahle sich die eigne Brust'' 
also ßöy (pdöyayov di' ijnatagi wo kein Pronomen dabeisteht, mit 
Matthiä auf Medea selbst bezogen , da doch der Zusammenhang 
als Object offenbar die Tochter des Kreon verlangt. Vgl/ 
Klotz p. VIII sq. — V. 134: ,.Sie hat noch nicht sich beruhigt?" 
Tilgung des Frsgezeicbens durch Elmsley u. A. — V. 143 : „mit 
freundlichem Zuspruch mag der Gespielinnen keine sie trösten *' 
ist doppelsinnig, da der deutsche Leser hierin nicht findet, was 
die griech. Worte {ovdsvog oväsv nccQa^aXnoniva (pQSva iiv» 
9oi^ besagen, dass nämlich Medea keinen Trost annimmt. — V. 
279: „bevor ich euch aus meines Landes G ranzen trieb'^, wo 
Earip. ssgt ngiv Svöb. .ßälm. ~ V. 693 (708): „Den Worten 
nach nicht, doch im Herzen wünscht er es." Eben so Fix; aber 
das passt nicht in den Zusammenhang. S. bei Klotz. — V. 709 
(724) : ^,So werd' ich gastlich euch empfahn, wie billig ist", 
ist matt. Der griech. Dichter hat die persönliche Beziehung 31- 
xaiog mv. — Hippel. 32 f. ssgt Aphrodite von dem durch Phädra 
errichteten Tempel: „nach Hippolytos 

Ihn nennend, wie er künftig auch sich nennen soll". 
Das wird ein deutscher Leser nicht recht verstehen. Der Text 
hhXx'lTcnolvtiXi d' Im \ln\ cf. Lehrs Qu. Ep. p. 75.] %o Xomov 
üvofiaisv Idp^tfdcrt dsav, d. h. sie verkündete, die Göttin sei fort- 
an zu Ehren des Hippolytos errichtet. — V. 694. (702.) lässtHr. 
D. die Phädra sagen: 

„Kann dieses mir gefallen , ist es wohlgethan, 
Wenn die mit Worten hadert, die mir Wunden schlugl^^ 
Aber das-Iiegt nicht in avyxagiiv Xöyoigy sondern etc. dass du, 
nachdem da mich verwundet hast, dies eingestehst? 



Eoripidis faboko ««IficU»» MOOfu. WitsscheL 15 

d. L BUgiebftt, dast meine Wo^rtevahr ■eiefl.U-t^V. 
1046. (1057.) sag! fheaeui la Hippolytoa nach Herrn Donnen 
Uebersetzong : 

,,Die Tafel hier, die keine Seherieiclien liat, 
Zeugt auganscheialich gegen Didi/^ 
wihrend das Original (i; deixog ^8b hX^qw qv iid^yiihni xtL) 
besagt, dasi der Brief keine S^henaichen aulaaae. — Aleeat 
64d. (662*) wird geleaen: 

^Denn andre Kinder sengst du «oM nicht mehr ao achneO.^ 
Das liegt nicht in dem griechiacben toiydg ipvtavoip natdag e^- 
9M avApdavoiSi ^o Pf lugk das Richtige hat. — V. 810 (830): 
„Siehst du in der Vorstadt ihr geglättet TodtenmaL^^ Bnrip. hat 
lumgoa^zlov^ ausserhalb der Vorstadt. -~ V. 1003. (1032.) 
spricht Herakles in dieser Ueberselzung: 

,,Anch eine Jungfrau folgte; nun ich die gewann, 

So w8r* es sehm'ähiich, Hess' ich solch rnbmYoüen Preis,^^ 
Das Ist gegen den Text: ivtvx6vvv 81 | alöXQOV nagBlveci. xigdog 
fy> toS* ivxXBigy der sich auf die Zeit des fingirten Kampfes be- 
sieht, so dass Ji/rv^ot'tfft bedeutet: ^^mir, der ich gerade dort 
war, war es schimpflich, diesen herrlichen Gewinn zu vernach- 
ISssigen.*^ -^ V. 1068 (1097): „So nimm das edle Mädchen liier 
an deinen Heerd.^* mch der fehlerhaften Vulgata yhvvalav^ 
Bas Ton den besten Mss. gelu>tene yevvatov hat bereits Hermaon 
eingeführt, dem die spätem Herausgeber mit Recht gefolgt sind. 

Doch genug. Einiges dieser Art aus dem zweiten Bande soll 
weiter unten angeführt werden. Hier muss nur noch die BemcT'* 
kang hinzukommen, dass, wo ein Ganzes in solcher TrefiSücbfceit 
dasteht, wie diese IJebersetzung, die Natur der Sache zu erfor- 
dern schien« auch kleine Flecken zu beriihren, die der gelstreiche 
Blick des Hrit Donner mit Leichtigkeit tilgen wird. *— Ganz auf 
das Scbulterrain fuhrt die Betrachtung von 

Nr. 3. Diese Ausgabe ist für Schulen empfeUnngswerth, da 
der Verfasser besonders ein umsichtiges Maasahalten reratandoi 
hat. Auch giebt diese Bearbeitung einen neuen Beweis ffir die 
Wahrheit) dass nur deijenige eine zwecknM'ssige Schulausgabe an 
Uefern im Stande ist, der vorher gründliche DeUUstudien für den 
Autor unterqommen hat. . In Hinsicht auf Buripides aber haben 
die Ldstungen des Herrn ÜVit^aeliel schon mehrfach die wohl« 
verdiente Avwkennung gefunden« Gs aaU daher die nachstehende 
Qciurtheilung eingedenk bleiben .der Worte in Ipb. Aul. 979: 
MvoviitVQ^ yäg äyatol zgdstov üvd 
^i0ov6l tov^ aivoiivtagj ^y alväo* äyav^ 
und nur diejenigen Punkte beriihren, die mir der Verbesserung 
bedürftig Schemen. Es sind dieselben theils formeller, theiia 
materieller Art. Bei beiden Arten aber schehit es zweck- 
massig au sein, aof die sorgfiUtige Benrtheiluag dieser Arbeit durch 



16 Grioohkche Uteratar. i • 

deiitreffliehen R. Ran eben Atel o in Mager's Pädag. Reffie^) 
Rückaicht 2a nebnen und daa zu übergehen^ was scbon dort mit 
Recbt, wie ich glaube, erinnert worden ist« In formeller Bezie« 
bung ist zunäcbat zu «rwabnen , data Hr. W. in mancber Inter- 
punctioti und Schreibart ailsb nicht con8eq[aettt bleibt. So findet 
man z. B. vpr dem pronom. relativ, öfters ,Oomma gesetzt (Ipb. T. 
6244 730.), aber dasselbe auch weggelassen, wie Ipb. T. 753. 767. 
773. 790. Hippol. 920. 1063. Alcest. 59. 194. Dasselbe findet 
Statt', wo ein und dasselbe Wort gleich zweimal hintereinander 
folgt. Da ist Comma bald gesetzt (Ipb. Taur. 150. 869. 881.i bald 
wegg<aas8en (138. 393. 402. 835. 864. 1435.). Das Wörtchen 
ac^ steht mit jot.subsc., Hipp. 673. Ale* 213. und ohne dasselbe 
Ale. 864. Da9 v am Versende igt wilikübrlich gesetzt und weg« 
gelassen , letzteres selbst da, wo es in der elneri oder der anden» 
Handschrift steht. Man vergleiche beispielshalber Hippol. 28. 
115.623. Ipb. Taur. 279. 356.680. 1013. 1312. 1428. Alcest. 
17. 267. 354. 436. 564. 905. 957. und wenn Hr. W. zu Iph. T.- 
987. gar noch ausdriicklich bemerkt : „ Ini^i^tv. sie scripsit Her- 
mannus ex Aid., nostram autem scriptnram ilni%B0%] habet code 
Par. A.'% so ist dies zum Mindesten auffällig. Denn wer dien kri- 
tischen Apparat zum Euripidcs nur oberflächlicb eingesehen hat^ 
der weiss, dass die Varianten noch keineswegs mit solcher Ge- 
nauigkeit überall aufgeführt sind, um über Kleinigkeiten so sicher 
entscheiden zu können. In dieselbe Kategorie gehört das in Ale. 
i62i von Hrn. W. niit ausdrücklicher Angabe aus A. aufgenommene 
^tLTfjv^ato und 171. arpogi}i;|(XTO , wahrend er in' der Iph. Taur. 
überall (21. 269.629. 1398.) das Augment weggelassen hat. Aehn- 
lieh liest man Iph. T. 599. 6vfAq)0Qdg und 606. ivfiq>0Qäsj 1135. 
TCQf&gav^ dagegen 1350. scp^^av, Siä navTog getrennt Ale. 888., 
aber dtaxavxos Ipb. T. 1117. Den Accent der Präposition in der 
Tmeisis zurückgezogen in nigi Iph. T. 1145., dagegen int 1276. 
u. 8. f. Das Alles sind Inconsequenzen , die sich Hr. W. hat zu 
Schulden kommen lassen , die aber zugleich auch seine Stereotyp- 
ausgabe und den Text des Hrn. Fix betreffen. 

Eine zweite, das Formelle betreffende Erinnerung bezieht 
sich auf diejenigen Bemerkungen , die von Andern entlehnt sind. 
In denselben kommen nämlich bisweilen Citate vor, die Hr W. 
nicht nach der Verszahl seiner Ausgabe geändert hat ;^ ja man fin- 
det überhaupt nicht wenige Noten , die Hr. W. entweder wörtlich 
oder mit geringer Veränderung von Andern genommen hat, ohne 
deren Namen zu nennen. Ein solches Verfahren, das schon 
Klotz in einigen Stellen der Medea an Hrn. W. gerügt bat, bleibt 
immer eine Ungerechtigkeit, um nicht zu sagen eine Unredlich- 



*) Der HippolytOB i«t beartheilt im Jahrg. 1844 Bd. 8. S. löOff.' 
und die Ip big. Taur. im MärzhiBil 184öS. 268— 277. 



Earipidis fabulae s^tectae, recogn. Witsschel. 17 

keit ,So sind, nm nur ans der Iph. Tanr« Beispiele zn entlehnen, 
von Barnes die Note lu vs. 124., von Bothe sn 854. 898. 918. 
930 extr. 1093. 1142. 1447., von Brodaeus zu 173. 225. 230. 
266. 382. 692. 911. 1181. 1414 extr., von Dindorf zu 351., von 
Elmsiey zu 91.343. 1083., von Greverus^) die Noten zu 
223.966., von Heatli 122. 1097. 1424., von Markland 323.362. 
439. 742. 1112. 1137. 1159., von Matthiä 566. 819. 932. 1068. 
1161. 1280. 1469. 1470., von Musgrave 6. 261. 372. 416. 422. 
1393. 1462., von Sander 295. 558. Am häufigsten aher ist aus 
den beiden Ausgaben, deren Verfasser nicht wenige wörtlich ent- 
lehnte Noten mit beigefügtem Namen, der Natur der Sache nach, 
liefern mussten, auch ohne Namennennung geschöpft, näm- 
lich von Seid 1er zu 70. 205. 219. 226. 306. 343. 501. 722. 725. 
737. 756. 804. 939. 964. 967. 1010 extr. 1091. 1093. 1095. 1174. 
1234. 1321. und von Hermann zu 45. 58. 192. 250. 258. 300. 
335. 374. 419. 452. 482. 532. 636. 645. 649. 670. 680. 687. 690. 
78&. 831. 836. 895. 907. 1037. 1042. 1055. 1109. 1117. 1190. 
1196. 1288. 1304. 1490. 

Eine dritte, auf das Formelle bezügliche Erinnerung trifft 
nicht sowohl Hrn. Witzschel, als vielmehr den Corrector. Et 
lässt nämlich die Correctur eine grössere Genauigkeit wünschen, 
was hei Schulbüchern nicht gleichgültig ist, da der Schüler ge- 
wöhnlich nur die Eine Ausgabe hesitzt. So enthält die Iph. T. 
ausser den von Raiichenstein bereits angezeigten Druck- und 
Schreibfehlern noch folgende Im griech. Texte: Y. 146 in ptoX- . 
xaiöv ist der Accent verdruckt. V. 258 ovti st. ovdi. V. 316 
xkiiSfDva st. xkvd, Y. 429 iyxvxXiov st. iy^ivxklois (wie die Note 



*) Würdigung der Iphig. auf Tanris des Buripides 
etc. nebst Bemerkungen über den griechisehen Text. Ol- 
denburg 1841. ■ Es hat zwar Greverus hier, wie äberall, im Grammati- 
schen viele Schwächen und entschiedene Irrthumer gezeigt, aber im Lexi* 
kaiischen und Aesthetischen hat er doch manche richtige Bemerkung und 
einzelne gesunde Gedanken vorgebracht , und diese muss man ihm lassen. 
Hr. W. hat auch dieselben herausgefunden. So sagt z. B. Greverus zu 
966 (944 ed. Herrn.) : „(oXcvi}. Das Wort fehlt bei Schneider und P a s- 
sow Inder Bedeutung: Hand, wie es hier vorkommt, in welcher das 
Btymol. M. es anfuhrt als ßQuxicoVj nalafiri, in weicher auch das lateini- 
sche ulna vorkommt, z. B. Ovid Metam« IX, 651 u. a. a. O." Diese Be- 
merkung hat Hr. Witzschel so ausgedruckt^ mXivri hoc loco significat ma- 
num, quae quidem significatio eo magis notanda videtur, quod in lexicis 
omissa est. Agnoscit eam Etym. Magn. p. 821. 37: dXivat, txl x^^^Q^St <^^ 
9tccXtt(iai, Similiter utuntur Latin! substantiTo ulna. Ovid. Metam* IX. 
652.'< Nun hat Hr. B o t h e ^diese Bemerkung mit Unrecht Hrn. W. bei- 
gelegt. Hierher geboren selbst Conjecturen, wie z. B. Ale« 810 id'vsiog^ 
was bereits Donner vorgeschlagen hat. 

N. Jahrb. f. PhU, ». Päd. od. Krit. Bibl. Bd. L. Uß. 1. 4 



18 ' Griechische LitemUir. 

beweist). V. 642 HavaXotpvQOßa^ nt xavoX, V. 668 agieösi «t 
^giööoi. V. 731 fii} dnovo0ti]0ag fit. fii} '^ov. V. 792 fehlt Spir. 
len. V. 896 tt st. %l. V. 946 di)v st. «ij. V. 1046 a. B. Punkt st. 
Fragezeichen. V. 1082 cS st. cj. V. 1105 Movöag. V. 1214 eiJ- 
Korüß st dx. V. 1225 u. V. 1322 a. E. fehlt Punkt. V. 1317 tp^g 
st. 9))|^ \.l339g>6vovBt(p6vov. V. 1345 a. E. Pänkt st Comnuiw 
V. 1354 dsslöo^sv St. igslS. Y. 1431 Utogag st. Xat. V. 1485 
V]^c3i^ st« vB(Sv. Nicht wenig;er sahireich sind Schreib- und Dnickr 
versehen in den Noten und in den beiden andern Stücken. 

Doch ich wende mich lieber m dem, was oben die mate- 
rielle Seite der Qearbdtungr genannt wnrde; und da ist sunächst 
au erwähnen n dass Hr. W. seinen ursprünglichen PJan hiit dem 
dritten Bäudehen stillschweigend insofern abgeändert hat, als er 
erstens aur Alkestls eine besondere Einleitung nber den Gang und 
Charakter des Stückes hinzugefügt und zweitens handschriftliche 
Varianten , von den Noten getrennt , mit aufgenommen hat. Das 
erstere halte ich für einen wesentlichen Fortschritt, da ohne eine 
derartige Einleitung kein Stück dieses Tragikers von der Jugend 
verstanden werden kann; das zweite aber scffa eint für dieae Be- 
arbeitung gröastentheils zweckwidrig und nutzlos zu sein. Dean 
es sind eine Menge Varianten mit aufgezählt , die zwar für den 
Philologen ein specifisches Interesse haben, für den Schüler aber 
gar kein Bildungselement enthalten. Die wenigen Varianten , die 
man ausnahmsweise auf ähnliche Art mit Schülern behandeln 
kann, waren viel zweckmässiger, wie es Hr. W. in den beiden 
ersten Bändchen gethanhat, gleich in den Noten zu verweben. 
Aber es scheint überhaupt, als hätte Hr^ Vf, in der Alkcstis zu- 
gleich den Gelehrten mit berücksichtigen wollen, da er Citate 
bringt, wie z. B. V. 116 Boeckhii Corp. Inscr. V. 146 Matth. ad 
Jon. u. a , die ein Schüler beim besten Willen nicht nachschlagen 
kann. Es wäre daher za wünschen , dass Hr. W. bei Bearbeitung 
der folgenden Bändchen zu seinem ursprünglichen Plane zurück- 
kehrte , nur dass er jedem Stücke die nothwendige Einleitung vor- 
anstellte. Dle)enige, welche er mit Benutzung von 61 um's Ab- 
handlung und Härtung 's Entwicklung im Eur. rest.der Alkestls 
beigegeben hat , ist sehr angenehm zu lesen und dem Zwecke der 
Ausgabe entsprechend, wenn auch Hr. W. selbst, nach der Lec- 
türe von Köchly*s Charakterisirung des Stücks (laPrutz Litt 
Taschenb. 1847), jetzt vielleicht Manches anders wünschte ♦). Zu 
berücksichtigen war in diesem Stücke ausser Andern auch V. 472 



'*') Druck- und Schreibfehler sind p. V. i. Z. at at, et. p. VI. Z. 8 
y. u. dofinm tt. domtuu. p.-XV: acrede st. accede. p. XIX.: veilam at. 
veiuro. p* XX t unt st. ut undista st. ita. p. XXI: fpicpsvysv. p. XXU 
das in einem Satze zweimal gesetzte convenire und hanc potitsinnim st. 
baec potiss. 



Emripidis fabolae selectae, recogn. WitzBchel. 19 

der Wniiflch des Chores, der aus Greisen* besteht, dsss ihm eine 
sa jugendliche und treffliche Gattin su Theil werden möchte, sls 
Alkestis war« Dieser Wunsch erweckt hier ein ganz anderes Ge- 
fühl f als ein ähnlicher in den Phoeniss. 1060. 

Ausserdem ist auch der Excnrs su loben , den Hr. W. De 
Graecorum funeribua seiner Ausg. der Alkestis hinzugefügt hat; 
nur hätte er die beiden Hauptquellen, aus denen er geschöpft hat, 
nennen sollen, nämlich Becker im Charikles II. B, und Prel- 
ler in Pauly's Real-Encycl. III. B. \miet funua. Bei den Worten 
S. 116 : „cadaver veatitu candido circumdabant^^ ist wohl ein ple- 
rumque einzusetzen (wegen der Nachricht bei Lucian Incred. 32. 
mit SchoL und beim SchoL in Aristoph. Ran. 1336.) und bei Er- 
wähnung des TodtenmahlesS. 122 ist der griech. Name jcbqU 
ÖBinvov verdruckt. S. 116 i. Z. Lurianum st. Luc« und S. 120 
MvilBvg st. nvilovg. 

Was sonst über die Erklärung des Einzelnen , wie sie in den 
drei Stücken vorliegt, im Folgenden gesagt werden soll, das dürfte 
auf folgende Punkte sich zurückfuhren lassen. Erstens sind 
manche Erklärungen zu vag und ermangeln der nöthlgen Schärfe. 
Aber gerade in der genauen und scharfen Entwicklung der ein- 
zelnen Begriffe auf heuristischem Wege hegt ein wesentliches Bil- 
dungselement, das diejenigen übersehen, welche die alten Ciassi- 
fcer in den Gymnasien einzig und allein vom historischen 
Standpunkte aus behandelt wissen wollen ' Zweitens wäre statt 
mancher Uebersetzung einer ganzen Stelle besser nur die kurze 
Erklärung des bezüglichen Wortes gegeben oder auch überhaupt 
eine aufgenommene Note lieber mit einer andern vertauscht wor- 
den. Es ist dies ein Punkt, der nur durch praktische Beobach- 
tung der Jugend und durch den Gebrauch dieser Ausgabe aus der 
subjectiven Sphäre zu einem objectiven Standpunkte erhoben wer- 
den kann. Hierher gehört auch drittens das Urtheil über das zu 
Viel oder zu Wenig, in welcher Hinsicht Hr. W., wie gleich An- 
fangs gesagt, das Maasshalten ausgezeichnet verstanden hat. Nur 
hätte einige Male statt der grammatischen Note , die nichts Neues 
bietet , ein blosses Citat auf die erste beste Schulgrammatik aus- 
gereicht.' Man sollte doch endlich einmal aufhören , die bekann- 
ten grammatischen Sachen, die jetzt In jeder der gangbaren Gram- 
matiken stehen, in den Commentaren ausführlich zu wiederholen. 
Endlich sind nock vereinzelte Sparen von Flüchtigkeit zu erwäh- 
nen, so wie Stellen, in denen die befolgte Kritik und Erklärung 
zu abweichenden Ansichten auffordert. 

ich will nun das, was bisher im Allgemeinen geurtheilt wurde, 
dadurch begründen, dass ich Ein Stück, die Taorische Ipbigeule, 
etwas genauer durchgehe, und dabei nicht nur die bisher bespro- 
chenen Werke der Herren Fix, Donner und Witzschel, wo 
der Einzelne zu einer Bemerkung Veranlassung gicbt, vergleichend 
berücksichtige 9 sondern zugleich auch die unter 

2* 



20 Griechifiche Literator« 

Nr. 4 verzeichnete Ausgabe des Herrn Bothe bisweilen her- 
beiziehe. Die Bearbeitung der Dramatiker, welche der letztere 
geliefert hat, braucht nicht erst genauer charakterisirt zu wer- 
den , da seine Ausgaben seit Jahrzehnten vielfach in den Schulen 
gebraucht worden sind. Mich drängt hier das geschichtliche Be- 
wusstsein nur zu der Einen Bemerkung, dass man in der jüngsten 
Vergangenheit Ilrn« Bothe zu sehr herabgesetzt und mit Leutea 
verglichen hat, die er an Geist und Gelehrsamkeit weit überragt. 
Ohne die Schwachen der Bothe'schen Ausgaben zu verkennen oder 
der maasslosen Härte gegenüber eine räparation d'honnetir für den 
verdienstvollen Mann zu schreiben, muss der unparteiische Schul- 
mann doch zugestehen , dass Hr. Bothe eine Menge sehr guter 
und selbstständiger Bemerkungen geliefert hat und dass die 
Kenntnissnahme derselben sogar einzelne unzeitige Conjecturen 
von Andern verhütet haben würde. Und — das ist das zweite 
Moment — die Erfahrung wird zeigen, ob manche stolze und vor- 
nehme Geister, die jetzt Schulbücher schreiben oder recensiren 
und dabei auf Hrn. Bothe ohne Riicksicht auf Chronologie einher- 
fahren, mit Herabsetzung ihrer Vorgänger im Stande sein werden, 
die Liebe zu den altklassischen Studien in dem Grade mit aufrecht 
zu erhalten , als es die Herren Bothe , Möbius, Billerbeck ohne 
Herabsetzung ihrer Vorfahren zu ih rer Zeit vermocht haben. 

Ein gerechtes und billiges Urtheil über Hrn. Bothe hat R. 
Rauchenstein gefällt in Mager's Pädag. Reviie Januarheft 1844; 
und was dort über die Iphigx Aulid. gesagt ist, das gilt auch von 
der vorliegenden neuen Ausgabe der Iphlg. Taur. , bei deren Be- 
sorgung Hr. Bothe die Arbeit von Hermann sehr wenig, die von 
Hrn. Witzschel etwas mehr benutzt und ein kurzes aber inter- 
essantes Vorwort vorausgeschickt hat. Ich komme nun , mit Be- 
rücksichtigung aller vier Ausgaben, zum Einzelnen« 

V. 9 hat Hr. D. das a)s SoTihl unrichtig übersetzt; „so glaubt 
man^^ statt er, nämlich Agamemnon, denn es ist verschieden von 
aJg 8ogag6tat V. 831. Ferner hätte neben Matthiä's Note zu 
jcABti/ats Iv Mtvialöiv AvklöoSi welche die Herren B. und W. 
aufgenommen haben, auch die dichterische Beziehung des Epi- 
theton xleivaig^ nicht xIblv^s^ ein Wort verdient. Lob eck zu 
Ajax V. 7. Das folgende övvijyayB hat Hr. F. contraxit übersetzt 
statt contraxerat, V. 15 sind die Herren F. u. W. auf dieselbe 
Conjectur verfallen : dfitviys d' dnkolag, nvBV(idtcDV ov tvyxavfov^ 
wozu der Letztere In Beziehung auf den Genitiv öblv. anX. ver- 
gleicht Hom. 11. V. 470. und 523. (die crsterc Stelle ist unrichtig). 
Aber dieselbe scheint mir wegen der langen Sylbe in ov an dieser 
Stelle »doch wohl bedenklich. Eine zweite Conjectur des Hrn. 
W., dtiv^g *' dnXoCag xv6V(ittta)v xb tvyxdvov, die der Urhe- 
ber selbst seiner ersten vorzieht und durch ÖBtvcSv nvBviidtav 
erklärt, dürfte wegen der hier harten Erklärung noch weniger 
Beifall finden. — V. 27 spricht Hr. W. über den, gewöhnlich 



Zar Literatar des EuHpides. 21 

darch de conaiu bezeichneten Gebrauch des Impft, ixaivoftfiv 
mit Vergleichung: von 359 [360], und v. 8. [wozu ?. 60. 541. 920. 
992. 1356. 1365 hinzulcommeq konnten] und Beifügung der Her«' 
mann'schen Begründung. Dafür hätte hier, so wie v. 52. 357 u. 
anderwärts , eine blosse Verweisung auf eine gangbare Grammatik 
ausgereicht. Uebrigens waren hier, wenn einmal die Sache spe- 
ciell erläutert werden sollte, auch andere Ansichten zu beachten, 
Wie die von H. Schmidt doctr. tempor. partic. IV. p. 21 f. und 
jetzt Bau ml ein Ueber Modi etc. S. 59. Aehnllch war v. 52 ne- 
ben den ,, scriptoribus Graecis'^ ein et Latinia [Bei er zu Cic. 
Offic. 1. p. 50.] hinzuzusetzen. — V. 54 übersetzt Hr. D. : „ Ich 
wusch die Sänl', als müsste diese sterben, rein.*^ Seltsam! 
vÖQaivBtv heisst nicht reinwaschen, sondern humectare^ con- 
spergere^ wie Iphigenia v.*58 selbst erläutert. Auch v. 59 ist 
durch das ,,doch nicht wohl^S ^'o ^cr Text ovo* av hat , das Pas* 
sende, verfehlt. — V. €0 nimmt Hr. B. mit Reiske nach or cäA- 
Xvfiijv lyd eine Lücke an und setzt das Zeichen dafür: „ nam 
quae significävit, ad neminem propinquorum spcctare sibi videri 
illud somnium, eadem jam de unotantum dicit, Strophio.^^ Da- 
her der Schluss: „interciderunt igitur aliquot versus, in quibus de 
aliia propinquis suis quaedam addiderit Iphigenia.^' Aber an wen 
sollte denn Iphigenia noch denken? Dass Menelaus keinen Sohn 
hatte, war bekannt, an diesen also hätte sie nicht einmal denken 
können. Sodann sagt Iphig. auch nicht üq ovdeva q)lk(Dv^ sondern 
bloss Big q)lkovg. — V. 62 ist es , milde gesprochen , höchst auf- 
fällig, wie Hr. B. die Emendation von Canter nagovö* dnovti, 
verschmähen und dafür nagovöa ndvtrj setzen konnte , indem er 
ndvtrj m\i ßovkofiaL dovvai verbinden will, was abgesehen vom 
Sinne schon durch die Wortstellung widerlegt wird. — V.65 giebt Hr^ 
F. seinen Text h^ altlag ovtkx) t ivog naQuOiv, [mit Pnnct] bIih 
xtL für Hermann's „palmaria emendatio^^ aus. Aber dieser hat 
zugleich auch rlvog nccgtiötv^ mit Fragezeichen, was alle Spätem 
mit Recht angenommen haben, und nur Hr. B. nicht einmal der 
Erwähnung für werth hält. Allein Hr. B. hat überhaupt an vielen 
Stellen, wo seine Vorgänger bereits das Richtige gaben, noch die 
fehlerhafte Vulgata beibehalten. So z. B. v. 1: UlOav, v. 14: 
'Eksvy. V. 48: jriTvdvra. v. 75: t'axQo^lvLa. v. 79 und 294. 299: 
'Egivvvcov. V. 250: avivyfp, v. 901: xal xkvovö'. v. 932: jjy- 
ysX7]g. V. 1109; ivl vavöiv, u. s. w. An der Stelle, von der wir 
ausgingen, hat Hr. D. übersetzt: „GehMch denn in's Haus hin- 
ein,. . . meiner Göttin Heiligthum^S bat also, wie es 
scheint, Hermann's Erklärung übersehen, zu der man v. 635 ver- 
gleichen kann. — V. 70 JW 'Agyo^tv . . . l6xükap,BV\ erläutert 
Hr. W. nach Seidler: „9110 tetendimus navemque appellerc in 
animo fuii,^^ Deutlicher wäre wohl ycvjus causa Argis (pro- 
fecti) navem appulimus^' wie v. 1040: ßgetag, Ig)' o mnXevxa- 
UBV. und V. 1388. Sodann haben an dieser Stelle Alle die Vv^\A- 



22 Griechische Literatur. 

schriftliche Legart, durch welche die Stichometrie verletzt wird, 
stillschweigend beihehalten; nur Hr. W. sucht dieselbe r. 76, wie 
mir scheint, nicht g^cnögend tu Tertheidig;en. Er sagt, Orestes 
erscheine bei seinem Auftreten furchtsam, und diese Furcht pflege 
Pylades in seinen Antworten zu vermehren nnd zu bestäti- 
gen (augeatatque confirmet). Ich sehe nur das zweite, esimdsste 
denn dem, der in hoffnungsloser Lage blos die Rolle des Bei-^ 
stimmenden spielt, die Schuld der Vergrösserang beigemesseh 
werden können, was ungerecht wfire. Daher, fahrt Hr. W. fort, 
ermahne Orestes v. 76 mit ak?! iyxvKkovvt 6q}^ccXfi6v ai 0X0- 
nslv %Q€G}v seinen Geföhrten von Neuem.,, ut omnia circnmspiciat 
caveatque^ ne ab incolis deprehendantur^^. Aber das zweite kann 
nur mühsam in diese Worte hineingelegt werden. Hatte der Dich« 
ter dieses gemeint , so würde er wohl deutlicher gesprochen ha-> 
ben. Es bleibt nun de^ abrupte Uebergang zum folgenden S 
Oolßs xrA. übrig. Diesen sucht Hr. W. zu erklären, indem er 
nach den bereits angeführten Worten gleich fortföhrt: „Quod 
facturus Pylades ad templum accedit ; Interim Orestes in ante- 
riore proscenii parte relictus ea dicit quae sequontur, exponens 
sui adventus causam. Qua enarrata se deinde v. 94. iteram ad 
Pyladem convertit^^. Aber erstens, in welchen Worten Ist der 
Gang des Pylades zum Tempel angedeutet? Und wie stim- 
men zu dieser Annahme t. 97 die Worte nozBQa do^dtcov Ttgog^ 
außdöBig iKßfjöOfisöQ'a'j zweitens: aus welchem Verse des Dich- 
ters darf man schliessen, dass gerade am Tempel der Platz 
gewesen sei, wo man am besten das Herankommen von Leuten 
auf der Strasse habe beobachten können? Ich gestehe, dass mir 
die ganze Vorstellung von der Sache , die Hr. W. sich gebildet 
hat, nur als eine moderne, auf Theätereffekt berechnete Decla- 
mation erscheinen will. Ich kann mich In den Zusammenhang die- 
ser Stelle nicht finden, wenn die Hermann*8che Umstellung ver- 
schmäht wird. V. 91. hat Hr. W.: „fd Iv^ivds' to (istd 
ravta^*'. Das deutet der Schüler postea. Der Zusammenhang 
verlangt aber: quod ad caetera attinet •. e, praeterea. — V. 98. 
Die Herren F. und B. haben die Conjectur kdO^oiptsv &v aufge- 
nommen, und so hat auch Hr. D. übersetzt, der übrigens die vor- 
anstehenden Worte novBQu dcnßcitmv ngogafißdöBig ixßrjöofisöd^ai 
wiedergiebt: „Suchen wir die Tempeiwand | Hlnanzukiim- 
men^'l [Auch Härtung im Eurip. rest. II. p. 152. sagt: sive in 
muroa per scalas evadere] was in den Worten nicht liegen kann« 
Ferner hat Hr. F. noch vv' ovÖlv föfiBV conjicirt nnd in den Text 
gesetzt, Hr. B. hat sich durchweg an Matthiä gehalten, und Hr. 
D. übersetzt: „So sprengen wirmitHebeln eherne Riegel 
ein? Hierwowir fremd sind"? Aber kvöavtsg ist kein ein- 
sprengen und ^o;^Ao^ sind hier nicht Hebel. Hier werden 
ohne Zweifel unbefangene Leser Hermann's Erläuterung der hand- 
schr. Lesart beistimmen, ^e schon Hr. W. gethan hat^ bei dem 



Zur Literatur des £oripides. 23 

man nur noch den Zosutc wünschte, dass Sv odSiv iö^sv mit dem 
ftttd'OifiBV äv zu verbinden sei, nnd was beides bedeute. — Y. 102 
hat Härtung Eur. rest. II. p. 133., um den Ekiripides von einem 
vermeintlichen Tadel zu befreien, den Greverus S. 10 erhoben 
hat, conjicirt! dkk' ^, nglv ^avstv — ivavötokT]0afiBv ; Ohne 
Noth. Denn Orestes räth liier nach der Lesart der Bücher zur 
Fluchtnicht aus Feigheit, sondern aus inniger Freundschaft, 
um nämlich den geliebten Pylades nicht der Todesgefahr auszu- 
setzen. Eis ist dies din Motiv, das Härtung im Folgenden selbst 
anerkennt, wo er sagt: ,^,Aroici caussa pericula horret Orestes, 
amici caussa eadem contemnit Pylades : haec tacita amoris signift:* 
catio facundissima oratione praestantior est^S — .V. 110 versteht 
Hr. W. das vvHtog ofifia Xvyalccg (mit Matthiä und Hand) vom 
Monde unter Yergleichung von Stellen. Aber Phoen. 543 sq. 
vvxtog X äq)By'yBg ßXBg>aQov '^Xlov te qxäq Xöov ßuilt^Bi toV Irt- 
uii^iov xvkXov ist erstens nicht nöthig , was Hr. W. will , ^^atpBy- 
fsg, quod proprio cum genit. vvKtog^rhi conjungendum , per no- 
tissimam illam adjectivorum trajeclionem ad ß},B(paQov additnm 
est^^ Denn das heisst Poesie in Prosa verwandeln. Das Griechi- 
sche besagt: d er dunkle Blick derNachtund das Sonnen- 
licht, und das ist bildlicher Ausdruck für Tag und N^acht, wie 
der Dichterdort gleich selbst erklärt v. 546: ^kiog iiiv vv^ ts 
öovXbvbl ßgotoig. Aehnlich steht es mit andern Stellen , wenn 
nicht der Zusammenhang deutlicher ist. Der zweite Grund des 
Hrn. W.: „Accedit, quod in ea rerum conditione, in qua nunc ver- 
santur Orestes atque Pylades, atra noctis caligo admodum impor- 
tona esset eorumqae consilio prorsus contraria '^ ist noch weniger 
stichhaltig. Denn in der Mond b eleu ch tu ng waren sie der 
Gefahr , entdeckt zu werden , eben so leicht ausgesetzt gewesen 
als am Tage. Der Dichter hat hier ohne Zweifel an weiter nichts 
gedacht wissen wollen, als an die Nacht, die keineswegs eine 
atra noctis caligo zu sein braucht; der Mondenschein ist ihm 
schwerlich in den Sinn gekommen. Dies geht auch hervor aus v. 
42. und aus v. 152: o^m; ovbIqchv vvKzog, zag i^^kO'' oQfpva* 
nnd 1025 : wg Örj axotog KaßovxBg iKöeadBinBv' av; über 
das Formelle der Redeweise „Auge der Nacht ^^ und fihnlicher 
haben Diller im Meissner Progr. 1842 und Lob eck in der be- 
kannten Abhandlung das Nöthige bemerkt. Vgl. auch Schneidew. 
zu Simonid. p. 72. — V. 113 conjicirt Hr. D. e'i nov hbvov und 
übersetzt darnach : „ob kein leerer Raumes Unnöthig! Die in 
der urkundlichen Lesart onoi xbvov liegende Attraction [Hcrm. 
in Vig. p. 788. cd. IV.] ist poetischer. — Das vorangehende ngog- 
q>iQOVta bietet auch die vor mir liegende Baseler Ausg. von 1551. 
— ,V. 118 (117) übersetzt Hr. D. nach seiner Conjectur %oi^£t 
Ä' opcöv [die ed. Brub. hat ;|^g)^€i, 6q(ov]: „Nun geh' und sieh''^ 
Aber erstens erwartete man dann wohl ein partic. fut. und zwei- 
tens widerstrebt es dem Charakter des Orestes und dem Zusam- 



24 Griechische Literatur. 

menhange, data Pjladea allein gehen aoUte, da aonat allgemein 
{k^öofABv^ rokfiritiov ktA.) geaprochen wird. — V. 120 haben 
alle vier Herauageber daa to tov &bov durch deus atia^fedruckt. 
In einem Werke für Gelehrte bedürfen aolche Dinge naturh'ch kei- 
nea Wortes , aber für Schüler, für welche die Hrn. B. und W. sor- 
gen wollen, ist es eine vage und ungenaue Erklärung, die den 
Begriff verflacht. Der Grieche hat bei to tov 9bov mehr gedacht 
als 6 ^sdg. Hier ist es der Wille oder der Cfedanke dea 
Gottes. Aehnlich 467: tä t^g &sov {deae cuUus bei F., der 
Gottin Brauch bei D.). 4t76: ta täv ^Bäv slg dg>avBg igytBi 
(bei Hrn. F. deorum fata obscure procedunt. Deutlicher vielleicht 
resdivinaeXu obscurum cedunt, i. e. eo abeunt, ut quid ex iia 
futurum Sit nesciamua). 927 : tä yLtitgog res roatris. 1006 : tä 
ÖByvvatyiog dödBvi^^ wo Hr. F. übersetzt: simulier vero pard 
pretii^S und Hr. W. aasdrückllch bemerkt: ,, nihil nisi mulierü 
circumscriptionem ac notationem continent^S Die notatio mag 
allenfalls gelten, aber nimmermehr die circumscriptio *)^ da der 
Gedanke des Griechen verlangt: res mulieris debiles sunt, wie 
kur« vorher v, 1003: to davtov res tuas. ¥• 1186:,c^g ro r^fi 
^Bov (die Hrn. F,, W. und B.: ,,ad deae cfdlum^'' Mir acheint 
templum einfacher). 1220: td t^g ^bov (F. Deae res). 1312: 
td tmvÖB, — V. 123 hätte Hr. W. beifügen sollen, dass die drei 
ersten Verse, so wie 137 f. vom Koryphäen gesprochen würden. — . 
V. 131: ^.xXjiöovxov. sacerdotis, Iphigeniae'^ mit beigefügten 
Stellen. Dafiir lieber in der Kiirze den Grund, warum eine Frie- 
aterin so genannt werde. S. B ö 1 1 i g e r s Kl. Schrift. B. 3. S. 139. 
In der Erklärung ^optCDV Bvösvögcav EvQciitav^ v. 134 konnte 
der ähnliche Genitiv v. 1144: nag&ivog BvdoxlfKOV ydfiCDV^ und 
¥• 1241: XoxbIcc . • . . döraxtav väatav verglichen werden« Für 
die Sache bemerkt Hr. D.: „Gemeint sind , besonders die rosa-» 
reichen Gefilde von Argos^ dem Vaterlande der Iphigenia^^ 
Aber wie kommt Argoa dazu^ durch Europa bezeichnet zu 
werden? und daa an einer Stelle, wo der Dichter offenbar yom 
Allgemeinen zum Speciellen übergeht. Man hätte Barnes* Con- 
jectur EvQoitav^ die Fix und R. Rauchenstein vertheidigen, nicht 
übersehen aollen. Hrn. Bothe'a Erklärung: 9,x6pr. t Bvd. Grae- 
ciae haec laus est, non Scythiae. Herod. iV. 61.^^ muss auf Miaa- 
verständniss beruhen, da der Genitiv zu EvgmTiav^ nicht zu 'El-^ 
Jitidog gehört. ^ V. 142 (140) hat Hr. D. statt 'AtgsLÖäv conji- 
cirt 'Agyiimv und darnach übersetzt. Das ist zu kühn und heisst 
den Knoten zerhauen. — V. 143 hat Hr..W. in Beziehung auf 
den Inhalt der folgenden Chorgesänge eine Bemerkung aufgenom- 
men, die in einer Schulausgabe beaser wegzulassen war, da sie 



'*') Es 18t gerade so unrichtig, als wenn Wagner zu Earipides 
Fragm. Nr. 40 bemerkt : „rag 6ui\i6vmv Tv;{ag...pro airoplice dalf/LOva^^^. 



Zor literatiir des Eoripide«. 25 

mehrfachem Zweifel unterliegt. Denn wenn es darin heisst : ,,Ex^ 
spectamus , ut et quaerat chorus quid illud somnium sil ^ quo tarn 
certo credat Iphigenia obiisse f ratrem^S so fühlt der Leser , das« 
dies unpassend wäre, da Iphigenia das für den Zusammenhang 
Möthige V. 152 fP. angegeben hat. Und wenn dann nach der 
richtigen Bemerkung, dass der Dichter nicht wiederholen konnte, 
was im Prolog gesagt war , hinzugefügt wird : ,, Tum vero gnarum 
jam eorum quae videre sibi visa esset Iphigenia introducere cho. 
rum debebat^S so leuchtet, ein, dass- dies ja geschehen ist, wie be- 
reits Seidier (zu 224 seiner Ausg.) bemerkt hat. Vgl. 187 f. 
Mqqsl q)fdg ömiHtgcüv, oif^o^, [wo. Hr. W. unrichtig Punkt ha tj tcav 
6fDV üiatQipov oiHcnvxtk. — V. 150 hat Hr. W. geirrt, wenn er zu 
den Worten: olav, oiav löofiav oifiv ovslgtav i/vxrds, tag 
i^ijX^' OQfpva bemerjct: „adj. relativa olog et o6og saepe ita usur- 
pantur, ut significent idem quod ort tOLOvtog^ oti Toöovrog. Pro 
ea , quam vidi , somnii imagine^^* Denn die Verdopplung des 
Fronomens verlangt, dass man die Stelle als Ausruf verstehe: 
quäle ^ quäle vidi Tisum somnii! — V. 176. war statt der gegebe- 
nen Uebersetzung blos der Accusat. doxjjficera zu erklären , den 
der Schüler aus dem exisiimor nicht versteht, und den R. Rau- 
chenstein in derBeurtheilung S.276. mit Unrecht für einen Druck- 
fehler hält. — V. 189 (180) hat Hr. D. unrichtig übersetzt : 
„Bei welchem der glücklichen Herrscher | In Argos^ Lande b'e- 
gann's?^^ Denn wie man auch im Anfange lesen möge,. a^;^a 
heisst hier offenbar nicht Anfang, sondern Herrschaft. — 
V. 201, wo der Chor zur Iphigenia spricht: entvÖBi ö' äöxov' 
Smz inX 6o\ dalficDV , bemerken die Hrn. W. und B. : „ daaov» 
dact Indigna^ misera^^. Aber daraus wird der Schüler nicht er- 
sehen , dass es adverbial stehe. Richtig F. : tristi impetu und 
D. : ,^in unheilbringendem Sturz^^ — V. 212 wird hier etwas in 
den Dichter hineingetragen , indem Hr. W. sagt: „O'i^fc' ovx £i;- 
yad'rjTOv hostia moesta^ ut ait Lucret. I. 100. [dafür Jkonnte sogar 
der Dichter selbst v. 860 angeführt werden ] quae macianies et 
adstantes non gaudio , sed moerore et tristitia afficiebat^^. Denn 
Eurip. hat nicht blos die mactantes et adstantea Am^ithne gehabt, 
sondern ganz allgemein gesagt hostiam non laetabilem , so- 
wohl für die damals Anwesenden, als auch für die, welche später 
davon hören. Bei v. 224 'Ax^Löog tlxci konnte mit einem Worte 
hingedeutet werden auf das Streben der Tragiker, ihr Athen bei 
jeder Gelegenheit zu verherrlichen. — V. 230: xal vvv xbIvcjv 
ßlv (toi Aflf^a, wo die HH. W. und B. bemerken: „et nunc Amnia 
haec ex animo meo deleo^'. Nicht ganz genau. Denn die Worte 
heissen eigentlich: nunc quidem iilarum rerum mihi oblivio est 
d. h., den Begriff scharf gefasst, illas res nunc oblita sum; also 
in dem Sinne, wie z. B. bei Virgil das Nunc oblita mihi tot car- 
mina. Es musste daher auch Hr. F. statt „me subit oblivio ^^ sa- 
gen «ti^itV, und Hr. D. statt: „Doch nun sei dieses vergessen'^ 



26 GrMchisdto Uteratar. 

vielmehr ist — V. 233: „d^Aog, ienerum^' bei Hrn. W. Dat 
wäre vielmehr die Erklärung Ton viov. Uebrigens hat Hr. Bothe 
(um dies ein für allemal zu sagen) in diesem ganzen Chorgesange 
Hermann's Ausgabe so wenig eingesehen , dass er nicht nur keine 
• einzige Verbesserung desselben aufgenommen, sondern seine ganze 
Anordnung beibehalten^ seine falschen Conjecturen von Neuem 
wiederholt und sogar v« 183 zu Witzschels [mit Recht von Her* 
mann entlehnter] Verbesserung ein nescio qua anctoritate hinzu- 
gesetzt und die v. S21 erfolgte Einsetzung der Worte a fivaatBv* 
deiö* i^ 'Ekkavmv Witzschel zugeschrieben hat, da doch bekannt- 
lich nach Scaiiger's Erinnerung Hermann und Fix bereits 
Vorgänger sind. Aus dieser mangelhaften Benutzung der Her«- 
mann'schen Ausgabeist es herzuleiten , dass Hr. Bothe noch öfters 
Hermann's Recens. der Seidler'schen Ausgabe erwähnt , wo jetzt 
in der eigenen Bearbeitung Besseres vorliegt, oder dass er noch 
Hermann zuschreibt, was dieser längst geändert hat, oder endlich 
als Wiftz«cheis Eigenthom ausgiebt, was dieser stilisch weig:end 
von Hermann entlehnt hat, wie z. B. v. 179. 341. 773. 774. 979. 
986. 1117. 1320. Doch genug. — V. 240: tL 6' Uöti tov na- 
Qovtog ixxk^ööov koyov'j Hr. W. schweigt, Hr. F. hat die her* 
kömmliche IJebersetzung: „quid vero est terroris in praescnti 
Duncio^^? beibehalten, die unmöglich in den Worten liegen kann. 
Härtung Eur« resU 11. p« 154. sagt: ^,Finitis bis cantibus, nou' 
est dubium , quin somnium qnaie sit quaesiturus fuerit chorus et 
cognito eo virginem consolaturus. Sed praecidilur coUoquium 
interventu bubulci^. Und dazu wird der obige Vers citirt. Aber 
erstens wird an das, was hier als unzweifelhaft aufgestellt wird 
(nott est dubium quin), kein unbefangener Leser denken können: 
denn eine Unterredung {coUoquium) hat noch gar nicht statt- 
gefunden. Sodann möchte es schwer sein zu beweisen, dass j 
naQfäv Xoyo^ auf das gehe, was Jemandem in Gedanken schwebte, 
und nicht vielmehr auf das vorhergehende Choriied. Die Worte 
können nichts Anderes bedeuten als: „Was giebt es, das mich aus 
der gegenwärtigen Rede herausschlägt^ d. h. in der 
gegenwärtigen Rede gewaltsam unterbricht. So erklären 
mit Recht Hr. B., Sander (Beiträge I. p. 60.) und Hr. D.: „Was 
weckt aus meiner Trauer mich erschütternd auf?'^ — V. 241 
^hovClv als ytjv xvaviav £v(inkijyaäa nkdtjj g)vy6vi8g öLxtv^ 
%oiviavlai- So Hr. W. ohne Bemerkung. Hr. O. übersetzt: 
,,Zu SchifPe flüchtig nahten sich dem dunkeln Land | der Symple- 
gaden eben nur zwei Jünglinge'S nimmt also tpvyovxBq absolut und 
verbindet yqv xvav- £. eng mit einander« Daran nimmt Hr. B« 
mit Recht Anstoss, hat aber Unrecht, statt y^v sogleich ein ttjv 
aus Conjectur in den Text zu setzen. Die Lesart der Bücher ist 
ohne Anstoss, wenn man nur xvav» UvfinX. mit q>vy6vt8g verbin- 
det. Es hätte daher Hr. W. wohl zum Nutzen des Schülers über 
den Singular IhjiiaktiydSa eine kurze Bemerkung geb^n, oder 



Zar Llt«ratitr ^«« Koripldes, 27 

wenigsens nftcli y^ vnd tpvy6vti$ Kotuinata seifen mAUstt^ wie er 
sonst in ihnlichen Stellen (t. 2. 6. etc.) m thnn pfleget. Dagegen 
T. 245 statt der gegebenen Uebersetzang lieber eine Brkläning 
▼on fpftavo mit Partie. — V. 250 haben die HH. F. und W. 
§t;gi;)/ov mit g beibehalten. Haben sie Lobeck's (Paralipp. p. 
32.) non placet wissentlich oder^ unwissentlich übersehen? Hr. 
B«, der sonst gleich mit dem g bei der Hand ist, hat hier <y gesetzt^ 
und znr andern Form ein quod aegre pronunties beigefi'igt. — 
V. 258 bemerkt Hr. F.: „A. B. C. ^xov6lv' ovdineo. Recipienda 
erat Seidleri correctia ^xov(5' o?d', ijCBL Tarn tritae enim hae 
formolae XQovog intU XQoviog littl^ sunt Graecls, tamque inso« 
lens altera, eo quidem sensu quem postulat hie locns, ut de Teri* 
täte emendationis non possit dubitari^^ Aber wenn diese Rede«- 
weisen so gewöhnlich sind, wie kommt es, dass sie so hartnäckig 
hier Tcrändert werden konnten? Hr. F. stimmt R. Rauchen- 
BteinS. 269 bei, indem er aus Irrthum in den Worten bei Hr. 
Witzschel Y^oviot yaQ iJKovify o'öri nm ßwfLog %eciß %xX, das 
ovrs als Druckfehler für ovrs nimmt, dies als Conjectur aus- 
giebt und nun sagt: ,,in jener Gattung von Satzverbindungen zur 
Bczeichnnng der Zeit, wo die Lateiner quum gebrauchen, wird 
▼on den 'Griechen xa/, nicht r« gesetzt*"'. Indess ovri bei Hr. W. 
ist Druckfehler statt ov8t^ und dies ist keine Conjectur, sondern 
handschriftliche Lesart, die bereits Hermann, dem die HH. B., 
W. und D. beistimmen , richtig erklärt hat. Allerdings sind von 
Hermann und Witzschel blos Beispiele angeführt, in welchen }iaL 
steht. Aber wenn man xai sagen kann, ist auch ov8k erlaubt, da 
dieses hier dem Wesen nach gleich ist Ttal oti. Vgl. S t a 1 1 b a u m 
zu Plat. Symp. p. 220. C. — V. 269 hat Hr. W. im Text (ohne 
Note) dviöxB xtigs. Dies ist entweder Druckfehler, oder Mark- 
land's nnnöthlge Conjectur, statt des handschr. xstga. — Y. 279 
konnte Hr. W. zur Bemerkung über löo^s vergleichen das auf die- 
selbe Weise gesetzte tlm (v. 85. disit und jussit) und Xoyog v. 
754. Vgl. Ma tthiä Gr. §. 634. 5. - V. 281 bedarf der Schö- 
ler bei arsgog ^ivoiv einer kurzen Erinnerung wegen des Artikels, 
da er V. 310 liest attgog rolv ^svoiv, zumal da dieser Fall in den 
Grammatiken gewöhnlich nicht berührt ist. — V. 284 haben alle 
vier Herausg. mit Recht die handschr. Lesart xal ßoa xvvaydg 
Sg beibehalten , und Hr. W. hat dieselbe sehr gut vertheidigt. 
Nur möchte sfch zusetzen lassen, dass der Dichter die Verglei- 
chung mit dem Jäger gebraucht zu haben scheine, zagleichin Be- 
ziehung auf den Zustand, in dem sich Orestes befindet, nämlich 
im Angriff auf die Rinder. S. auch Phoen. 1169.— V. 290 
übersetzt Hr. D.: „Auf mich herabzuschmeltern einen Felsen* 
berg^^ Das wird schwerlich Jemandem gefallen. Die Andern be- 
folgen Hermann*8 Interpunction und Erklärung. Aber da dünkt 
mir doch in dieser einfachen Erzählung die Rede zu sehr zer- 
stückelt, und die Aufgabe für den Schauspieler; den Gedanken 



82 Gri^Bchiiiohe Literatur. 

gleich durch das ti^vös der folgende Hauptgedanke , die innige 
Sehnsucht nach Befreiung, emphatisch, wie es nöthig ist, einge- 
leitet. — V. 438 hat Hr. D. das Ev^slvov Tiatä novtov durch: 
,,Nach Euxeinos" Gcwässern^^ unrichtig übersetzt, statt: ,,In 
E. G.'^ Schon S ei d 1er hatte diese falsche Uebersetzung getadelt. 
— V. 446 hat Hr. F. bei avxmakovg das herlcömniliche mutua$ 
in der Uebersetzung gelassen (auch bei Passow steht noch die fal- 
sche Erlclärung) statt pares. — V. 452 ff. Zu dem von Her- 
mann angenommenen Texte xal yccQ ovbIqols ixtßalfjv \ 
doiioig*) JCoXsv te natgcia \ tEgnvtov VTCvcav anolavBiv | xoi- 
vdvxccQiV 6kßq> giebt Hr. W. die Hcrmann'sche ErMarung: ^^uH- 
nam vel per aommum pedem ponam in domo mea et patria urbe, 
ut es suavi somno communi cum felicibus fruar gaudio^\ Dan 
erste, ovbIqols InißalfjVy hat schon Hr. F. mit Recht eine 
,,Emendatio palmaria^^ genannt; aber das vjcvov scheint mir nicht 
80 annehmbar, als das handschriftliche vfivav. Denn erstens 
wird der Leser, ohne Hermann*s Note, den Genitiv schwerlich so 
deuten, sondern unwillkürlich nur mit anokavHV verbinden und 
glauben, dass, wenn der Dichter dies gemeint hätte, er hier der 
Deutlichlceit wegen wohl eine Präposition gesetzt haben würde. 
Was sodann die Schärfe der Hermann'schen Logik betrifft, so 
möchte man an das poetische Gefühl appelliren und fragen, 
ob der Gedanke: ,,Möchte ich auch nur im Traume das 
Land und die Wohnstätte meiner Väter betreten, 
um die lieblichen Festgesänge zu geniessen, eine 
mit dem Glücke (der Freiheit) gemeinsame Freude^*: 
irgend einem deutschen Leser oder Hörer auffällig sei , oder ob 
ihm die Donner'sche Uebersetzung: „Könnt' ich . • . betreten, zu 
schlummern seligen Schlaf, den ein Glücklicher 
schlummerte^! besser gefalle? Die xBgnvol vfivoi glaubte ich 
nämlich verstehen zu müssen von den herzerfreuenden (vaterlän- 
dischen) Festgesängen , im Gegensatz zu den Trauerklagen bd 
den Menschenopfern in Tauri , und okßog nicht in so dürftiger 
allgemeinen Beziehung überhaupt, sondern nach dem ganzen Zu- 
sammenhange von dem Glücke der Befreiung aus der 
Sclaverei. Be^ solcher Auffassung nun bietet der Text der 
Bücher gleichsam ein Sich selbst vergessen des Chores, der 
von der Traumwelt redet und doch aus inniger Sehnsucht nach 
dem Vaterlande in seinem Ausdrucke in die. Wiriclichkeit hinüber- 
streift Dies aber ist ein so acht psychologischer Zug des geist- 
vollen Dichters , dass man dafür unmöglich die Conjcctur vnvtov 
eintauschen kann. Solche Züge, wie das Vergessen seiner 
selbst, haben die griechischen Dichter ans Homer gelernt, wo 



*) Hr. D. hat in der Note bei Angabe dieser Emendation statt do- 
fiOiff gegen das Metrum orxotffi beibehalten. 



Zur Literatur des Enripides. 33 

z.B. Uias XXIII, 75. der Schatten des Patroklos sam Achil- 
lens sagt: xa^ fiot 4os t^^v xbIq\ oXofpvQOfiai^ Homer aber hat 
es dem meDschlichen Herzen abgelauscht. — V. 470 haben die 
drei griechischen Texte vaov d' l'tfco Ctslxovtsg^ ond Hr. F. hat 
nicht angegeben , dass vaov Mos Conjectur Ton Valcken. ist. Die 
Lesart der Bücher vaovg^ nach Seidier^s Erklärung, scheint 
deshalb gebilligt werden zu müssen , weil der Dichter in diesem 
Stücke, wie es die Sache erforderte, von v. 34 an überall den 
Plural setzt. Gut übersetzt Hr. D.: ,,Nun geht hinein zum 
TempehS — V. 473 hat Hr. W. mit Hermann nach rvyxavBu 
, Komma gesetzt und nach Sörai, Punkt. Aber das Torhergehende 
xlg äga verlangt doch wohl nach rvyx- Fragezeichen. Dasselbe 
könnte , wie mir scheint , nur dann sich in Komma verwandein, 
wenn das Folgende auf (iijTfjQ^ nattjg und adsktpii zugleich ginge. 
So aber ist zum Ausrufe omv — SöTai offenbar nur dÖBktpij hin- 
zuzunehmen. — V. 482 ist das handschr. vtßv wohl doch noch zu 
vertheidigen mit v. 687. und ahnlichen Stellen. Denn sollte der 
Gegensatz hier so scharf hervortreten , so erwartete man auch bei 
oövQBL das Subjects-Pronomen (ei ipso) ausdrücklich hinzugefügt. 
Haltbar dünkt mir die Lesart der Bücher zu sein auch V. 484: 
ovtoi vofil^(D 0oq>6v^ og av (likkcjv &avBiv oixrcj) ro dslfiu 
Tovki&QOV vixäv &Uy' ovx ogtig xrA. Denn bei der Conjectur 
liiXkmv xr ixt; £61/ erscheint der ganze Gedanke zu geziert, da 
die übrigen Worte to ÖBifLa xovX. v. dem Leser unwillkürlich die 
subjective Begriffssphäre aufdrängen. Sodann scheint das fol- 
gende dg dv B^ Bvog xax(0 CvvanxBi nicht recht zu passen, wenn 
sich das Vorhergehende nicht auf Eine Person bezieht. Denn 
8vo xaxcS deutet doch an: den Tod selbst und die Furcht vor 
dem Tode. [Hr. D. hat fjtcDglav otphöKcivBi übersetzt: „blin- 
den Wahnes voU^^ und so das Richtige verfehlt]. Endlich gewinnt 
bei der handschr. Lesart die Symmetrie der Gedanken, indem 
dann die beiden ersten und die beiden letzten Verse unmittei- 
bare Anrede an die Iphigenia enthalten , die Mittelglieder aber 
Reflexion des Orestes in Beziehung auf sich selbst sind. Was die 
hervorgehobene ^^tautologia^^ betrifft, so ist diese, streng genom- 
men, nicht vorhanden, indem fiBkX&v d^ctvBiv auf die Zukunft, 
und "Aidtjv lyyvg ovta auf die Gegenwart geht, mithin Orestes 
sagen will: „Nicht wird ein Weiser, wenn ihm der Tod als si- 
cher bevorsteht, auf nutzlose Weise das Mitleid Anderer 
aufregen wollen [o?xros, wie 1054. in den Worten ?jr«* rot diJi;«- 
ßiv Big oIktov yvvfi]\ nicht wird er, wenn er dann vor dem 
Todesplatze steht, unmännlich jammern^^ — V. 492 
erklären das (ävofiaiS(iivog alle i. q. ovoiiaxi, und Hr. B. fugt noch 
hinzu: „nam aiio qnoque modo est cum appellamur^S Daran hat 
der Dichter schwerlich gedacht, sondern dasParticip. bezieht sich 
atif die Zeit, wo ihm -dieser Name gegeben wurde, nicht aber 
(was in ovoyLUXi liegen würde) auf die gegenwärtige Fra^e« ¥Lx« 

iV. Jahrb. f. Phil, n. Päd, od, Krit. Bihl. Bd. U flft. \. % 



34 Griechische Literatar. 

F. hat mit Recht ia der Uebersetzung nominatus gpesagt. — V. 
510. sagt Orestes von Mykenä, av not ^6ßv o^ßtai. Hr. W. 
schweigt, Hr. B. hat die Erklärung des Brodäus: ,,eas xoXvxQ^" 
tfov^Tocat Homerus^^ aufgenommen. Mit Unrecht. Denn Ore- 
stes denkt hier dem Zusammenhange nach nicht an die dort ge* 
sammelten Schätze, sondern an die Herrschaft des Aga* 
memn on. — V.512 q)6vyeß tgoicov ys dii xiv ov% ineiv inciv^ wo 
Hr. B. schweigt, erklärt Hr. W. also: ,,Exulo noa meit sponte, 
sed coactus , quippe juasua Dianae simulacrum asportare -^^ ovx 
Büdv — , sed tamen ixciv^ quia cognatotum me ultor persequir 
iur". Das ist entschieden falsch , denn da wäre ja ein Verfolger 
und Rächer etwas Angenehmes ! Orestes sagt offenbar : Ich fliehe 
aus dem Yaterlaode ot;y sxciv , weil (um mit dem Dichter selbst 
zu reden t. 931:) 'Egtvvcav öetfia fi sxßd^ksi, x^ovög (man denke 
an die tragische Schilderung v. 284 ff.) und weil ich von meinen 
Mitbürgern vermieden werde, aber zugleich BKciv^ weil ich wün- 
sche und hoffe tc5v vvv jtagovtwv nijfiatmv dvaijjvxag (▼. 1442.), 
und ich nur durch mein Exil hierher (lavicSv A^gco (v. 981.). — V. 
522. übersetzt Hr. F. sk^ovöa durch rediens statt reversa^ so 
wie 535. tvxmv nanciscens statt compoa factus v. 588. fioXmv 
rediens statt reversus. 797. nvQofievog audiena, — V. 528. 
(508.) sagt Hr. D.: „So fragend sprichst Du'' etc. Bei Euripidea 
steht ein Ausruf cag — ävLötogeig, was viel lebendiger ist. — V« 
541. nalg 1% ovo' djcoiXofifjv. Hr. W. hat die von Hermann ein- 
gesetzte Partikel da, was auch Hr. F. billigt, wieder getilgt, weil 
diese Worte: „hie imprimis preiiii et efferri debent'S Das ist mir^ 
nicht recht verständlich. Ich denke, das öa sei entbehrlich, weil 
die Worte eine Art von Erklärung zum Vorhergehenden' enthalten, 
wie V. 370 und 556. — V. 560 befolgt Hr. D. die Hermann'sche 
Erklärung, die Hr. W. mit Recht, wie ich glaube, zurückgewie- 
aen hat. Nur wiinschte man bei den Worten: „Non ipse se prae- 
dicat Orestes, sed dicit tantum, quod dicere licuit^' der Deutlich- 
keit wegen den ausdrücklichen Zusatz, dass Orestes mit den 
Worten dlxaiog Sv dem Wesen nach die Worte der Iphigenia 
aufnehme (was oft im Dialoge geschieht) und so viel sage als 61^ 
TtaiQV tlgngd^ag. — V. 579. (559.) conjicirt Hr. D. zu seiner 
Uebersetzung : oscevdovd^ dfia. Aber diese Gräcität zieht den Ge- 
danken zu sehr ins Abstracte und bedürfte der Rechtfertigung. 
Die folgende Uebersetzung: „Doch zum Heile fuhrt «« dann 
gewiss, Wenn Andern auch derselbe Rathschlag^ wohlgefällt '^ 
liegt nicht im Griechischen to ö' eiJ, fidkiöta y ovro ylyvBtai, 
eI näöi tccvtov ngayii dgBöxovtiog Sx^i^ Dies bedeutet viel- 
mehr: quod bonum est^ maxime üafit^ si omnihua eadem res 
placet [Hr. F. hat unrichtig placuerU stehen gelassen, da er doch 
das %xoi, in %8i geändert hat] i. e. ptUo , hoc vobia et mihi ptaci-- 
turum eeae. Das folgende yioi deutet Hr. F. meo nomine^ wo 
doch der dat. commodi also in meum commodum viel natürlicher 



Zur Litdratnr des Boripldes« 35 

ist. — V. 588. Die Valg. dyyBilai deutet in der Annotatfo Hr. 
F. , dessen ErklSrang Rauclienstein S. 273. als die richtige em- 
pfiehlt, ganz so wie Barnes and Matthiä. Aber dagegen hat Her- 
mann gleich im Anfange seiner Note gegründete Einwendung ge- 
macht, so wie auch gegen das von Hr. F. undB. im Texte gelassene 
ayyeUat — tag r' ifidg KtX. Hr. W« ist mit Recht Hermann'g 
Tortrefflicher Em'endation [die indess schon Seidler in seiner 
Note vorgeschlagen hat] gefolgt, bat aber ans Versehen das nach 
tag stehende t* nicht getilgt. In der Note des Hrn. D. ist das 
nach nokciv eingesetzte d' wohl Mos ein Versehen. — V. 602. 
wird xägiv tlQsiS&at bei den Hrn. F. und W. durch praestare 
officium ausgedrückt. Warum nicht einfach graium facere ? Gut 
Hr. D.: ,,wollt' ich Dank durch seinen Tod für mich gewin- 
nen''. — V. 605. erklärt Hr. W. den Satz (mit Matthie) als 
,,Locutio ex duabus mixta et conjuncta^' etc. Diese eine Zeitlang 
so beliebte Erkl'arungsweise ist hier entbehrlich , wenn man sich 
erinnert, dass ogTig auch im Sinne von bX Ttg steht. Die Con^ 
struction ist also einfach diese : aYöxiörov , ogtig i. e. il tig tet 
t(Sv q>lXcov xtttaß. xrA. Vgl. unten v. 1064. Phoen. 509. Hom. 
Od. XXII. 315. — V. 609. soll Xijfia mperbia bedeuten. Gewiss 
nicht. S X^fi &gtiSrov ist o optima anima. — V. 616.. beziehen 
Hr. B. und 1). das tovöb auf Pylades. Da aber ngo^vgila weder 
voluntas noch Liebe bedeutet, wie die genannten übersetzen, son- 
dern Studium oder cupiditas^ so wird man tovdB richtiger als 
Neutrum verstehen, wie Hr. W., also: .magna quaedam te ienet 
cupiditas moriendi, Uebrigens hat über die ganze Darstellung 
dieser ,,Tera virtus^' der beiden Jünglinge Härtung p. 162. eine 
treffliche Bemerkung gegeben, die selbst in einer Schulausgabe 
Aufnahme Terdiente. — V. 643. Hr. W.: „ fisAoju ci'oi/: destina^ 
tvm^*'. BegrifisTerwechslung ohne SchSrfe, allenfalls für curso^ 
rische Lectnre ausreichend ! Denn man müsste dann eiil Dutzend 
Bedeutungen statuiren und z. B. Phoen. 1303. yLBlo^ivav VBXQoTg 
eben so oberflächlich durch gratam mortuia erklären. Wer aber 
in der Begriffs -Erklärung der Alten ein Mittel zur Hebung der 
jugendlichen Denkkraft findet, wird die Stelle etwa so erklären 
lassen : „lamentor propter te , qui aquae instralis guttis cruentls 
curae es, U e. qui jam traditus es, ut aqua lustrali inspergaris^S 
Dies zugleich auch mit Rücksicht auf Hrn. Bothe. — V. 646. 
Die Hrn. F. und B. haben die Lesart der Bücher, Hr. W. naeh 
Hermann's Conjectur öv öe tvxag fidxag' <lf d' (,) co vsavla^ 
öBß6fiB%^\ Da k4(nnte man ab^r wohl das erste handschr. öl bei- 
behalten^ und in gleichem Sinne schreiben: ob di, tvxag piaxag^ 
öS d', fiS vsavla'^ ötßonB^. Zu den vorhergehenden Worten 
olütog yäg ov tavt' hätte der Accusativ bei einem Substan- 
tiv, worüber auch Seidler, Matthii und Bothe schweigen, in einer 
Schulausgabe wohl ein Wort verdient, wfire es anch nur ein Gitat 
auf Matthifi Gr. §. 422. extr. (wo dies Bda^l^V \^\TA^i^k^mt&^^ 



36 Griechische Literatur. 

/ 
kann) oder Rost §. 137. 3. a. — V. ddS^j^gyog tl ng&ö^oi xa- 
J.<og bei Hrn. F. : „Si Argi rem felkUer gerant*'*' statt rede se 
haberent. — V. 672 Hr. B. (mit Markland, den er nicht nennt) 
und Hr. D. dUk^a^ was indess Seidler und Hermann schon hio- 
Jängiieh widerlegt haben. — V. 679. yrgodovg ös ad^Bö^ac 
itvzog. So Hr. W. hier und in der Stereotjpausgabe mit Her- 
mann. Aber die Orthotonesis von as in Hermann^s Ausg. jst Druck- 
fehler, da in der Note ausFdriicklich das Unnöthige derselben ge- 
gen Dlndorf bemerkt wird. Sodann wäre es vorsichtiger, in eiiier 
Schulausgabe das handschr. öci^Böd^ im Texte zu lassen und nach 
Lobeck's (zu Aj. S. 151 f ) bekannter Entwicklung eine kurze 
Note beizufügen. Hr. D. bemerkt in der Note: ^^öci^sö^at Infi- 
nitiv der Absich t^^ und so übersetzt er, was aber der Nominat. 
avxog — f^oi^og nicht gestattet und was ausserdem sehr gezwun- 
gen wäre. Derselbe übersetzt v. 682(65^): ,^Um deine Schwe- 
ater dann zu fr ein mit solchem Schatzes nimmt also unrichtig 
yafidiv als Futurum. Das handschr. iyKkriQOV ist wohl beizube- 
halten: als wenn ich deine Schwester Titi/* weil sie Erbin 
wäre zur Gattin hätte. Daher steht ^^xAi^pot/ voran. Ferner 
liest man bei Hrn. D. v. 690: ,,Das trifft ja mich au ch^^ wodurch 
der Gedanke verwischt wirdi [Nicht ganz genau auch Härtung 
Eur. rest. II. p. 162: non minus sibi quam Pyladi], Statt auch 
w«r wenigstens n u r zu setzen. — V. 722 bei Hrn. W. und B. : 
^^otav tvxV 9^^^'^^^ *l^ accidit i. e. fionnumquam''^. Wer wird 
aber solche den Gedanken verflachende Erklärungen von Frühern 
annehmen! Es müsste denn oxav tvxV'^ ^avov^ai bedeuten: ich 
werde bisweilen sterben!? Der Grieche hat bei seinem otav 
tvxu (Hippel. 428.) oder äv tvxv (Demosth. Olynth. 11 §. 10.) 
oder ijv tvxH (Phoen.76r).) nichts Anderes gedacht als si sors tu-- 
lerit^ bei Hrn.D. mit Recht: ^^wenn's das Schicksal fügt^^ 
• — V. 7^ sagt Iphigeuia zu den Dienern ^ welche den Orestes 
and Pylades bewachten: 

'Jnik^iff Vfi^lg xai TcaQSvtQBxliBTS 
taväov fiokovtsg roig iq>Böt(o<Si öq>ayy0 
Das verstehen alle vier Herausgeber, wie Seidler erklärt: ,,Abite 
et apparate quae intus fieri oportet, adjungenies vos illis^ qui 
mactationi victimarum praesunt''^ Aber in welchen Worten liegt 
denn das adjungentes vos Ulis.? Seidler hat es mit Unrecht in 
naga gesucht. Sodann wäre der Ausdruck qui praesunt doch 
höchst seltsam gesagt von denen , die das Opfer zu schlachten 
haben. Das Vorateheramt kommt nur der Iphigenia zu. Vgl. 
V. 1314: ßcnfiolg Ttaglötato. 776: etp' oUl . . . rt/iag f;|ro. Hr. 
D. hat dies gemildert, indem er übersetzt: ,,die den Opferdienst 
vollziehn^% aber dabei in die Worte gelegt, was nicht darin liegt. 
Ich glaube ) man muss diese Stelle so verstehen, dass roig i(pB0- 
tüOi sich auf die Schlaohtopfer beziehe und öcpayy passi- 
ffiach erklart werde, also: apparate quae intus necessaria sunt 



Zur Literatur des Enripides. 37 

ns^ gm adstaht mactationi^ i. e. quibvs inatat mactaiio^ Tel qui 
immolationi destinati sunt. Vgl. v. 720: iyyvg sötrjxag q>6vov. 
— V. 744 hätte öcjöcj^ was selbst Hr. B.. nicht verstanden hat, 
von Hrn. W. wohl eine kiirse Note verdient. — V. 756 (istd 
XQrnidTCDV. Unrichtig Hr. D. : ^^samrot der andern Last'*". Un- 
genau Hr. W. und B. mit Seldler: ,,cum rebus meis**^ statt des 
bezeichnenderen opibus, — V. 759 nokkd ydg noXkmv xvgsi. 
Da findet man bei Hrn. W. die Bemerkungen von drei Brklärern 
an einander gereiht, und der Schüler sieht doch noch nicht deut- 
lich, dass er einfach zu erklären habe: ,,multa enim multa nascun- 
tur, i. e. multa, quae finnt, multarum rerum afferunt opportunita- 
tem. Zu viel schadet nicht (steht in gleichem Sinne bei 
Göthe). — V. 766 xaAcög Us^ag rav ^sdi vkfiov ^* vjcsq vermisst 
man bei Hrn. W. Erklärung. M. Haupt In Schneidewin*s Phil. 
1846 p. 365. bemerkt: „Von den Göttern hat Iphigenia kein Wort 
gesagt; Pylades kann nur antworten rcov rs öwv ifiov O' vnsg'^. 
Noch näherliegend conjicirt Hr. B. rav ^' Icoi/. Ich glaube in- 
dess, Pylades beziehe sich auf den Schwur v. 748 fP. und der Ge- 
danke sei: für die Götter, damit sie nicht ungerecht scheinen, 
wenn ohne, meine Schuld der Brief verloren geht; für mich, 
damit ich dann von der Strafe befreit werde. — V. 777 nov not 
6v%^' BvgrjfiB&a; bei Hrn. F.: „ubinam versari reperiraur^" Bei 
Hrn. D.: „Wo sind wir, wo verirrten wir?^^ Keins von beiden 
ist deutlich genug. Die Stelle heisst: „ubinam praesentes repe- 
rimur? i. e. quonam in loco terrarum sumus? d. h. Ich weiss 
nichtwiemirgeschieht'''. — V. 782 xdx ovv igcstiöv 6* 
dg aariör' a<p/£ofiat, welchen Vers Hermann, ovv in ovx, ver- 
wandelnd und BgcDtfDö^ schreibend, mit genialem Blicke an pas- 
sende Stelle transportirt hat (was Hr. D. in der Uebersetzung 
befolgt), vertheidigt Hr. W. ovx adoptirend (im Texte ist, wie es 
scheint aus Versehen, ovv stehen geblieben) so, dass er annimmt, 
Orestes spreche diese Worte für sich: mos non interrogans 
incredibilia cognoscam. Ich habe folgende Bedenken : Was soll 
nun 0£.bedeutenT Sodann scheint mir Jemand nur dann so spre- 
chen zu können, wenn er eine Wahrheit oder Thatsache bereits 
erkannt hat , was hier nicht der Fall Ist. Endlich dürfte dieses 
Auskunftsmittel, das mit einig^erModificationauchHr.F. vorbringt, 
in solcher Situation wohl mehr in den Charakter der Komödie ge- 
hören. Sollte der Vers an dieser Stelle richtig sein, so möchte 
er fielleicht mit tdx ovx vom Orestes gegen Iphigenia leicht hin- 
geworfen sein, das tdxcc im Sinne von vielleicht, ohne dass 
Iphig. weiter darauf geachtet habe. — Von ^kaq>ov bis alav hät- 
ten wohl ebenfalls Anführungszeichen gesetzt werden sollen, da 
sie von den Hrn. W. und D. vorher* gesetzt sind. — V. 807 hat 
Hr. F. mit Unrecht die Conjectur Uskonog ye statt «s in den Text 
gesetzt. Richtig die drei andern Herausgeber. Was Rauchen- 
Btein S. 272. bemeritt: ,,}/« sehelnt ffir Orestes CtLvt^VXwt ^^ok^ 



38 Griechische Literatur. 

Stimmang besser za passen, da er den Vater allein nennen 
will [Tielmehr: genannt wissen will] die Mutter aber nicht, 
da er sie verabscheut^^ wird durch die Lesart t6 nicht aufge- 
hoben. — V. 815. hat Hr. D. unrichtig übersetzt: ^^meinea 
Herzens Grund erschütterst du^^ Die Worte kyyvg t(DV 
ifAfov xdfinxBLg q>Q$vf5v bedeuten : ^^prope ad meam mentem fle- 
ctis i. e. prope in eo snm ut credam^^. Ferner hat Hr. D. im 
nächsten Verse das ta nicht ausgedrückt , was hier nöthig war* — - 
V. 818. (794.) hat Hr. D. den Sinn ganz verfehlt mit der Ueber- 
setzung: ,,badet' auch die Mutter dich^^^ und v. 820.: 
,,Aach deine Locken gäbest du der Mutter mit?^^ Da müsste 
ja ausserdem auch Clytemnestra in Aulis zugegen gewesen sein; 
worüber zu vergleichen Musgrave zu v. 365. und von diesem 
(stillschweigend) entlehnt die Note bei Hrn. Witzschel zu v. 25. In 
der von Hrn. \V. gegebenen Bemerkung, die Hr. B. dann aufge- 
nommen hat, wünschte man zum Nutzen des Schülers in den Wor- 
ten: y^Clytaemneatra kovtQov vv^q>iK6v ex patrio fönte vei 
fiumine hauatum Aulidem iransferendum curasse videtur^' zwei 
Punkte deutlicher hervorgehoben zu sehen: erstens, dass nicht 
Clytemnestra selbst, sondern (um die Worte von Panofka: 
Griechinnen und Griechen nach Antiken S. 2. za ge- 
brauchen) „im dreihenkligen Gefass ein Knabe ans der nächsten 
Verwandtschaft der Braut das für die Ceremonie des Brautbades 
erforderliche Wasser von der heiligen Quelle^' geholt habe; und 
zweitens, dass im vorliegenden Falle Clyt. (wie es die Natur der 
Sache wohl mit sich bringt) nicht das ganze Wasser, sondern 
nur einen kleinen Theil als Symbol geschickt haben möchte. 
Ein ähnliches Symbol haben wir unten v. 1461. Härtung l^ur. 
^ rest. II. p. 163. schreibt: „alterum, quod Iphig. Aulidem profi^ 
cücena lavacro nupliali a matre affecla sü'\ scheint also anzu- 
nehmen , dass dies schon in Mykenä geschehen sei. Aber das 
weiss ich mit den Worten desEuripides nicht in Uebereinstimmung 
zu bringen. — V. 810. (wo Hr. B. das ov unrichtig auf ia^kos 
bezieht) hat Hr. W. in die (von Matthiä entlehnte) Erklärung: 
„Nuptiae, Hcet cum nobili viro ineundae non effecerunt, ut lava- 
eris illis rite ministrandls carerem^^ ein den Gedanken entstellen- 
des licet eingesetzt. Sollte das licet hier einen richtigen Sinn 
geben, so müsste es statt „cum nobili viro^^ heissen licet »on d(h- 
mi celebrandae tarnen non fecerunt etc. Denn gerade iö^kog 
macht nach dem ganzen Zusammenhange das licet sinnlos. — V. 
836. haben die Hrn. F. und Vf. mit Recht Hermann's vortreffliche 
Emendation: aS xqbLööov iq Xoyotöiv Bvtvxwv tvxav aufge- 
nommen, aber leider missverstanden, indem sie deuten: „o pul- 
criorem — nostram beatorum fortunam^S also svtvxdSv als Genit. 
yon Bvxvxslg nehmen, während Hermann das Wort offenbar als 
Participium versteht, wie schon das nach dofio*^ gesetzte Komm« 
(wo Hr. W« mtt IJurtdil Punkl kmi) beweisen konnte (Oben ▼• 646. 



* Zur LiterAtiir dea Earipides. dO 

in emem ähnlichen Gedanlcen war dafür fganctQ gesetzt), so wie 
das nach tvxav stehende Punkt, was Hr. W. seinem Missver- 
ständniss gemäss in Kolon verwandelt. — V. 842. atonov i^So- 
vav Uaßov. Hr. F.: ^^miram vohiptatem cepi'^. Hr. W.: ^^inau- 
ditam\o\.''' Hr. B. gar: „t«f»/i/fliw, Tanam". Warnm nicht den • 
natürlichsten Begriff , der sich doch jedem aufdrängt: ^^inopinatam 
oder insperatam vol.^^ Mit Recht Hr. D.: ,,ungehoffte Lust^^. 
Denn was nicht an seinem Platze ist, das kommt auch unerwar- 
tet oder unverhofft. Bei Passow sind noch in der neuesten 
Ausg. lauter Bedeutungen in malam partem aufgezählt, und 
Btellen, wie die vorliegende, sind übersehen. Ausserdem wünschte 
man in Hrn. W's. Ausg. über den doppelten Dialect ii&ov av in den 
Dochmien einen Wink für den Schüler, zumal da die Grammatiker 
noch keine genügende Auskunft geben. — V« 847. (819.) f. irrt 
Hr. D. in der Uebersetaung: „Dank für mein Leben, Dank, dass 
du mich auf er zogst, Dank, dass du den Bruder mir — heran^ 
bildetest^^ Denn ersten« steht das dritte Dank nicht im Texte ; 
sodann bezieht Iphigenia %6aQ und xQoq>äs offenbar aof Orestes, 
und der mit oti sich anschliessende Satz bildet nur eine zu rpo- 
q>ä£ gehörige^ aber den Gedanken zugleich durch dojioiöiv q)dog 
näher bestimmende Exegese. — V. 854. Hr. D. : „auf die Brust^ 
für degcc. Warum nicht das bestimmtere auf den Hals öder 
auf den Nacken, was der Dichter hat. Das iiBXs6q>Qcav na- . 
triQ erklärten die drei Herausgeber des Textes infelis animi (wie 
Stephan, im Thes. und Schneider im Lex.) und Hr. D. über- 
setzt: „von Wahnsinn berückt'**'. Diese Bedeutung passt 
aber weder zum Charakter des Agamemnon, wie ihn die Tragiker 
bei dieser Gelegenheit darstellen, noch zum Wesen der Iphigenia, 
wie diese sonst über ihren Vater spricht. Das Wort p,BX%6q>Q(ov 
besagt wohl der Zusammensetzung gemäss trütia oder misera cfh- 
gitana i. e. crudelis. — V. 856. ist in den klein. Uebersetznngen, 
auch in der des Hrn. F., cd övyyoy nicht ausgedrückt. — V, 
860. nuQa dl ßcafiov Hr. F.: ^^eirca aram^^ Hr. D.: „Um den 
Altar^** statt ad aram. Diese Bemerkung gilt auch für v. 1089. — 
V. 885. schweigen Hr. W. und B. Der Schüler aber hat hier ei^ 
nen Fingerzeig nöthig über das Satzgefüge , dass nämlich mit diä 
»vttviag fii^v zu dem vorstehenden noxegov das zweite Glied be- 
ginn^, dieses aber hier in der bewegteren Rede freier gestaltet 
. sei. — V. 895 bei Hrn. W. : „Tads est accusativu» et valet 
xttxd tdÖB^^. Für solche Noten lieber ein Hinweis auf die Gram- 
matik, um jedem Missvetständniss beim Schüler vorzubeugen. 
Sodann haben die Hrn. F. und W. von Hermann angenommen no- 
gov BvxoQov il^vCag. Das scheint mir aber etwas zn taute- 
logisch gesagt zu sein mit dem folgenden (pavsl xaxdiv iAXv0i¥. 
Ich glaube, die Lesart der Bücher mit Seidler's Umstellung Sitth 
gov uogov l^avvcous^ die auch Hr. D. billigt, lasse sich verthei- 
digea mtiSieileii, wie obeo r. 889 ddovg irv^fto«^ isio» iwo^o»«. 



40 Griechiflohe Literatur. 

Hippol. 1144.: iiolöo) n6t[jiov Snoriiov faium itrfelijp, an unsrer 
Stelle also: inviam viam espediena^ wie^ Hr« D.: ,, Wer ent- 
wirrt den verworrenen Pfad**^? Die nächsten Worte dvoiv 
xolv iibvoiv 'Jtgdöaiv erklärt Hr. W. mit Hrn. B.r ,,duobu8 oc£- 
silio destitutis Atridis^^ Diese Bedeutung bedürfte gar sehr der 
Jäechtfertigung. Hr. W. scheint Brunck^s Note zu Soph. Antig. 
941., wiewohl Seidler und Matthiä darauf verweisen , nicht nach- 
gesehen zu haben.. Hierzu hommt, dass Iphigenia auch sonst in 
dem vorliegenden Stücke auf ähnliche Weise sich ausdrückt (vgl. 
V. 50. 153 fp. 611.1183.), d. h. nur den Orestes berücksichtigt.— 
V. 911 „TÖ &Blovforiunam^''. So Hr. W. und B. Genauer doch: 
die Gottheit oder die göttliche Hülfe. — V. 914 sagt 
Hr. D«: ,,Lie8 g>lka yag hötai ravr ifioL^^ nach Markland's 
Vorgange, der g?. ydg iöti xavz vorgeschlagen hat. Da ist 
aber Hermann's Conjectur jedenfalls vorzügUcher. — Unnöthlg 
ist V« 916 die von Hrn. D. übersetzte Conjectur xLq tlvog statt 
xal tlvog. Anders ist die Verbindung v. 1360, was vielleicht zu 
dieser Conjectur Veranlassung gab. — V. 921 bei Hrn. W. axaig 
xiva statt xiva, — V. 934 verbinden Alle ^r^tgog mit odv£xa. 
Poetischer aber scheint die Verbindung des (AtjxQog mit ^sal zu 
sein : deae matris i. e. Furiäe ultrices matris. -^ V. 943. Wenn 
hier wirklich die Libri Insfine haben, wie Hr. F. anführt, so wird 
diese Form küqftig Von Allen gebilligt werden," da der Gebrauch 
dieser Imperfecta (oben 335. Hippol. 907. etc.) jetzt hinlänglich 
bekannt ist. Ausserdem bemerkt hier Hr. F. : „Verto ego vul- 
gatum:;;os/ quae mihi greasum dusiL Aber auch richtig? 'Das 
war zu beweisen, und zu zeigen, dass Tcoda nifinBiv dem Gebrau- 
che nach gleich sei mit Ttoöa ayeiv oder ri^ei/ai. — V. 957 
stimme ich ganz Hrn. Rauchenstein S. 270 f. bei und glaube, 
dass, wenn der Dichter den von Hrn. W. befolgten Sinn hätte aus- 
drücken wollen, er nach natürlichem Gedankengange weit eher 
xaäoKovv ötp ovH släsvai gesagt haben würde, 0q>6 i. e. ^hovg. 
Das ovic ildivai kann auch bei der gewöhnlichen Deutung immer- 
hin ignorare , nicht verstehen übersetzt werden. — V. 963 { 
ÜTtGiV axovöag d*' aifiatog firjtgog nBQL^ Oolßog fi' ^öcdös fiag- 
xvg<DV ' Diese Stelle haben alle vier Herausgeber, wie ich glaube, 
missverstanden. Sic erklären nämlich wie Seidler: „Apollo ipse, 
adversarios audiena iisque reapondens , Orestem defendebat^S b®* 
ziehen also BliKav und anovöag auf 0otßog. Dagegen sprechen 
drei Gründe« Erstens sinkt hierdurch das fiagtvgcov zur blossen 
Tautologie herab , weil der nöthige Begriff dann sqhon in dntov 
enthalten ist; zweitens liegt dann in sl^twv dxovCag Ö^ ein auf- 
fälliges hysteron proteron; drittens endlich (und das ist die Haupt- 
sache) wird Orestes in eine vor dem Areopag stumme Per- 
son verwandelt. Nun aber wissen wir bekanntlich Aeschyl. Eum. 
V. 552 ff. (539 ff. ed. Franz), dass in der Gerichtsverhandlung auf 
dem Areopag die Furien und Orestes den Anfang machten, und 



Znr Literatar des Eoripides. 41 

dass letzterer erst nachher v. 579 (t. 566) mit dem ijörj 6v (gag-- 
tvQijöov d^n Apollo anrief, wie dieser selbst vorher schon znr 
Athene sein xal (laQtvgij^cDv ^k^ov ausgfesprochen hatte« Von 
diesen Momenten der Sagfe ist Euripides nicht ab^egang^en , wie 
schon daraus erhellt, dass er ebenfalls (t. 968 und 970) wie Ae- 
schylus mehrere Furien annimmt. Alle diese Bedenken ver- 
schwinden und die Steile gewinnt ihren gehörigen Zusammenhang, 
wenn man slnciv und dxovöag auf Orestes bezieht, ganz nach 
demselben Anakoiuth , das die Interpreten kurz vorher zu v. 947 
behandelt haben. — V. 967 sagt Hr. W« : ^^Accus. de^endei ex", 
wie auch Ale. 49.: ,,r^&pendet pb'^^ da er sonst in der Regel ein 
reines und sehr gefälliges Latein schreibt. — V. 992 spricht 
Hr. W. in der Note von rolg xravovöl (is , da er doch in seinem 
Texte rtß xravovTi fia unverändert gelassen hat. — V. 997 über- 
setzt Hr. D. dyakfuatog durch ^äule, was für deutsche Leser 
unverstandlich ist. — V. 1023 konnte Hr. W. zu den vielen Bei- 
spielen aus andern Stücken «aus vorliegender Tragödie v. 863: 
Sfia^cc hinzufügen, wo freilich, ohne an diesen Gebrauch zu den- 
ken, auch Hr. F. deploravi und Hr. D.: beklagte übersetzt. So 
eben findet man diesen Gebrauch des Aorist sehr gut entwickelt 
von E. Mol 1er in der Ztschr. f Alt. 1846 S. 1068 ff. — V. 1037 
bei Hrn. W. : „ Etiam äciö(D ex cSg pendet". Da fehlt Eiiam 
ßovkfjöofjiai. — V. 1024 übersetzt Hr. D. bX (as durch ,,wenn 
du uns" etc. Ohne Noth. — V. 1046 Die drei Herausgeber des 
Textes haben die Conjectur des Brodäus aufgenommen: nov te- 
tu^Bzai novovy und darnach hat auch Hr. D. übersetzt« Hr. W. 
erwähnt die anderweitigen Conjccturen der Gelehrten (in der 
Tauchnitzer Ausg. hat er Hermann's doXov im Texte), scheint aber 
Winckelmann's Vorschlag xogov (Ztschr. f. Alterth. 1840 
S. 1283), der mir unter allen noch am meisten gefallt, übersehen 
zu haben. Endlich aber neigt sich Hr. W. doch der handschrift- 
lichen Lesart q)6vov nach Markland^s Erklärung zu und deutet: 
welche Rolle willst du dem Pyladcs bei diesem 
Mordezuth eilen? Dem stimme ich bei. (Das hat auch Gr e- 
verus Würdigung etc. S. 16. gefühlt, wiewohl er prosaisch rd- 
nov vorschlägt). Denn das Bedenken, das Hr. W.beifugt: „In eo 
tamen haereo, possitne tpovog recte denotare caedem non fa- 
dam ^' lä'sst sich wohl so heben , dass man diese Redeweise mit 
dem bekannten Homerischen svxcoX^g snifie(iq)€tai und %fji6ttto 
d' alv^g afitpotSQOv^ vUrjg texal ^yx^og, in Verbindung bringt. 
Darüber haben Köhler im Zwickauer Progr. 1839 und (über 
das formale Wesen sehr richtig) Jahn in diesen NJahrbb. 1839 
B. 27. S. 1 10 f. verhandelt. Dort sind auch dem vorliegenden 
ähnliche Beispiele genannt. — Y. 1056 haben die Hrn. F. und 
W. in beiden Ausgaben Hermann's Conjectur elg vfiag ßkina} im 
Texte. Die handschr. Lesart dg lässt sich vertheidigen, wenn 
man ßkiTta prägnant versteht: <og vnäg S^^ofnai §Uic«kV. "^«o:^ 



42 Griochiiche Literatur. 

derBegri£F der Bewegung^ liegt hier im Auge. Wieder eioe 
Conjeetar im Texte findet mao V. 1064. uaXov xol ykä6^ otqf 
m^ötiQ uaQa. So Hr. W. und B., dagegen Hr. F. niöt^ jrcepy. 
Aber waa die Bucher haben: xalov toi yimöö^ ot^ nlö^xigna- 
' (f^i ist ohne Anatosa, wenn man bei der xlörig nur nicht an fide 
dignu$ Oller veras denkt (wie in der Note geachehcn ist), aondera 
darunter das treue Aneinanderschlieaaen der Frauen y,er. 
fteht, wovon eben v. 1061. und 1062. die Iphigenia geaprochen 
bat. Was aodann den Einwand betriflft: ^,Bene ae haberet aen« 
tentia ai or^ posset pro feminino accipi et ad ylciööa referri. At 
de hoc usu non conatat, et v. 1071. quoque orcn non est femini- 
num^S so aehe Ich keinen Unterachied iwiachen der vorliegenden 
und der i^ngefuhrten Stelle. In beiden Steilen ist vieUnebr die 
Rede, awar mit bestimmter Bexiehung, jedoch in allgemei- 
ner Sprachform gestaltet. Eben so aprkht Phädra im Hippol. 
426 f. [AQVov da fovro fpa6* aßiXl&a9m ßla^ yveifuffv dtxalav 
KaytL^^v^ Qtq^ sra^y. Die Erinnerung endlich, daaa bei der 
handacbr. Lesart ^Joquentem potiua quam tacenicm lingnam Mg* 
nificarl^S erledigt sich durch daa, was oben sa>. 1046. a. E. a»* 
gedeutot wnrde. — V. 1071. überaetst Hr. D.: ,, Kindern, wenn 
du welche hast^S was gegen den tragiachen Ton veratösat. -« 
V. 1073. Mit der von Hm. B. und W. angeführten Stelle können 
noch andere verbunden werden ^ in denen wenigstens eine ähali* 
che Satsbildung stattfindet (Hr. F. hat hier nach raiha unrichtig 
Frageaeichen), nämlich 555. (wo Hr. W. mit Hermann ohne Noth 
Frageaeichen setat) und 738. 1162. (wo Hr. F. wieder Fragesd- 
eben hat). — Y. 1079. spricht Iphigenia: öov Ipyor ijSri »al öov 
ulgßaLvHV dd^ovg. Dazu bemerkt Hr. W.: ^,Haee dicta aunt fa- 
ntulis^ guas Tphig. aecum habet ^ non chori mulieribua^S lind 
das hat ihm Hr. B. getreulich nachgeschrieben. Es ist aber aua 
drei Gründen falsch. Erstens hat Iphig. ihre Dienerschaft schon 
V. 725. mit aniX^sd^* v^lbIs ^^tJl. fortgeschickt. Zweitens müsste, 
wenn ausser dem Chore noch Diener oder Dienerinnen zugegen 
gewesen wären, auch an diese das Gesuch um Stillschweigen ge- 
richtet werden ; denn auch von diesen konnte Iphig. Verrath be- 
furchten. Drittens verlangt, wie oben das dreimal gesetzte öi 
(1069. 1070.), so hier das zweimalige (Jot' seine bestimmte Be- 
ziehung. Und diese hat es, wenn man es, wie der Zusammen- 
hang verlangt, auf Orestes und Pyla des bezieht. Denn diese 
befinden sich im folgenden Acte im Tempel (vgl 1164 ff. 1191. 
1198. 1204. 120«. 1217. besonders 1222: tovgd' ag kxßalvovxag 
ijdfi dfOfUttxcav 6q(d l^ivovg)^ der Dichter aber musste motiviren, 
wie sie hineingekommen seien, und das geschieht an unserer Stelle^ 
Das hat auch Hr. Donner übersehen ^ da er schrieb: „zu Eini- 
gen aus dem Chor ^S — V. 1093. (1050.) übersetzt Hr. D.: 
,, Wohl verständlich Verständigen, da du — ausrufst^S Es muas 
data hdaaen. Vgl. Seidler z. d. St. — Y. 1110. ateht für i^av- 



Zar Literatur des Baripides. 43 

fioiöi xal koyxcug io der lat. Uebemetzangp auch des Hm. F.s 
^^eum remi^io et hastis^ wodurch das Granse nnverstKndiich wird. 
Hr. W. schweigt, Hr. B. spricht unrichtig von einem Hyperbaton* 
Die Stelle bedeutet: ingressa som in naves per hostium remos 
et hasiaa^ i. e. quum hoales appulUsent ad urbem et me co^ereni^ 
Hr. D. hat hier die Gedanken unnöthig versetzt. — V. 1131. hat 
Hr. W. aus Verseilen 8v 0' im Texte gelassen , was niclit zur Anti« 
Strophe passt. Ferner hat sich Hr. W. im angehängten metrorum 
conspeotus verscfirieben , indem er v. 113^. (1148.) am Ende eine 
Sylbe zu wenig und v. 1134. (1149t) zwei Dactylen zu viel gesetzt 
und im griech. Texte nach tütla das rs ausgelassen hat, so das« 
der Vers mit der Antistrophe nicht harmonirt. Ausserdem findet 
sich in der letztern qoch ein Versehen , nämlich slg ist ans Ende 
von V. 1148. gesetzt, sollte aber nach der Strophe und dem con- 
speetus den Anfang des folgenden Verses bilden. Was übrigem 
zu V. 1134 ff. Hir. F. über Hermann's vortreffliche Constituirung 
de^ Textes bemerkt: ,,languet pone claudicans illud nodag ts^ qnbd 
absoluta sententia nemo jam exspectat^S das wird schwerlich Je«* 
mand für gegründet halten, der sich lebendig in die Situation de« 
Chores hineinversetzt. Ich wünschte daher auch , dass Hr. W. io 
der Note zu v- 1089 die Worte: ^^sed hoc quoque canticum poeta- 
nimia ubertate inutilium verborum iMstruxit'' und zu v. 1102. 
das ,,Euripides, stipatoriH ehorieii inutilium verborum^^ wegge* 
lassen hätte. Denn für diesen Chorgesang scheint mir Härtung 
Eur. rest. II. p. 166« vollkommen Recht zu haben. — V. 1171. 
bei Hr. W.: ,,r6v q>6vov caedem, quam suspicaris^^ Auch hier 
(wie V. 117T. statt caedia eonta^ione) war culpam caedis oder 
piaculum das richtige, wie das beistehende xsutf^fusvoi beweist. 
— V. 1190.*erklärt Hr. W. nur xigvißsg^ aber nicht i;lq>og öSv 
(vgl. V. 872.), bei dessen Erklärung Seidler zu unnöthiger Kün- 
stelei seine Zuflucht nimmt. Eti ist das Schwert , das Iphigenia 
zum Abschneiden /der Haare bei dem xarapxsod'at (1154.) 
gebraucht. — V. 1203. hält Rauchenstein S. 277. die Schreibart 
olodei VW mit Unrecht fiir einen Druckfehler. Denn vvv^ was 
Hr. B. liat, kann hier nicht stehen. Hr. F. führt Hermaun's Note 
wörtlich an, und doch hat er den hier sinnlosen Vers dg slKOtfog 
6b xtL (nach Markland) im Texte gelassen, wie auch v. 1206. das 
unrichtige xdxHopi^ovrmv ys statt des handschr. de. — V. 1209. 
hat die Lesart der Bücher nola^ i^Vi(;o^Sr die auch Hr. W. für ver* 
dorben hält (in seiner Stereolypausgabe hat er Hermann's tayäg 
im Texte), schon Rauchenstein S. 273. sehr gut gerechtfertigt und 
dazu die (bereits von Matthii und Bothe erwähnte) Stelle v. 1410. 
verglichen. Aehnllch steht bei Soph. Oed. R. v. 680. p.a^ovoi 
y ijtig ri tv^ri* Im Folgenden hat Hr. W. ganz die Hermann*8che 
Umstellung der Verse mit den TextSnderungen adoptirt. Hr. B. 
ist hier vorsichtiger gewesen und dürfte mehr auf Beistimmung za 
rechnen haben, wiewohl «r keine Reehtfertigmif^ \iVQnraLt^^« "^ 



44 Griechische Literatar. 

ist z. B. y. 1212 die Lesart der Bücher (lij övvavtfSev q>6vqi 
MTohl aus dem Grunde vorzuziehen , weil, wenn man wie Hr. W. 
die Conjectur övvavtmtjv aufnimmt, Thoas zweimal in dieser Un- 
terredung dasselbe sag^t, indem er nämlich auch t. 1218 erwidert 
(i^ itakafivaiov Aerßoi; den Optati? övvavtösv hatte schon frü- 
her Hermann hinlänglich geschützt, und jetzt thut es in gleichem 
Sinne Bäumlein: CJeber die griech. Modi S. 274. Das slg i(ii bei 
Hrn. F. de me statt in me. Was übrigebs die Euripideische Cha- 
rakteristik des Thoas betrifft, so macht ihn Härtung zu einem 
,,homo ridiculus^\ woran Euripides schwerlich gedacht hat Denn 
was Härtung unter andern p. 168. bemei:kt: ,,Neque enim hilari- 
tatem tantum , sed etiam risum movet Thoas velari jubena pere- 
grinoa^ qui per fraudem abducuntur, insuperque ip8e vestem ocu- 
Hb suis opponens"^ das beruht auf irrthümlicher Vertauschung 
der Personen. Glicht Thoas befiehlt dies, sondern Iphigenia 
y. 1207: ngära XQVil>avxss nsnkoiöiv, und v. 1218.: ninkov ofi- ' 
lüätav nQo9B69ai,. Daher dürfte auch die von Härtung p. 173. 
gegebene Gharakterisirung in diesem Punkte sich etwas anders ge- 
stalten. — V. 1223 xal ^adg xoöfiovg. Die Erklarer schweig«i, 
Hr. B. hält es ohne Weiteres für verdorben und conjicirt ,^xavä 
d. X. secundum ritus deae'^j was natürlich schon der Gräcität we- 
gen Niemand billigen kann. Hr. W. hätte daher wohl für den 
Schüler einen Wink geben sollea, dass sich die Worte auf den 
Schmuck der Kleidung beziehen, der den Göttern und Göt- 
tinnen beigelegt werde, unter Vergleichuug der Homerischen , 
Steile von der Statue der Athene in Troja. — V. 1225 bemerkt 
Hr. F.: ^^ngov^kiAtiv ^ et alia similia , Codices semper absque co- 
ronide exhibent, recte^^ Eine ähnliche Bemerkung steht oben 
zu V. 961. über das am Versende stehende elidirte i:% was dort in 
den Handschriften zum folgenden Verse gezogen wird, ,,Quae 
recta est dividendi ratio. Et omnino in versibus nexis quando to- 
cabulum extremum patitur ellsionem Tocalis , exitum versus Codi- 
ces constanter iisdem regulis metiuntur, quibus dirigitur apud 
Graecos syllabarum divisio^^ etc. Es wäre zu wünschen, dass die 
Herausgeber eines kritischen Apparates derartige Dinge an Einer 
Stelle aus den von ihnen verglichenen Mss. sorgfältig zusam- 
menstellten, damit die neuesten Grammatiker neben der Auetori- 
tat der alten Grammatiker auch die handschriftliche f Jeberliefe- 
rung der vorzüglichsten Codices benutzen könnten. — V. 1231 
Hr. W. : „ov igi^ , in Graecia ". Ist ungenau ! Es gehört dies hier 
zu der absichtlich gebrauchten Amphibolie, indem 
Thoas dabei an den Ort denkt, wohin fphigenia geht, die Zu- 
schauer dagegen an den Tempel in Attika. Zu derselben zwei- 
deutigen Verhüllung gehört das folgende rof nkhlov tl- 
doöLv ^ was keineswegs bedeutet (wie Hr. W. und B. höchst selt- 
sam mit Markland erklären) ,,deos omnia scientes^S sondern: die 
das Weitere oder da» Hehrere wissen ac als ich jetz t 



Zar Literatnr doi Eoripides. 45 

säge« Endlich tniifis in der Note zu den Worten : ,,Iphigenia — 
cum fratre a Pylade vinctis abit^^ hinzukommen : et cum satel- 
liiibus. Vgl T. 1208.^ wo Fphig. zu Thoas sagt; ötSv ri juoft övii- 
«$[i^ onttöfov. Einer davon ist ja auch deü v. 1284 auftretende 
ayyekog. Vgl. v. 1329. — V. 1234 svnaig yovog deuten alle (mit 
Seidier): esimius puer^ Hr. D.: ,, Gross ist der Sohn^S Mit 
Unrecht, svaaig ist schön, da auch hier nach der Sitte der Tra- 
giker die Hauptbedeutung im ersten Theile der Gomposition h'egt, 
wie denn der angeführte Scholiast zu Aristoph. sehr richtig xakov 
setzt, und Matthiä passend xakUaaig aus dem Orestes vergleicht. 
Ferner war für y6vog proles zu setzen, weil sich hierauf auch d^s 
folgende ä % i%\ to^a^v xzL bezieht. Zu dem letztern bemerkt 
Hr. W.j „Dianam, cujus mentionem, ut sororis Apolllnis, Euripi- 
des pro iua in carminibus choricis verboskate omittefe noluit^ 
licet ^^ etc. Auf diese vermeintliche verbositas mag hier Seid- 
ler antworten mit der richtigen Bemerkung: ^Jnserit hoc poeta, 
ne ab historia deflectat, quae simul cum Diana Apollinem ad Par- 
nassum translatum refert.^^ — V. 1246 sagt Hr. W. von der 
Lesart der Bücher xataxalKog ,,inepta est verbis öxisgä Bvg)vXk(p 
8d(pvq: additis^^ meint indess zu Hermann's Conjeclur xttxa%katr 
vog, (die er in seine Stereofypausgabe zu rasch aufgenommen bat) : 
,,forta8se audacius sit , vocabulum rede quidem formatum , nuüa 
tamen auctoritate munitum , in ^ verborum ordinem recipere^^ 
Woher auf einmal diese Bedenklichkeit, da Hr. W. oben v. 419. 
in ganz gleichem Falle nhvixaigog sogar stillschweigend aufge- 
nommen hat? Auch zu ^hvoBvxi (v. 1282) wird nichts bemerkt. 
Ich meine blos, dass mit xa%a%Kawog ein Begriff verloren ginge, 
den man hier unwillkürlich sucht. Es wird nämlich der Drache 
geschildert. Da wird zuerst erwähnt die schillernde Farbe 
{noiKiXovGitog)^ sodann heisst er olvmnog in der latein. CJeber- 
Setzung auch des Hrn. F. rubra fade und bei Hrn. B. sogar ,,m* 
g^er, quemadmodam et iiiXaq olvog dicitur, quia nigrum sive fua- 
cum vinnm in pretio erat apud veteres^^ Gut, dass solche Noten 
nicht von Naturhistorikern gelesen werden; die würden nicht we* 
nig lachen !1 Das ocVoTTog wird jeder Unbefangene nur auf die 
feurigen, blutrothen Augen beziehen. Wo bleibt nun 
aber bei der Schilderung das, was jedem beim ersten Anblick ei- 
nes Drachens sogleich in die Augen springt, der Schuppen^ 
panzec? Den haben wir ohne Zweifel In xaxdxaknog^ was frei- 
lich Hr. B. wieder unrichtig erklärt: ^^armatus^ i. e. defensus, 
iecius ^ umbrosa lauro. Figurate, nee vulgariter, dictum^^. Das 
dabeistehende 8dq>va nämlich ist dativus loci und gehört zu afiqp- 
£9r£, am oder beim Lorbeerbaum. — V. 1257. Das adv- 
%mv vno verstehen die drei Herausgeber des Textes mit Musgrave 
de terrae spiraculis^ und auch Hr. D. übersetzt: „Aus dem gutt- 
ue h e n^ 6 r u n d ^S Wer indess das Griechische ohne Commen- 
tar liest, wird wohl nur erklären: sub intimo tempU loco V ^%ii^ 



46 Grieehisehe LHerainr. 

peneiraliiua. Bei Hr. D. steht gleich darauf verdraekt: ,,der 
£rde Mitte/'' statt Mitte. — V. 1266^ hat Hr. W. ohne Note 
im Texte £t;i/crg yäg (pgcl^BV avto* aber das passt weder sor 
Strophe noch so dem Schema am Ende des Buches. Hr. W. hat 
ohn^weifel Ton Hermann %ipQat,tv ßvm aufnehmen wollen; Dodi 
auch das wäre unrichtig. Denn was wir bei Hermann im Texte 
und in der Note lesen, ffpga^Bv^ ist höchstwahrscheinlich nur 
ein Schreib- oder Drudcfehler statt Sq>Qa^ov auf dl bezüglich, 
wie Hermann bereits in der Rec^nsion der Seidler'schen Ansehe 
emendirt hat. Hr. Drsagt: ,,Lie8 vnvov xatä Övo^egag ySg s^- 
W$ Sq)Qalov £v€i>^\ also von Seidler und Hermann Eusammenge- 
setzt, aber sehr auffallig zu der CJebersetzung: ,, Weiche — atifl 
düsterem Schoosse, der Erde Lagern, heraufkund- 
ga b e n i m S c h 1 af'^ -Die im Folgenden erwähnte Sache drückt 
Härtung p. 108. so aus: „Phoebus recta ad Olympum contendit 
manuque throno lovis circutndata pueriU questus est injuriam'S 
Etwas auffällige Rede, der wahrscheinlich die Lesart ix ^log 
»Qovmv zum Grunde liegt. — V. 1299 sagt Hr. F. : „Libri fifc- . 
B0tl ^' VfiiV' Scripai^ ut res postdlabat^ (iitsöTB ^VfiiV". 
Druckfehler statt |u^r£0v&, wie schon Markland vorgeschlagen 
bat , aber ohne Nothwendigkeit. Matthifi hat hier mit seiner Note 
dem Wesen nach dasselbe sagen wollen, was Hermann bemerkt. 
V. 1309. bei Hrn. F. fffSVÖBig Druckf. statt ^Bvdäg. — V. 1317. 
tlxv€Vfitt &ü^q)OQdg xBxTrjfiivfj', die Donner'sche Debersetzung: 
„Welcher böse Geist berUcIcte sie?^^ bietet hier kein genügendes 
Aequivalent für die griech. Metapher. Auch v« 1336.: „damit sie 
fürder nicht unthätig uns erschiene^^ entspricht nicht 
dem Texte: dgävti nXiov^ aliquid tnajus sc. quam necesse erat, 
also gleichsam aliquid 8upervacanei oder auch aliquid muUüm. 
^^ V. 1340. Blg^X&Bv am Anfange. Die Pariser Handschr. A. B. 
haben nach der Angabe des Hrn. F. igijk^Bv^ was künftig in den 
Text kommen wird , wie es Hr. W. selbst in seiner ed. stereot. 
schon aufgenommen hat. — V. 1345. Den folgenden Vers hat 
Hr. W. mit Hermann versetzt. Aber das scheint mir hier theils 
zu kühn, theils nicht recht passend. Denn die Worte 'Ekkädog 
VBiig öHcitpog würden ohne nähern Zusatz zu nackt dastehen Im 
Vergleich zu den folgenden vavtag , welche ihre nähere Bestim- 
mung erhalten. Man erwartet daher nach natürlicher Gedanken- 
symmetrie auch zu öxdq)og eine passende Erläuterung. Und 
diese gewinnen wir mit der kleinen Aenderung Markland's tagöiS 
xat^gBg remis instructum. Das nltvkov kntBgtOftsvov ist dann 
Apposition zum Ganzen 'Eklädog bis xar^gsg (wie ähnlich v. 1442., 
wo Hn W. wenigstens eine Verweisung auf die Grammatik bei- 
fügen konnte) und findet gewisser Maassen seine Erklärung in v. 
1050.: vBoig yB nltvXog Bvi^gTjg ndga^ also ein geflügeltes 
Oeplätscher d.h. einen zur Abfahrt bereiteten Ru- 
derschlag. Ein ähnliches Beispiel solcher Apposition hat hier 



Zur LUemtbr dm Bwcipidef . 47 



Hr. F. ftDgeföhrt, ein paar andere findet niaB bei Meblliortt de 
apposit. p. 13 f. — V. 1350. bei Hrn. W. |,U. XII.^^ st XXII. -^ 
V. 1366. Tce deivä xktjyiiata. Der Artikel, meint Hr. W., be- 
deute haud duhie^ dass der ,,nun€ius aigna hii}ua certaminfa in 
ore ferebat^S Also SuxxiiiäQ, Seidler sagt dasa wenigsten» ?er- 
' sichtiger opinor. Mit Recht. Denn es entsteht hier folgendes 
Bedenken : Welche von den bei Poilux aufgezählten Maaken fhr 
Sclaven utid Diener soll der hier ersShlende Bote gewählt habeift, 
um diese Faustschläge sichtbar in machen ? ist es femer wabr- 
scheüilich , dass Hellenische Aesthctik des einsigcn Artikels we- 
gen den Zuschauern einen so widerlichen und lächerlichen Anblick 
gewährt haben werde, wie er heut ^u Tage in Nestroy'schen Pos- 
sen auf die Bühne kommt ? Ich halte daher die Bothe'sche Er- 
klärung quaefieri solent in tali re ubitis adhibetur für die bes- 
sere. — Die folgenden xäka übersetzt Hr. D. ^^der J&ngiini' 
Arm^^ Aber da die Arme schon in nvyyLoi angedeutet sind, 
Tcrsteht man hier wohl besser die Fusse. V. 1371. (1323.) ubw- 
setat derselbe: ,^das unsre Glieder brachen und ermatteten*^ 
ohne Note , wiewohl diess keine der hier gebilligten Schreibarten 
ausdrückt. Hr. F. hat Markland's Gonjectur i»g |i;v t' dnuiChtv 
mit einem verisaime in den Text gesetzt, unter Billigung Ran- 
chensteins S. 273. Aber dagegen hat Hermann einen begründeten 
Einwand erhoben^ der erst widerlegt sein will, bevor Hr. W« das 
Hermann'sche mq rd iwimuv in seinen beiden Ausgaben wie- 
der tilgen wird. — ' V. 1396. sagt Hr. F.: ^^Dindorßusy ut est in 
Brub^ tlg ds y^v xdhv''. Das bemerken auch andere. Aber in 
der ed, Brub. von 1551. steht Aaxr/goin:e$. y^v dh ndXiVy also 
da ebenfalls nach yijv und dieses ohne üs^ und da diese Ausgabe, 
so weit ich nur die bei Hermann angeführten Lesarten verglichen 
habe, überall in diesem Stücke mit der Aldina iabereinstimmt, so 
zweifle ich auch, ob die Aid« hier wirklich das dq enthalte. — V. 
1404, haben alle Sfusgrave's Gonjectur im Texte, Hr. F. billigt 
indessen in der Annotalio Matthiä'a Vorschlag. Die Lesart simmt- 
licher Bücher ist bekanntlich yvgAvdg ixßaXovtsg incogAldag. Ich 
habe folgenden Gedanken. Da wlsvrj oben v. 966. Med. 902. und 
anderwärts im Sinne von Hand steht, x^Q ^^^^^ selten für Arm 
gesetzt wird, so liegt die Vermuthung nahe, dass auch ia&filgy 
eigentlich TO vnsgsxov rov ßgaxlovog Achsel oder auch wohl 
Oberarm, im Sinne von Arm überhaupt gesagt worden sei, und 
dass wir vielleicht gerade an unserer Stelle einen Schifferaus- 
druck vor uns haben, der etwa mit dem deutschen ,,mit aufge- 
streiften Aermeln^^ harmonire. Findet sich doch in dieser ganzen 
Botenerzählung Einiges, was überhaupt eigenthümlich gesagt ist, 
so dass ich mich wenigstens von der Richtigkeit der Mosgrave*« 
sehen Gonjectur nicht überzeugen kann. — V. 1405. übersetzt 
Hr. D. Ik xBksvö^atog „auf des Meisters Ruf^^ Der Zusam- 
menhangspricht wohl mehr fiir die gegenaevlv^« ^^^t ^^- 



48 ' Griechische Literatur. 

meinschaftliche Ermunterung der Schiffer unt^r einander. 
V. 1432. sagt Hr. D.: ,,wenn mir Zeit und Masse wir ^S Druck- 
fehier wahrscheinlich statt wird, wiewohl dies an der Stelle 
nicht recht tragisch klingt. — V. 1447, wo Athene sagt, dasa 
Orestes ihre Stimme auch in die Ferne höre, bemerkt Hr. W. 
(mit Hrn. Bothe): ^^avöip^ &Bäg^ vocem deae, qmppe fortiorem 
humana^ quam Orestes non exaudire potuisset^^ Aber so üach 
darf man selbst heidnischen' Glauben nicht auslegen! Nach helle- 
nischem Glauben wirken die Götter auch intensiv auf die Men- 
schen ein, d. h. auf das Innere derselben; mau braucht daher 
die Athene hier nicht auf lächerliche Weise zum Stentor zu ma- 
chen. — V. 1449 glimmt Hr. W. das Beiwort Athens d'soSfuj- 
rot;^ wörtlich: a Minerva dea condila. Der Hauptbegriff liegt 
wohl auch hier im ersten Theile des Wortes, also überhaupt das 
göttliche, insofern es unter dem Schutze' und der Obhut 
derAthene stand. — V. 1461 sagt Hr. F. : „Reponendum cum 
Marklando ^ea d' o;ro$^S Das hat Hermann in seiner Ausgabe 
höchst wahrsQjieinlich zu dem gerechnet , wovon er in der Vor- 
rede p. Vi. bemerkt: ,,obli?ioni tradere officium est.^^ Mit Recht. . 
Denn wenn ^liesdie Bücher hätten, so würde man an dem rs an- 
stossen, weil der Satz önmg tvpiäg ^XV ^^^^ ""^ ^"^^ nähere Er- 
klärung von oöiag STcan sein kann. — V. 1469 erklärt Hr. W. 
(mit Seidler und Matthiä) die Worte yvcifiriß dixalixg ovvbtc ob 
bonam voluntatem , qua Orestis et Iphigeniae consilium fagamque 
adjuverant^S und hat hierdurch auf merkwürdige Weise sich selbst 
widersprochen. Denn kurz vorher hat er die lange Entwickeluiig 
von Hermann wörtlich aufgenommen und mit diesem auch im Texte 
das Zeichen der Lücke gesetzt. Aber Hermann's ganze Deduction 
stützt sich ja eben auf yvcofi. dtxcclag ovv. im Sinne von propter 
justam animi sententiam ^ oder um das hierher Bezügliche wört- 
lich zu erwähnen: „mulieres ipsas quoque paribus auffragiia vin- 
cere vult Minerva, ut quum ipsa eas absolvat, Thoas autem con- 
demuKverii^ müior pröbetur sententia^'^ d, h. die yvmfiTi dixala 
i e. l6oil>rj(pla. Was freilich die angenommene Lücke betrifft, so 
scheint dieselbe entbehrlich zu sein, wenn man mit R. Rau- 
chenstein (Zeitschr. für Alterth. 1846 Nr. 52. S. 415.) nach 
K»l noch einmal xglvaöa hinzudenkt, nur in der andern Bedeu- 
tung bestimmen. Vgl. darüber oben zu v. 279. Dadurch wird 
jede weitere Gonjectur zurückgewiesen , auch die des Hrn. D. : 
„xai v6(ii6^' slvuv rdds, der Infinitiv von ll^fpU^ui abhängig^^ 
Der Streit endlich kann hier nicht zwischen Athene und Thoas 
gedacht werden, da dann Athene zugleich für sich klagen und 
entscheiden müsste, was mit dem sonstigen Begriffe von ^^- 
9>o$'^d'i2vag nicht zu vereinigen wäre, sondern als Parteien sind 
hlerwohl zu denken Iphigenia (vgl.v. 1068. 6(6<5m ö' ig'Ekkdd") 
und Thoas. V. 1490: it in Bvtvila x^g öo^ofilvTjg 
• p^oiQag Bvöaiiioveg ovvBg. 



Zar Literatur dei Baripides. 40 

. Hr. B. Bob'ir««^^ iie übri|pen drei Editoren Tcrsteben die Stdie 
auf dieselbe Weise; bei Hm, f .:^Jte fauste fato ob serratam r#- 
/ae partem feliees^^ Bei Hrn. W. nach Marlsland und Seidler: 
54- e. &fi «VTuj^cig, ivxv%&q^ In &ixvxBi n6tii(p — felices ob ser- 

^ vatam vitae Testrae soriem , i. e. felices ob sortem , qua serya- 
mini^^ Für den Ständpunkt der Schulbildung ist fato oder not- 
lAtp ein Tager und unbestimmter Begriff, der noch ausserdeni bei 
der befolgten Erklärung Ton fiolgag tautologisch gesagt wäre. Da 
der Chor diese Worte, wie Hr. W. selbst mit Hermann bemerkt, 
mit dem Blicke nach dem Hafen zu spricht [der Hafen ist wahr- 
scheinlich auf der Bühne dargestellt gewesen] , so muss man dem 
Schiller , statt drei griechische vage Begriffe zu gebrauchen , b e - 
stimmt sagen j es beziehe sich in ivt, auf die glückliche 
Schifffafairt, also ile ea eonditionel, vi fausta sit navigatio. So- 
dann scheint mir , wenn fLolg^xg als genitivos caossae erklärt wird, 
der Artikel rijg nicht hinlänglich begründet zu sein. Hermann er- 
wähnt nach Musgrave's Vorgange eine Stelle des Aristides , wo- 
rin es heisst: sl (liv t^g 6mio(iivijg fiotgag ci^^^si/, und fügt bei: 
„Ei^ quo apparet, t^v öco^ofiivfjv (lotgav eos ex aliquo numero 
dici, qul caeteris pcreuntibus sahi evadnnt^^ Daher hat men wohl 
auch, bei Euripides den Genitiv von ovzbq abhängig zo machen und 
luf^g tfogo^. ^oigag eine Andeutung zn suchen auf die beiden 
streitenden Theile unter dem ^aleulus Minervae, wovon kurz 
vorher die Rede war. Endlieh haben, wie wir jetzt durch Hrn. 
F. wissen, sämmtliche Mss. mit auffälliger Uebereinstimmnng 
^dttlptovog^ was man wohl nicht crfine Weiteres, wie bis jetzt 
geschehen Ist, von der Hand weisen darf. Nach diesem Allen 
will mir dünken, dass die Stelle also zu deuten sei: Ziehet 
dahin auf glüeklicl^e Fahrt, die ikr gehurt zu dem 
schon j et z t (daher participia praesentia^dem Chore soll es erst 
Sj^Jitet zu Theii werden. Vgl. IL XX. 494. mit Spitzner's Note) 
sich rettenden Theile, welcher der glückliche ist 
(d. h« der den calculus IMinervae erlangt hat)« Das nun folgende 
dlX\ m CBiivij xtX. recitirt der Chor höchst wahrscheinlich in dem 
Augenblicke, wo Athene wieder in die Hohe sehwebt. Hrt Don^ 
ner hat an dieser Stelle keine derartige Bemerkung zwischen den 
Text eingesetzt, wie er sonst zu ihun pAegt. Die Anmerkung 
endlich , welche Hr. W. zu den drei Schlossversen des Stückes 
gegeben hat, und der ich eben so wie RQUchenstein S. 270. bei- 
stimme, findet wohl auch in der dem Dichter so beliebten Am- 
phibolie eine weitere Bestätigung. 

Hiermit will ich die Bemerkungen über Emzelheiten be- 
schliessen. Ich glaube nicht nur das oben im Allgemeine» gefällte 
Urtheil mehrseitig begründet, sondern duch nebenbei an ein paar 
Beispielen gezeigt zu haben ^ dass selbst nach den neuesten Lei- 
stungen für Kritik und genauete E&egese des Euripides noch 
Manches m thun sei. Ich war WiUens, auch vom Ht(v^VäXM <^^^^ 

N. Jahrb. f. PhiL «. Päd. od. Mrü. BibL Bd. L. HfU 1. \ 



50 Griechische Literatur. 

von der Aikestis eiue Anzähl von Stellen zu behandeln, dfe ich 
mir bei der Lectüre dieser Stücke mit Schialem besonders noiirt 
hatte : aber ich bin schon bis jetzt so ausführlich gewesen , dass 
ich billiger Weise nicht noch mehr Raum beanspruchen kann. 
Möchten die etwaigen Leser und besonders die genannten Ge- 
lehrten , deren Werke hier beurtheilt worden sind , in dem Ange- 
führten Einiges finden^ was ihrer Beachtung nicht unwerth 
erscheine! 

Mühlhausen, im Januar 1847. Ameü. 

Späterer Zusatz. 

Das Voranstehende war bereits niedergeschrieben und ahge- 
sandt, als mir die gründliche und inhaltsreiche Recensioq der 
Wltzscherschen Ausgabe von Hrn. E. W. Weber (in der Neuen 
Jen. Allg. Ltztg. 184ö, lNr.307 ff.) und Hrn. Härtung'«^) scharf- 
sinnige Beiträge zur Kritik und Erklärung des Euripides , die sich 
an die Fix'sche Bearbeitung anlehnen (in der Ztschrft. für Alter- 
thumswissenschft 1847, Febr. Nr. 18 ff.) in die Hand kernen. 
Hrn. Weber ist die Ausgabe von Fix noch nicht bekannt gewesisn 
und Hr. Härtung hat auf Witzschel's Bearbeitung keine Rücksicht 
genommen. Mir möge es erlaubt sein , mit Rücksicht auf diese 
beiden Gelehrten noch Weniges zur Taurischen Iphigenia, die ich 
einmal etwas genauer beachtet habe, beifügen zu dürfen, ohne 
jedoch, was mir hier nicht zukommt, auf Hartung's radicaie Con- 
jecturen oder abweichende Ansichten näher einzugehen, zumal da 
ich nur selten von der Nothweudigkeit der Prämissen überzeugt 
worden bin. 

Zunächst freue ich mich, an mehreren Stellen entweder ganz 
und gar, oder doch in dem wesentlichsten Punkte mit den ge- 
nannten Gelehrten im Urtheile zusammenzutreffen. So mit bei^ 
den zu V. 484., mit Hrn. Weber zu V. 110. 295. 492. 956. 104». 
1064. 1209., mit Hrn. Härtung zu V. 15. 370. 1209. Ander^ 
wo ich eine abweichende Meinung vorgetragen habe, überlasse i<^ 
dem i.e6er. zur Beurtheilung. Nur Folgendes will ich noch 
beifügen. 

V. 98 ff. wiederholt Hr. Härtung ,- der blos die Conjectur 
Xi&otiiBV annin^t, seüie frühere Erklärung ansfiihriicher mit fol- 



'^) Es wäre ein wichtigei Moment, man konnte fast sagen ein noth- 
wendiger Wunscli , dasi Hr. Hariang in seinem Euripides restitutua noch 
öfter unter dem Texte angegeben liaben mochte, wie er Eine Stelle ge- 
lesen wissen will, da der Leser seines geistreiclien Werkes bisweilen 
bei wesentlichen Entscheidnngspnnkten hierüber im Zweifel bleibt. Ei- 
niges löst die oben erwähnte Arbeit. Vielleicht wird Hr. Härtung am 
Schiasse des Werkes das hier Vermisste im Zusammenhaoge nachholen. 



Zar Literatur des Earipidcs. 51 

gendeo Worten: ^^Die Mauern sind sehr hoch, sagt Orest: wollen 
wir sie zu erklimmen versuchen (vgl, Phoen. 744.),' so können wir 
dabei unmöglich unbemerkt bleiben; wollen wir durch Aufspren- 
gen des Schlosses eindringen, so fehlen uns die Mittel 
dazu : und hätten wir diese, so würde man uns dennoch bei dem 
Versuche, einzudringen, ergreifen und tödten. Wollen wir also, 
ehe ^ir dem gewissen Tod uns aussetzen , wiederum zurückfliehen^ 
so wie wir gekommen sind^^? Das letztere mit seiner Conjectur 
dXX' ^, ngiv — ivav6xoXijöa[iBV\ Aber in dieser Erklärung fin- 
det man erstens eine seltsame Argumentation. Denn wenn Ore- 
stes sagt: „Die Mauern sind sehr hoch: wollen wir sie zu er- 
klimmen Tcrsuchen ^^, so erwartet man unwillkürlich als Nachsatz: 
so werden wir uns vergeblich bemühen. Zweitens ist 
auffällig, dass, wenn beim zweiten Gliede, beim „Aufsprengen 
des Schlosses ^^, gesagt werden sollte: „es fehlen uns die Mittel 
dazu ^% nicht auch bei der ersten Schwierigkeit das Fehlen der 
Hülfsmittel zur Besiegnng derselben angedeutet würde. Denn 
wie sollten sie die Mauern erklimmen? Durch Leitern? Hätte 
Eiiripides diese und überhaupt das Ersteigen der Mauer gemeint, 
■ so wü^de er wohl zur Verdeutlichung das Wort xklgAccxsg ange- 
wendet haben, wie denn auch in der angezogenen Stelle der 
Phoen. das dfivveiv retxicov ngogafißdöstg durch das vorherge- 
hende nQogq)iQBiv nvgyoiöi atjxtwv xkifidxcov ngogafißdösig (v. 
489.) und enra xgogxBiö&ai itvXaig (v. 739.) seine richtige Be- 
ziehung gewinnt^ die v. 1173. von Neuem hervortritt. Drittens 
dünkt mich bei solcher Auffassong der Nachsatz beider Glieder 
ganz dasselbe zu sagen, indem ein ov Xa^uv hier doch wesentlich 
gleich ik dem Xrjq)9'^vai. Viertens wäre wohl, um ein „Auf- 
sprengen des Schlosses^* anzunehmen, zu beweisen, dass Xv- 
Oavtsg und dvolyovtsg nvXag gleichbedeutend sei mit ^ij^avteg^ 
und zu zeigen , wie der eingeschobene Mittelgedanke: „und hätten 
wir diese Mittel ^^ Im Texte enthalten sein könne. Diese letzte 
Erinnerung gilt auch für den Schluss der Rede, wozu Hr. Här- 
tung bemerkt: „wie kann Orestes mit so ruhigem Blute sagen: 
Wollen wir also wieder heimgehen, um nicht umzu- 
kommen, als wenn der Weg blos ein paar Stunden betrüge! oder 
als wenn sie Helden einer Komödie wären ^^! Aber dies Colorit 
liegt nur in der deutschen Uebersetzung , die hier gegeben ist, im 
griechischen Texte dXXd ngiv %aviivy vsdg im \ (psvyagAiv^ 
^iteg ösvg' ivavötoXi^öafiSv kann der Leser unmöglich diese Lä- 
cherlichkeit finden. Hierzu kommt, dass auch mit Hineinsetzung 
der Frage die ausdrückliche Abweisung der Flucht 
inteh Orestes nicht ausgesprochen wird, und nicht ausgesprochen 
werden darf: denn sonst kannPylades nicht antworten, wie ihn der 
Dichter hier antworten lässt. Durch das bis jetzt Geaagte möch- 
ten auch die Eingangsworte des Hrn. Härtung : „es kanii vom 
leti^ten (?) Hinaufgehen über die Treppen nicht die Red^ %<^\vk\ 



52 Griechische Literfttnr. 

sonst muast« der Versuch des Aufsprengeos (?) der Pforten, als 
jDothweadig damit verbunden , durch xal sn^efugt sein ^% sieh er- 
ledigen. Denn diese Nothwendigkeit des Oeffnens ist such bei 
der handschriftlichen Lesart fiä&oi,(A6V äv in der mit ^ eingelo- 
teten Frage hinlänglich ausgedrüclct. Dies sind die Gründe, wa- 
rum ich hier das CJrtheii von Hermann und Witzschel, dem auch 
Hr. Weber beizustimmen scheint, für richtig halte. — V. Hl. 
vertheidigt Hr. Weber, wie auch Hr. Fix geschrieben hat, die 
V handschriftliche Lesart roXfArjtsov toi und ngogtpBQovts^ wo ich 
jetzt beistimme. Nur möchte ich mich wegen der Bedeutung des 
TOt lieber auf Nae gel« bach zur llias p. 177 ff. und wegen der 
Stellung im I^acbsatze auf Klotz zum Devar. p. 736 f. berufen. 
— V. 133. billigt Hr. Härtung die Npte von Fix: ,,Scribendum e 
codicibus A. B. C. rag svlnTtov''^* Aber wie passt dies init Me- 
trum? — V. 180, Hr. H.: ,,Die Frauen können zwar allenfalls 
ein Lied in asiatischer Tonart, aber nicht in wälscher Sprache, 
singen , darum müssen die Worte ßdgßagov luxav nothwendig ge- 
strichen wordenes Dies gehört zu den charakteristischen Eigen- 
thümlichkeiten der Hartung'schen Kritik, deren Behandlung eine 
grosse Ausführlichkeit nöthig machte. Denn der Hinweis, dass 
die „wälschp Sprache^^ Mos in den zwei Worten liege und nicht 
in dem Liede, so wie die Anführung von ähnlichen Beispielen aas 
den Alten, und von verwandten Ausdrücken bei Shakespeare, Cal- 
. deren u. A» bei ahnlichen Situationen aus den Neuern, würde we- 
nigstens für Hrn. H. keine Beweiskraft haben. — V. 223, wo Hr. 
. Witzsohel in der Erklärung von ^^roi^ Iv aaXXiq>\t6yyoig die Note 
TQu Greverus adoptirt hat, stimme ich Hrn. Weber bei (in desaen 
Bemerkung zweimal A Ulis unrichtig statt Taurien steht), wie 
Schon Brodäus erklärt hat. Die Belege geben Heyne zu Virg. 
Georg. I. 293. in der gr. Ausg.^ so wie Brunck und Fritzsebe 
zu Arist. Ran. 1316. — V. 295. vertheidigt Hr. Weber das hiii4^ 
schriftl. 9r€9((7;ra<5<x$ durch Beilegung einer Bedeutung, diescfaw<»r- 
lieh erwiesen werden kann. Er scheint Hermann's Note nickt 
eingesehen zu haben. Sollte srcptdira^ag das Riohtige sein, so 
wüsste ich keiiie andere Möglichkeit, als die kühne Annahme, dass 
.der Dichter ychgi (in adverbiellem Sinne) zwar zum Participiam 
gesetzt, aber dem Begriffe nach zum Hauptverbum naUi, gezogen 
wissen wollte. — Y. 300. ist es wohl das Einfachste, n&ktxvinß 
zu lesen und zu erklären : „dass blutig der Schaum aus dem Meere ' 
hervorkam^S — Y. 556. antwortet Orestes der nach der Mutter 
fragenden Iphigenia: ovk Söti' nalg viv^ ov itsXf ovxog Skiötv. 
Dielst Debersetzung bei Fix hat unrichtig ^s&' statt iUe. Hr. 
Härtung sagt kurz : „Man muss avtog statt ovtog schreiben^S 
.^her dadurch würde die Rede vid matter und verlöre eine fqr 
diesen Dialog absichtlich gewählte Pointe. Richtig bemerkt Hr; 
Bothe : „ovrog, tY/e, ia ipse, quamvis filius^^ •— Y. 570. fiihrea 
die Hrn. Bothe und Witaschel zu dem aufgenonunenen odU eioea 



Zar Lit«ratar des Baripides. 53 

sehr sweifelbaften GriiBd an, immlioh: „ovts simfriUcfter negan* 
tem sententiam cum praecedente connectit, ovdi grarius quid 
addit^^ Denn die walire Ursache zur Verbesserung lag hier dar- 
in^ dass ovts einmal gesetzt in der Bedeutung und nichts 
neque^ niemals einen neuen Satz beginne, worüber ausser andern^ 
Fritz 8 che im zweiten Artikel zu Aeschylos Knmeniden S. 56 f«: 
Terhandelt hat, und Franke in der zweiten seiner trefflichen Ab- 
handlungen über die Negationen. Uebrigcnshat zu den folgenden 
Versen Hr. Härtung mit Unrecht Hermann getadelt, da dieser die 
Stelle ja gerade so verstanden wissen will als Hr. Härtung sie deu- 
tet. — V. 631. hat Hr. Weber die handschriftliche Lesart KbL- 
ifm ;^a^tv mit Recht ?ertheidigt im Sinne von omittam. Man 
kann zu den von ihm angeführten Beispielen [Xen. Cyr. nach den 
neuem Ausgaben citirt: 111, 1. §. 1. und §. 34.] hinzusetzen: De- 
most. adv, Timotk. §. 19. : — ^eeoxGiv du (lot (lagtvgijöBiv tlq 
t^v nvgLav dn6q)ct6iv, InsLÖri ö' ij dimta i^v, ngogickij^Blg and 
t^S olxlecg — ikLTtB %iqv (lagtvgCccv nsiö^^alg vnd tovtov, 
und in Neuer. §. 60. : xgoxecXov(jiivc3v de ravra ttDV ysvpfjx&v 
%6v Ogdötoga ngog ttp diaittjt'^^ SXi,9tsv 6 Ogd^tcogxov og^ 
Kov Hcä 0V7C fSfioösv. Au beiden Steilen scheint das von Vö- 
mel gesetzte deseruit nicht zu passen« Von einem ähnlichen 
Gebrauche des lat relinquere haben K i e s s 1 i n g und R i n g w o o d 
SU Theoer. Id. II. 91. Beispiele gegeben^. -— V. 759. deutet Hr. 
Weber das nokkd ydg nolk<ijv xvpst; durch Vieles erreichet 
Viele, begegnet Vielen, und vergleicht es mit V. 395. [soll 
Ion 381. heissen], was wegen des bestimmten Begriffes 6vfi<pogat 
wohl anderer Natur ist. Hier aber möchte schon die Symmetrie 
erfordern, das nokktov als Neutrum zu verstehen, abgesehen vom 
Credanken in der. obigen Erklärung^ denn ich zu trivial und für 
diesen Zusammenbang unpassend fände, r— . V. 777. hätte die 
Zusammenstellung des verschiedenen Numerus in xov %o% ovtf 
Bvg'^ lis&a's wohl ein Wörtchen der Erklärung bei Hrn. Witz- 
sehet finden sollen. S, Fritzsche zu Arist. Thesm. p. 529 f«—- 
V. 895. hat sich Hr. Witzschel nicht ganz richtig ausgedruckt, wo' 
er sagt : „av referendum est ad partieipium i^avv&ag ^^ etc. B» 
war richtiger etwa au sagen: ^üv poeta referri voluit ad eam no- 
tionem, quae contineretur participio i^aviieag^ ita ut in mente 
habuerit: — sed per anacoluthiam quamdam ab inehoata structunt 
recessit'S wie K 1 o t z Adnott. in Devar. p. 126. und 138. die Sache 
bereits verdeutlicht hatte. Eben so hatte Hr. Witzschel V. 901. 
beifügen können, in welchem grammatischen xVerhültnisse 
das mit suxl angeführte Particip xov xkvov^a zum vorherge- 
benden- eldöv ativi; stehe. Hr. Härtung will den Text geändert 
wissen. — V. 932. möchte die Erklärung des H\rn. Weber tavr^ 
v^v ^avlav fiavslg das grammatische Wesen des^Accusativs tmta 
weit weniger treffen , als was Hr« Witzsohel (mft IMEatthiä) ^5^«^!^ 
hat. DenB> tavt' aga geh^ offenbar zum Hnn^ctXmm )p^Vk^'v\^^ 



54 Griechische Literatur. 

und ist weit einfacher zu erküren, wie bereits Stallbaum au 
Plat Symp. cap. 2. (S. 60. ed. 2.), Rost Gr. §. 104. Anm. 7. a. 
£. Kr üger Gr. §. 46. A. 4. u. A. gesei^^t haben. Will man alle 
derartigen Beispiele gans auf dieselbe Weise erklären , wie hier 
Ton Hrn. Weber (und von Wunder zu Soph. Oed. R. 259.) ge- 
schieht, so muss man bei Theoer. Id. 14, 3.: xavz äga Xtmoq 
und ähnlichen Stellen zu sehr künstlichen Umschreibungen seine 
Zuflucht nehmen. — V. 1010. Die äusseriiche Note des Herrn 
Witzsche]: „Eimslejus notavit Ivzav^ol hoc uuo ioco apud trag!- 
cos poetas inveniri*'^ konnte wegbleiben, oder musste für den Schu- 
ler nutzreicher gestaltet werdeu. S. F r i t z s c he zu Arist. Thesm. 
p. 77 f. -7- V. 1046. Mit dem oben über ^ovot; Bemerkten kann 
man gewisser Maassen auch den Begriff von da'Cx&ilg (v. 87^.) 
vergleichen, worin eine ahnliche Vorstellung liegt. — V. 1216. 
hat Hr. Weber das Sachverhältniss deutlich entwickelt und nicht 
übel ayviöov %vxlip fikka^gov conji^irt, zumal wenn man sich 
an Plutarch's ro »vg Tta^aigu — ico vdog ayvl^u erinnert. Sollte 
man aber bei dem handschriftlichen XQ'^^^ nicht etwa an ein 
goldenes Gefäss denken können , an ein niyxgvöov ttvxo^^ 
wie es oben V. 167. zu anderm Gebrauch erwähnt ist? — V. 
1336. findet man auf Hrn. Weber's Erinnerung schon InHermann's 
kurzer Note die Autwort. Fix, der ebenfalls doxot im Texte hat, 
giebt nicht an , was in den Pariser Mss. steht. — V. 1404. führt 
Pap e im Lexik, unter inaftis so auf: „Bei Dichtern die Schultern 
%elb»t^yvfivdg ix x^i'Qfov incjfildag xciny ngogagiioöavrss^^ was 
aber dieser sonst so tüchtige Lexiliograph mit dem Druckfehler 
XBigcjv statt x^g^v aus der Pariser Ausgabe des Stephanus entlehnt 
hat , ohne die Stelle nachzuschlagen. Es ist dies bekanntlich blos 
Lesart der Aldina^und derj, alten Ausg., die von ihr abhängig sind. 
Sehr gefällig ist Hrn. Hartung's Conjectur ixßalov z inofLl- 
dag. Indess wird wohl die handschr. Lesart yvfivag ixßaXovteg 
kncofilöag in demselben Sinne, den Härtung anzunehmen scheint, 
sich halten lassen , da die beiden Participia in einer Botenerzäh- 
lang, die bekanntlich dem Epos sich nähert, vertheidigt werden 
können. — V. 1418. stimmt Hermann*s Text, an den die Hrn. 
Fix und Witzschel sich stillschweigend angeschlossen haben, nicht 
mit dessen Note überein. — V. 1424. hat Hr. Weber mit Recht 
gegen Witzschel (und Bothe) an Seidler's Erklärung erinnert, der 
auch die Hrn. Fix und Donner in der Uebersetzung folgen. 

Zum Schluss möge noch erinnert werden, wie alle drei Be- 
urtheilungen der Witzschel'schen Ausgabe, nämlich die obige und 
die der Hrn. Rauchenstein und Weber, auch darin übereinstimmen, 
dass sie einen einleitenden Abschnitt über den Gang jedes Stuckes, 
über den Zweck desselben und über die eigenthümliche Charak- 
teristik der Euripidelschen Kunst, in wiefern sie in dem jedesmal 
XU behandelnden Stücke hervortritt, vermisst haben. Da nun Hr. 
Witzschel sich schwerlich Ober diese drei Recensenten beklagen 



Ritter *8 Erdbeschreibiüng. 55 

kann , sondern vielmehr eing^ftehen wird , dass Jeder derselben 
ans Achtung Tor der dargebotenen Leistung und mit Liebe sar 
Sache das Einzelne sorgfältig durchgemustert habe: so iässt sich 
erwarten , dass diese Haapterinnerung , wie sie grossentheils schon 
bei der Aikestis in Erwägung gekommen ist, so auch bei Heraas- 
gjibe 4er nachfolgenden Stücke die nöthige Beachtung finden werde. 
Im März 1847. Amei9. 



Er dbe Schreibung für Gymnasien von Dr. Fr, C, JR. Ritter, ordent- 
lichem Lehrer am Gymnasium zu Marburg; mit 'einer iithograpb. 
Tafel. Frankfurt a. M. bei Heinrich Lndw. Bronner. 1847. XIII a. 
318 S. 8. (l fl. 12 kr.) 

Der Yerf. begleitet seine Schrift mit den Worten Herder's: 
,,Es ist ein Zeichen der tiefen nordischen Barbarei, in der wir 
die Unsrigen erziehen, dass wir ihnen nicht Ton Jagend auf einen 
tiefen Eindruck der Schönheit, der Einheit und Mannigfaltigkeit 
auf unserer Erde geben^^ und eröfiiiet die Vorrede mit dem Aus- 
spruche Ton Guts- Muths nach Entwickelung der Verdienste des 
grössten kritischen Forschers der Erdkunde und der Vorziige sei- 
nes Werkes (es ist wohl Ritter gemeint): ,, aber wer erhellt uns 
mit dessen Lichte die elementarische Schulbahn ?^^ unter Beifugen 
der Bemerkung , dass seitdem 1 1 Jahre verflossen seien , ohne die 
Frage genügend beantwortet und die Aufgabe befriedigend gelöst 
zu haben , wiewohl es an neuen Lehrbüchern in dieser Zeit nicht 
gefehlt habe, wovon manche der früheren compiiatorischen Me- 
thode getreu geblieben, andere in der wissenschaftlichen Erdkunde 
nach Ritter*s Ideen thätig gewesen seien. Dass in der Formge- 
bung grosse Schwierigkeiten liegen, beweisen die Fehler und 
Missgriffe, indem man des Stoffes zu viel gab und die Schüler we- 
gen Masse der Einzelnheiten die Sache wieder vergassen. Auch 
begeht man insofern Missgriffe, als man mit einem und demselben 
Buche die Bedürfnisse verschiedener Anstalten, Gymnasien, Mi-^ 
litärschulen , Gewerbschulen, Privatinstitute u. dgl. befriedigen 
will , wie dieses namentlich mit dem v. Roon'schen Werke der 
Fall ist, welches neben diesem Missstande auch in wissenschaft- 
licher Hinsicht noch manchen Anforderungen nicht zu entsprechen 
vermag, so sehr es auch gerühmt lyid darch verschiedene Aufla- 
gen anerkannt wird. Jede Anstalt hat ihre eigene Grundrichtung, 
die der Gymnasien ist die formafe Bildung; diederReäi- und Kriegs- 
schulen die materielle; der Kaufmann, Fabrikant, künftige Officier 
u. s. w- hat seine eigenen Interessen, welche auf materiellem 
Wissen beruhen. 

Der Verf. hat die Gymnasien , somit die formelle Ausbildung^ 
das Wecken nnd Ueben des Geistes zur Vorbereitung €^tk\i^l^\^ 



56 Geographie. 

Gelehrte im Auge und will sowohl io Betreff des Maasses de« 
Stoffes als der Form des Vortrages einem besonderen Mangel be- 
gegnen , indem noch kein Lehrgebäude der Erdkunde vorhanden 
sei, dass aus einem Grundgedanken alle Theile der Wissensehaft 
organisch entwickelte und su einem loteten Ziele hinflührte. Denn, 
sagt er, was sei das Phr eine Wissenschaft, die da bestehe aus 
Abrissen der mathematischen Geographie , der Meteorologie, Hy- 
drologie, Geologie, Pflansengeographie u. s. w., es sei doch wohl 
nicht zu fürchten , dass ein male mulctatas graculus übrig bleibe, 
wenn jede jener Wissenschaften die erborgten Abrisse wieder an 
sich relsse? Oder wo bleibe denn der Vortrag der eigentlichen 
Wissenschaft , wenn mit vorläufigen Erläuterungen angefangen, mit 
ferneren fortgefahren und nachträglichen Erläuterungen geendigt 
werde? Sollte diese Zersplitterung des Stoffes wirklicheaf Ideal 
eines guten Vortrages für den Jugendunterricht sein ? Auch ge- 
gen die Bintheilung in die topische, physikalische utid poKlIsche 
Geographie erklärt er sich, weil das topische ETtement sich über- 
all finde und selbst die Statistik viel Topisches habe. Selbst die 
vertikalen Dimensionen der Erdoberfläche werfe tnan mit eben so 
viel Unrecht in den physikalischen Theii, als die Verbreitung^ der 
Pflanzen, Thiere und des Menschengeschlechtes. Sei die Erd- 
kunde die Wissenschaft von dem Haushalte Gottes, wie er sich In 
der Erscheinung der irdischen Natur offenbare, so zerfalle sie in 
die Lehre von dem Erdkörper nnd in die von den organischen Ge- 
schöpfen oder vom Menschen und seinen organischen Natorge- 
Bossen und handle dort von der Form des Erdkörpers und der 
Materie, hier von den Naturgenossen des Menschen , PflaAäen und 
Thieren, endlich vom Menschen, als dem Hauptgegenstahde nnd 
Endpunkte alier geographischen Forschung. 

Der Verf bestrebt sich nutzlos, eine Einthellung zu begribi- 
den, welche keinen wissenschaftlichen Gehalt hat und einer Be 
handhing des geographischen Stoffes aus einer Idee widerspricht. 
Grundlage der Erdkunde ist die Erde mit allen das Ganze und den 
Menschen betreffenden Elementen ; ihre wissenschaftliche Idee ist 
die Betrachtung aller messbaren und natdrkundlichen (physischen) 
also^ allgemeinen und dann der staatlichen d. h. besonderen Ele- 
mente. Allgemeine und besondere Erdkunde übertrifft jede an- 
dere EIntheilung; ihr ordnen sich die einzelnen Ideen unter; jede 
Trennung der messbaren und physikalischen Verhältnisse scbadet 
der Einfachheit, Klarheit und Bestimmtheit und des Verf. Ansicht 
hat schon darin kehien Gehalt, dass z. B. die Stufenländer, Tief- 
länder nnd dgl. mit der mathematischen Form der Erde eben so 
wenig zu thun haben, als die Bewegungen, Erleuchtung, 'Thier- 
kreis, Vorrücken der Nachtgleichen, Abstand der Planeten von der 
Sonne u. dgl. mit der Materie und dass hiernach Gegenstände ge- 
trennt und andere wieder susanmiengedrängt sind , welche unter 
keiner Idee zn begreifen, daher unlogisch geordnet sind. Warum 



Ritter^s Brdbesehreibang. 57 

sollen Klima, bothehnen, Jabreszeiten n. dgl. imter dem Begfriffe 
,,Materie^^ betrachtet sein , da für sie nichts Materielles stattfin- 
det 1 Warum sollen die Angaben üher Gestak und Grösse Ton der 
Bewegung, Eintheilun'g , ^leuchtung u. dgl. getrennt werden, da 
sie doch unbedingt der Idee ^^des Messbaren**^ zugehören? Warum 
sollen mit der Abplattung der Erde die Höhe, das Meer, Conti- 
nente, Hoch- und Tiefland nebst Gepräge jedes Welttheiies 
Tereinigt erscheinen , da alle Gesichtspunkte mit der Abplattung 
nichts gemein haben, diese aber ein absoluter Gegenstand der 
Erdgestalt istt Unter dem Begrifi*e ,,Messbares^^ müssen alle auf 
ihn sich beziehenden Ideen in organischer Verbindung entwickelt 
und zu einem Ganzen vereinigt sein , wenn eine klare und voll- 
ständige Uebersicht des wissenschaftlichen Charakters erzielt wer- 
den soll. 

Auch über den 3. Theil lagst sich viel sagen , wenn man eine 
conseqnente Anordnung in Anspruch nimmt. Die Verbreitung 
der Pflanzen und Thiere ist kein Gegenstand der staatlichen Geo« 
graphie; beide Organismen haben mit den Staaten nichts gemein 
und lassen sich weder mit Sprachen und Religionen, noch mit 
Wissenschaft und Kunst, noch mit Staaten und Völlcern in Eins 
vereinigen; sie sind keine Naturgenossen mit diesen, einander he- 
terogen und trater keiner Idee zu begreifen. Was der Verf. aus 
unbegründeter Ansicht zusammenzieht, widerstreitet sich in der 
Sache und ihrem Wesen, das zu vielen anderen Bemerkungen ver- 
anlassen würde, wenn man noch mehr in das Einzelne der Anord- 
nung eingehen wollte. Gerade für das Entwickeln aller geogm- 
phischen Theile aus einem Grrundgedanken passt jene gar nicht, 
weil sie in den zweiten Theil zieht, was in den ersten gehört, und 
weil die einzelnen Ideen der Hauptidee sich nicht consequent fol- 
gen I sondern fremdartig begegnen , wodurch der innere Zusam- 
menhang völlig unterbrochen , das gründliche Studium erschwert 
und die Uebersicht des Homogenen in den meisten Beziehungen 
vereitelt wird. Auch ist die Ansicht falsch , die Geographie leiste 
dem naturgeschichtlichen Unterrichte die besten Dienste, weil 
dieser vorausgehen und jene unterstützen rouss, wie den Vf. schon 
die Betrachtung der Continente, des Gepräges des Meeres und 
Landes, der Hanptbestandtheile der Erdrinde, der Verbreitung 
der Pflanzen und Thiere nebst anderen natürlichen Gegenständen 
belehren konnte. Es handelt sich hierbei nicht um gründliche, 
systematische und wissenschaftliehe, sondern um äussere, an- 
schauliche Kenntnisse, welche sich auf die unterscheidenden Merk- 
male beziehen, ohne welche die Geographie nicht zu bethatigen 
ist. Hiermit will jedoch nicht behauptet werden, als leiste die 
Geographie jene Dienste nicht rückwärts, vielmehr erhebt sie die 
naturgeschichtlichen Entwickeln ngen zu rein wissenschaftlichen 
Gesetzen und trägt sie zu jenen sehr viel bei, aber für den Untere 
rieht an Gymnasien kehren sich diese Forderungen um. 



58 Geographie., 

Den Begriff der Erdbeschreibung, als Wissenschaft von den 
Gesetzen der messbaren , natnrlichen and staatlichen Elemente der 
Erde, und ihre Aufgabe als Nachweisung jener Gesetze , im Be- 
sonderen derjenigen, nach denen die Erdoberfläche gebildet er- 
fcheint^.roit steter Beachtung des Einflusses, welchen ihre Bil- 
dungen auf die Kulturentwickelung des Menschengeschlechtes 
ausleben, erörtert der Verf. eben so wenig, als die in den Merk- 
malen des Begriffes liegenden Hauptideen, wonach der Unterricht 
zu bethätigen ist. Die Beziehung auf den Schöpfer ergiebt sich 
Ton selbst und geht erst dann, klar hervor, wenn die Lernenden die 
wichtigsten Gesichtspunkte kennen und klare Vorstellungen von 
den Erscheinungen und Gesetzen haben. Alle vorläufigen Andeu- 
tungen von einem weise geordneten Haushalte in der Natur, von 
einem Beziehen auf den Schöpfer u. dergl. bleiben dunkel und 
stellen sich selbst nachläufig nicht vollständig vor die Seele. 
Bevor wir nach der Gestalt der Erde fragen können, ist zu ver- 
. sinnlichen, mit welchen Körpern sie in Verbindung steht, welche 
«Stellung sie im Welträume einnimmt , wie sie sich zu den anderen 
mit ihr verbundenen Körpern verhält , was für ein Körper sie ist 
u. s. w. Der Horizont ist keine Kreisfläche, sondern eine Kreis- 
linie, welche die scheinbare Vereinigung des Himmelsgewölbes 
mit der Erde um uns zu bilden scheint. Nor den vollkommensten 
sichtbaren Horizout haben wir auf dem Meere, mitjiin musste sich 
der Verf. wegen des wahren und scheinbaren Horizontes deutlicher 
aussprechen. Das in der Note Beigefügte "Entspricht den Anfor- 
derungen nicht. Die Mondfinsternisse constatiren erst dann einen 
Wahrscheinlichkeitsbeweis, wenn dem Lernenden klar ist, dass der 
Schatten das Bild des Körpers ist, welcher jenen bildet. Und 
wenn Sonne, Mond und Sterne als rund erscheinen und darum 
. einen Beweis fiir die Kugelform der Erde geben sollen, so müssen 
sie dem Lernenden hinreichend bekannt und darf ihre Verbindung 
mit der Erde jenen nicht fremd sein. Aehnlich verhält es sich 
mit den Reisen in höheren Breiten d. h. Parallelen, deren Kennt- 
iiiss vorausgehen muss. Was ist denn das für ein nach Norden 
rückender Polarstern bei Reisen nach Norden und umgekehrt, und 
wie haben die östlicheren Gegenden alle Tageszeiten früher als 
die westlicheren; wie kömmt ein flüssiger, freischwebender Kör* 
per erst dann ins Gleichgewicht und zur Ruhe , wenn er die runde 
Gestalt angenommen hat? fragt der auch nicht gerade sehr fähige 
Schiller, mithin führt der Verf. die Lernenden mit seinen Bewei- 
sen im Dunkeln herum und verfährt nichts weniger als ver- 
ständlich und gründlich. Giebt aber , fragt Rec. , das bogenför- 
mige, gewölbte um uns Ziehen des Firmamentes nicht einen der 
einfachsten und anschaulichsten Beweise für die Kugel form der 
Erde abl Was der Schüler mit den Begrifi'en „grösster Kreis, 
Parallelkreis, Grad^^ u. dergl. anfangen soll, weiss er um so weni- 
ger, als sie ohne jene deutliche Erklärung eingeführt sind. Noch 



Ritter'fl Erdbeschreibung. 50 

weniger versteht er die Berechnung des Umfanges, der Oberfläche 
und des kubischen Inhaltes. Alle Begriffe sollten yor ihrer Ein- 
führung in die Betrachtungen zuerst erklärt und alsdann jedes 
Vornehmthun mit geometrischen Kenntnissen entfernt gehalten sein« 
Die Angaben über Abplattung, welche ganz unlogisch mit den 
Formationen , vertikalen und horizontalen Ausdehnungen verbun- 
den ist, und über letztere sind noch mehr Ausstellungen unter- 
worfen. Es ist weder der Begriff ^^Abplattung, Berg und Thal^ 
erklärt, noch die damit verbundene Anschauung berührt. Warum 
heissen Europa, Asien und Afrika die alte Welt, warum sie ein- 
zeln Festländer u. dergl., fragen wohl die meisten Schüler. Ueber- 
haupt scheint der Verf. die gründliche und umfassende Erklärung 
der Begriffe nicht hoch anzuschlagen, obgleich auf ihr der erfolg- 
reiche Unterricht beruht und dieselbe allein ein genaues Ver- 
ständniss möglich macht. Die Verbindung dieser Form bildun gen 
der Wclttheile mit der Gestalt der Erde lässt sich nur damit etwas 
entschuldigen, dass beide Beziehungen auf die Form gehen. Aber 
wo ist der Verbindungsgrund für die Sache und für die übrigen 
' Gestaltungen des Bodens der Welttheile mit dem Erdkörper als 
Ganzen und wo bleiben die aus den verschiedenen Bbdenforma- 
tionen hervorgehenden Grundsätze, um mittelst ihrer den Einfluss 
des Physischen auf die physische Kultur des Bodens und geistige 
Entwickelung des Menschengeschlechtes zu veranschaulichen und 
für die vergleichende Erdkunde sichere Anhaltspunkte zu gewinnen % 
Für die Charaktere der einzelnen Welttheile, für ihre äusse- 
ren Umrisse und verschiedene Naturen ; für ihre Hoch-, Tief- und 
Stufeniänder nebst einzelnen Bergländern; für die grössere oder 
geringere Ausbildung der Flusssysteme; für die mit jenen und 
diesen zusammenhängenden Verhältnisse des Klima, der Vegeta- 
tion und Thierwelt; für die Zerlegung jedes Welttheiles in die 
Hoch- und Tiefländer nebst den Verbindungsgliedern an dem mitt- 
leren Laufe der Hauptfltisse, besonders in Asien , wo die gross- 
artigsten Gegensätze der festen und flüssigen Naturen hervortre- 
ten, noch mehr in Europa, welches ganz eigenthümliche Glieder 
hat, die eben so wichtig sind als das Ganze und die Masse selbst, 
und mit Flüssen versehen ist, weiche insgesammt von einander 
verschieden sind, eine mit der Ausdehnung des Welttheiles in 
richtigem Verhältnisse stehende Grösse, Ueberflnss an Wasser, 
ein sichtbares Bette, ein gut gezeichnetes Gebiet und eine grosse 
Verzweigung haben; für diese und viele andere Gesichtspunkte 
vermisst man die näheren Angaben, anschaulichen Erklärungen 
und Schilderungen der Charaktere. Rec. berührt blos die Ei- 
gen thümlichkeit der Central -Hochländer wegen des Umstandes, 
dass sie alle umliegenden Länder von einander absondern, ver- 
schwinden und an ihre Stelle Gebirgssysteme treten, welche durch 
ihre Thäler, Bäche, verschiedenen Abhänge und die Mannigfal- 
tigkeit ihrer Klimate nnd ihres Pflanzenwuchse8'rmÜA!^%. %«^ 



60 Geographie. 

fttltel sM, eiae Menge ton Pfinea dtrbieten, sich tnf die man- 
ni^alti^te Weise seratreuea^ aber doch wieder vereinigen; sich 
in eine grosse Anzahl von Gentralformen theilen , Ton welchen 
jede ihrem Lande einen bestimmten, staric ausgeprägten Charakter 
und alle zusammen dem Welttiieile selbst seine grosse Verschie- 
denartigkeit geben. Er deutet noch auf die Stufenlander, Ter- 
rassen und Hochebenen hin , welche ausserordentlich verschieden 
sind und einen der grossten Vorzüge Europas ausmachen , indem 
sie in allenthalben fruchtbaren und gut angebauten Erhebungen 
bestehen und jenen mächtigen Einfluss der Naturformen, auf die 
Cteschicke der Menschen und Staaten veranschaulichen. Dass 
aua den Darstellungen des Verf. nicht hervorgeht, in wiefern das 
europäische Staatensystem in den natürlichen Verliältnlssen gleich- 
sam voraus bestimmt war, namentlich und zunächst durch die 
sehr gleichmassige Vertheilung des Meeres, der Flüsse und Ge- 
birge, des bewohnten Bodens, der Anbaubefahigung und Frucht- 
barkeit desselben, eine Vertheilung, welche doch wieder nicht so 
gleichmässig war, dass jedem Theile gerade ein völlig gleiches 
Maass von allen genannten und anderen Natiirgraben zugestanden 
worden wäre , dass vielmehr das Ganze in allmäJi^en IJebergan- 
gen von den wärmeren zu den kälteren Zonen hinführt und die 
Natur dem einen Lande den einen, dem anderen den anderen 
Vorzug in ausgezeichnetem Grade zuführt , ohne den begünstigten 
Theil deshalb der anderen Güter völlig zu berauben oder den 
Nichtbegünstigten von jenem Gute, dem Besitzedesselben oder dem 
Zugange dazu, ganz auszuschliessen, kann jeder Sachkenner aus 
aufmerksamen Vergleichen wahrnehmen. Wie diese Umstände 
eine annäherungsweise Gleichartigkeit des Charakters bewirken 
und den Keim eines Gleichgewichtes der verschiedenen physischen 
nhd geistigen , politischen und industriellen Kräfte und eines ge- 
selligen Anelnanderschliessens zu gegenseitigem Nutzen anbild^- 
ten, kann aus des Verf. Darlegungen nicht erkannt werden , wovon 
er im Interesse der vergleichendien Erdkunde sich selbst über- 
zeugen wird, wenn er unparteiisch diese kurzen Berichtigungen 
mit seinen Angaben vergleicht. Ein vergleichender Rückblick auf 
Asien, wo sich tapfere, rohe, schwache, wollüstige und feige 
Stämme In vielfachster Vermischung neben einander finden, also 
das plötzliche Erwachen einer bisher unbekannten kriegerischen 
Horde den gänzlichen Umsturz der bestehenden Clvilisation , das 
Entstehen eines neuen Reiches bezeichnen kann , welches dauern 
wird, bis der auflösende Geist des Landes auch die Sieger in neuen 
Verfall zieht, wodurch Asien zu einem steten Wechsel zwischender 
Allherrschaft eines Völkerelementes und dessen Auflösung, zu ei- 
nem Wechsel zwischen Civiiisation und Barbarei bestimmt ist und 
weswegen es problematisch bleibt,, ob die allmaiig in Asien fort- 
schreitende europäische Kultur dieser Bestimmung ein Ende ma- 
chen wird , da auf einer gewissen Stufe die Kultur allerdings den 



Ritter'» 8rdb««ehreibnng. 61 

Sieg über das Land davon traf^eo, aber eine aolche den nat&s 
lichen Zuge des Landes entgegengesetzte KuUur nie sieh im Lande 
selbst bilden kann, sondern von Aussen kommen mnss, worüber 
besonders Mendelssohn in seiner vortrefflichen Schrift ^.^Ueber 
den Einfluss des europäischen Bodens auf Europas GesitCung>^ 
schöne Beweise geliefert hat, und ein solcher Ruckblick auf Burop« , 
zeigt recht deutlich, wie die natürlichen Verhaltnisse über die 
Völker gesiegt haben, deren genetische Richtung von der in Ea-^ 
ropa herrschenden eine Verschiedenheit war, -wie die Reste der 
Gelten sich dieser Cultnr unterwarfen und die Slaven sie nachge- 
ahmt haben. Zu solchen vergleichenden kulturgeschichtlichen 
und philosophischen Principien können freilich des Verf. Zenplll- 
terungen nicht führen , weswegen sie Rec. nicht loben und der 
Schule für Nutzen bringend erklären kann. Er versprach sich in 
Folge der grossartigen Berührungen über Studien und Erfahrungen 
eine ganz andere Darstellung^ obgleich diese den Rltter'scheD 
Entwickelungsweisen huldigen soll und den Angaben von Rouge- 
mont entnommen zu sein scheint. Die Angaben des Verf. würden 
allerdings manche Verbesserungen fordern, wenn sie Rec. nach dee 
Bedürfnissen der Schule, des Lebens und den Erfordernissen der 
Wissenschaft und ihres vergleichenden Charakters beurtheilen 
könnte. Er hat übrigens bei verschiedenen Gelegenheiten in die- 
sen Jahrbüchern seine Ansichten schon mehrfach ausgesprochen, 
weswegen er auf diese verweisend von allgemeinen Berührungen 
abbricht und nur auf wenige besondere Gesichtspunkte des awei- 
ten Theiles aufmerksam macht, um dadurch kurz zu bezeichnen, 
in wie weit dem Verf. die eigentlich staatlichen Darstellungen ge- 
lungen sind und er seinen wegwerfenden Aeusserungen gemässi, 
worüber die Verff. von Lehrbüchern, welche er in der Vorrede 
ohne namhafte Andeutung derb abgefasst hat, mit ihm rechten 
mögen, etwas Besseres gdiefert hat. Hinsichtlich der allgemei- 
nen Anziehungskraft und der damit verbundenen Disciplinen , hin^ 
sichtlich des Lichtes und der Wärme der Sonne, der Erdrinde, 
des Wassers und der Luft, der klimatischen Verhältnisse und 
aller mit den einzelnen Disciplinen verbundenen Erscheinungen 
mag der Verf. die Quellen nicht gehörig zu benutzen verstanden 
haben; sie sind weder wissenschaftlich verarbeitet, noch conee- 
quent nach einer bestimmten Ansicht in einander gefügt, weswe*- 
gen sie selbst den Anforderungen des Verf. an einen gediegenen 
Unterricht nicht entsprechen dürften, wenn er sie nochmals durch* 
arbeiten .würde. 

Mit Uebergehung der Vergleichungr der Pianze und des 
Tbieres mit dem Menschen, als eines ganz ungeeigneten Ver- 
fahrens, da weder Thiere noch Pflanzen einen Staat bilden und 
beiden das geistige Element, ohne welches man die Völker nicht 
in ihrer ganzen Tiefe nnd in AUem, was sie Unvertilgbares und Le- 
bendiges haben, erklären kann, fehlt und welches sie sutK^ii^BNaäB» 



62 Geogrrtpbi^. 

ihrer gelbst, tum Gefühle der Deberlegenheit über den Stoff, 
Bom Bewusstsein ihrer Freiheit, ihrer Stelle in der geistigen Welt 
und ihrer Abhängigkeit von einem höheren Wesen föhrt , mittelst 
welches sie also, der Gottheit unterworfen, die ganze NaUir be- 
herrschen, wendet sich Reo. zu den Angabe über den Menschen 
in Ansehung der allgemeinen Formen des Leiblichen und Geisti- 
gen in ihrer Erscheinung und bemerkt in Betreff der yon Verf. 
angenommenen drei Hauptracen, der kaukasischen, Sthiopiscben 
und asiatisch-amerikanischen , dass sie die äusseren Eigenth&mlich- ^ 
keiten, welche unvertilgbar, und deren sittliche Beschaffenheiten, 
welche deutlich und klar ausgeprägt sind, nicht erschöpfen; denn 
die mongolische Ra^e mit dem niedrigen Wüchse, der gelbi^n od. 
braunen Farbe, dem nicht offenen Gesichtswinke], dem platten 
Gesichte, den kleinen, tieflliegenden auseinanderstehenden Augen, 
der stumpfen Nase und dem glatten Haare, mit ihrem traurigen 
und misstrauischen Charakter, ihrem melancholischen Tempera- 
mente und ihren geringen geistigen Fortschritten wird eben so 
wenig klar bezei(;|iDet, als der Grund ihres Urbildes im mongoli- 
schen Volke, ihrer Hässiichkeit im Norden bei dem Tungusen, 
ihres kleinen Körpers und Ihrer Dummheit bei den Lappländern 
und anderen nördlichen Völkern, ihres Näherns zu der malayi- 
schen Race durch die chinesischen Völkerschaften , ihres Erhe^ 
bens durch die Tibetaner gegen die Hindu im Süden und des 
Unterscheidens der Tartaren und Uralvölker von der weissen Race. 
Eben so' lassen sich in Betreff der übrigen Racen dem Verf.noch 
andere Bemerkungen entgegenstellen, welche das Ungenlkgende 
«einer Annahmen und Darstellungen zu erkennen geben. Auch 
in Betreff der Sprachen , Religionen und Kulturen giebt er oft Ver- 
hältnisse an,, welche beweisen, dass er die Quellen, woraus er 
vorzugsweise geschöpft hat oder die ihm bei seinen Bearbeitungen 
zur Richtschnur dienten , entweder absichtlich nicht getreu be- 
nutzte, um mehr Originalität ansprechen zu wollen, oder mittelst 
anderer Quellen von ihnen abwich und auf heterogene Wege gerielb, 
welche ihn manchmal irre gehen Hessen. Die Beschäftigungen 
und Kulturstufen der Menschen führen zu den Kiinsten und Wis- 
senschaften, mithin sollten jene diesen voraus gehen; der Verf. 
dagegen verfährt umgekehrt, was nicht im Geiste der consequen- 
ten Entwickelung der vergleichenden Erdkunde ist. 

Den Beginn mit Europas Völkern und Staaten und den Ueber- 
gang zu Asien , Afrika und Amerika billigt Rec. ganz , weil jene 
den meisten geographischen Stoff darbieten und die Lernenden 
zuerst möglichst umfassend kennen lernen müssen, welches die 
Bedingungen und Grundlagen , die Vorzüge und Kulturgrade der 
Staaten sind , an welchen die Geographie die meisten Gesichts- 
punkte für wissenschaftliche Erörterungen findet. Wollte man 
dem Gange der Geschichte folgen, so müsste man natürlich mit Asien 
beginnen , weil Europa von den nach Westen gehenden Zügen 



jaitter's ECrdbescbreibttng. 68 

kaukasischer Völkerstämme allmälig besetzt warde. Allein der 
besondere Umstand , dass bei den europäischen Völkern die gei^ 
stige Kraft zur Begründung einer durchgreifenden und fortschrei- 
tenden Entwickelung ausreichte, und ihre Bildung nach einer be- 
stimmten Zeit nicht wieder versank, sie also die Zeiten des Ver- 
falles überdauerte und, statt in ihrer Ausbildung auszusterben , in 
Uebergangsperioden zu neuer Bildung zu verändern vermochte, 
ist hinreichend genug, alle anderen Gründe unberührt zu lassen, 
und mit den Europa bewohnenden kaukasischen, allerdings vielfach 
umgebildeten Stämmen zu beginnen, wozu noch kömmt, dass diese 
geistig und zugleich physisch bevorzugten Kulturvölker, denen 
wegen ihrer grösseren Geisteskraft die Herrschaft über den Erd- 
boden zugefallen ist , in allen Theilen des letzteren sich nieder- 
gelassen haben und dieses vorzugsweise mit gänzlicher CJebertra- 
gung ihrer charakteristischen Bildung vom östlichen Europa aus 
in Nordasien , vom westlichen aber in- Nordamerika und freilich 
nur in geringerem Mäasse im nördlichen und südlichen Afrika und 
theilweise in Australien gesch^en ist, wogegen sie in den Tro- 
penländern ihre Eigenthumliohkeiten weder rein bewahrt, noch 
sich von dem Einflüsse der Temperatur und der diesen Ländern 
eigenthümlichen Volksstämme frei gehalten haben. 

Die europäischen Völker, zur weissen Race gehörig, werden 
unfehlbar am Zuverlässigsten durch die klassischen Sprachen näher 
bezeichnet. Di^r Verf. zählt sieben Völker, ohne die aus der 
Vermischung derselben hervorgehenden Engländer, Franzosen, 
Spanier, Portugiesen, Italiener und Wlachen zu nennen. Er geht 
hier nicht wissenschaftlich genug zu Werke, da sie in Folge der Ge- 
meinschaft des UrsprungeiB und der Sprache eine Gemeinschaft 
der Sitten, staatlichen Verhältnisse und alten religiösen Glaubens- 
sätze bedingen und durch das Christenthum , worauf ihre Gesit- 
tung vorzugsweise beruht, in ein politisches System vereinigt sind, 
woraus nur drei grosse Vöikergruppen, jede mit drei Hanptvölkern^ 
hervorgehen. Denn die romanischen , germanischen und» slavi- 
schen Völker begreifen alle anderen, repräsentiren dort das klas- 
sische Alterthum in der Mitte der christlichen Welt und den 
Katholicismus, hier die christliche Welt und den Protestan- 
tismus und endlich die orientalische Welt und die griechische 
Kirche; letzteren fehlt derjenige Grad von Gesittung, welchen 
die übrigen europäischen Staaten bereits errungen haben. Die 
Charaktere dieser Völkergruppen und ihrer einzelnen Völker- 
schaften noch weiter zu berühren und die Gründe genauer zu ent- 
wickeln, warum die europäischen Völker durch ihre geistige 
und sittliche Ueberlegenheit , durch ihre von der Natur ihrer Lin- 
der ihnen habituell gewordenen Charaktere und durch ihr pollti- 
sches System vor den Völkern aller anderen Weltthelle sich au»- 
zdchnen, und zur Eroberung und Sittigung der ganzen Well 
berufen sein mögen; warum sie sich die neue Welt auch. «.da^iVk 



64 GeograpMe. 

gr588leiitiieili unterworfen md ihr den eatopUtehen Chtnkter 
^ nufgedfückt haben, und dieser kleinste Welttheii doch der mich- 
tigste unter allen ist, muss Rec. unterlassen, da die Anzeige ihn 
SU sehr In das Einzelne fähren würde. Verfasser und Leser werden 
wahrnehmen, woran es den Darstellungen des ersteren gebricht. 

Den Einfluss der christlichen Religion, der Gestalt, Lage nnd 
Natur Europas auf die Förderung und Ausbreitung der CivilisaCion 
heruhrt der Verf. wohl übersichtlich und in einzelnen Paukten 
gut, aber nicht umfassend und nach wissenschaftlichen Prlndplen, 
welche aus den äusseren iSestaltungen des* Bodens und der inne- 
ren Umrisse, aus den Welt- -und Binnenmeeren, aus den grossen 
Abwechselungen der Hochlinder und Hochebenen mit den Tief- 
Undern und Berglandern durch dleTerrasaenlander, aus den Toll- 
kommen ausgebildeten Flasssystemen und der Schlflfbsrkeit aller 
Haupt- und vieler Nebenflüsse , aus der Bebauung des Bodens und 
der Beschäftigung der bei weitem grössten Mehrzahl der Bevöl*- 
kerung mit'deni Ackerbsu, aus dem ziemlich gleichförmigen Ver- 
hältnisse zwischen Acker- und Waljlboden, aulB der glelchmässigen 
Ent Wickelung der geistigen und politischen Sphären und nament- 
lich aus dem gesammtenlndustriewesenheryorgehen, wovon Ree. 
oben schon mehrere bezeichnet hat Für die Brfuilnng peiner 
Versprechungen war es seine Aufgabe, zum Behufe der klaren und 
gründlichen , vollständigen und einfachen Entwickelung der Staate 
liehen Elemente nach den materiellen und inmateriellen Interessen 
der Völker allgemeine Grundsätze vorauszuschicken und daran die 
speciellen Betrachtangen anzuknüpfen. Südeuropa besteht be- 
kanntlich aus drei Halbinseln, welche wieder an die reichsten dad 
politisch wichtigsten Länder des Welttheiles^ nämlich Portngni 
und Spanien an Frankreich mit England, Italien an die Sobwielz 
und Deutschland, und Griechenland an Ungarn und die Wlaebei 
anstossen, ziemlich gleiche Beschaffenheit, gleiches Klima, gle!'- 
eben Pflanzenwuchs und gleiche Thierwelt, aber auch zieralioli 
gleiche staatliche Charaktere, nämlich ein Zerfallen in einietee 
Staaten zu erkennen geben und schon durch ihr Anlehnen an das 
Mittelmeer einen gewissen Charakterzug haben, welcher diirch 
die günstige Lage für Schifffahrt und Handel sehr gefördert wer- 
den könnte, wenn die drei Halbinseln nicht durch andere Verhält- 
nisse sehr gesunken wären, welche ihren Grund in Gesichtspunkten 
haben , die hier nicht näher entwickelt werden können. 

Portugal und Spanien haben einen Tielfach afrikanischen Cha- 
rakter, welcher in Terschiedenen Gesichtspunkten kenntlich nnd 
für beide Länder gemeinschaftlich zu behandeln ist, damit nicht 
auf das eine verwiesen wird, ohne dass dieses hinreichend be- 
kannt ist. So ssgt der Verf., der Portugiese sei gewandter nnd 
höflicher als der Spanier und seine Sprache eine Schwesterspradie 
der spanischen. Diese Vergleichung setzt die Bekanntschaft mit 
dem spanischen Charakter voraus^ Die Kürze, in welcher die 



Ritter's Brdbescbreibang. 65 

fttaatlieh«!! Elemente der earopaischen Laoder behandelt wer* 
den, dürfte den Anforderungen einer gründlichen und gediegenen 
Kenntniss nicht entsprechen, womit Reo. keineswegs jenem heil*- 
losen Notizenicrame und jenen weitschweifigen Angaben von Merk- 
Würdigkeiten (von Hausnummern, Orgelpfeifen und Schnupftabaks- 
fabriken, von Behistigungspiätaen, schönen Häusern u. dergl.) das 
Wort spricht. Diese will er ans dem Unterrichte und den Lehr- 
büchern für ihn gänzlich entfernt haben; dafür fordert er ein 
genaues Nachweisen der Einwirkungen der Lagen verschiedener 
Städte jedes Reiches auf die Kultur des Bodens und allseitige Ent- 
Wickelung der Bevölkerung, auf die politischen und industriellen 
Besiehungen , wozu namentlich Europas Städte reichen Stoff dar- 
bieten. Für Frankreich, welches gleich sparsam und in manchen Be- 
ziehungen, oberflächlich behandelt ist, vermisst man vorzüglich die 
Angabe der Gründe, wodurch es in jeder geographischen Hin«- 
sicht hervortritt und zu den begiinstigtsten Ländern Europas ge- 
hört. Seine Lage» seine innere Zergliederung^ seine Flusssy- 
•teme , sein Volk .und dessen Hauptcharakter verdienen grössere 
Beachtung , als ihnen der Verf. zu Theil werden lässt, und auch 
die Kultur steht höher, als er angiebt, wovon die neueren Fort- 
schritte viele Beweise liefern. Der Geograph muss überall wahr- 
heitsliebend und unparteiisch sein, dsrf keinen Staat zurücksetzen 
oder stiefmütterlich behandeln und dem anderen mehr Aufmerk- 
samkeit widmen. Die Franzosen zeichnen sich in den positiven 
Wissenschaften aus ; sind allen Völkern Europas im politischen und 
gerichtlipben Leben überlegen ; besitzen eine reiche und schöne 
literator und arbeiten in allen Zweigen des Gewerbsfleisses mit 
grossem Erfolge. Diese und andere Charakterzüge, s. B. ihr sehr 
thätiges, muthiges und munteres Leben, ihre Flüchtigkeit, ihr 
lebendiger Geist und ihre grosse Nationaleitelkeit; ihr natürlicher 
Verstand, welcher ihr stets klares Denkvermögen leitet, und andere 
Eigenschaften, verbunden mit dem Umstände, dass in Frankreich 
die vollendetste constitutionelle Monarchie sich findet, geben dem 
Lande einen eigenthümlichen Anstrich, welcher nach den ver- 
schiedenen geographischen Gesichtspunkten zu erörtern ist. 

Ausfiihrlicher wird Deutschland betrachtet , welches mehr hi 
ethnographischer und geschichtlicher, als in geographischer Hin- 
sicht ein besonderes Land bildet, obgleich es in seinen Gebirgs- 
stufen die lieblichsten Landschaften und durch deren grosse 
Mannigfiiltigkeit einen grossen Gegensatz in der Einförmigkeit der 
Hochebenen und des "Heflandes bildet. Diese Naturformen und 
die in ihnen ruhende Continentalmacht, seine Flusssysteme und 
Ihre Ansbildung, die deutsche Sprache und ihre fortschreitende 
Bntwickelung von den ältesten Zeiten, Ihr ausserordentlicher Reicfar 
thum und ihre Gefügigkeit für die abstractesten Wissenschaften 
und für die lieblichsten Dichtungen; die philosophische Durehbü- 
4ang und die Verbreitong der staatswirthschaftlichea Pri«aivva&> 

W. Jahrb. f. Phil. u. i^ed. od, KriL Bibl. Bd. W Uft . \. ^ 



66 Geographie. 

die Vorsu^e des Ernstes , der Tiefe und Religiosität gegen alle 
anderen Völker und viele andere Vorzüge des deutschen Landes 
und Volkes verdienen die sorgfaltigste Darlegung, um aus den 
Naturformen die Geschicke der einzelnen Staaten zu entnehmen. 
Die einzelnen Staaten selbst werden nur kurz besprochen ; 6—12 
Zeilen enthalten oft das Wesentlichste eines Staates^ indem es 
s. B. für Brannschweig heisst: Grösse 70 QM., die 270^000 fi. 
sind alle evangelisch-lutherisch und zeichnen sich durch Geirerb. 
fleiss aus. Braunschweig, Haupt- und Residenzstadt, Messen; 
Wolfenbiittel, Bibliothek; Helmstedt. Blankenburg. Dassesaus 
fünf von einander abgesonderten, im Tieflande und auf den Rän- 
dern des Harz und SoUingerwaldes zerstreut liegenden Landea- 
stucken besteht, Erzgruben, fruchtbaren Boden hat und seine 
Bewohner sehr gewerbfleissjg sind , bedarf der Erwähnung. Aehn- 
lich verhalt es sich mit fast allen Staaten, mit ethnographischen, 
staatlichen und eigentlich politischen Beziehungen, welche zii sehr 
in den Hintergrund treten, als dass sie einen vorzüglichen Theil 
des Buches ausmachen sollten. Im Vergleiche zu vielen anderen 
Lehrbüchern unterscheidet es sich jedoch sehr zu seinem Vor- 
theile, welchen der gewandte Lehrer beim Gebrauche während 
des Unterrichtes durch passende Zusätze und Erweiterungen er- 
höhet. Möge es den versprochenen Nutzen für Schule und Leben 
bringen. Reuter. 



Praktiaehe Anleitung zum gründliehen Studium 
der JSrdkunde nach ihrer mathematischen , physikallAcben imd 
politischen Bedeutung. Ein Handbuch für denkende Freunde dieser 
Wissenschaft, von Dr. G. A, Jahn, Lehrer der Math, und Astron. 
zu Leipzig, und Dr. E. F, Vogel , Privatdoc. der Rechte u. Philos. an 
der ünivers. daselbst. Leipzig 1847. bei E. F. Seh Wickert, gr. 8. 
XX und 418 8. (2 fl. 42 kr.). 

Hr. Vogel bearbeitete die Einleitung, die Hälfte des physi- 
kalischen Theiles und den ganzen politischen, Hr. Jahn aber den 
mathematischen und theils physikalischen Theil des Werkes, in 
der Meinung, diesem hierdurch ein^n wesentlichen Vorzug ver- 
schafft zu haben. Jener will seit einer Reihe von Jahren erfahren 
haben , dass die Mehrheit der gewöhnlichen , für die Orlentirung 
in der Erdkunde bestimmten Lehr - und Handbücher durch Tro- 
ckenheit und Geistlosigkeit des Vortrages das Meiste dazu beitrage, 
theils den Jugendnnterricht in dieser so äusserst praktischen Wia- 
aenschaft gleich ursprünglich unfruchtbar zu machen , theils auch 
erwachsene Leser von der Vervollständigung ihrer Kenntniss darin 
surück zu scheuchen. . Die Beseitigung dieser Uebelstände gellt 
ihm zu langsam; er will sie daher durch sein Buch schnell bethäti- 
gea und durch genauere Entwickelung der allgemeinen Grund- 



Jahn und Vögelt Prakt» Anlett t. Stadium der Brdkonde. 67 

lehren der Geof^phle ntch ihrer mathemstischen , physikalischen 
und politischen Bedeutung mehr inneren Znsamnienhang und durch- 
greifendes praktisches Interesse geben, indem man diesen Thell 
selbst in den grössten Werken nur oberflächlich und skeletartig 
behandle und höchstens das GedSchtniss, keineswegs aber die Ur- 
theilskraft und Combinationsgabe der Lernenden übe. 

Unter Anfuhrung einiger Urthelle über das zweckwidrige 
Eindrängen der statistischen Ergebnisse erklärt er sich daher gegen 
die sogenannte politische Geographie und jenen trocknen, wahr- 
haft ekelhaften Notizenkram, was er zur Ersparung des Raumes 
unterlassen konnte, da die wissenschaftliche Behandlungsweise des 
geographischen Stoffes nach den Ideen C. Ritter's denselben als 
nichtig dargestellt hat, und in diesem Sinne Werke ireröffentJicht 
sind, dem das vorliegende kaum an die Seite gestellt werden kann, 
obgleich ihnen gar manche pädagogische und wissenschaftliche 
Gesichtspunkte abgehen , deren Zngrundleguug jene Ideen unbe- 
dingt fordern , wenn diese für die Schule praktisch und brauchbar 
werden sollen. Auch dem topographischen Theile spricht der 
Verf. mit Recht das Wort nicht, womit oft eine den fruchtbaren 
Unterricht sehr behelligende Weitschnipifigkeit getrieben wird; 
was mit jenem politischen Streben zusammenhängt. 

Da Hr. Vogel keine tiefen mathem. Kenntnisse zu besitzen 
glaubte , so musste er sich nach Vollendung des Entwurfes nach 
einem Mitarbeiter für den mathem. Theil umsehen; er fand seinen 
Freund Jahn, der durch verschiedene mathem. und astron. Schrif- 
ten bekannt ist. Dieser bemerkt, man begehe darin einen grossen 
Fehler, dass man die Betrachtung aller Planeten, Fixsterne, Ko- 
meten u. dergl. in die mathematische Geographie ziehe, während 
doch nur das vorkommen solle, was zum klaren Verständnisse aus 
der Astronomie zu entlehnen sei, um das Mathematische an unse-' 
rer Erde vollständig und grundlich entwickeln zu können. Auch 
theilt er die Beziehungen ohne Figuren mit^ was weder Empfeh- 
lung noch Nachahmung verdient und von keinem Lehrer an Real- 
schulen oder Gymnasien gebilligt wird. Ausgedehnte mathem. 
Kenntnisse sind für einen elementaren Unterricht nicht nothwen- 
dlg ; es lassen sich alle Gesetze doch klar und vollständig entwickeln, 
da keine Begründung dieser, wohl aber eine Versinnlichung durch 
Zeichnungen erforderlich ist. 

Das Ganze zerfällt in drei Abtheilungen, welche der Titel 
bezeichnet und gegen die Ansicht jener gehen , die keine mathem. 
Zweige statuiren, sondern diese mit den physikalischen vermischen, 
was gegen den Charakter der Erdkunde spricht und vom Ref. 
stets bekämpft wurde. Die Einleitung (S. i — 40.) Ist des prakti- 
schen Interesses wegen zu einer kurzen Geschichte der Erdkunde 
benutzt, daher sehr ausgedehnt, womit man zum Vorthelle der 
Schule und des ersten Unterrichtes um so weniger einverstanden 
sein kann, als darin manche Ansichten aufgestellt sind, welchen 



68 Geo^apbie. 

der sichere und wissenschaftliche Gehalt abf^eht Es Ist dario 
die eigentliche Erdbeschreibung von der wahren Erdkunde als 
wissenschaftliche Entwickeiung der verschiedenen Gesichtspunkte 
nicht geschieden, die Statistik als solche ungeeignet berührt und 
die Topographie zu eng genommen. Zugleich sollte auf die wis- 
senschaftliche, philosophische und vergleichende Behandiungi- 
weise hingewiesen und im Besonderen angedeutet sein, wie aus 
den genauen , klaren und bestimmten Darlegungen der wesentli- 
chen Merkmale der Grundbegriffe, welche sowohl die Haupt- als 
Nebenideen jedes einzelnen Zweiges, z. B. aus der physikalischem 
Geographie die sogenannte Planographie , Orographie, die Hydro- 
graphie auf der Erdfliche und in der Atmosphäre, die Kulturstufen 
des Bodens u. s. w., aus der politischen die physischen Lagen und 
Charaktere der Lander, die geistige Entwickeiung u. dergl. be* 
herrschen, allgemeine, umfassende und maassgebende Wahrheiten 
sich ergeben, welche als Anhaltspunkte für den eigentlich staat- 
lichen Tbeil der Erdkunde allen weReren Betrachtungen voraus- 
geben und woran diese angelehnt werden müssen. 

Rec. deutet auch noch auf die analytische oder synthetische, 
auf die kuiturgeschich^che oder empirische Behaodlungaweise 
hin und berührt die vergleichende Erdkunde nur im Allgemeineii, 
bemerkend , dass der Charakter der letzteren es eigentlich ist, 
welcher sowohl für die allgemeine Geistesbildung als für das täg- 
liche praktische Leben von hohem Werthe und wichtiger Bedeu- 
tung ist, und dass eine systematische Entwickeiung des geograpbi« 
scheu Stoffes, welcher in der neuesten Zeit sich ansserordentlieh 
vermehrt hat, nuif nach ihm möglich und fruchtbringend wird, er 
also den sichren Gesichtspunkt für jene darbietet, wobei Statistik 
und Topographie ziemlich gleichgültig erscheinen , weil dfe Erd- 
kunde aus sich sfkibst und nicht auf fremdem Boden sich aufbauen 
muss, wogegen die Anhänger der sogenannten politischen Geo- 
graphie sich sehr verfehlten und fortwihrend verfehlen, indem sie 
au« dor Statistik eine grosse Masse von Npüzen aufnehmen , ufli 
jene 9U bereichern , dies^ gleichsam ausplündern und jene ihres 
aelbatstandigen Charakters mehrfach berauben, indem sie das 
We«e9 beider Wissenschaften nicht beachten und in eine chaotl-. 
gebe Darstellungswelse verfallen; sie halten nicht fest, dass die 
Erdkunde nur die mes^baren , physischen und staatlichen Gesichts- 
punkte i9 Bezug auf die Erdraume nach ihren mannigfaltigen Ver- 
hlltnissfn zu beschreiben t|nd nach Ihren sinnlichen Anschauungen 
SU eroi-tiern bM, die Statistik aber aus dem Zustande der Länder 
und ihrer Bewohner die zu ihrer besten Verwaltung nothwendigen 
Resultate zi^ht und zur klaren und lebendigen Erkenntniss aller 
Biebtnngen des Leben« einer Nation und der Bedingungen ihrer 
höheren Entwickeiung unter freiem und vernunftigem Vereine die 
Grundsätze aus der Erd-, Natur- und Grössenkunde^ aus der 
liandwirthschaft, Technologie und vor Allem aus der Geschichte 



Jahn nnd Vogel: Prakt. Änleit. z« Stndiam der Erdkande. 69 

entnimist , om wistenschiMich behandelt werden zn kl^tinen, dasi 
also die Kenntniss der Erdkunde vorausgehen nftias, bevor die 
Statistik mit Nutzen behandelt werden kann. 

Nebstdem fehlt der Einleitung^ das Festhalten an den drei Haupt- 
momenten des geschiGhtlichen Fortschreitens der Geographie, an 
dem berichtenden, erklärenden und reflektirenden, auch philoso- 
phirenden Charakter, woraus die wissenschaftliche Bearbeitung" 
jener möglich wurde. Gerade die Topographie und Chorographie 
ist die Grundlage der unmittelbaren Berichterstattung; Moses, 
Homer, Hesiod, Herodot u. A. bewegen sich wohl im Mythischen, 
bezeichnen aber ihre Schauplätze so genau, dass sie mit der jetzi- 
gen Wirklichkeit genau übereinstimmen und zu einer allgemeinen 
Erdansicht hinführen, woraus sich Wahrheiten ableiten lassen, , 
welche für die erklärende Seite 8eh^ wichtig sind. Der bericht- 
erstattende Charakter der Herodotlschen Darstellungsweise beruht 
auf dem Grundsätze , in dem Geschehen der physischen und gei- 
stigen Besitznahme, in dem Werden zum Schauplätze des Ortes 
zugleich seine Geschichte zu finden. Ueberhaupt verfehlen ea 
die einleitenden Darstellungen an dieser geschichtlichen Bedeu- 
tung des Oertlichen, welches jene nur erhalt, je nachdem dieses 
von jenem abhängt. Nach diesem Gesichtspunkte sollten die Lei- 
stungen der in jene berichtende Zeit fallenden geographischen An- 
gaben geordnet sein. Allgemeine Geographie und Charten gehö- 
ren der erklärenden und reflectirenden Periode an, welche durch 
ihre Begriffe, durch ihr Sichten und Ordnen zu bestimmten Ge- 
sichtspunkten, zu sicheren Grundsätzen über alle Beziehungen 
und endlich zu einer geographischen Verhältnisslehre gelangt, 
welche als Grundlage der vergleichenden Geographie für die wahr- 
haft wissenschaftliche Behandlungsweise den Stoff bildet und vor- 
zugsweise den Menschen in seinem Verhalten zur Erde, also das 
Verbundensein der Seele, des Geistes, mit dem Körper, mit der 
Natur zum Gegenstande hat , wofür die Wissenschaft In dem Rit- 
ter'schen Werke : „Die Erdkunde im Verhältnisse zur Natur und 
Geschichte des Menschen oder allgemein vergleichende Geogra- 
phie als sichere Grundlage des Unterrichtes In den physikalischen 
und historischen Wissenschaften^^ eine selbstständige und sichere 
, Basis erhalten hat, wodurch sie aus der Sphäre der Hülfswissen- 
scbaften in die der selbstständigen Wissenschaften erhoben wurde. 
So wenig der Verf. in seiner weitläufigen Einleitung In dem 
berührten Sinne den Fortschritt des geographischen Wissens und 
die aiimäligen Entdeckungen schildert, eben so wenig stellt er 
die Verbindung des geographischen mit dem historischen Elemente 
und die ailmälige Begründung einer Methode für die Bearbei- 
tung und den Unterricht dar, obgleich jene die wesentlichste Be- 
dingung für den Erfolg des letzteren Ist und vorzüglich entwickelt 
werden muss, wenn von einem zweckmässigen Lehrbudie die 
Rede zein soll. Ein blosses Angeben von Name\^ ^«t ^ vÄ^^'^'Kt 



70 Geographie. 

¥on ^ Bochern ist nicht hinreichend. Die der sogentnnten politi- 
sehen Geo^aphie gegenüber siegreich entwickelten wissenschaft- 
lichen Methoden, die naturkundliche und kulturgeschichtliche und 
die beiden Wege für die Darlegung des geographischen Stoffes, 
der analytisclie und synthetische , erfordern eine um so gründli- 
chere Bezeichnung , als sie mit den pädagogischen Anfordernngen 
für den Unterricht an den verschiedenen Anstalten, für die.VoUcs- 
oder Gewerbs- oder Gelehrtenschulen, eng verbanden sind und als 
eine Methode und ein Verfahren , wonach ein Lehrbuch den An- 
sichten anderer Lehrbücher gegenüber bearbeitet erscheinen soll, 
die gewöhnlichen Wege und Ansichten nicht grundlos und ober* 
flächlich verwerfen kann. Nach den einleitenden Worten des Vf. 
sollte man glauben, die geographische Literatur wäre sehr arm 
an trefflichen Werken , was unter Bezug auf die neueren Werke 
von Meinicke, Rougemont, v. Roon, Schacht, Völter und And., 
welche im Sinne Ritter 's den geographischen Stoff zu bearbeiten 
streben, aber vom Verf. nicht genannt sind, wohl nicht der Fall 
ist, weswegen Rcc. die Sprache jenes anmaassend und gehaltlos 
findet, worüber jene Männer sich aussprechen mögen. 

Die 1. Abthl. (S. 41—125.) enthält die mathematischen Be- 
ziehungen der Erde in grosser Unordnung, ist weder in Abschnitte 
noch in Hauptideen abgetheilt und handelt schon von der Gestalt 
und Grösse der Erde, bevor die dafür erforderlichen Kreise, 
P.imkte, geraden Linien und andere Grössen, welche die populäre 
Astronomie geben muss, erklärt sind. Aehnlich verhält es sich 
mit der Achsenbewegung, welche sogar von der jährlichen getrennt 
ist. Der consequente und für die Schule, also auch für den Selbst- 
unterricht erfolgreiche Vortrag hat mit den Vorbegriffen von 
Punkten, geraden und krummen Linien, mit den ans der Astrono- 
mie in die mathematische Geographie zu iibertragenden Begriffen, 
mit den einfachsten Notizen über die anderen Hauptkörper unse- 
res Sonnensystems zu beginnen und dann erst zur Erde überzu- 
gehen , um aus jenen Erörterungen für die Gesetze der mathemi- 
thischen Geographie Anhaltspunkte zu gewinnen. So wird schon 
in §. 3. die Bedeutung des Horizontes, der Auf- und Untergang 
von Gestirnen, der Gradmessungen u. dergl. gebraucht, ohne diese 
Gegenstände zur klaren Einsicht der Lernenden gebracht zu ha< 
ben. Dieser geschichtliche Ideengang entspricht den pädagogi- 
schen Anforderungen durchaus nicht, weswegen die Darstellungen 
Hrn. Jahn's weder im Interesse des Unterrichtes und der Jugend, 
noch in dem der Schule und des Selbstunterrichtes zu billigen 
sind. Das Materielle genügt wohl vollkommen; allein der systema- 
tische Zusammenhang und die gegenseitige Begründung sind be-, 
einträchtigt; die nach dem Verfahren des Verf. noth wendigen 
Weitschweifigkeiten führen nach seiner eigenen Ueberzeugung 
nicht zur klaren und bestimmten Kenntuiss der Sache. 

Mr die Erdgestalt shid die Gründe aus der Wahrscheinlich- 



^1 



Jahn and Vogel: Prakt. Anleit« z. Stodiam der Erdkunde. 71 

Veit von denen aas mathematisch - physikalischen Principien ent- * 
nommeuen wohl zu unterscheiden , damit die Lernenden eben so 
ailmälig zur Ueberzeugung gielangen. Zu ersteren gehört wohl 
das bogenförmige , gewöibartige Umlegen des Firmamentes um die 
Erde; wäre letzter« nicht kugelförmig, so könnte sich wohl jenes 
nicht in einer Wölbung um diese lagern. Auch geben die Reisen 
nur dann einen einleuchtenden Beweis, wenn die Seefahrer au 
den Ort ihres Ausfahrens wieder zurückkommen, ohne je einmal 
umgekehrt , also stets vorwärts nach gleicher Richtung gesegelt zu 
sein. Mondfinsternisse sind allerdings geeignete Beweise Ton der 
Kugelgestalt der 'Erde, weil hier nur von Wahrscheinlichkeiten 
die Rede, der Schatten das Bild des ihn verursachenden Körpers 
und jener Erdschatten eine runde Scheibe ist. Des Verf. Bemer- 
kung wegen Ungeeignetsein des Beweises aus Mondfinsternissen 
ist daher nicht gegründet. Unsere Erde ist mit dem Sonnensy« 
steme vei;bunden und bildet einen Planeten desselben. Alle sicht- 
baren Körper desselben mit ihrem Hanptkörper, der Sonne, er- 
scheinen uns als runde Scheiben. Warum soll es nicht auch unsere 
Erde sein? 

Doch Rec. übergeht die mancherlei Lücken und Gebrechen 
des mathematischen Theiles und berührt nur noch das abgerissene 
Behandeln der Materien, die zerstreuten Beweise für die Kugel- 
gestalt und Bewegungen der Erde und Angaben der Folgen letzte- 
rer, das Dunkle in den Angaben über die Breite und Polhöhe nebst 
Bestimmung der geographischen Länge- und Gradmessungen und 
vorzüglich den grossen Mangel der Zeichnungen, ohne welche 
selbst der Lehrer , besonders wenn er keine Vorkenntnisse in de« 
Mathematik und Astronomie hat , den Unterricht nicht fruchtbrin- 
gend machen kann. Die Quellen, welche der Verf. sowohl hier 
als für seine astronomische Schrift, worauf er oft verweist, be- 
nutzte, konnte er direkt angeben; der gewählte Mittelweg findet 
kein Lob. Diei Längen für die Grade unter verschiedenen Breiten 
sollten sorgfältig angegeben sein, statt oberflächlich sie berührt 
zu haben. Noch ungeeigneter erscheint das häufige Verweisen 
auf andere Schriften zur weiteren Belehrung, da diese vom Verf. 
gegeben, daher jede nutzlose Nebensache hin^eggelassen und von 
Hauptsachen ersetzt sein sollte. Kann sich denn der Lernende 
oder der sich selbst BelehrendealleWerkeanschaffen, worauf er ver- 
wiesen wird? Zudem fragt sich, ob die Yerweisungsschriften die 
geeigneten sind, um gründlich belehrt zu werden? Rec. ant- 
wortet für viele mit „Nein^^ und hält, daher dieses Anführen von 
Werken für ein „Gelehrtthun^S das für die eigene Schrift gar 
keinen höheren Werth hat. Des Verf Wörterbuch der ange- 
wandten Mathematik schaffen sich die Lernenden eben so wenig 
an, als Klügels analyt. Trigon., v. Münchow's Grundlehre der 
Trigon., Kries' Lehrb. der math. Geogr. u. dgl.; auch die Lehrer 
der Geographie werden darin nicht erst Belehrung 8QGheu^ «avl- 



72 Geographie* 

'dern die erforderlichen Kenntnisse besitsen mttssen^ om ihren 
Schnlern dasjenige geläufig und verständlich zu machen, was 
ihnen aus der grossen Blasse des Stoffes zu wissen nothwendig ist. 
Statt der vielen Schriften konnte der Verf die eine oder die an- 
dere, woraus er seine Angaben an und fär sich entnommen 
zu haben scheint, anfuhren, wenn es ihm denn um ein sol- 
ches Citiren zu thun war , und er hätte allen Erfordernissen für 
Schüler, Lehrer und Selbstbelehrende entsprochen. 'Viele der 
genannten Schriften enthalten gar manche Entwickelungen aus 
jener einer oder der anderen , dem Verf. wohl bekannten Schrift. 
Was soll denn ein Lernender mit Kästner's Abhandlung in den , 
Actis der Erfurter Akad. u. s. w., mit T. Mayer's prakt. Geom. 
und Schriften, zQ-deren Vj&rständniss mehr und höhere msthem. 
Kenntnisse erforderlich sind, als Mo 11 weide in v. Zach's Mon. 
Corr., Klügel, Kästner, Lacroix u. dgl. anfangen, wenn ihm 
die zum Verstehen nöthigen Vorkenntnisse fehlen? Es will schei- 
nen, als habe der Verf. aus anderen ähnlichen Lehrbüchern Ober 
mathem. Geogr. diese Citate entlehnt , um gleichsam für jene ei- 
nen literaturgeschichtlichen Kursus vorzubereiten. Doch genug 
Sber ein Verfahren, welches keiner Absicht der Darstellungen 
entsprechen mag. 

Die 2. Abth., die phys. Erdkunde <S. 127—235.) zerfällt fai 
6 Kapitel, deren l.,mlt dem Land-, das 2. mit dem Wassergebiel, 
das 3. mit der unsere Erde umgebenden Luft, das 4. mit den Na- 
turprodukten, das 5. mit den natürlichen Veränderungen und das 
6. mit Schlussfolgerungen für die natürliche Geschichte der Erde 
•ich befasset. Diese Eintheilung und Entwickelung des Stoffes 
stimmt ganz nnt den Ansichten des Rec. überein, weswegen er die 
Quelle, woraus der Verf. geschöpft und wonach er das Ganze be- 
arbeitet hat , nicht näher zu berühren braucht und nur Einzelnes, 
welches jener bei seinen, wenn gleich seltenen Abänderungen 
nichtgehörig beurtheilt und klar dargestellt hat, berührt. Die 
physische Geographie betrachtet die Erde als Ganzes und alles 
auf ihr befindliche Naturliche, also alle einzelnen Körper, und zer- 
fällt hiernach in die Stereographie mit ihren Unterabtheilnngen, 
Piano-, Oro-, Orykto- und thetische Geographie, in die Atmos- 
phärographie, in die Hydrographie und Produktengeographie, wor- 
aus eine grosse Masse von Gesetzen und Wahrheiten sich ergiebt, 
welche in ihrer systematischen Ineinanderfugung zu allgemeinen 
Grundsätzen führen, mittelst welcher der Einfluss des Physischen 
auf das Menschengeschlecht und der innere und äussere, also 
grossartige Zusammenhang zwischen beiden Hauptgegenständen 
der vergleichenden Erdkunde recht lebendig und vollständig er- 
kannt wird. Auf diese Principien, welche einzig und allein in den 
Zergliederungen der Begriffe jedes Haupttheiles der physischen 
Geographie und sonach in den wesentlichen und zufälligen Merk- 
m^en derselben liegen, ab^ erat durch ein philosophisches Ver- 



Jahn.nnd Vogel : Prakt. Anleit. 8. Stadium der Erdkande. 7S 

binden dieser zn neuen Sfitien nnd allgemeinen Ideen gewennen 
werden, bat der Verf. keine Aufmerksamkeit ^erlebtet, daber • 
dem poiitiscben Theiie nicbt in die Hand gearbeitet, worin auch 
ein besonderer Missstand des Bucbes liegt. Es fehlt ihm die eon- 
sequente Durchfüiirung der zur Hauptidee gehörigen Nebenideen, 
wovon der Grund in dem getheilten Bearbeiten zu liegen scheint, 
was die beiden HH. Verff. um so eher fühlen, je mehr sie die 
einzelnen Angaben vergleichen. Mittelst Anführung vieler Schrif- 
ten , wovon mehrere rein der Geographie angehören , macht der 
Verf. seinem, Wissen Luft, ohne diejenigen Werke angegeben zu 
haben, woraus er zunächst geschöpft zu haben scheint. 

Ein Archipelagus setzt ein theilweis geschlossenes, mit mehr 
als einer Inselgruppe bedecktes Meer voraus. Die Seiten des 
Berges nennt man Abhang und statt Böschungs- sagt man Nei- 
gungswinkel. Der Gebirgsstock ist nicht immer der absolut hö- 
here Theil und bei den Thaiarten zeichnen sich besonders die 
Lingenthäler aus, zu welchen die Querthfiler in annfihrend rechten 
Winkeln, auslaufen, wie das Rheinthal so schön versinnlicht; in 
JlBnen laufen gewöhnlich die Hauptflnsse; sie sind daher nicht 
immer mit Parallelthälern versehen. Ueber die Entstehung der 
Thäler sollten kurze Angaben nicht fehlen. Die Merkmale der 
einzelnen Begriffe, a. B. Flachland, Niederung, Hochebene, Ter- 
rassenland, Tafelland und andere, sollten vor Allem hervorgeho- 
ben und jene berührten Grundsätze vorbereitet sein. Die den 
vertikalen Ausdehnungen zukommenden Begriffe führen zu einigen 
allgemeinen Wahrheiten , welche der vergleichenden Geographie 
wesentliche Dienste leisten, weil nur aus ihnen der Einfluss der 
Bodenformen auf die GescMcke nnd Entwickelutig der Menschen 
klar erkannt wird. Charaktere der Hochebenen lassen nur wan« 
dernde Völker zu, welche, wie in Hochasien von früher bis auf 
unsere Zeit sich oft wiederholt hat, in langen Zwischenräumen 
nach den Terrassen- und Stufenländern hinstürmen, die Nationen 
dieser unterdrücken und dann nach momentaner Unterjochung den- 
selben neue Jugendkraft und frisches Leben verschaffen. Stufen- 
länder nnd Flussgebiete führen die Menschheit zum Ackerbaue 
und hierdnroh allmälig zur höchsten Kultur. Auch die Tieflän- 
der werden lange von halbwilden nnd herumziehenden Völkern 
bewohnt, bis sie feste Plätze gewinnen und dem Boden um so 
mehr zugethan sind, als sie ihn den Elementen gleichsam abge^ 
Wonnen haben. Aus vielen Beispielen dieser Art geht die CJeber- 
zeugung hervor, dass ein mit grosser Mühe und Anstrengung den 
Elementen und den Flussmündungen abgerungener Boden dem 
Menschen vor Allem theuer ist, dass der Mensch nirgends in der 
Natur sich in dem Grade selbst wieder findet, wie in einem Bo- 
den, dessen Vorhandensein allein schon gleichsam eine Schöpfung 
seines erfinderischen Geistes ist, dessen durch seine Thätigkeit 
bis zur höchsten Spitze gesteigerte Fruchtbarkeit ihtn %\ft\&V&t!^ 



74 Geographie. 

b«uptM€hlich als sein Werk eracheint; dass ein solcher Boden viel 
mehr ist als blosse Heimath^ als Eigenthum des Bewohners und dass 
solche durch gemeinschafUiche Thätigkeit der Binzelnen und unter 
Beibülfe eines leitenden Gemeinwesens entstandenen Wohnsitze 
im höheren Sinne als heiliges Vaterland gelten , welches die Be- 
wohner stets mit Muth und Tapferkeit, mit Freiheitsliebe und 
Energie vcrtheidigen. Solche Einflüsse müssen durch allgemeine 
Gesetze zur Anschauung und völligen Ueberzeugung gebracht wer- 
den, wenn die staatlichen Elemente gründlich und kurz, bestimmt 
und klar entwickelt werden sollen. Auf diesem Wege arbeitet 
die physische Geographie der sogenannten politischen vor und 
gewinnt diese den erforderlichen wissenschaftlichen Charakter, 
wozu Einheit der Idee und Durchführung der ihr untergeordneten 
Ideen nach einem Sinne unbedingt nothwendig ist, was hier nicht 
weiter verfolgt werden kann. 

In Bezug auf das Alter der Gebirge und der daraus hervor- 
gehenden Arten, der Dichte, Höhlen und Vulkane vermisst man 
selbst das Wesentlichste. Was nützt ein Verweisen auf viele 
»Schriften dem Lernenden auch hier wieder? Flätte der Vf. stielt 
dieses die wichtigsten Wahrheiten über die berührten >sMaterien 
kurz mitgetheilt, so hätte er seine wissenschaftliche Gewandtheit 
weit mehr beurkundet, als diu-ch das Anführen von vielen oft nicht 
einmal besonders werthvollen Büchern. Rec. macht blos auf die 
verschiedenen Arten der Höhlen und ihre Charaktere, auf die 
Central- und Reihenvulkane und ihre Merkmale, auf den Erdmag- 
netismus und seine Erscheinungen aufmerksam , und findet sich shi 
der Erklärung veranlasst, der Verf. habe weder die Anforderungen 
der Schule und des Lebens, noch die Forderung der Wissenschaft 
im Interesse der Lernenden und die Erfüllung seiner Versprechun- 
gen gehörig vor Augen gehabt, wovon er sich alsdann selbst über- 
zeugt, wenn er die Bedingungen ins Auge fasset, unter welchen 
die physische Geographie zur Förderung der vergleichenden Erd- 
kunde entwickelt werden muss, wenn letztere für die Schule frucht- 
bar werden soll. 

Im 2. Kap. beschreibt er das Wassergebiet, wofür der Ideen- 
gang zweckmässiger von Quellen ausgeben sollte, um genetisch 
nach den Uebergängen der kleineren und grösseren fliessenden 
Gewässer foxtzuschreiten und mittelst der Verdunstung des Meer- 
wassers zu den wässerigen atmosphärischen Erscheinungen zu ge- 
langen. In den wenigsten Fällen giebt der Verf. die wesentlichen 
Merkmale. der Begriffe an und geht wahrhaft genetisch zu 
Werke, um aus jenen die letzteren entstehen zu sehen. Die blossen 
Namen der Meere gehören an und für sich nicht in die physische 
Geographie, wohl aber die genauen Erklärungen der Erscheinungen 
an der Oberfläche und des Wassers selbst, welche man meistens 
vergebens sucht. So lernt den Schüler nicht kennen, was Wel- 
lenberg, Wellenthal u. dgl. ist, es bleiben ihm viele Erscheinungen 



Jahn nnd Vogel: Prakt. Änleit. z« Stndiam der Erdkunde. 75 

bei Str&nintigenvEbbe, Flath und dergl; dtinkd and es nStzen 
ihm die mancherlei angeführten Schriften nichts', da er z. B. 
Gehler's phys. Wörterbuch weder benutzen kann, indem es ihm 
selten zu Gebote steht, noch dasselbe versteht. Qaelle, sagt der 
Verf., ist der eigene Hervorbruch von Wasser aus der Erde ^ wo- 
mit dem Lernenden nicht gesagt ist, wie jenes erfolgen muss, wie 
das Wasser in das Innere der Berge gelangt^ in ihnen sich fortbe- 
wegt u. dgi. Dass die Eintheilung des Flusslaufes in oberen, mitt- 
leren und unteren nicht stichhaltig sei, konnte dem Vf. ans neue- 
ren Nachweisungen Ton Kriegk und aus den mit den wirklichen 
Erscheinungen nicht übereinstimmenden Merkmalen bekannt sein. 
Noch mehr lässt sich ergänzen und verbessern hinsichtlich der At- 
mosphärographie , wofür der Verf. wohl ein ganzes Register von 
Bänden des Gehler sehen phys. Wörterbuches anführt, ohne 
seine Pflichten als Verf. und seine grossen Versprechungen zu er- 
füllen und die wichtigsten Gegenstände in kurzen Erklärungen zu 
versinnlichen. Doch Rec. muss die weiteren Berührungen auf 
sich beruhen lassen, um noch einigen Raum für die Bearbeitungen 
Hrn. Vogel'stübrig zu behalten. 

Die Vertheilung der Produkte der drei Naturreiche nebst 
allgemeinen Bemerkungen, die Veränderungen des Erdbodens und 
die verschiedenen Folgerungen für die natürliche Geschichte der 
Erde im 4. bis 6. Kap. sind von JHrn. Y. bearbeitet, was die Leser 
schon in den ersten Seiten wahrnehmen, da eine ganz andere Dar*» 
stellungsweise ersichtlich ist, die den Werth des Buches erhöhet. 
Jedoch würde Rec. manche Gegenstände sowohl kürzer als be^ 
stimmter bearbeitet darlegen , wenn er in das, Einzelne eingehen 
dürfte. Die Untersuchungen Moreau de James Ober Ausrottung 
der Wälder reduciren sich auf einige Hauptsatze, welche kurz an- 
gegeben sein sollten, um denä nachdenkenden Leser zu erkennen 
zu geben, dass jene nicht allgemein richtig sind. Auch vermisst 
man den mittelbaren Werth der Waldungen ganz; er ist wichtiger 
als der aus dem Holze für den Haushalt des Verkehrs sich erge- 
bende, verdient also im Interesse der vergleichenden Erdkunde 
kurz bezeichnet zu sein. 

Der Verf. spricht von Erdbeben nnd übrigen vulkanischen Er- 
scheinungen, gleich als wären diese mit jenen stets und absolut 
verbunden, was bekanntlich der Fall nicht ist, da nicht alle Brd- 
beben von vulkanischen Eruptionen erzeugt werden. Er gefällt 
sich übrigens zu sehr in dem Verweisen auf seine Schriften, die 
weder jeder Lehrer, noch jeder Leser besitzt. In Betreff der 
wichtigeren Theorien der Geogonie und der Thatsachen nebst Ge- 
schichte der Erde seit der Sundfluth musste der Verf. zu tiefe 
naturwissenschaftliche und naturphilosophische Kenntnisse voraus^ 
setzen, weswegen er nicht grüuillich genug in die Entwickelungen 
sich einliess; nach des Rec. Ansicht konnte er noch viele Angaben, 
welche die Leser, wenn sie Schüler un4 nicht im BeaitAe \t^^x 



7f( Geographie, 

KenntnfMe sind, nicht Venteheas hinweglaiseil, aiatt ihrer aber 
illgemeineReialtate aus den Brörterungen jedes Kapitels der phy- 
sikalischen Geogfraphie ableiten und diese in ubersichtiiche Grund- 
sätze vereinigen. Diese würden fruchtbare Schlassbemeritungen 
abgegeben, einen gründlichen Uebergang xu der 3. Abtheilung gpe- 
bildet und den Gegenstand letzterer, nämlich die politische Geo- 
graphie, zureichend vorbereitet haben, da diese mit den politi- 
schen Grundbedingungen für die allgemeine Occupation des Erd- 
bodens durch die Menschen sich befasset und den Zusammenhang 
der Natnrformen mit dem Menschengeschlechte zur Gkiindlage 
machet. In dieser Behandlungsweise besteht die eigentlich wissen- 
schaftliche Anforderung und Möglichkeit, die Ritt^r'schen Ideen 
in die Schule und das praktische Leben einzuführen, wie Rec. . 
schon mehrfach in anderer Beziehung darget|ian hat. 

Solche allgemeine Wahrheiten würden zugleich einen siche- 
ren Boden für die physischen Charaktere der einzelnen Weit- 
thcile und Landerganze und für die übrigen geographischen Ele- 
mente, in welchen der Mensch den Hauptgesichtspunkt abglebt, 
nämlich für die gesammte Landwirthscliaft, für Gewerbe, Fabri- 
ken, Manufakturen und Handel, für die geistigen, religiös -kirch- 
lichen und eigentlich politischen Beziehungen abgeben und eine 
bedeutende Kurze erzeugen. Die politische Geographie hat kei- 
neswegs als erste Grundbedingung die Occupation des Bodens, 
sondern die Bildung der Familie, des Stammes, des Staates als 
Hauptsache, also die Folgen des Geselligkeitstriebes, weichem 
der Verf. die erste Stelle einräumt, zu betrachten. Das wirksam- 
ste Mittel hierfür ist die Sprache, ihr folgt die Religion und die 
aus beiden durch Kunst und Wissenschaft geförderte Bildung aller 
menschlichen Anlagen, um alle Kulturzweige auf sichelten Boden 
zurückführen zu können, woraus die verschiedene» Stände und 
Gewerbsverh&ltnisse, die gesammten materiellen und immateriel- 
len Interessen der Staaten, also die maassgebenden Elemente der- 
selben sich ergeben. Die Einschiebung des Klima kann Rec 
nicht billigen. Für jene Interessen ist die körperliche und gei- 
stige Arbeit das Uauptmittel, weswegen sie der Verf. mit Recht 
einer besonderen Aufmerksamkeit widmet; aus ihr gehen alle wei- 
teren geographischen Beziehungen der Staaten hervor, weswegen 
sie ein wesentliches Element der politischen Geographie ist und 
ZQ vielen Grundsätzen verhilft <, welche die Vergleichungen frucht- 
bar machen. Dahin gehört z. B. je durchgreifender der Ackerbau 
die grösste Mehrzahl der Bevölkerung beschäftigt und je thätiger 
dieselbe ist, desto vorthellhafter gestalten sich die geographischen 
Elemente jener und des Staates. Von diesem Grundsätze sind die 
meisten ubngen Bedingungen abhängig. Aehnliche Sätze ergän- 
zen ihn und beherrschen die meisten allgemeinen Gesichtspunkte. 

Nachdem der Verf. im 1. Kap. (S. 237—271.) die berührten 
Gegenstände eatwickellr hat, bezeichnet er im 2. (S. 272-^283.) 



Jahn nnd Vogel: Praki. Anleit. i« Stadiom 4er Erdkonde. 77 

eben so knri die politische Eintheiliing des Erdbodens naob LtDd- 
and Wassergebfet, wobei er besonders die Wasserstrassen nach 
ihrem politischen Werthe bespricht. Viele Gegenstande sind je- 
doch schon früher berührt, wovon der Grund io der verschiedenen 
Behandlüngsweise liegt Auch für die Entwickelung des Inhaltes 
dieser beiden Kapp, vermisst Rec. wieder jene allgemeine Wahr« 
heiten, welche jeden Weittheii kurz und bestimmt Charakter jsiren 
und einen klaren Zusammenhang zwischen den Hanptgesichtspnnk- 
ten der Betrachtungen darlegen, wofür die einzelnen Bemerkungen 
unterbleiben müssen. Vieles hat der Verf. beröhrt , was man in 
anderen ähnlichen Schriften vergebens sucht ; vieles hätte er aber 
noch im Interesse der vom Rec. sur Spradhe gebrachten Gegen- 
stände berühren sollen, wenn er den Anforderungen vollkommen 
hätte entsprechen wollen. Die Vorrede verspricht weit mehr als 
gegeben ist. 

Der 2. Abschn. enthält besondere Erörterungen über die 
jetzige politische Beschaffenheit der einzelnen Staaten und Völker 
auf dem Erdboden und zerfällt in 5 Unterabtheilungen , jede in 
mehrere Kapitel, je für die Staatsgansen der Erdtheiie. Die 1. 
für Europa begreift deren 14 für die einzelnen Reiche von We« 
sten nach Osten (S. 285—381.). Die Eintheilung In West- und 
Osteuropa entspricht der natürlichen Grenzbeschaffenheit weniger 
als die Zerlegung in Nord- und Sud«, Ost- und Westeuropa, wozu 
Rec. noch Mitteleuropa setsen möchte. Jedes dieser fünf Gsnzen 
hat seine bestiösmten Charaktere in Bezug auf Form und Boden- 
beschsffenheit, von physischer Kultur und geistiger Entwickelung der 
Bevölkerung, welche in Sitten und Gebräuchen, In staatlicher 
Entwickelung und anderen Beziehungen Eigenthümlichkeiten hat. 
Des Verf. Eintheilung scheint die vertikale und horizontale Aus- 
dehnung zum Grunde zu haben, wonach Nieder- und Hocheuropa 
unterschieden wird. Da aber die drei Halbinseln , die iberische, 
spenninische und balkanische, dem Mittelmeere angehören, dem 
Einflüsse von Asien und Afrika zuerst ausgesetzt waren, für Mit- 
tel« (auch Hoch-) Europa die von Aussen kommende Gesittung 
zuführten und eine gewisse Uebereinstimmung, einen ziemlich 
gleichen Charakter und gleiehförmlg poetisches Leben beurkunden, 
so mödite ihr überdchtliohes Behandeln eben so grosse Vortheile 
bringen, ^ die gemeinsame Betrachtung von Nordeuropa, näm- 
lich Dänemark, die skandinavisohe Halbinsel und die britischen 
Inseln , welche Länder völlig enropäischer Natur sind. Diese An- 
sichten beruhen wohl theiiweis auf IndivIdueHen Gesichtspunkten, 
haben aber so viele Gründe zum Vortheile für Schule und Unter- 
richt, für leichtes nnd fruchtbares Studinra für sich, dass 'non 
wohl nicht leicht^orch andere sie ersetzen mag; zugleich werden 
viele Wiederholungen erspart nnd lässt sich der hierdurch gewon- 
nene Raum für einzelne Charaktere und Auszeichnungen beson- 
derer Staaten verwenden, um mittelst dieser zu stets grossoiec 



80 Geograplde. 

Angnben ^ie YerglelcheDden Beziehungen fehlen, wonach die mel« 
iten geographischen Elemente au entwicliein sind, und dasa der 
lUbngel an Nachweisungen des Einflusses der natürlichen Beschaff 
fenheit des Bodens auf die Geschicite der Bevöilcerung nirgends 
fühlbarer ist, als für Deutschland, wozu die Charaictere Russianda 
und Schwedens einen anderen Beitrag liefern. Dem preassischeo 
Staate dürfte vielleicht die lobenswerthere Behandlungsweise mjt 
Theil geworden sein, wenn msn dieselbe mit den übrigen Staaten, 
nicht aber mit den Forderungen, weiche ein umfassender und 
gründlicher Unterricht machen muss, vergleicht. 

Die 2. Unterabtheilung behandelt im 3. Kap. (S. 382—393.) 
Nord-, West-, Ost- und Südasien in einer Kürze, welche deutlich 
genug zu erkennen giebt , dass der Yerf. absichtlich zusammenau* 
drängen suchte , um das Ende zu erreichen. Die 1. und 2. Abthl. 
entzogen der 3. zum Vortheile des Werices den Raum ; dort wäre 
grössere Kürze und hier mehr Ausdehnung zu wünschen, um einem 
nachtheiligen Missverhältnisse zu begegnen. Welchen reichhal- 
tigen Stoff zu Betrachtnngen Asien darbietet , ist jedem Geogra- 
phen bekannt. Schon der Umstand, dass Europa seine Bevölke« 
rung von ihm erhielt und seine Kulturvölker ihre Wiege hier hat- 
ten, und dass es durch die Abgeschlossenheit seiner Natoren imd 
Völker merkwürdig wird, reichte völlig hin, ihm etwas mehr Auf-* 
merksamkeit zu widmen und dasselbe wissenschaftlich zu beium* 
dein. Auch Afrika wird in 3 Kapp. (S. 394-— 402.) zu kurz abge. 
fertigt ; wenigstens die physischen Charaktere sollten mit mehr 
Ausführlichkeit betrachtet sein, weil sie recht deutlich an den 
verschiedenen Mängeln, z. B. an Verbindungsgliedern zwischen 
Hoch- und Tiefländern mittelst Stufenländeru , an Ausbildung der 
Flusssysteme , an Beschäftigung mit dem Ackerbau , an Ausglei- 
chung der Extreme des Klima und an anderen Elementen dUe Vor* 
züge- Europas, namentlich Deutschlands, darlegen würden. 

Amerika widmet der Verf. ebenfalls 3 Kapp. (S. 403—414.); 
die geringe Seitenzahl deutet auf die grosse Kürze und würde den 
Mangel an geringerer Entwickeluaig schon vermutifen lassen, wenn 
er vom Reo. auch nicht gerügt würde. Bedenkt man in Nordame- 
rika die Freistaaten , das in physischer und politischer Hinsicht 
wiQhUge$taatsganse, welches von so vielen Schriftstellern sehr 
gerühmt und häufig als Musterland dargestellt wird und wegen der 
mit jedem Jahre wachsenden Aoswandeningen aus Deutschland 
dahin an Bedeutung gewinnt, in Südamerika die vielen Republiken 
nebst dem einen Kaiserstsate u. s. w , so erhält man Gründe genug 
für eine bessere und ausführlichere Darlegung der geographischen 
Elemente. Dass Australien in 2 Kapp* (S. 413— 418.) >kurz be- 
handelt ist, kann nicht befremden, weil die Inseln wenig bekannt 
sind, also selbst in physischer Hinsicht nicht viel Stoff zu Bnt- 
wickelungen darbieten. 

Ein wesentlicher Vorzug dea politischen Theilea besteht darin. 



Dorfmaller: De Grteciae primordiis. 81 

iTafis die Statistik nicht ausgebentet iat, nm ^eo^phitche Werke 
in bereichern nnd dickleibig zu machen; dasa den statistischen 
Angaben überhanpt und der ZaMenatatistik insbesondere nur eine 
Nebenrolle angewiesen und selbst hinsichtlich der Topographie 
die beliebte Ausdehnung nicht befolgt ist. Verstehen es die Leh- 
rer , aus dem physikalischen Theile die wichtigeren Wahrheiten 
abzuleiten und in den politischen zu übertragen , nnd wissen sie 
Hrn. VogePs Darstellungen rerständig zu benutzen , so werden sie 
die Schrift unter vielen Vorthcllen für den Unterricht gebrauchen. 

Reuter* 



De Graeciae primor diis quaiuor. Sciipsit Cor. Frid. 
Dotfmueller, gymn. reg. Augostani Aognstanae confessioni addioti 
Professor. Stuttgartiae et Tabingae. MDCCCXLVII. 4. 

Zu keiner Zeit ist wohl die griechische Mythologie so Tiet- 
fach besprochen und bearbeitet worden , als in der nnsrigen. Es 
ist dieses nicht blos die Folge des erhöhten Interesses , welches 
die Literatur dieses Volkes bei der immer grösseren Anerkennung 
ihres Werthes gewonnen bat, sondern auch der richtigeren Be- 
griffe und Vorstellungen, welche in den letzteren Decennien durch 
die unbefangenen und grundlichen Untersuchungen der gelehrte- 
sten Männer über diesen Gegenstand verbreitet wurden. Denn 
diesen hat man es zu verdanken , dass man nach lange festgehal- 
tenen Vorurtheilen nun zu der Einsicht gekommen ist, dasa die 
Mythen der Griechen nichts weniger seien, als Fabeln oder wmi- 
dersame und ergötzliche Dichtungen einer verirrten und über- 
spannten Einbildungskraft, denen alle Wahrheit abgehe, sondern 
dass sie als Bliithen eines aufstrebenden geistigen Lebens viel 
Treffliches und Lehrreiches enthalten , oft von einer scharfen Be- 
nrtheilung der Dinge, von einer feinen Beobachtungsgabe, von 
grossartigen Anschauungen , von einer reichbegabten speculatlren 
Anlage und von einem lebendigen religiösen Gefühle zeugen, and 
dass überhaupt jene Mythen nnr das sinnliche Gewand sind , in 
das dieses merkwürdige Volk nach seiner gewohnten Auflfasaunga- 
nnd Darstellungsweise das , waa ea durch sein Nachdenken über 
die Natur, über Gott, über göttliche nnd menschliche Dinge an 
verschiedenen Zelten erkannt hatte, auf eine geistvolle Art efn- 
Bukleiden pflegte. Deshalb hat die Götterlehre der Griechen in 
unsern Tagen Wlditlgkeit erhalten nnd man ist Im Allgemeinen 
darin einverstanden, dasa eine umfassende, tiefer eingehende 
Kenntniss derselben nicht nur zu einem klaren Veratandnisse der 
von ihnen hinterlasaenen Schriftwerke und zu einer vollstindigen 
Würdigung des von Ihnen Im Bereiche des menschlichen Wissens 
Geleisteten unentbehrlich sei, sondern dasa auch die Beschäftl- 

A. Jahrb, f, Phil. u. Paed. od. KrÜ. ßibl, Bd. L. Ilft, V. ^ 



82 Mythologie. 

gnng damit nicht ohne mannigfaltigen Gewinn f&r unseren Geist 
und selbst in gewisser Hinsicht filr die Bestärkung unseres Glau- 
bens bleibe. Doch darf mdn hierbei nicht ausser Acht lassen, 
dass bei einem Volke, dem im eigentlichen Sinne die göttliche 
Oflfen bar II ng. abging, und da« mehr aus nnd durch sich selbst aul* 
Erkenntniss der höchsten Wahrheiten zu gelangen suchte , die re- 
ligiöse Bntwickelung mit dem Anfange und dem Fortschreiten 
seiner übrigen Geistesbildung nnd namentlich mit der allmäligen 
Gestaltung seiner Lebensverhältnisse und bürgerlichen Einrich- 
tungen, ja selbst mit dem in ihm geweckten und zunehmenden 
Kunstsinne auf das Innigste zusammenhängen und demnach alle die 
Gänge durchmachen musste, welche diese nahmen, bis sie die 
mögliche Stufe menschlicher Vollendung erreichten. Denn es 
liegt einmal in der Beschränkung unseres Geistes, dass er ohne 
anderweitige Belehrung erst nach und nach von dem ihm bereits 
Bekannten auf das Unbekannte, von dem Gewordenen auf das un- 
sichtbar hinwirkende, von dem Sinnlichen auf das CJebersinnliche 
schliesst, und dass die Vorstellung des letzteren jedesmal von der 
Vorstellungsart des Ersteren bedingt wird. Dass in dieser Weise 
ohngefähr die Griechen ihre Religfonsmeinungen bekamen, er- 
weiterten und erläuterten, das lehrt uns ihre eigene Geschichte. 
Denn so lange sie noch zwar als ein harmloses, aber aller Cuhnr 
entbehrendes Nomadenvolk ohne bestimmte Wohnsitze umherirr- 
ten, hatten sie nur dunkle Gefühle von dem Göttlichen und sie 
suchten dasselbe zuerst in dem, was zunächst auf sie Efudrulsk 
machte , nämlich in dem gestirnten Himmel und in der fruchttra- 
genden, allnährenden Erde. Darauf, nachdem durch äussere 
Einwirkungen ihr Machdenken einigermaassen geweckt war, nnd 
sie um und ausser sich verborgen sich regendeKräfteund verschie^ 
denartige Erscheinungen wahrnahmen , fingen sie an, das Göttliche, 
in diesen zu erkennen , und sie dachten sich Jasselbe theils als 
unsichtbare, sie umschwebende AJächte, die sie wohl in ihrem 
Bewusstsein empfanden , aber bei dem Mangel an klaren Vorstel- 
lungen noch nicht mit bestimmten oder bleibenden Namen beseich- 
nen konnten, theils als die gewaltig und furchtbar, jedoch. auch 
für die Menschen wohlthätig sich äussernden Naturkräfte und Ele- 
mente. Das Erstere stellt die Mythe dar durch die Regierung 
des Saturnus, der mit der Rhea Kinder zeugte, aber sie bald 
darnach wieder verschlang, das Andere durch die Herrschaft der 
Titanen. Offenbar ist durch jene auf die mehr geistige, durch 
diese auf die grobsinnliche Auffassung des Göttlichen hingedeutet, 
doch so, dass beide Richtungen des menschlichen Gemüthes An- 
fangs friedlich neben einander bestanden, bis sie später, als ent- 
schiedene Gegensätze hervortretend, sich feindlich begegneten, 
was, als es geschah, durch den iangwährenden Kampf der neueren 
Götter mit den Titanen bildlich angezeigt ist. Einen festeren 
Rückhalt bekam die geistige Richtung erst durch die allmälig sich 



DorfmuLler: I)e Graeeiao priniordib. 83 



\ 



bildende Vorsleiluiig von dem Recht und geordnete Zustande ¥or- 
bereiteuden und eben dadurch auch die reiigiösen Erkenntnisse 
fordernden Dodouäischen Jupiter. . Doch diese Vorstellung selbst 
konnte nur entstehen und Eingang findf n mit dem durch mancher- 
lei nützliche Erfindungen herbeigeführten Beginne der socialen 
Verhältnisse, insbesondere nacli der Begründung des Haus- und Fa- 
milienlebens und nach der ersten Bekanntschaft mit dem Ackerbau; 
denn nun fanden die Pelasger bleibende Namen für die schon 
friiher empfundenen unsichtbaren Mächte., nun läuterten sich, 
wenn gleich noch immer getrübt und niedergehalten durch den 
Einfluss der sinnlichen Natur und des tief ge wurzelten Erd- und 
Elementendienstes, mehr und mehr ihre religiösen Begriffe und 
nun erschienen ihnen die Götter als wohl^vollende , bisweilen in 
menschlicher Gestalt umherwandelnde und Segen spendende We- 
sen. In diese Zeit fallen dienachder Mythe vondem Saturnus wie- 
der Ton sich gegebenen Kinder, nämlich die Vesta, Ceres mit ihrer 
nachmaligen Tochter Proserpina, Juno, Hades, Neptun mit der 
von ihm gezeugten Minerva und selbst der noch jugendliche Ju- 
piter. Mit diesem Uehergauge zu einer ständigen Lebensart hän- 
gen die Anfange des Hellenen thums zusammen. Endlich nach 
schwer errungenem völligen Siege der Humanität über das Natur- 
lebeu, als Staaten entstanden, die Handlungen der Menschen durch 
Sitte und Gesetz geregelt, Kunst und Wissenschaft erzeugt und 
einigermaassen gepflegt worden waren, da erfolgte in den bisheri- 
gen Religionsansichten der Griechen ein mächtiger Aufschwung, 
und sie erkannten das Göttliche , wenn gleich noch in einzelnen 
Persönlichkeiten aufgefasst, doch als eine vernunftige, von der 
Materie verschiedene, dieselbe belebende, ordnende, alles Seiende 
beherrschende und regierende Substanz. Das ist die Zeit, in der 
den Mythen zufolge die olympischen Götter nach hartem Kampfe 
mit den Titanen und den spätem Giganten unter der Obergewalt 
des cretischen Jupiters die Weltherrschaft erlangten , womit zu- 
gleich die aligemeine Verbreitung des Hellenenthums in Griechen 
land in Verbindung stand. Nur mühsam also und unter vielfachem 
heftigen Streite konnte das religiöse Bewusstsein der Griechen 
In beständiger Beziehung auf ihre Fortschritte in der Civilisatlon 
und Cultur sich von sinnlichen und materiellen Begriffen zu gei- 
stigen Vorstellungen erheben und endlich da die ersehnte Beru- 
higung und den Frieden finden. Daraus sehen wir aber auch, 
dass bei den Griechen nicht, wie bei vielen anderen Völkern, die 
religiösen Erkenntnisse als etwas schon Vorhandenes, Fertiges 
und Abgeschlossenes Ihrer übrigen Bildung vorausgingen, dieselbe 
leiteten , bestimmten und begrenzten , sondern mit derselben aus 
einem Boden zugleich entsprangen, verschwistert mit ihr auf wuch- 
sen, mit Ihr sich erweiterten, berichtigten und vervollkommneten, 
und so, von ihr unterstützt und dagegen sie wieder unterstützend, 
alch mit ihr zu einem schönen organischen Ganzen ausbildeten, 



84 Mythologie. 

wovon Jeder Theil tn den andern eingriff, and in. dieser gegemeitt- 
gen Beiieiiang seine richtige Stellang, seine wahre Bedeutung 
und seinen gemessenen Einfluss erhielt. Auf diese Weise ist bei 
den Griechen Staat, Kunst, Wissenschaft und Religion ein Ge- 
triebe eines Geistes, der nicht einzelne Richtungen verfolgend, 
sondern sich in seiner Totalität begreifend auch nur in dieser seine 
Bestimmung an erreichen strebte. J)araus erklärt sich auch bei 
ihnen ausser vielen andern grossen Vorsagen die von Jedem ge- 
priesene Harmonie aller ihrer Seeleuthätigkeiten , daraus die Klar- 
heit in ihren Lebensansichten , daraus das entschiedene Gepräge 
ihres Charakters, daraus auch in der Folge noch der enge Ver- 
band ihrer körperlichen , politischen and religiösen Verhältnisse. 
Nach diesen Bemerkungen ist es einleuclitend, dass die Religiona- 
geschichte der Griechen nicht von ihrer politischen und Kultor- 
geschichte getreiint, sondern nur im strengen Zusammenhange 
mit dieser richtig verstanden ^ erklärt und behandelt werden kann, 
und dass also Untersuchungen über die erstere , wenn sie xu si- 
chern Resultaten führen sollen , auf einer genauen und gründlichen 
Kenntniss des ganzen geistigen Lebens dieses Volkes von seinen 
ersten namhaften Regungen an bis zu der Zeit, wo es seinen 
Höhenpunkt erstiegen hat , berohen müssen. Eine solche Kennt- 
niss aber. kann nur erlangt werden durch eine sorgfaltige Be- 
nutzung und besonnene Interpretation der von ihnen über Ihre 
Geschichte abgefassten schriftlichen Urkunden ; denn ein blossee 
Räsonnementoder eine auf subjective Vorstellungen sich stützende 
DeduGtion gewisser allgemeiner Gesichtspunkte, die keine ge» 
schichtliche Unterlage haben, kann, wie es bei so manchen My- 
thologien sichtbar wird, nur schwankende Bestimmungen, aber 
keine haltbaren Ansichten geben , zumal da jedes Volk und be- 
sonders das griechische unter dem Einflüsse klimatischer und ört- 
licher Einwirkungen oder politischer Beschaffenheiten in seiner 
Empfindungs-, Denk- und Darstellungs weise etwas Bigenthümil- 
ches hst, was sich unter keine allgemeine Regel bringen lässt. 
Jedoch erfordern hierbei eine vorzügliche Berücksichtigung und 
eine vorsichtige Behandlung hauptsächlich die früheren Perioden, 
weil diese für das gehörige Auffassen und Verstehen der nachfol-' 
genden von der grössten Wichtigkeit sind, indem sie die Elemente 
enthalten, aus denen nachher der griechische Geist nach der ihm 
Inwohoenden bildenden, ordnenden und veredelnden Kraft die 
idealen Wesen seiner Götterwelt sich schuf. Aber gerade diese 
bieten auch die meisten Schwierigkeiten dar, wenn sich gleich 
verschiedene einzelne Sagen und Nachrichten über jene früheren 
Zeiten erhalten haben. Denn es kostet viele Mühe, etwas Deut- 
liches und Zuverlässiges daraus zu erkennen und einen sichern 
Ueberblick sich zu verschaffen, theils ^ell sie unvollständig sind 
und uns oft da verlassen, wo man ihrer sehr nöthig bedürfte, theib 
weil in ihnen meistens Wahrheit und Dichtung gemischt ist, und 



Dorfmaller: De Graedae primordiis. 85 

es sich also nicht leicht ermilteln lasst, wo xwischen betdoi die 
Grenzlinie sich finde, theils auch weil das von einseinen Schrift- 
stellern Mitgetheilte öfters auf örtliche Umstände oder auf Eigen- 
thnmiichkeiten der einzelnen Yolksstäninie Bezug hat und man 
daher in den Berichten biswellen auf Widersprechendes stösst, 
oder man in den Fall kommen kann, Nebendingen ein zu grossei 
Gewicht beizulegen. Deshalb gehört neben der nöthigen Sprach- 
kenntniss auch ein durch langes Studium gebildeter scharfer kri- 
tischer Blick dazu, um in diesen Sagen und Nachrichten das Man- 
gelnde durch richtige Schlüsse aus dem übrigen Gegebenen zu 
erganzen, oder das Wahre von dem Scheine, den Gedanken voa 
dem Bilde zu unterscheiden, oder Widersprüche zu lösen ^ und 
aus dem Zufalligen und Bedeutungslosen das Wesentliche und 
Allgemeine herauszufinden. In Erwägung dessen Ist jeder Ver- 
such, diese früheren Perioden der griechischen Götterlehre za 
beleuchten and aufzuhellen,' an sich anerkennungswerth und ver- 
dienstlich, zumal wenn die darüber angestellten Forschungen von 
Quellenstudium ausgehend einen historischen Boden haben und 
in Folge einer umsichtigen , sach- und sprachkundigen und durch 
einen kritischen Geist geleiteten Exegese zu * neuen Aufschlüssen 
fuhren, oder das schon Angenommene mehr begründen. Ab 
einen solchen Versuch kann man die oben angezeigte Schrift des 
Hrn. Professors Dorfmnllejr in vieler Beziehung betrachten, und 
Referent tragt kein Bedenken , dieselbe Allen , die sich mit der 
alten Literatur abgeben, und namentlich denen, die diesem Zweige 
derselben eine grössere Aufmerksamkeit widmen , besonders zur 
Beachtung zu empfehlen. Der gelehrte Verfasser machte es sich 
darin zur Aufgabe , den früheren Entwickelungsperioden der Grie- 
chen mit beobachtendem Blicke zu folgen und bei einer sorgfiltlgen 
Vergleichung und Prüfung der über diese in ihren eigenen Schrif- 
ten zerstreut sich vorfindenden Sagen und Berichte mit Rücksicht 
auf die von Hesiod angenommenen vier Zeitalter diejenigen Ge- 
sichtspunkte hervorzuheben, welche das mit dem Anfange und 
allmaügen Fortschreiten der Gultur and des äussern politischen 
Lebens verbundene religiöse Bewusstsein dieses Volkes ins Licht 
stellen, doch in der Art, dass das letztere als vorausgehend und 
bildend das erstere anregt, fördert, ihm die jedesmalige Grenze 
anweist und Ihm seine Begründung giebt. Wenigstens ist gleich 
im Anfange darauf hingedeutet, wenn vqu dem Bindungsmittel 
gesprochen wird, das die griechische Nation ohngeachtet aller 
Verschiedenheit in Sitten , Gebräuchen und Staatsformen zu einem 
Ganzen vereinigte; noch deutlicher ersieht man dieses S. 3., wo 
die Bemerkung gemacht wird: wenn man nicht dsli Wesen, die 
Beschaffenheit und den Eiufiuss der griechischen Religion unter- 
sucht und erörtert hat, so darf man nicht hoffen, über den Zu- 
stand der ältesten griechischen Geschichte eine gründliche Kennt- 
niss zu erhingen. Aehnliches liest man^. 48. und Sv83«^^^ xc^ 



86 Mythologie. 

klfiren Worten gesagt wird , dass die Verandemngen der Religion«' 
ansichteo, die in in den Gemüthern der Pelasger vorgingen, die 
ganze Umgestaltung Grieclienlands reranlassten. Weiclit zwar 
darin der Verfasser von . der in diesen Blättern Anfangs ausge- 
sprochenen Ansiclit des Referenten ab^ so stand ihm dieses frei, 
da er von seinem Standpunkte aus auf wissenschaftlichem Wege 
zu dieser Ueberzeugung gekommen ist und er zugleich die Mei- 
nung Vieler für sich hat, welche glauben, dass die Pelasger in den 
ersten Zeiten ihres Erscheinens nicht ohne Bildung waren und 
schon tiefere Einsichten in gottliche und menschliche Dinge hatten, 
die, wenn sie gleich in der Folge durch innere Spaltungen, 
Kampfe und Kriege and die dadurch herbeigeführte Verwilderung 
ihres Charakters getrübt und zurückgedrängt wurden , doch spater 
wieder hervorgerufc^n und sich behauptend die Elemente wurden, 
aus denen in den nachfolgenden Jahrhunderten hellenischer Götter- 
glaube und hellenisches Leben in stafenmässigem Gange entstan- 
den ist. Nur hätte eine solche Ansicht auch gleich bestimmt als 
die Grundlage der Untersuchung vorangestellt und dann in den 
einzelnen Zeitaltern der Einfluss , welchen die nach Innern Ge- 
setzen sich fortbildende und jedesmal vorherrschende religiöse 
Erkenntniss auf die Veränderung und Verbesserung der iusseni 
Zustände und auf die geistige Entwickelung des Volkes äusserte, 
einleuchtend und überzeugend nachgewiesen werden sollen. AHer- 
dint^s haben die, welche dieser Meinung zugethan sind^ auch 
Manches für sich, und selbst die oben erwähnte Sage von Satur- 
nas, der seine Kinder verschlang und sie nachher wieder ^on sich 
geben musste, könnte derselben eine gewisse Wahrscheinlichkeit 
geben. Denn sehr wohl iiesse sie sich in diesem Sinne erklären, 
dass der Berichtende dadurch zu erkennen geben wollte, wie ein 
früheres schönes Lebensierhältniss, in welchem die Menschen der 
Gottheit näher stehend und sie reiner empfindend und eben des- 
halb auch Vieles klarer sehend die ersten Einrichtungen zu ehiera 
geordneten und ^resittcten Zustande trafen, nachher entweder 
durch allmälige Kutartong oder durch den Einfall wilder Krieger- 
horden auf längere Zeit gestört und zurückgehalten wurde, bis 
endlich jene ursprünglich bessere Erkenntniss , in den Gemüthern 
Einzelner fortgepflanzt, mit voller Kraft aufs Neue sich geltend 
machte und so der Grund zu grossen Umwälzungen und zu dem 
nachmals veredelten liellcnenthum wurde. Auf diese Weise würde 
obige Sage von Saturnus und seinen Kindern leichter erklärbar 
und sinnreicher werden, auf diese Weise wurden die Zeitalter des 
Hesiod mehr objective Wahrheit und eine nähere Beziehung er- 
halten, auf diese Weise würde das Auftreten der Titanen als die 
Zeit erscheinen, wo die Griechen unter der Herrschaft einer \in 
gebändigten Gewalt in ein zügelloses Leben und in einen rohen 
Natordienst versanken; auf dlese> Weise endlich würde einleuch- 
tender sein, warum gerade an solchen Orten, die theils durch 



Dorfmülier: De Graecijäe primordiis. 87 

ihre Entfernung^ theils durch die Beschaffenheit der Gegend Tor 
den Stürmen und Kämpfen am Meisten geschützt ^aren, wie die 
am Dodoiia, dann Arkadien und Greta, die früliesten Schritte ge- 
than wurden, um Sitte, Ordnung, gesellige Kinrichtungen und 
reinere Begriffe von dem göttlichen Wesen zu verbreiten. Dem*- 
nach hätte die Behauptung von O. Müller, Wachsmuth, Bodeetc., 
dass die Pelasger Anfangs den Acker bebauten, Städte begrün- 
deten und erst später dem Hirtenleben sich zuwandten , nicht so 
unbedingt verworfen werden sollen, zumal da sie den eige-' 
nen Ansichten des Verfassers ziemlich nahe lag. Doch will 
Referent hier nicht länger verweilen; es mag hinreichend sein, 
darauf aufmerksam gemacht zu haben , dass solche oder ähnliche 
Betrachtungen, wenn sie als das Leitende der Untersuchung wären 
bestimmt zu Grunde gelegt uAd an den gehörigen Orten beleuch- 
tet hervorgehoben worden , in das Ganze mehr Licht und auch 
eine grössere Einheit würden gebracht haben. Warum jedoch 
dieses von dem Verfasser nicht geschah , dies hat er S. 65. mit fol- 
genden Worten erklärt: mihi tantum disquirere est propositum 
atque explicare, qaibus religionis et Pelasgicae et llellenicae mo- 
mentis mutationibusque discrimina aetatura, quae a Graecis in fin- 
gendls formandisque diis decursae sunt, definienda sint atque con- 
stitoenda. Dadurch hat er selbst den Standpunkt angegeben, von 
dem aus der Inhalt seiner Schrift zu beurtheilen ist; gleichwohl 
wird Referent sich veranlasst finden , hin und wieder auf ähnliche 
Bemerkungen zurückzukommen, wo er glaubt, dass ein tieferes 
Eingehen auf die Sache oder auf die einzehien Facta erforderlich 
gewesen wäre, da doch zwischen diesem und philosophischen Un- 
tersuchungen^ die der Verfasser mit Recht entfernt halt, ein 
Unterschied anzuirehmen ist 

In dem ersten der von d.em Verf. nach Hesiod angenommenen 
vier Zeitalter wird es von ihm für zweckmässig gefunden, gleich 
mit dem Beweise zu beginnen, dass die Ureinwohner Griechen- 
lands, die Pelasger, ein wajiderndes Hirtenvolk gewesen sind. Dies 
geschieht von ihm mit grosser Gelehrsamkeit und Sachkenntniss, 
so dass dieser ganze Abschnitt höphst anziehend und belehrend 
ist. Referent gesteht, Vieles daraus gelernt. Vieles in seinem Ge- 
dächtnisse erneuert zu haben. Mit ungemeinem Fleisse sind alle 
Stellen zusammengetragen , die über die frühesten Zustände der 
Griechen Aufschluss geben , oder wenigstens einiges Licht in j^ne 
dunklen Zeiten werfen , und mit vielem Scharfsinn wird gezeigt, 
wo Überali Spuren von pelasgischem Leben oder Erinnerangen 
daran sich finden. Unbedingt darf man daher dem Verfasser das 
Verdienst zugestehen , dass er durch diese Behandlung einen wich- 
tigen Beitrag zur Aufklärung und Beleuchtung des dunkelsten 
Theiles der griechischen Geschichte geliefert habe, und Referent 
würde gern die Hauptmomente dieser interessanten Untersuchung 
im Ueberblicke darstellen, wenn sich dieses, ohne selbst weit- 



88 Mythologie. 

liufig «u werden^ thiin Hesse; er verweist deswegen auf die 
Schrift selbiit) die schon in dieser Hinsicht der IVlühe lohnt, sie 
geleseil za haben. Nachdem nun pelas^isches Leben bei den äl- 
testen Bewohnern Griechenlands, vielleicht mit einer für den 
Zweck , den der Verf. sich gesetzt hat, zu grossen, aber in anderer 
Bealehung dankenswerüien Ausführlichkeit dargethan worden ist, 
geht derselbe über auf die religiösen Erkenninisse der ältesten 
Pelasger. Diese bestehen ihm nach einer aus Plat. passend citir- 
ten Stelle vorerst in der Verehrung des Himmels und der Brde, 
als der Gegenstände, durch die zunächst die Anschauung des Gött- 
lichen bei ihnen geweckt werden musste. Damit ist man völlig 
einverstanden, dagegen möchte der nachfolgende Schluss für za 
gewigt erscheinen, wenn nämlich der V^rf. von dem Laufe und 
der Bewegung der Gestirne die wandernde Lebensart der Pelaieiger 
ableiten will (ad eorum motum et quasi quandam vitam suam com- 
posuisse vitam, ex his omnibus, quae adhac exposita sunt, satia 
videtur apparere), wenn es gleich erklärbar ist , wie derselbe nadb 
der gefassten Meinung , dass das jedesmaüge religiöse Bewusstseia 
der Griechen ihr« äusseren Lebensverhältnisse bestimmte, conse- 
quenter Weise darauf kommen musste. Beachtungsweriher ist 
aber, was darauf über den Erddienst gesagt wird. Das hohe Alter - 
desselben wird erwiesen theils durch eine Stelle aus Hesiod, der 
die Erde als Göttin der Zeit noch früher setzt, als selbst den Him« 
mel, theils durch die Zeugnisse des Paus., der berichtet, dass die 
Erde zuerst im Besitze des delphischen Orakels war, dann dasa 
sie auch au Olympia Spruche ertheilte, weshalb ihr spater noch 
daselbst ein Tempel und ein Altar geweiht gewesen wäre, femer 
dass sie bei Aegä , einer achäischen Stadt, einen Temptd hatte, 
worin sich ein sehr altes Bild dieser Göttin befand, und dass ihre 
Priesterin in iwehelichem Stande lebte. Daran schliesst sich die 
Bemerkung, dass die alten Pelasger auch in der Folge, als die 
neueren Götter schou allmälig ans Licht zu treten anfingen, fest 
an ihrem herkömmlichen Glauben hioiten und den Dienst der 
Erde gegen jede Neuerung schützten. Dies erkenne man daraus, 
dass Erichthonius, der den Amphiktyon, den Verbreiter helleni- 
scher Religion und hellenischen Lebens, nach Paus aus Athen 
vertrieb, ein Sohn der Erde und des Vulkans genannt werde, und 
dass die Erde selbst, wie aus Schol. ad Aeschyl. Eumenid zu er- 
sehen ist, den Apollo in den Tartarus hinabzustossen suchte. Durch 
die eben erwähnte Stelle aus Paus, wird dann der Verf. zu der 
^Behauptung geführt, dass auch Vulkan zu den ältesten Göttern 
der Pelasger in dieser Perlode gehöre, und dass dieser als Ordner 
und Lenker der menschlichen Dinge grosses Ansehen und hohe 
Achtung genossen habe, was sich unter andern auch daraus schlies- 
Ben lasse, dass ihn Herodot und Strabo fiir den Vater der Cabiren 
halten. So gegründet im Allgemeinen das ist, was über die älte- 
sten pelasgischen Götter bisher gesagt wurde, so dürfte gleich- 



DorfmuUer: De Graeciae primordib. 89' 

wohl die letztere Behauptung in Besng auf Vulkan eine Beschria- 
kuDg nöthig machen; denn lässt es sich nicht ' bestreiten , dass 
dieser ein alter pelasgischer Gott sei, so kann man den Anfang 
seiner Verehrung nicht über die Zeit hinaussetzen <»' in welcher der 
Elementendienst begonnen hatte, und diese ist offenbar eine spä- 
tere und reiht sich an die zweite Periode an , wie die der Vesta^ 
welcher der Verf. auch wirklich da ihren Platz angewiesen hat. 
Selbst durch jene Stellen aus Herodot und Strabo scheint eine 
solche spätere Zeit angedeutet zu sein; denn was man sich immer 
unter den schwankenden Namen der Cabiren denken möge, als 
Kinder des Vulkans haben sie eine noth wendige Beziehung auf die 
vermittelst des Feuers bewirkten ersten künstlichen Einrichtungen 
und Fortschritte im menschlichen Leben , und sie könne»' also 
nebst ihrem Erzeuger nicht in die erste Periode gesetzt werden. 
Ausserdem würde obige Behauptung sich nicht wohl mit der Schluss- 
bemerkung vereinigen lassen, in der die sehr richtige Ansicht aus^ 
gesprochen ist , dass die ältesten Pelasger das Göttliche in ihrer 
Vorstellung eigentlich noch nicht getrennt und als ein Mannigfal- 
tiges aufgefasst, aber deswegen nicht an einen Gott geglaubt hc^ 
ben , und dass überhaupt in ihrer Religion , wie in ihrem L^ben 
eine Art von Einheit und friedlicher Znsammenstimmung sich 
kund gab , aus welchem Grunde auch ihre Sitten nicht verwildert, 
sondern mild, schuldlos nnd fem von Neid, Hass und Zwietracht 
gewesen seien , wie dies Hesiod in seiner Beschreibung des golde- 
nen Zeitalters so schön geschildert hat. 

Die 2. Periode wird von dem Verfasser mit Rücksicht auf die 
Bemerkung am Schlüsse der vorangehenden sehr treffend als die 
Zeit bezeichnet, in der die frühere Einheit und Gleichförmigkeit 
in der Religion und in dem Leben der Pelasger sich auflöste, und 
die Elemente der neuen Religion anfangs mehr im Geheimen sich 
regten. und entwickelten, und dann in der fortschreitenden Zeit 
sich Eingang und Geltung zu verschaffen suchten, bis endlich die 
allmälig Gonsistenz gewinnenden hellenischen Götter nicht ohne 
grossen Widerstand und inneren Kampf allgemeinere Anerkennung 
und Verehrung erhielten, was von Inachus und Phoroneus an bis 
auf Deiikalion und Danaus , also in einem Verlaufe von 350 Jahren 
geschah. Auch die Untersuchungen über diese Periode, welche 
die meisten Schwierigkeiten und Dunkelheiten hat, aber für die 
folgenden als die Grundlage von der grössten Wichtigkeit ist, ge- 
ben uns vielfache Beweise von dem Fleisse und dem Talentie de« 
Verfassers, indem die meisten^ dahin einschlägigen Sagen und 
Nachrichten sorgfältig gesammelt, geprüft und durch die daraus 
gezogenen Folgerungen viele von den bisherigen Meinungen be-r 
richtiget oder genauer bestimmt und selbst neue Ansichten über 
bisher Angenommenes und Geglaubtes aufgestellt sind. Von letz- 
terer Art ist besonders das , was gegen das Ende über die Cabiren 
und deren Verhältniss zu der Entstehung der neuen Götter gesa^ 



90 ' Mythologie. 

wurde. Doch konnte man anch hin und wieder in dem Gange der 
Dnteriachnn^ Klarheit und innere Begründung vermissen, weil der 
Verf., wie schon erwähnt, es absichtlich vermied, leitende Ideen 
•nsogeben nnd darauf die Resultate seiner Forschungen eustutscii. 
So s. B. findet man am Eingange folgende an sich ganz gute 
Bemerkung: innerhalb dieses Zeitraumes seien die Keime lur 
hellenischen Religion gelegt worden^ habe man schon daa 
Dasein einzelner Gottheiten empfunden, aber für sie nicht gleich 
Namen gehabt, wie man aus Herodot II, 52. wahrnehmen könne, 
doch die Herrschaft des Saturnus und der Titanen habe sie lange 
zurückgehalten, obgleich letztere nicht für wahre Götter von den 
Pelasgern wären gehalten worden. Wird es hierbei schon unbe- 
stimmt gelassen , wie und nach welcher Veranlassung das Erstere 
geschah, so muss man bei der andern Angabe unwillkürlich auf 
die Frage geführt werden, wie es kommen konnte, dass die helle- 
uiachen Götter von dem Saturnos und den Titanen lange zurück- 
gedrängt wurden, wenn diese doch nicht für Götter galten nnd 
alao kein wirkliches objectives Hinderniss vorhanden war. Viel 
verstandlicher und überzeugender würde sowohl dieses als auch 
das Uebrige sein, wenn von dem Verf. der ganze ZeitabschnUt 
gleich als ein solcher wäre kenntlich gemacht worden , in welchem 
nach dem erwachten Bewusstsein der Pelasger der Kampf zwischen 
dem inneren und äusseren Leben, zwischen dem Streben nach 
geistigen Anschauungen und Vorstellungen und dem Hinneigeii zu 
dem Irdischen und Sinnlichen entstand, ein Kampf, der die 
menschlichen und hauptsächlich die göttlichen Dinge betraf, und 
der um so gewaltiger und starker wurde , je mehr diese Gegensätze 
in der Folge hervorgerufen wurden und einander gegenüber sich 
SU behaupten suchten. Auf diese Weise wiisste man voraus, was 
man von den entstehenden hellenischen Göttern, was von dcfn Ti- 
tanen und dem Saturn , der dieser Zeit blos den Namen giebt, was 
man von dem Kriege, der nach den Dichtern in einer Reiher von 
Jahren zwischen den hellenischen Göttern und den Titanen ge- 
führt wurde etc , zu halten habe. Um so leichter konnte dieses 
von dem Verf ausgesprochen werden, da er doch zugestand, dasa 
die Titanen als eigentliche Götter in dem Bewusstsein der Pelas- 
ger nicht existirten, und dass der Dienst des Saturnus nur eine 
äussere, den Gemtithern aufgedrungene Nothwendigkeit war. Da- 
durch wurde er zugleich manches Schwankende und Unsichere in 
diesem sonst vortrefflichen und durch viele scharfsinnige Betrach- 
tungen sehr anziehenden Abschnitte vermieden haben, wie, um 
nur Eins anzuführen: „die Herrschaft der Titanen wird immer 
drückender, und Saturn, als er merkt, dass er verdrängt werden 
soll, ein schrecklicher Tyrann, der durch die grössten Grausam- 
keiten seine Macht zu befestigen sucht ; daher kommen Menschen- 
opfer, und daher ist auch unter Jupiter Lykäus, Jupiter Laphy- 
atius etc. Saturnus zu denken^^ Abgesehen davon, dass diese ganze 



Dorfmailer : Da Grtedae primordiis. 91 

Stelle auf einem siemlich unbestimmten Gedanken beruht , darfte 
▼on Menschenopfern nicht so geradezu der Schlnss gemacht wer- 
den, dass Jupiter Lylcäus, Jupiter Laphystins und Saturnus eine 
Personlichlceit seien. Menschenopfer waren, wie gleich darauf 
der Verf. selbst belcennt , den frühesten Griechen überhaupt nicht 
fremd, und sie lagen also nicht ausser der Vorstellung, die man 
in ältesten Zeiten von Jupiter hatte. Denn dachte man sich dle^ 
sen als den Gott, der über die sittliche Ordnung wachte und Recht 
und Heiliges schütate, so lag ihm auch die Bestraf ung eines jeden 
begangenen Frevels ob, die nach dem herrschenden Begriffe von 
Blutrache das Leben dessen forderte, der sich eines schwereo 
Vergehens schuldig gemacht hatte. Deutet nun der Beiname Ly* 
kaua auf Blutrache hin, in sofern diese unter dem Bilde des Wol« 
fes sinnlich dargestellt wurde, so sieht man, daas dadnrch nur 
der eigentliche alte Jupiter bezeichnet wurde, aber nicht Saturn, 
da mit diesem nicht eine ähnliche Vorstellung verbunden wurde« 
Gleiche Bewandtnias hat es mit Jupiter Laphystiua, indem letzte- 
res Attribut dem Jupiter zunächst deshalb scheint beigelegt worden 
wn sein , weil er die in dem Hause des Aihamas verübten Grauel- 
thaten rächte. Anderes der Art , was einer näheren Beleuchtung 
bedürfen möchte, wird Referent an den treffenden Orten besprer 
chen , und er wendet sich zur Anzeige der in diesem Theile be- 
handelten interessanten Gegenstände. Nach den bereits berührte» 
allgemeinen Betrachtungen , die der Verf. mehr als Einleitung zu 
den folgenden Untersuchungen vorausgeschickt hat, geht er dann 
auf die Sache selbst über, und er zeigt vor Allem, zwar nach dem 
Vorgange anderer Gelehrten, aber mit grösserer Bestimmtheit, 
dass der Anfang der Umänderung in den pelasgischen Religlons- 
nnd Lebensansichten von der Zeit herzuleiten sei, wo das Orakel 
des Jupiter (Zeus) zu Dodona in Wirksamkeit trat, wobei er die 
Unterscheidung dieses Gottes von dem nachfolgenden hellenischen 
Jupiter entschiedener feststellt. Besonders beachtungswerth ist 
darauf die Bemerkung, dass letzterer da zum ersten Male bestimmt 
in dasBewusstsein derPelasger eintrat, wovon ihm gesagt wurde, 
dass er sich mit der Niobe vereinigte , weil durch das Vermischen 
der Gottheit mit einer Sterblichen bios die Aufnähme desselben 
in die Vorstelltiug angezeigt werde. Daher findet der Verf. die 
früheste Spur hellenischer Denkweise in diesem Moment, oder 
wohl auch etwas vorher, da nach Paus. II, 15, 4. schon Inachus 
der Juno Opfer gebracht haben soll. Nicht minder scharf scheint 
der Verf gesehen zn haben , wenn er den Ursprung der anderen 
im Verborgenen sich entwickelnden und wachsenden hellenischen 
Götter dahin versetzen zu müssen glaubt, wo nach Strab.VH, 329. 
Dione zur l'heilnahme an dem Dodonäischen Orakel vom Zeus an- 
genommen wurde , nur kann man ihm nicht ganz beistimmen, wenn 
er mit Rücksicht auf eine spätere Sage , welcher Homer folgt, die 
Dione für die Mutter der Venus hält, oder gar auf die Auctorltät 



02 Mythologie. 

des Serv« Yd VIrf . 111,466. sich stiitsend, den Japiter zugleich 
mit der Venus dem DodonSIschen Orakel vorstehen iisst. Denn 
Diene, die ans Zeus hervorgegangene weibliche Gottheit, ist ih- 
rem Wesen und ihrer Bedeutang nach Seht griechisch oder helle- 
nisch , dagsgen gehört die Venus selbst nach der Sage des Hesiod, 
die der Verf. für seine Meinung anfuhrt, der zu Folge diese Göt- 
tin von dem entmannten Uranus abstammt und aus dem Meer- 
schaume entstanden ist, als dem asiatischen Stern- und Naturdienst 
verwandt, zu den ursprünglich fremden Gottheiten. Beides ist 
naverlcennbar in der Hesiodischen Sage angedeutet, und es wird 
dieses anch dadurch noch mehr bestätigt, dass diese Göttin ihren 
frühesten und vorzüglichsten Sitz in Cypern hatte und von .den 
Griechen zuerst in den Küstenländern verehrt wurde. Von den 
hellenischen Göttern, die ohngefahr um diese Zeit in dem Be- 
wusstsein der Pelasger zu entstehen anfingen, wird Neptun mit 
Recht als der genannt, weicher gleich Anfangs mehr äussere Ge- 
stalt gewann und auch schon eine allgemeinere Anerkennung fand. 
Daher verweilt der Verf. länger bei diesem , und er erwähnt nicht 
blos die Mythe, nach welcher jener durch seine Verwandlung die 
vor ihm sich verbergende Ceres täuschte und so mit ihr die Des- 
poina oder Persephone und das Ross Arion zeugte, sondern er 
theilt über eben diesen Gott auch Anderes mit, das gewöhnlich 
weniger bekannt , aber zur Kenntniss des mannigfaltigen Einflussei, 
den derselbe auf die Anfange des hellenischen Lebens hatte; von 
Wichtigkeit ist. Dahin gehört, dass aus der Vermählung, die 
Neptun mit der Larissa, der Tochter des Pelasgus, welcher ein 
Sohn des Triopas war, einging, Pelasgus, Achäus und Phthius, 
die von Argolis nach Thessalien wanderten, herstammten, dass^ 
wie aus Paus. X, 24, 4. erhellt, Neptun vor dem Apollo das Del- 
phische Orakel besass , und dass selbst Minerva für seine Tochter 
gehalten wurde. Eben so beachtungswerth sind auch folgende 
Bemerkungen: „Da die neuen Götter in dieser ganzen Zeit nur 
unter unbestimmten Umrissen , aber nicht unter schon scharf aus- 
geprägten Formen und Persönlichkeiten gedacht wurden, so pflegte 
es öfters zu geschehen , dass sie in den Sagen mit einander ver- 
wechselt wurden, wie dieses bei der Hekate, Artemis, Venus, 
Juno und Pallas vorkommt, oder wie es aus einem uralten Bilde, 
das nach Paus. 111 , 13. zu Lacedämon mit der Inschrift : Aphro- 
dite Hera, sich vorfand, ersichtbar wird, oder wie dieses Arte- 
mis, besonders die, welche Triclaria oder Laphria genannt wurde, 
beweist , indem diese die Namen von beinahe allen Göttinnen in 
sich begriffen zu haben scheint. Ferner weil die neuen Götter 
hedachtsam und mit vieler Vorsicht sich Aiffnahme zu verschaffen 
und ihre Macht zu begründen suchten, so hiessen sie dfjcßovktot 
Ton ai^cr^oAi; (Verzögerung) ; wenigstens wurden dem Zeugnisse 
des Paus, in, 13: zufolge unter diesen Namen Japiter, Minerva 
und die Dioskuren angerufen. Dann , fährt der Verf. fort, musste 



DorfiBoller: De Gnadte priaerdBa. SS 



bei den noch flchwankenden und j 
, die Pelasgfer suent von den nenen G5lleni hatten, noIkweBdlg 
bei ihnen eine gewisse UnschlnssiglEeit stattfinden, akh fir Um 
einen oder andern su entocheiden« In diesem Sinne stritten sish 
Neptun and Juno um den Besita von Argolis, Neptun und Minertn 
um d'en von Attiks, Neptan und Helios um den von Corinth. AnA 
aus diesen Sagen wird das Ansehen, in weidiem N^tnn sn jener 
Zeit hei einem grossen Theile der Peksger stand, nachgewieaen, 
doch auch zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass derselbe In 
der Folge den andern hellenischen Ckittheiten, die indessei 
lieh lind ausseriich mehr erstarkten, weidien mnaste, bis ihn 
stimmte Besitzungen zuerkannt wmrden, weshalb er dann 
Paus. lil, 11. den Beinamen ^A^qtaXios erhielt. Damach Terdienl 
noch volle Berucksichtigang, waa etwas weiter unten gesagt wird, 
miHilicb dass mit der grösseren Bedeutsamkeit, welche daa Dod*- 
näiache Orakel unter den einzelnen^tanunen bekam, und mit dem 
von ihm aus vorbereiteten und eingeleiteten Uebergange zu dem 
Hellenenthura selbst auch die Sprache der Pelasger nach nnd nach 
eine andere wurde und In die Elgenthumlichkeiten der helieniscfaeB 
überging, wie dieses aus der Erzählung des Herod. II, 54 — ö7«' 
sich erkennen lässt, dann dasa vom Orakel zu Dodona auch wfarfc- 
lieh Versuche gemacht wurden, die hellenischen Götter in andern 
Gegenden einzuführen, was eJOfenbar durch die Berichte des Herod. 
und Paus, dargethan wird, indem nimlidi diese nberliefem, daaa 
ein gewisser Sdrus^ ein Dodonaischer Prieater, zu der Zeit, wo 
die Eleusinier mit dem Erechtheus Krieg führten, zu Phalerä 
einen Tempel der Minerva geweiht habe. Dies Alka zeugt von 
der Gründlichkeit nnd Einsieht, mit welcher der Verf. die Quellen 
benutzte^ und von dem eindringenden Gdste, mit dem er ans 
aerstrenten, oft unerheblich scheinenden Nachrichten Anhalte- 
punkte an gewinnen suchte, um von diesen aua den Gang in der 
Entwickelung und der allmaligen Uarnnderung des pelMgischen 
Lebens und insbesondere der religiösen Erkenntnisse in einer Pe- 
riode, die auaser einzelnen unsicheren Sagen wenig Znrerlaaaigea 
deni' Forscher darbietet, lichtvoller zu bezeidinen und durch 
Hervorhebung wichtiger Umstsnde über denselben klarere An- 
sichten zu verbreiten. Gleichwohl stösst man zuweilen auch anf 
Urtheile, die nicht ganz haltbar sein durften, wie s. B., wenn be- 
hauptet wird , dass die schwarze Farbe an den Bildern der Götter 
aus dieser Zelt die Verborgenheit, In der dieselben lange gehalten 
wurden, bedeute. Niher lag wohl, wenigstena nach dem Dalftr« 
halten des Referenten, die Betrachtung, dass die meblen von den 
Gottheiten, die so abgebildet erschienen, von den iltem Pelaa- 
gem, die auch bei dem Ringen nach geistigen Anschauungen doch 
das Göttliche noch nicht in reineren Empfindungen ausser und 
'übet der Natur zu erkennen vermochten, entweder zu den Bri- 
aAcbten, die ja seibat auch nachher der griecbiachaa \«n^«&r 



94 Mythologie. 

langsweise nkht fremd wurden, wirklich geredinet, oder voa 
ihnen bei dem noch ungeübten Unterscheidiingsvermogeu mit die- 
sen verwechselt wurden, weshalb, weil man diese als im Dunkeln 
wirkende Wesen (flfi/i^AioO «ich zu denken pflegte, die schwarae 
Farbe als Sinnbild dessen gebraucht worden ist. Bei der Geres, 
dem Jupiter Scotites, unter dem der Hadea lu verstehen ist, bei 
der Artemis und Juno, die der Verf. für seine Behauptung anführt, 
kann, wenn man auf die ältesten Mythen über diese Gottheiten 
Rücksicht nimmt, die Sache weniger iweifelhaft sein, und seibat 
die Venus, die, wie oben gezeigt .wurde, ihrem ursprünglichen 
Wesen nach zu den Naturmächten gehörte, was selbst jene Iw- 
schHft des Bildes zu Lacedärooii: Aphrodite Hera, anzuzeigen 
scheint, würde einer solchen Annahme nicht geradezu widerspre- 
chen. Ausserdem möchte die Meinung des Referenten der altr 
pelasgischen Denkweise angemessener sein. Dann kann auch Re- 
ferent mit dem Verfasser nicht einverstanden sein, wenn dieser' 
glaubt, dass die Pelasger, weil sie sich scheuten, ihre Götter in 
menschlicher Gestalt abzubilden, darauf verfielen, roher und un- 
geformter Steine oder Figuren , die nur etwas von menschlichem 
Körper hatten, als Versinnllchung des Göttlichen sich zu bedie- 
nen, wie dieses z B. bei Pherä in Achaia ohngefahr 30 aufge- 
richtete viereckige Steine mit den Namen der spiteren Götter, 
oder zu Sicyon eine Pyramide, die den Jupiter, und dne Säule, 
welche die Diana vorstellte, beurkunden. Denn eine solche An- 
nahme würde auf der einen Seite einen schon hohen Grad von 
Bildung und eine Reife in der Beurtheilung des Göttlichen voraus- 
setzen, die man zwar später bisweilen bei einzelnen ausgezeich- 
neten Männern , oder etwa bei einem Gesetzgeber, wie Ndma 
Pompilius es war, antrifi't, die aber von den noch auf einer nie- 
drigen Stufe der Cultur stehenden alten Pelasgern nicht zu er- 
warten ist; auf der andern Seite sieht man nicht ein, wie für diesen 
Zweck ihnen ein roher Stein etc. ein würdigerer Gegenstand schei- 
nen konnte, als die menschliche Gestalt. Referent findet viel- 
mehr mit Anderen den Grtmd davon in dem Verhältnisse der Kunst 
snr Religion. Denn wie überhaupt den frühesten Menschen, so 
war es den alten Griechen, ehe sie sich zu reineren Vorstellungen 
erheben konnten, ein Bedürfniss, etwas Sichtbares zu haben, was 
bei ihnen die Steile der geistigen Anschauung lertrat. Dazu nah- 
men sie irgend ein<^n in die Sinne fallenden Gegenstand, unter 
dessen Merkmalen sie das Göttliche, das sie noch nicht in be- 
stimmten Begriffen mit ihrer Seele fassen oder festhalten konnten, 
flidi dachten. Dies waren ihnen Anfangs, so lange für sie die 
Kunst verschlossen war. Bäume oder auch Steine , von denen 
entweder die natürliche Beschaffenheit, oder, wie bei den letzteren, 
die durch einige schon erworbene Geschicklichkeit angebrachten 
Kennzeichen ihnen die Eigenschaften der Gottheiten zum Bewusst- 
tcin bringen und gleichsam vergegenwärtigen sollten. Diese Ei- 



'Dorfmullerr De Graedae primordiis. 95 

genschaften erkannten sie in der Form des Viereckigen nnd Run- 
den , wie beides ihnen auch in der Folge noch das Vollendete und 
Vollkommene bedeutete, was unter andern aus folgender Stelle 
des Plato Im Protag. XXVI. erhellt: XiQOi xb %al «ool xal v6^ 
Tbtgdycavov^ Sviv i>6yov tBzuyfLBVov, Bald aber mussle den 
schon mehr geweckten und kunstgebildeten Sinne der Mtnsoh ' 
selbst nach seiner Gestalt und nach seinen Wirkungen als das ge- 
eignetste Abbild der Gottheit erscheinen. Daher unternahm es 
die Kunst nach ihren verschiedenen Entwickelungsperloden zuerst 
in rohen Versuchen , dann schon in gefölllgeren Formen und end- 
lich in idealen Bildern die Götter unter der menschlichen Gestalt 
darsustellen. Auf diese Weise wurde die Kunst selbst ein Alittet, 
die religiösen Begriffe zu veredeln^ und sie stand auch In späterer 
Zeit bei den Griechen in einem inneren Zusammenhange mit ih- 
rem Cültus. Nach diesen Erinnerungen gegen die letzteren an 
sich sinnreichen, aber wohl nicht in der Sache begriiudeten Be- 
hauptungen kehrt Bcferent zu den weiteren Untersuchungen des 
Verf. zurück Darnach handelt derselbe sehr aufesfuhriich von den 
Cabiren, und erlegt, wie es scheint, dem, was er darüber mittheilt, 
ein yorzügliches Gewicht bei. Dies durfte er- auch nach der Mei- 
nung des Referenten mit vollem Rechte, da die von ihm aufge- 
stellte und entwickelte Theorie von diesen als den Vorgängern oder 
vielmehr Vermittlern der hellenischen Götter ungemein viel Wah- 
res hat und in das Dunkel der ganzen Uebergangsperiode lon der 
pelasgischen Religion zu dem hellenischen Götterglauben zuerst 
Licht und Aufklärung bringt. Noch mehr würde dieses der Fall 
sein, wenn zur Veriütändigung der nachfolgenden Betrachtungen 
wäre voraus bemerkt worden, was man sich unter den Cabiren 
vorzustellen habe und in wie fern durch sie bewirkt werden konnte, 
dass die bisher im Stillen vorbereitete reinere Erkenntniss der 
göttlichen und menschlichen Dinge nun allgemeinem Eingang in 
die Gemüther fand , so dass dadurch nicht blos im Gebiete der 
Religion, sondern auch in allen übrigen Lebensäusscrungen ein so 
bedeutender Umschw^mg erfolgte. Zwar macht der Verf. den 
Unterschied zwischen Innern und äussern Göttern und sagt von 
den ersteren, dass sie ihrem Wesen nach den grössten Einfluaa 
auf die Bildung und Gestaltung der äussern Götter hatten, und 
darairf nennt er sie die Götter der Götter , auch wohl an einigen 
andern Orten die Urheber des ganzen veränderten Zustandes, aber 
weiter geht er nicht und spricht geradezu aus, dass es nicht in 
dem Plane seiner Untersuchungen liege, sich über das Geheimniss- 
volle des Cabirendieustes weiter zu erklären. Ob er aber dieses 
unterlassen durfte, wenn er seine Ansicht gehörig unterstutzen 
wollte, könnte man sehr bezweifeln, besonders da ohne eine vor- 
ausgehende nähere Bestimmung des Wesens der Cabiren alles das, 
was über dieselben nachher vortrefflich von ihm gesagt wird, un- 
deutlich und ungewiss bleibt, und der blos gemachte UnteMchJttdk 



06 Mythologi«. 

TOD iimern und äoMern Göttern die Frage Dicht luruckWeist, wie 
und durch welche Yermittelung die innern Götter entstanden seien, 
uud welchen Begriff man überhaupt mit ihnen sn verbinden habe, 
da dieses durch nichts auch nur entfernt angedeutet ist. Alte 
Bedenkiichkeiten und Zweifei würden gehoben sein , wenn auch 
nur mit wenigen Worten wäre benerklich gemacht worden , daas 
man unter den Cabiren ais einer mystischen Benennung das fort- 

' achreitende geistige Leben, das sich ausserlich in Kunstfertigkeiten, 
in besseren und bequemeren häuslichen und öffentlichen ßinrich- 
tungän und in der Begründung geordneter und gesitteter Verhäil- 
nisse zu erkennen gab, und das eben dadurch auch innerlich au 
reineren und geiä'uterteren Vorstellungen in den Gegenständen 
der Religion und überhaupt zu einer geistigeren Auffassimg des 
Göttlichen fiiiliren musste, sich zu denken habe. JMit gutem 
Grunde konnte dieses geschehen; denn dafür spricht die oben 

' erwähnte Sage, in der Vulkan der Vater der Cabiren genannt 
wird ; in diesem Sinne ist die von dem Verf. aus Paus. IX , 25 , 6. 
citirte Steile von der Ceres zu deuten , die dem Cabiren Prome- 
theus und dessen Sohne Aetoäus den Anfang ihrer Geheimnisse 
anvertraut; im ähnlichen Sinne hat auch, wie an einer andern 
Stelle von dem Verf. mitgetheilt wird, Dionysus in Böotien einen 
Tempel in der INähe der dortigen Gabiren und steht'mit diesen 
in einem freundschaftlichen Verkehr; darauf bezieht ea siish, wenn 
von den Teichinen in Rhodus und von den idäischen Daetylen, die 
ebenfalls Cabiren waren und auch dafür gehalten werden , berich- 
tei wird, dass sie lehrten Häuser zu bauen, Thiere zu bezahmen, 
Honig zu sammeln. Eisen zu schmieden und Waffen zu bereiten; 
dieselbe Bedeutung haben auch die nach der Sagengeschichte aus 
Aegypten und Phönicien nach Griechenland gekommenen Cabiren, 
wie man aus dem ersieht, was von dem Cadmus, den der Verf. 
selbst zu den Cabiren zu zählen geneigt ist, gesagt wird, nämlijßh 
dass er Theben baute> Ehen einführte und sich mit der Harmonia 
(gesetzmässiger Ordnung) vermahlte. Nach einer solchen Fest- 
stellung des Begriffes wird es dann erst begreiflich, warum Juf^- 
ter als Kind dem Schutze der Cureten übergeben wird, oder wa- 
rum die Rhea den jüngst geborenen Sohn zu Olympia den idäiscben 
Dactyien zur Bewachung empfiehlt, dann wie eine ähidiche Mythe 
▼on dem Dionysus Zagreus entstehen konnte, oder woher, wieder 
Verf. S. 78. mit Rücksicht auf Apollod. I, 1. als wesentlich hervor- 
hebt, unter den Griechen die Meinupg sich bildete, dass Diony- 
sus und Heralcles, die, wenn sie auch nicht für Cabiren gelten, 
doch als Muster sittlicher Vervollkommnung und männlicher Tu- 
gend eine nahe Beziehung auf dieae hatten, zur glücklichen Be- 
endigung des Kampfes mit den Titanen sehr viel beitrugen. Freilich 
konnte der Verf. nach der Voraussetzung, dass das religiöse Be- 
wusstsein, das bei dep Völkern, denen eine unmittelbare höhere 
Offenbarung nicht zu Th^ wurde, rein innerlich, ohne alle 



Dorfmüller: De Graedae primordiia. 97 

anderseitigen Einwirkangen ^ nus der selbstthatigen, auf das Br- 
kennen des Unendlichen oder Göttlichen gerichteten^ Kraft des 
menschlichen Geistes in stufenweisem Gange sich erzeugt, als die 
Grundbedingung alles Empfindefis, Denkens und Handelns auch 
bei den Griechen jeder neuen Einsicht und jeder voiksthumlichea 
Einrichtung entstehen , Gepräge und Bestand gegeben habe ^ avi 
Bo etwas nicht eingehen, und er begnügt sich, bios die wichtig- 
sten historischen Momente, die sich ihm darnach ergaben, darzu- 
stellen. Obgleich diese Idee im Hintergrunde aller seiner Unter- 
suchungen steht, so nahm doch Referent bisher absichtlich davon 
Umgang, weil er glaubte, dass es sich hauptsächlich hier bei der 
Behandlung der Cabiren entscheiden müsse , ob jenes Princip auf 
den Ursprung und die Fortbildung des äussern Religionscultus und 
der bürgerlichen und politischen Entwickelung eines Volkes, be- 
sonders des griechischen , so unbedingt anwendbar sei oder nicht. 
Referent möchte es sehr bezweifeln, wenn man, auch von An- 
derm abgesehen , auf die Mythen von den Cabiren und den Sfnn, 
der diesen zu Grunde liegt, gehörige Rücksicht nimmt. Aber 
gleichwohl muss man es dem Verf. zugestehen, dass er durch 
seine Theorie von den Cabiren «u dem Yerständniss des griechi- 
schen Lebens in dieser Periode sehr viel beigetragen und über^ 
haupt zur Aufhellung der bisherigen Dunkelheiten in derselben 
die Bahn gebrochen hat. Daher glaubt Referent, dass es die 
Wichtigkeit der Sache erfordere, ihm in seinen weitern Betrach- 
tungen zu folgen , und mit Umgehung dessen , was bereits sc1)ob 
erwähnt wurde, das Wesentlichste von jenen hervorzuheben. 
Vor Allem wird von dem Verf. sehr richtig der Anfang der Ent- 
stehung der Cabiren nicht in die Zeit gesetzt, in welcher das Hel- 
lenenthum schon äussere Fbrm und einen bestimmten Charakter er- 
langt hatte, sondern es wird derselbe lange vorher da gesucht, 
wo in den Gemüthern der Pelasger die ersten Keime dazu gelegt 
waren. Eben so wird mit Recht gegen neuere Meinungen die An- 
sicht geltend gemacht, dass der Dienst dieser mystischen Wesen 
nicht vorher ein öffentlicher war, aber später durch feindliche 
Elemente o^er durch andere herrschend werdende religiöse Be- 
griffe gezwungen wurde, sich in das Verborgene zurückzuziehen, 
sondern dass er gleich bei seinem Beginne nach seiner Innern Be- 
schaffenheit verborgen und geheitnnissvoU sein mosste. Deshalb 
kann man ihn auch nicht als einen Nachlass des altpelasgischen 
Glaubens, der durch die neuverbreitete bessere Erkenntniss der 
göttlichen Dinge verdrängt wurde, betrachten, im Gegentheii hat 
er, jenem entgegengesetzt und widerstrebend, dieser das Dasein 
gegeben, und ihr Eingang unter den Griechen verschafft. Um 
dieses mehr ins Licht zu stellen, wird mit Anführung bestätigen* 
der Zeugnisse darauf aufmerksam gemacht, dass schon die Potnler 
bei Theben, die selbst Cabiräer heissen, sehr frühe den Cabiren- 
dlenst kannten, und dass, als derselly nach der Erobeff%ik%'^D^^- 

iY. Jahrb. f. PhU. u. Päd. od. Krit. BibU Bd. L. Hfl, \. 1 



08 Mythologie. 

bens dareb di^ Epigonen eine Zeit lang unterbroeben war, er durcb 
die Pelatge, welche ßine Tochter des Potneus war, bei ihnea 
wieder bergeateUt wurde, was ihr Von dem Orakel su Delphi zum 
groaaen Yerdienate angerechnet worden sei. Darnach wird ge* 
neigt, daas die Mysterien in Samothracien, die selbst sehr alt 
waren, in einem engen Zusammenhange mit dem Cabirendiettste 
standen; als Stifter dieser Mysterien werde Saon, der ein Sohn 
des Merkurs und der Rhena gewesen sein soll, genannt, und nach 
einer Stelle im Paus« IX, 40. werde eben demselben auch die 
Gründung' des Orakels des Trophonius zu Lebadea, für dessen 
hohes Alter Plut. d. gen. Socr. c XXII. aeugt, zugeschrieben, 
woraus man schliessen könne, dass dieses Orakel ebenfalls eine Be- 
siehung zu den Cabiren hatte. Eine innere Verwandtschaft mit 
ÜMn Cabiren findet der Verf. auch bei den grossen Göttinnen und 
•r beruft sich deshalb auf das Zeugniss des Paus. 111,38, 3., der 
berichtet, dass in einem Tempel bei Acacesium, einer Stadt In 
Arcadien, die Bildnisse der Ceres und der Despoina sich befanden, 
an deren Gestelle Cabiren eingegraben waren. Daher war auch 
Qiit dei: Verbreitung des Dienstes dieser Göttinnen in Griechen- 
land die Verbreitung des Cabirendienstes verbunden. Von jener 
wurd dann als Beispiel angeführt , dass der Messene, der Gemah- 
lin des Polycaon, der ein Sohn des Leleic, des Königs Yon Lace- 
dlmon, war und zuerst über Messene herrschte, Caucon, ^ 
Athener, des Celaenus Sohn, den Paus. IV, 4, 4. einen Erdge- 
borenen nennt, von Eleusis kommend die Weihen der grossen 
Göttinnen mittheilte« Diese waren jedoch Anfangs einfach und 
unausgebildet, und erhielten zuerst durch Lykus, den Sohn des 
Pandion und Bruder des Aegeus, dann später durch Methapus, 
ebenfalls einen Athener, eine bessere und ehrwürdige Einrichtung. 
JDIes führt den Verf. zu der Bestimmung des Unterschiedes zwi- 
schen den älteren und neueren Mysterien, und diesen findet er in 
dem doppelten Verhältnisse der Ceres zu dem Neptun und zum 
Jupiter. Die ersteren haben ihren Mittelpunkt in dem bedeutsa- 
men Namen Despoina (Herrin)« der vorzüglich in Arcadien ver- 
breitet oder nach Paus. VIII, 37^ 6. nur den Eingeweihten bekannt 
war; die anderen in dem der Fersephone. Zuletzt noch werden 
die fremden aus Aegypten and Pbönicien gekommenen Cabiren 
zur Sprache gebracht, wobei sich der Verf. dahin erklärt, das« 
diese, auf griechischen Boden verpflanzt, schnell mit dem übrigen 
Coltus verschmolzen, theils weil sie. aus ähnlichen Anfängen dea 
religiösen Bewusstseins hervorgegangen waren , theils weil der 
griechische Geist dieselben so in sich auCaahm und seiner Denk« 
weise aopasste, dass sie als sein eigenes Erzeugniss erschienen, 
wenn man gleich nicht in Abrede stellen kann y dass sie auf die 
SAreiterung und Ausbildung der Begriffe von den grlechÜMhen 
Cabiren, denen sie jedoch an gediegener und veredelnder Ktaft 
selhist «teht gleichkamen^ eigigea BiflAasa ausacvten« Nnth dieacn 



Dorfmüller : De Graedae primordiis. OD 

bocbst iDteressanten Mittheilungen wird dann In Erw2gun; geso^ 
fen, welche Rückwirkung die gewonnenen religiösen Amichtea 
auf die civilen und politischen VerhältniMe der Griechen hatten^ 
und darüber Folgendes bemerkt 2 80 lange die neuen hellenischen 
Götter nach ihrem Wesen und nach ihrem individuellen Charakter 
in der Vorstellung der Pelasger noch nicht bestimmt und klar er« 
kannt wurden , konnte auch das äussere Leben noch keine feste 
Gestaltung gewinnen und sich nicht nach beaondern Gigenthlim- 
lichkeiten kund geben und abgrensen; eine Verbindung zu gröfi- 
seren Vereinen oder Völkerschaften blieb daher der nächsten Pe« , 
riode vorbehalten. Gleichwohl haben die Achäer, bei denei 
Buerst die Herrschaft des Jupiters angenommen und anerkannt 
wurde, sich schon enger unter einander verbunden, und sind, als 
ein Ganzes hervortretend ^ unter einem Oberhaupte, dem Achäus, 
aus dem Peloponnes nach Thessalien gewandert. Auch könnte 
man dieses iq dieser Periode noch von den Leiegern, Carern, Cau- 
conern, Cureten und Thraciern glauben. Die grosse Verände- 
rung, weiche In den Gemüthern der Pelasger vorgegangen war, 
konnte, als sie sich deren bewusst wurden, Anfangs nicht ohne 
eigenes Befremden, innere Entzweiungen und heftigen Kampf 
bleiben , und dieses beschreibt He^iod in seinem silbernen Zeit- 
alter. Referent, der bei diesem Zeiträume, da er, wie oben be- 
merkt wurde, die Grundlage für die beiden ilbrigen und gleich- 
sam die Quelle ist, aus der das ganze hellenische Leben in allen 
seinen bedeutungsvollen Erscheinungen geflossen ist, mit Fleisa 
etwas länger verweilte , wird sich in dem Folgenden desto kürzer 
fassen, zumal da der Werth dieses Werkes, wenn man auch über 
einzelne Ansichten und über den allgemeinen Gesichtspunkt mit 
dem Verf. sich nicht vereinigen kann, nach der bisherigen Anzeige 
des Inhaltes schon entschieden sein dürfte. 

Die 3. und 4. Periode werden von dem Verf., weil sie det 
Sache nach in sich zusammenhängen, mit einander verbunden, 
und sie umfassen die Zeit von Dencalion und Danans bis zum Ende 
des trojanischen Krieges. Die Hauptmomente sind ohngeföhr fol^ 
gende. Die hellenischen Götter gelangen endlich zur vollständig 
gen Entwickelung, müssen sich aber durch Besiegung der Titanen, 
dann der Giganten und zuletzt des Typhon die Weltherrschaft 
erwerben, wozu vorzüglich Dionysus und Herakles thätig mit- 
wirkten. Oberhaupt ist Jupiter und er vereinigte in sich die 
höchste Macht im Himmel, in der Unterwelt und im Heere, wid 
dieses ein altes Bild von ihm auf der Burg von Larisda mit di'ei 
Augen bezeugte. Er hiess auch Jupiter Saotes, weil auf seinen 
Auftrag Apollo den Drachen za Delphi tödtete nnd damit dem 
vorher üblichen Knabenopfer ein Ende machte. > Neptun , der vor 
ihm vielvermögend war , konnte sich nie zu gleiehem Ansehen er- 
heben. Die Veränderung in dem religiösen Bewusstsein der Grle- 
ciien kaite 0faw Töllige Ufflg«eiaUutt| ihror Sui«eM Le!i«n«^W- 

1^ 



100 Mythologie. 

hiltnisse zur Fol^e; doch wurde diese durch ^ar keine der sonst 
gewöhnlichen Ursachei) bewirkt, sondern ging lediglich aus einem 
innern geistigen Processe hervor. Gleichwohl blieben viele von 
den PeUsgern ihrem alten Glaubc^n getreu und suchten, nachdem 
das Hellenenthnm in Griechenland allgemein herrschend wurde, 
sich andere Wohnplätze, was in Folge der frühern nustäten Le- 
bensweise von ihnen in der Art geschah, dass sie auf Meeren, 
Küsten und in fremden Ländern umherirrten. Daher stammen die 
tyrrhenischen Peiasger und darauf bezieht sich auch die Fabei von 
tyrrhenischen Seeräubern, die den Dionysus, der in der helleni- 
schen Religion und im hellenischen Leben den mächtigsten Ein- 
fluss übte, gefangen mit sich fortführten. Der eigentliche An- 
fang und der Mittelpunkt d^s ganzen merkwürdigen Umschwungs 
ist dahin zu versetzen^ wo Proserpiua von dem Pluto geraubt wird. 
Denn Ceres , in der ersten Zeit zwar betrübt und zürnend , ver- 
söhnt sich darauf mit den neuern Göttern, und Proserpioa verbleibt 
in der Unterwelt. Nun also wurden die Peiasger Hellenen , nun 
besteilten sie den Acker, bauten Städte und traten in grössere 
politische Vereine zusammen« Doch musste, um den nunmehrigen 
Stand der Dinge mehr zu befestigen, Dionysus, als die dritte^ alles 
Seiende belebende und veredelnde Gottheit den grössern Göttin- 
nen sich beigesellen und im Bunde mit ihnen wirken. Zuletzt 
wird der Uebergang in die 3. Periode durch die Deucaiionische 
Fluth bezeichnet, wie der in die 2. vorher durch die ogygische 
kenntlich gemacht worden war; denn nach dieser opfert Deuca- 
llon zuerst dem Jupiter. 

Das 4. Zeitalter unterscheidet sich von dem 3. nur dadurch, 
dass das, was in jenem ins Leben getreten war, in diesem weiter 
fortgebildet und vollendet wurde. Ceres und Dionysus sind auch 
hier die Gottheiten, an deren Persönlichkeiten und Eigenschaften 
wie an Anfang- und Endpunkten hellenische Denkweise und hel- 
lenische Lebensausserung geknüpft ist. Wie beides in Hellas und 
Thessalien durch Deucalion eingeführt wurde, so erhält es im 
Peloponnes allgemeinere Aufnahme und Verbreitung durch Da- 
naus. Dieser soll aus Aegypten eingewandert sein, und dieses 
giebt dann dem Verfasser Veranlassung, die Sagen vom Danaus, 
von dessen Töchtern und den Söhnen des Aegyptus zu besprechen, 
was er in der Art thut> dass er auch hierbei das griechische Bli- 
dungselement wiederfindet, das alles Fremdartige entweder von 
sich ausscheidet, oder so sich aneignet, dass es völlig in sein We- 
sen übergeht. Darauf wird von der allmäligen Einführung des 
Hellenentbums in den übrigen griechischen Ländern gehandelt. 
Wo der Geresdienst angetroffen wird, da hat jenes Wurzel gefasst 
und' die alten pelasgischen Regentenhäuser wechseln mit neuen 
hellenischen. Darauf wird die Benennung der Hellenen mit Um- 
gehung von andern Etymologien voo den Seilen oder Hellen , den 
Vorstehern des Dodonäiseheii Heiligthums, abgeleitet. Den Ein- 



Dorfmüller: DeiGraeciae primordiis. 101 

fluss, welchen die Geres auf die Umwandelung des Pelasgerthiims 
hatte ^ haben die Griechen selbst gehörig gewürdigt ; deshalb halte 
sie als Schutzgöttin in dem Amphictyonenbund den Vorsitz C^fc- 
ifiKtvovlg* Herod« YII, 200.) und gleiche Ehre wurde ihr in den 
Ycrsammlungen der Achäer, welche za Aegium gehalten wurden, 
zu Theil (Ceres Panachaia. Paus. VII, 24.). Eine treffliche Zu- 
gabe zu diesen Betrachtungen sind die bei Erwähnung der neuen 
Herrscherfamilien unten beigefugten Genealogien. 

Es Hesse sich zwar auch in diesen beiden letzten Perioden 
bei einzelnen Meinungen und Aussprüchen des Verfassers Man* 
ches dagegen erinnern, i B. wenn die Ceres, wie es wenigstens 
scheint, nichts Tom pelasgischen Ursprung haben und eine reine 
hellenische Gottheit sein soll, wogegen selbst schon das, was der 
Verf. mit Rücksicht auf die Mythe von ihr sagt, nämlich dass sie 
sich nach dem Raube der Proserpina zürnend in einer Höhle des 
Berges Eläus verborgen gehalten habe, darnach aber, als sie da- 
selbst Pan entdeckte und Jupiter , davon benachrichtigt , die Par- 
zen zur Vermittelung an sie geschickt hatte, sich besänftigen liess 
und der neuen Ordnung der göttlichen Dinge ihren Bieifall 
schenkte, zeugen durfte; oder wenn von dem Cultus der Ceres 
und der Proserpiua und des später mit ihnen vereinigten Dionysua 
mehrmals versichert wird , dass diesem allein die Entstehung des 
neuen Göttersystems und des ganzen Hellenenthums zuzuschrei- 
ben sei, wobei andere mitwirkende Ursachen völlig unbeachtet 
gelassen wurden, u. dgl. m.; allein es verlieren sich solche und 
ähnliche etwas einseitige Anpassungen und Urtheile unter dem 
vielen andern Trefflichen, das diese Perioden enthalten, und konn- 
ten daher um so eher übergangen werden, da ohnedies die An- 
zeige und Besprechung des Inhaltes dieser Schrift das gehörige 
Maass überschritten hat. Referent schliesst also mit der Bemer- 
kung, dass dieses Werk in mehrfacher Hinsicht als eine Bereiche- 
rung der bisherigen mythologischen Ansichten und Kenntnisse an- 
zusehen sei, das dadurch noch einen besondern Werth erhält, dass 
durchgehends in demselben das religiöse Bewusstsein der Grie- 
chen nach seinem Innern Zusammenhange mit den äussern volks'- 
thümlichen Einrichtungen und Lebensverhaltnissen dargestellt Ist, 
und dass demnach dieses Werk einer noch günstigeren Aufnahme 
sich erfreuen dürfte, wenn es dem gelehrten Verfasser gefallen 
hätte , ^urch ein offenes Dariegien und wissenschaftliches Begrün- 
den des Princlps , das ihn in seinen Untersuchungen leitete , und 
durch Angabe und Festisetzung allgemeiner Gesichtspunkte,' von 
denen aus man die einzelnen Facta und Erscheinungen in der mit 
^ deir Zeit fortschreitenden Entwickeiung des Elementes der grie- 
chischen Volksbildung zu betrachten habe, in das Ganze mehr 
schulgerechte Form, Licht und überzeugende Kraft zu bringen. 

Heinr. Schmidt 



108 Akerthunukuade. 



Ueier die Kunatgärtnerei ¥ei d^n alten Romern* 
Vortrag in s^el Siupngeii den Tburinger GmrteBbaa^Vereim eu 
Gotha um October ntod Nbveitiber 1815. Gehalten ron Profewror Dr. 
E. F. WüHimanm. 18^. 32 Sk 8. 

r Aufi der anmttthlfeii) mit allen Reizen der Natur and Kunst 
geschmückten Stadt Gotha ht uns vor dniger Zeit der vorltegende 
Vott^g des Hrn. Wüsteaann zu|;ekommen, dessen Inhalt ganz 
der Meitern Umg^ehung entspricht, welche die Ursache tv sdner 
Ahfa^süng gewes^en ist. Wir erhalten nämlich in dieser kleinen 
Sehrift eine fleissige, wohlgeschriebene Zusammenstellung, der 
Stellen röihtscher Schriftsteller über die Kunstgfirtnerei und be- 
iraehten sie zugleich als eine« willkommienen Beitrag zur richtigen 
Charakteristik der Römer und ilirer Vorliebe für den Feld- und 
Gartelibau , die bei vielen noch immer hinter die gew'ötinlich an- 
genommene Vorliebe dieses Volks för kriegerische Reschäftigungen 
in den Schatten tritt. Aber der Landbau war der wahre Beruf 
der Nation, wie Niebuhi; wiederholt in der Römischen Geschichte 
I. 652., in den Briefen aus Rom (Lebensnachricht. II. 245.) und 
In den von Lieber herausgegebenen Erinnerungen an Niebuhr 
(S. 126.) ausgesprochen hat. Aus Hrn. Wöstemann^s Schrift er- 
sehen wir nun , dass die Römer in frühem Zeiten keineswegs auf 
kunstnmssige, schöne Gartenanlagen bedacht gewesen sind und 
dass lange Zeit man in den Gärten nur Bewegung Im Freien, 
Schatten und schöne Aussichten gesucht habe. Erst unter den 
Kaisern bis auf Domitianus war die blühende Zeit der Gartencukur, 
deren sehr anschauliches Bild Hr. Wiistemann uns aus den Briefen 
des Jüngern Plinius vorgelegt hat, das vielleicht noch durch einige 
IHchto^telkn, z. B. ans dem dritten Gedichte im ersteh Boche 
der Sllven deä Martins weiter ausgemalt werden konnte. Wie sehr 
BUB euch Natur Bnd Kvinst a!ur Verschönerung der A«lagchi b»-* 
inigen, so hatten sie doch ihre Schal;ten«eitea , die nanwiMidi 
ia^hier gewissea Steifheit beistandeh. ^Wenn wir uns, wigt d«r 
Vek'f. auf S« 16., ^ki richtiges Bild zu sdiaffen vermögen^ so seh«« 
^teti wir eine nnang^ehme Mischung von französischem ükid eng« 
Bachern Geschmäek wahr. Schnurgeri^ie Wiage «nd ihit Budk»* 
bailtB ^gefas^e Rabatte wechseln mit ft^ierdr Nachahmung der 
Natitr diirch Wf^senplätze und Waldpin-tliien ab'^ Ferner gehört 
ta diesen M&ngeln die geschmacklose Biesobneidung der Bäume zB 
abenteiierlioheii Figuren («ra ^^piaria ) nnd die g^riog^ Man-« 
nigfaltigkeit der gepflegten Banm- und Stemocharten. Denn als 
Zkrde der Gärten wur^ (S. 20.) vorzugsweise angesehen: die 
Gypresse, der Taxus , dto Buoh^banm , die Myrihe, der Lorbeer, 
der Oleander, der Maulbeerboutn, die Tanne, die Fichte, die 
Pinie, die Uhne, die Buche, die Pappel, die Eiche und vor allen 
die Platane oder der morgenlSndische Ahorn , Obstbaume werden 



Sciiolw und UmTenilittiitchnchten «tc. ißB 

nur stUener 9ia SchmuclE der Garten erwllmi, der Wein wurde 
nicht blo8 des Niitaens we^en' angepflanzt, sondern man braudite 
ilin auch zu Lauben, Laubgängen nnd zur Bedeckung der Mauer«. 
Ebenso war die Blumenaudit, die weniger in den stillen als in den 
der Stadt nahe Itiegenden Gärten getrieben wurde , im Yergj^eich 
zu der grossen Mannigfaltigkeit an Blumen in unsern Gärten gje* 
ring, obscbon der Verbrauch an Blumen in Rom sehr gross war 
und der Biumenhandel mit den aussereuropäischen Provinzen sich 
zu einem wichtigen Handelszweige erhoben hatte (S» 22 — 26.). 
Die Treib - und Glashäuser der Römer zeigten noch eine unvoll- 
kommene Einrichtung , dagegen übertrafen sie uns wieder durch 
die ausgesuchte Verschwendung, mit welcher sie auf den Dächern 
der Häuser die schwebenden Gärten oder solaria aufzuführen 
pflegten. Die Beschreibung dieses feenartigen Aufenthalts (S. 
28 — 30.) macht den Schluss der Abhandlung. Wenn hier bemerkt 
ist , dass schein aus gesetzlichen Bestimmungen herzorgeht , wie 
häufig sich die solaria auf den Dächern römischer Häuser vorfan- 
den, so konnte Hr. Wiistemann noch auf ein Programm Eichstadt'a 
Specüegium observatt. in nonnuU. Digest tiiul. (Jena 1815.) p.9* 
verweisen. ^ 

Die hierher bezüglichen Stellen der römischen Classiker, so- 
wie die sonstige , nicht gerade zu reiche Literatur über die römi^ 
sehe Gärtnerei, ist in den Anmerkungen mit Fleiss und Genauig- 
keit beigebracht worden. In der Erklärung öfters vorkommender 
Ausdrücke , wie hortua^ vülicus^ xystus^ aquarius wird die philo- 
logische Sorgfalt nicht vermisst. Und so glauben wir über diese 
anziehende Abhandlung hinlänglich gesprochen zu haben, um die 
Aufmerksamkeit derer, welche mit ihr noch unbekannt sind, auf 
sie hmzulenken. K. Q. Jacob. 



Schul- und Umyersitatsnachrichten^ Befärdeiruiigen 
und Ehrenbezeigungen. 



Altenburg. Das dasige Friedriebs-Gymnasiam war a ach .der zu 
Ostern 1846 und 1847 von dem Director Dr. Heinr, Ed. Foss heraasgega- 
benen neununddreissigsten und vierzigsten Nachricht über 
dasselbe [20 and 20 S. 4.] zu denselben Zeitabschnitten in seinen 5 Clas- 
sen von 177 und 193 Schülern besucht and «ntUess ia den beiden Schal- 
jabren 20 und 14 Selectaner zur Universität, vgl. NJbb. 47. 8. 459. Zu 
Ostern 1845 war der Lehrer der franzos. Sprache Prof. Hempel in den 
Ruhestand versetzt worden , und der zu seinem I>{achfoIger ernannte Dr. 
KoU^r übernahm nicht nnr den Unterricht in der franzQsiscben Sp^m^^» 



104 Schoi- md UnhrwnititaaaiAridilM, 

floaden aadi den ür die Selecta ne« eJogeChrtcn Unterridit ia der eag. 
lifcken Sprache, welcher seit dem Soauner 1845 ia 2 wodieatlichea Lidir- 
staadea for die fireiwillig daraa tbeilaehiaeBdea Schaler ertheilt wird. 
I>er Lehrplaa naifasst daher gegeawirtig folgeade Uaterrichtsgegeastäade: 





ia I. 


II. 


IIL 


lY. 


V. 


Lateia 


9, 


9. 


9, 


8, 


8 woch. Stnndea 


Griediisdi 


6, 


6, 


6, 


5, 


5 


Hebrais«^ 


2, 


2, 


■""» 


"""> 


— 


Deatech 


% 


5, 


3» 


2, 


3 


Französisch 


2. 


3, 


2, 


2. 


l 


Englisch 


% 


> 


» 


9 


— 


Religion 


i 


l 


1 


k 


4 • 

2 


Natarbeschreibang 


> 


9 


> 


% 


2 


Physik 


% 


% 


2, 


» 


— 


Geographie 
Geschichte 


~i 


i: 


i: 


l 


2 


Zeichnea 


% 


2, 


2, 


1, 


l 


Schreibea 


» 


> 


1, 


2, 


2 



Daneben wird auch noch Unterricht in der Masik ertheiit, sowie in der 
I. (Seiecta) ia je 1 wöchentlichen Stande alte Literatnr and praktische 
Logik gelehrt. Der Geschichtsanterricht , welcher in IV. mit einer 
Uebersicht der weltgeschichtlichen Haaptbegebenheiten begiaat, ia III. 
nad IL die alte and in I. die mittle and neue Geschichte betri£ft, ist seit 
1845 dahin umgestaltet, dass TOn dem for III. and II. bestehenden swei- 
jährigea Carsas der alten Geschichte in jedem 2. Jahre ein halbes Jahr 
weggenommen and aaf den Vortrag der sächsischen Geschichte verwendet 
wird« Das im NoTember 1846 zum Stiftungsfeste der Schule erschien 
nene Jahresprogramm enthält eine Dusert. de vodbus nonrmUk Homerieh 
Ton dem Professor Dr. Joh. Heinr, Apetz [11 S. 4.], worin einige schwie- 
rige Worter bei Homer durch Vergleichnng mit dem semitischen Sprach- 
stamme erläutert werden. Die früher angenommene Stammverwandt- 
Schaft des Griechischen mit dem Semitischen ist zwar verworfen, weil 
das erstere offenbar zum indogermanischen Sprachstamme gebore |^ allein 
die mit Umsicht angestellte Vergleichnng des Griechischen mit dem Se- 
mitischen gewähre dennoch nicht blos für die Entwickelung der Buch- 
staben nnd Laatverhältnisse , namentlich für die verschiedene Ansbildang 
der Hauche (Spiritus), interessante Aufschlüsse , sondern diene " anch in 
dreifacher Hinsicht zur Aufklärung dunkler Wortbegriffe. „Primum eins 
ope voces semiticis gentibus propriae dignoscuntur, quae mutua inter 
Graecos et Semitas sive commercii sive belli communicatione in graecum 
sermonem translatae sunt , veluti dmvaKijg , ßvcaog , eivdoav , xa'yyjj et 
alia multa. Tum verbis quibusdam , quorum sententia ex orationis con- 
teztu et consuetudine non • satis perspicua est , saepius ex semiticis dia- 
lectis lux affulget, qua tam egregie illustrantur, ut amplius de eorum 
sensu dubitari nequeat. Denique verba in graeco sermone reperiuntur, 
qnae etsi di versa admodum significant , tamen inter se cobaerere et ad 
notionem aliquam omnibus communem attinere videntur. Interdum sen- 
tentia eorum clara est atque perspicua , ut utrum ad notionem illam re- 
nec ne, non adeo multom intersit. At sont alia magis obsco^ 



Beförderang^n und Ehrenbeceigimgeii. 105 

et dobia, qaae nisl notione aliqna inventa, in ciiias partem singnla qoaeqne 
reniant, Incertiora manent et dnbitationem relinqonnt. Qnae quo ra- 
riora sunt et a valgari sermonis asa magis aliena, ita maxime de üs du« 
bitatio exoriri solet. Interdnm tarnen adhibito sermonis semitici anxilio 
notionem aliqnam omnibas commanem reperiemns, qna inventa et dobita- 
tionem remotam et qoae incerta fuernnt, certiora facta videbimns.'^ kls 
Beleg für den zweiten Vergleichungsfaii ist das Wort totffdtegov bei Homer. 
II. 9. 201. gebratkcht, für dessen von den GraromaUkern nicht erkannte 
Bedeutung [s. Eustath. p. 746. 40.] zwar von Eustathias aas durch die 
Stelle des Empedokies , uttpa 81 ^ijra tpvovto tä nglv fui^ov d^diw^ 
slvai, imgd xb xd nqXv &Hqrjxa Aufklärung gesucht worden sei, welches aber 
erst durch die semitische Wurzel inv , d. i. purum , mundum esse , die 
auf das hebräische *^7\^ (iux, splendor) und C3n^2C (duplex lux, me> 
ridies) und das arabische dsahara (ardore laesit) zurückweise , die Auf- 
klärung erhalte , dass ^mgov ebenso wie *yT]^ etwas Reines und Klares, 
also Ungemischtes bezeichnet haben möge. Pur die Erläuterung des 
dritten Falles sind die Worter atd'oip , voigorp , Hivorff benutzt , welche in 
ihrer Endung die Bedeutung — blickend oder — farbig haben und 
also auf den Stamm 077(in orpsa^ai, m^, hliHrnnss, ßXoavQeSmg, yletv- 
luSnig, ivmn'q f nsqKonrjy oncomf ^ ngoemnov^ fiixatnopf ivoSnicc^ ilgtSnoif 
ivamidiwg) hinweisen, ab^r weil m^ bei Homer überall die Stimme und 
ivamii das Geschrei [ofupi], vox dwmd} bezeichne, mit dem Wort- , 
stamme *En (in l^rog , duccQxoenijg, dntosm^g, vijniog) verwandt sein mS- 
gen. Deswegen bringt sie der Verf. mit dem Hebräischen *|M und dem 
Arabischen ^nf (die Nase) in Verbindung, weil die Nase als Bezeich- 
nung eines Theils des Gesichtes zuvorderst zur Bezeichnung des ganzen 
Gesichts habe gebraucht und dann auch leicht auf die Bezeichnung der 
Augen und des Mundes, des Sehens und Sprechens überge- 
tragen werden können. Nun soll cttd'io^ (brandfarbig) mit *i1M, demPeuer- 
brande, väqiy^ mitlU, Peuer, ^vo'^ mit I^M u. *)*»m, Feuer, Licht, 
rerwandt sein, und das in ^^df^ eingetretenem statt des q durch Bezugnahme 
auf das Lateinische oenetis und aereus gerechtfertigt werden. [J«] 

Bavtz£N. Das dasige Gymnasium war zu Ostern 1847 in seinen 
6 Classen von 127 Schülern besucht , und entliess zu Michaelis 1846 und 
Ostern 1847 12 Schüler [1 mit dem ersten, 9 mit dem zweiten, und 2 mit 
dem dritten Zeugniss der keife] zur Universität. Vgl. NJbb. 44. S. 4dO. 
Durch einen besondern Redeactus war am 14. Dec. 1846 das Sacularfest 
der vor zweihundert Jahren stattgehabten Einweihung des gegenwärtigen 
Schulgebaudes gefeiert und dazu durch folgende kleine Schrift eingeladen 
worden : Kurze Nachricht iHber die Begründung des Budissiner Gj/rnnth- 
siuma, dessen Einäscherung im Jahre 1639 und Wiederherstellung im J* 
1646. Eine Einladungssehr^ asu dem den 14. Dee. 1846 tti der Schuie 
zu veranstaltenden Redeaetus von Dr. Friedr, Adolph Klien , als Vorstand 
der Gymnasialcommission. Die zu dieser Feier von dem Rector M. fWeiir. 
Wüh. Hqffmann gehaltene lateinische Festrede , qua exponitur , quid istmd 
sk, quod vulgo postulatur^ gpnnasiarum institutionem ad temparüm rsh- 
fnmes aocominodare, ist statt der wissenschaftlichen Abhandlung ia 



tot MiiiU «ad UmterskatMuikdinciiUft, 

di66{ihHg«n OsterprograaiiB, Jd memoriam D, Qre^. Matttigü de g§mna* 
UQBudissm» immortdliUir meriU^ anmvereariu tfolennüaU räe 4>eUbrandamj 
[Badifisae ex offic Monsiana. 20 S. i|. Schuinachricbten 12 S. 4.] gedruckt 
erschienen, oad bebandelt die wahrhaft steitgemässe Frage , in v?eleher 
Hansicbt nnd Beuehong die Gymnasien der Gegen^vart nach den Ford«- 
rangen der Zeit eine Uing€uitaltiing und Veränderung ihrer Lehr- und Er- 
ziabttogsaufgabe erleiden sollen, in sehr klarer und bündiger und darum 
heachtenswerther Weise , weil die Erörterung von den harschenden An- 
sprüchen der grossen Masse unserer Gymnasial -Reformatoren anhabt, 
denselben die Feststellung des wahren Zieles der Gymnasien geg^nuber- 
satat jond daraus die nothweadigen und echten Forderungen der gegen* 
würtigen Gyssnasialreform ableitet. Naturlich ist die allseitige Erorte- 
rns^ dieser Frage lar ^e Festrede zu weitscbichtig gewesen , und dec 
Verf. hat sich »eist nur in kurzen Andeutungen des Hauptsächlichen 
halten , sowie ub&r mehrere Hauptfragen , auf deren Entwickaluog das 
•igentliohe Wesen d«r Sache beruht , nur die wichtigsten Momente und 
wesentlichsten Forderungen darlegen können; aMein die besondere G«* 
schickliahlseity w^mit er .gerade die Hauptirrthumer jener Angriffe be- 
stritten und aus dem Zwecke der Gymnasien die Bedinguageii ihrer 
Umwatidelang entwickelt bat, giebt dem Ganzen eioe Festigkeit and 
Sicherheit des Beweises , dass sie zu den gei/angensten Rechtfertigungen 
naseroT gelehrten Schulen gebort. Die Grundlage seiner Rechtfertigung 
hat der R;eduer auf folgend« Darlegung des Wesens und Zwedces der 
Gymnasien gebaut: Gymnasüim «st iß iudus, cuius institatio at dtsciplina 
ad 4a praoparare debet studia, quae in summe illo ludo tractantur, qaem 
nniversitatam appellare coasuevimus. . Haec autem omnium ahiorum stu- 
diorum unit«rsitas aon solum sfimmns y ut manifestum ac modo dictum est, 
verum etiam talis ast kidna , qualem non qailibet adolescentes , sed ii tan- 
tom adire possuii^» ^^^ disvnplina, qua pueri indigent, non amplius ageo- 
ies , eam mentis et aaimi maturitatem adepti sunt , ut, etsi praeaeptore 
doca tttantar, tsmen ipsi soae mentis yi et impulsu ac proprio Marte al- 
tioris doctrinae «tudiis «pnram navare possint. Inde autem IficUe vel 
potiiis 4p!oiVti6«IPPAret , gymnasia tum fore recte instituta, quum omaes illos 
^.4fBMSpa\k suisi, qui disoere et poternnt et oupient, ad illam altiora studi« 
tttctandi maiuritatem perducent. Haeo ipsa autem maturitas si|>erse sp^- 
datvr., 'Aeque in reram , quas quis didicit , genere , neque in multitudiaa 
cM«fli, eed paene tota in iusta disoendi exercitatione , diligentia, indostrin 
aat posita; et quod Cicero de futuro oratore postulat, ut ingenium^ios 
flübigatur, Ingenium comparans agro, non semel arando, sed novando ei 
itevaada , quo melieres fetus possit et grandiores edere ; id totnm etiaqi 
at instittttioaem adolescentium nostrorum pertinet, qni ad academica sto- 
41a ae .sunt applicatari. Non rernm igitar eogaitio , ac mnlto minus mvA- 
titiido earum rerum est spactaada; is est maturos acadesBOcis studüs tra- 
cteadis, cuius sabactum est ingenium, qui didicit discere, et disoendi 
$mate imbutos «st; omaiumqn« optime illnd gynaasium «st instttutip^, 
cakis discipuli qw. foemnt plwriaara ad alUora studia «ffermt dis<}endi 
•■pftditet««, aedttlitatam «t loltflian. Aus diMor FesiiteUimg d«r Gjria- 



Befövtemgen and Efaraibttvri^wifta« 107 

naiialaufigabe Yfird die Folgerung abgeleitet, dm das blese StofSlernen 
und Stojfferkennen in diesen Schulen nicht Zweck sein kann , und daas da- 
her die Scholmanner nicht recht haben , welche das Lateinische und Grie^ 
chische nur für den Zweck der poaitiven Kenntniss und des praktischaa 
Gebrauchs dieser Sprachen lehren wollen , noch weniger aber die Nütz- 
lichkeitsmanner, welche aiJerlei fSrs praktische Leben nSuliches Lehr- 
material als* Lehrsteff vorschJagen. Für die allseitige Ausbildung des 
Geistes^ sollen Mathematik und Sprachstudien die ^weckoässigsten Lehr- 
mitiel sein, and der Werth der Mathematik wird durch die [freilich nur 
uiiteK grossen Einschränknngen wahre] Behauptung bekräftigt, dasa es der 
erfolgreichste Lehrstoff fBr die Herbeifährung eines folgerichtigen ond 
scharfen Denkens sei. Der Bildungswerth der Sprachstudien wird da* 
ram für einen allseitigen erkannt , weil die Sprachen als das «nnittelbarat# 
Produkt der geistigen Kräfte der Menschheit , d. b. nicht des Individaums, 
Sendern allemal eines ganzen Volkes , auch am anmittelbarsten auf die* 
Weckung und fintwickeinng dieser Kräfte wirken müssen. Wie für diesen 
Zweck der Sprachunterricht zu behandeln sein, das lässt der Redner nn* 
erortert, nnd zeigt nur, warum die neuern Sprachen nicht so branchbar 
für die Jugendbildung sind , als die alten classisohen. Von dem Fran« 
zosischen und Englischen behauptet er , flass deren Literatur die Jugend 
leichter ermüde , dasa sie in der Ausbildung der grammatischen Formen 
▼iei ärmer sind , als die alten classischen Sprachen , nnd dass die Brkia- , 
rcmg und Einübung der für uns fremdartigen Aussprache zu viel Zeit des 
Unterrichts in Anspruch nehme', welche für den eigentlichen Bildangs«- 
zweck verloren gehe« Die Vorzüge der antiken Sprachstudien sind dann 
nur andeutungsweise aufgezählt. Damit übrigens die Gymnasien auch 
den Forderungen der Zeit entsprechen und allgemein fürs Leben bilden t 
so sind neben der Mathematik und den alten Sprachen «och der Unter- 
riiDht in Geschichte und Geographie, in der Naturkunde nnd Physik, im 
Deutschen und Franzosischen und in philosophischer Propädeutik für 
zweckmässig erachtet« Alle anderen Forderungen aber, welche man für 
eine zeitgemäss« Verbesserung der Gymnasien aufstellen dürfe , führt der 
Redner auf die zwei Punkte zurück , dass die Lehrer mit allem Fleissa 
dahin streben, Jedweden Unterrichtsstoff im Gymnasium nicht um :sein«r 
selbst willen für die Brzielung eines möglichst grossen positiven Wissens, 
sondern nur für den Zweck der geistigen Bildung zu lehren und zu be« 
nutzen , und dass die Behörden für -eine zeitgemässe Unterstatzung dieser 
Schulen, für eine sorgenfreie und standesgemasse Stellung der Lehrer, 
namentlich aber auch dafür besorgt sein sollen , durch entsprechende pä» 
dagogitohe Seminarien neben der gelehrten Vorbildung der Lehrer -auoh 
diejenige pädagogische Bildung derselben herbetznfuhren , welche gerade - 
in der Gegenwart -reoht dringend notbig ist, wenn sich der Junge Lehrer 
nicht vielseitig Terlanfen oder «ine lange Lehrzeit im Probiren verschwen- 
den soll. [/.] 

Brbslaik Die Zahl der Stndirenden auf der dasigen Universität 
betrug im Winter 1942*-^4a^76, und in den folgenden Jahren 



lOS Scbiil- und Universitaiflnachriishten^ 

imma- nicht Aus^ katb. evanff. 

tricuU immat. ISnd. Tbeol. TheoT. Jur. Medic. Philos. 

1«43, Sommer 653, 58, IL, 187, 101, 107^ 112, 145 

1843, Winter 703, 63, 6, 204, 94, 128, 114, 163 

1844, Sommer 700, 46, 8, 194, 83, 140, 128. 155 

1844, Winter 757, 56, 8, 200, 80, 163, 134; 180 

1845, Sommer 754, 59, 10^ 199, 72, 154, 124, 2Ö5 

1845, Winter 770, 64, 13, 216, 69, 165, 123, 197 

1846, Sommer 749, 64, 13, 211, 71, 172, lo7, 188 
1846, Winter 738, 72, 13, 191, 74, 187, 105, 181 
Im Winter 1846 — 47 wurden Vorlesungen gebalten in der katholisch- 
theologischen Pacultat Ton den ordentlichen Professoren, Dom- 
dechant Dr. Hüter [seit dem Sommer 1845 wieder ,als Professor einge- 
treten, nachdem er 1843 dieses Amt . aufgegeben hatte], Domherr Dr. 
BmlzeTf Dr. Demme, Dr. Movere und Pohl [seit Michaelis 1846 für die 
neugestiftete Professur der Pastoraitheologie mit einem Gehalt von 1000 
Thir. vom Clericalseminar in Posen berufen , nachdem der Spiritual im 
geistl. Seminar w4. Jander die Berufung abgelehnt hatte], dem ausserord. 
Professor Lic J. H, Friedlieb [seit 1845 zum ausserord. Prof. ernannt] 
and dem Privatdoc. Lic. Stern [seit dem< Herbst 1846 habilitirtj; in der 
ey angelisch-theologischen Pacultat von den ordentlichen Pro- 
fessoren Consistorialrath Dr. Schulz , Consist.-R. Dr. Middeldorjff Ober- 
Gon8ist.-R. und Generalsuperintendent [seit 1844] Drr Hahn, Consist.-R. 
Dr. Böhmer^ Cons.-R. Dr. Gaupp [früher Pfarrer in Langenbielau , seit 
1844 als Prof. der prakt. Theologie berufen] und Dr. OehUr [1845 vom 
theoi. SemiUar in SchÖnthal berufen , und bald nachher auch zum Direc- 
tor des praktischen theolog. Seminars ernannt, habilitirt am 14. Febr. 
1846 durch Vet. Testamenti sententia de rebus post mortem futuris ülu- 
atrata, part. I. Stuttgart, Liesching. 45 S. gr. 8.], den ausserord. Proff. 
und Licentiaten Suckow, Kahms [1844 von der Univers, in Berlin hierher 
versetzt, vertheidigte er pro munere rite obtinendo am 14. Aug. 1845 
die Abhandlung De spiritu sancto capita duo , 30 S. gr. 8.] und Gass 
[anss. Prof. seit 1846 , aber vor kurzem als ausserord. Prof. und.Unterbib- 
liothekar an die Univers, in Greifstvald versetzt] , und den Privatdocc. 
und Licent. Rhode und Räbiger; in.der juris tischen Facultät von 
den ordentl. Proff. und Drr. Huschke und Ahegg [beide seit 1846 za 
Geheim. Justizräthen ernannt] , JReg^en&rec/^t , Gaupp und WUda, den 
ausserord. Proff. Dr. Wasserschieben und. Dr. Gitzler [ausserord. Prof. 
seit 1843] und dem Privat^oc. Dr. Grosch; in der medic inischen 
Facttltät von den ordentl. Proff. Regierungs- und Geh. MedicinaUR. 
Dr. JRemer, Geh. Med.>R. l>r. Benedict, Dr. Tarkivje, Dr. Henaehd, M.-R. 
Dr. Betschier [seit 1846 Ritter des rothen Adlerordens 4. Cl.], Dr. Bar^ 
fcoip [früher Prosector nnd seit 1845 nach dem Tode des Geh. Med.-R. 
Dn Otto zum Director der Anatomie ernannt], Dr. Göppert [seit 1846 
Ritter des rothen Adlerordens 4. Cl.] und dem Prof. honorarius Regier.- 
und Medic-R. Dr. Klose, dem au$serord. Prof. und Sanitätsrath Dr. He- 
mer und den Privtttdocc. Dr. Klose, Hofrath Dr. Burchard, Prof. Dr. 
Kuh, Dr. Reymann [habilitirt am 25. Juni 1845 durch die Abhandl. De 
i^ho capita quaedam 55 S. 8.] und Dr. Grouer [aeit 1846] $ in der 



Bdforderangcn und EhrenbeMigong«!!. 109 

philosophischen Pacaltat von den ordentl. Proff. Geh. Hofratb 
Dr. JFeheTy Dr- Rohowsky, Dr. Thilo, Geh. Hofrath Dr. Gracenhorgij 
Dr. Fischer, Dr. Nee« von Esenbeek, Dr. ScAnetder [seit 1846 Ritter de» 
roth. Adierord. 4. Cl.] , Dr. Bernstein , Geh. Archi?rath Dr. Stenzel , Bib- 
liothekar Dr. Elvenieh, Dr. Pohl, Dr. Glocker, Dr. Braniss, Dr. Jm» 
brosch [erhielt 1846 eine Gehaltszulage yon 100 Thlr.] , Dr. Kummer^ 
Celakowsky, Dr. Kutzen [ordenftl. Prof. seit 1843], Dr. Stenzler [seit 
1845] and Dr. Haase [seit 1846], den ansserord. Proff. Dr. Frankenheim, 
Dr. von Boguslmoski, Dr. Kahlert, Dr. Ropeü, Dr. Jacobi [ansserord. 
Prof. seit 1843 ," erhielt 1846 wegen Ablehnung eines Rufes nach Marburg 
eine Gehaltszulage von 400 Thlrn.] , Dr. GfuAroner [s. 1843], Dr. Sehmol' 
ders [seit 1844] , Dr. Kries [seit J844]* Dr. Wagner [seit 1846] und Dr, 
Duflos [seit 1846] , den Privatdocenten Dr. Fregtag , Dr. Koch , Dr. Üo- 
senhain [habilitirt seit 1844] , Dr. Kenngott [seit 1844] und Dr. Körber 
[seit 1846] und \on 5 Lectoren, 2 Musik- und 2 Zeichenlehrern. Für 
das physiologische Cabinet sind aus Staatsfonds im vor. Jahre zur An- 
schaffung mehrerer Instrumente 330 Thlr. und für die Wittwen- und VfeA- 
senversorgungsanstalt auf 15 Jahr ein jährlicher Zuschuss von 200 Thlrn. 
bewilligt MTo/den. Von den verschiedenen Universitätsschriften der 
letzten Jahre sind dem Ref. bekannt geworden : der Index leciionum per, 
aestatem a, 1843. mit J, AmbroschU Oratio nataUeHs Prindpis optimicele^ 
brandis a, 1842. habita [De interpretatioiiis natura et notione. 8 S. 4.] ; 
der Index lectt, per aest» a, 1844. mit J» Ambroschü orat* natalic. Princ* 
a, 1843. hMta [De prudentia Römanorum in sacerdotiis constituendis et 
ad publicam salutem dirigendis. 14 S. 4.]; der Index lectt. per hiemem 
a, 1844 — 45. mit Prodi in Timaeum proöemhtm von dem Prof. Schneider 
herausgegeben [16 S. 4.]; der Index lectt, per hiemem a. 1846. mit des 
Prof. Schneider^s Abhandl. in gymnasOs linguarum antiquarum studwm 
ita convertendum esse , ut Graecae linguae primus , secundus locus tribua» 
tur Latinae [8 S. 4.] , woran sich das Einladungsprogramm zur Geburts- 
tagsfeier des Königs , De remittendo sermonis latini luu aeademico [1845. 
15 S. gr. 4.] anschloss; der Index lectt, per aestat, a, 1846. mit der yon 
dem Prof. Ambrosch geschriebenen Abhandlung de locis nonnuitis gui ad 
curias Romanas pertinent [8 S. gr. 4.] , eine versuchte Nachweisung, dass 
die Zahl der Curien durch Zulassung der Tribnlen zwischen 513—676 
n. R. B. auf 35 vermehrt wurde , und dass diese Curien auch unter den 
Kaisern bis zum Aufhören des alten Cultus fortbestanden; das Binla* 
duhgsprogramm zum Geburtstage des Königs im J. 1843 mit Scholia in 
Pindarum von dem Prof. Schneider herausgegeben ; dasselbe zum Geb'urts» 
tage des Königs und zum Rectoratswechsel von 1844 [28 S. 4.] und der 
Index lectt, per aest, 1845. , beide mit Ex Dionysä HaUc, anUquitalxbua 
Romanis cdpita ex codd, emendata von dem Prof. Ambrosch; die Einla- 
dung zum Rectoratswechsel von 1843 mit ColUdanea ad hi&toriam rhino^ 
plastices Itälorum von dem Medicinalrath Dr. Traug, Wüh, Gust. Benedict 
[25. S. 4.]; die Gratulations^hrift zur Jubelfeier der Universität Erlan- 
gen 1843 mit Symbolae ad historiam iuris cHminälis literariam inprimia 
Aoademiae Fridmco-Akxmukrmae $peetant€i Von dem Prof« Dr. Jtdi Fr., 



ttO Schul- md UniTersititoaaobriohten, 

BL Ahegg [31 S. 4,]; die Gratulationsscbriffi %wt dritten Jubelfeier der 
RönigAberger Universität mit der JMspuimtio dt num^ris complexUy qiä 
wmttttu raücibua et numfms integria remUbus ctnHani von dem Professor 
Kummer and der vielbesprochenen GratuUtionsadresse von dem Prof. 
Baase [IV and 28 S. 4.] ; De Mosthionia peetae tragici vita acfakularum 
reUfnUa eommeniath , scripsit Frid, Guü, Wagner > phii. Dr. antiq. lit. 
in Lfni¥. Lit. VratisUr, prof. [Breslau bei Treweodt, 1846. 32 S. gr. 4.], 
me Acharfatonige Untersachung über den griechischen Tragiker Moschion, 
der in Athen zwischen Ol. 103 — 121, gelebt haben soll, sammt Zusammen- 
atelltuig und Bearbeitung der aus dessen Tragödien 0iiiiato%Xilg , Tif A.£- 
tpa^y ^Qottoii. und ans nnbenannten Dramen erhaltenen Fragmente; Quae* 
Btionwn de Ranis jiriitopkanis .specimen I. scripsit Frtd. GuiL Wagner. 
Sditio altera. [Breslan bei Treweodt. 1846. IV und 44 S. 8.], ein wenig 
Teraaderter Wiederdrack der 1836 Ton dem Verf. herausgegebenen Doctor- . 
diaputation , in welcher eine sehr gründliche and umfassende Brorteruug 
der Verse 1431 •^53« ed. Dindorf. enthalten und zugleich durch eine ge- 
langAue Untersuchung über die Auftiihrungszeit nnd über die historischen 
ZastSnde der Zeit dargethaa ist, dass die Ranae Ol. 93. 3. an den Le- 
naen (im Monat Garoelion) aufgeführt worden sind und ihre von Dikäar« 
ohos bestätigte nochmalige Aufführung um des Todes des Alkibiades (Ol. 
94. 1.) and der Schlacht bei Aegospotamos willen nur an den grossen 
Pionysien desselben Jahres stattgefunden haben kann, wodurch denn zu- 
gleich die von Dindorf angenommene doppelte Reoension des Stacks ihre 
Widerlegung findet. De Joaahimo Jungio commentatio historicO'lHeraria, 
scripsii O, E, Guhrauer , phil. J>t, et P. P. E. Vratislav. Adieeta est Jun- 
gU ephlMa de Carteeü phihaapbia. [Breslau b. Trewendt. 1846. 40 S. 8.], 
über den in Lübeck 1587 geborenen nad.l667 in Hamburg gestorbenen 
Philosophen nnd Mathematiker Joachim Junge , der mehreren Tielleicht aus 
Leibnitzens philosopb. Sehrifteo snd dem Briefwechsel zwischen Göthe 
und Zelter bekannt ist; De gpe imm^rtaUtatU eub Feteri.Testamento grar 
datha e»euüa diaseriatiOf quam . • . pro Liceütiati in tbeologia honoribua 
rita obtinendis'd. Xfl. m« Jalä a. 1845. palam defendet auctor Hem*. Jug* 
Bahuj phii. Dr. et. theoL Candid. [Breslan gedr. bei Grass, Barth u. C. 
79 S. gr, S.]^ EmendatMnes lavianae, von Bd, Wd% [Breslau 1844. 
69 S. &] y eine zur Brlangang der phiiosoph. Doctarwürde geschriebene 
Dispatatio , deren Verf. Ton der Behauptung aasgeht , dass in Lirios zu- 
erst Aischefski eine sichere Grundlage und ein richtiges Verfahren für 
die TeKtesbehandlung angebahnt, aber freilich noch nicht alle Stellen 
richtii; behandelt habe , woher denn hier iie Stellen V. 17. 1. VI. 1* S» 
und eÜM Reihe Stellen der dritten Decade auf Grundlage der Codd. Pu- 
ttan., Flocent. et Cantabr. kritisch erörtert und hübsche Bemerkungen 
über sprachliche und stilistische Eigenthfimlichkeiten dea Livins einga« 
wabt sind ; De scheUh ad Plaionh Cbdtatem pertinmiihae , ebenfalls ein« 
phiiesophificba Doctordisseriation yon Jicl. Stück [1845. 36 S. 8.] über die 
Entstehungszeit jener Sdiolian, worin dureb Vergleiobung dieser JBchoUen 
mit überein^mmeaden AuMprocben griechiscbar Schriftsteller aufgefun- 
den iit^ dass dt seit dem AolUraten der Kauf l ato nl ker ttad basondera um 



B«iförddniDg«a usd Blirenb«ceifBafn. 111 

die Zeit des Erloseheiui dieser Schule enUtandea s^n mogßo^ Mgletck 
aber auch eine Reibe einielner Sobolien bebandelt und Steiles Ton Schrift» 
steilem , die als Scbolien gelten können , nacbgev? iesen sind ; JDe Archen 
vita et scriptü dUaertatio , quam . , . ad summos m phUo: Amores . • • 
defendet aactor Eduardua Reimann Oisnensis [Gels gedr. bei Lndwig. 
61 S. 8.] y eine sehr fleissige Untersuehong fiber den fränkischen G«. 
schichtscbreiber Richer and dessen nm 995 n. Chr. abgefasste ABnale«, 
über deren historische und sprachliche Bigenthamlichkeiteii und apatera 
Schicksale; Disaert, de Carteni tentenUa: Cogito ergo nuoy Ton AI» 
Knoodt [Breslau bei Grass , Barth n. C. 1845. 56 S. gr. 8.] ; DUteri, de 
Calidaaae Sacuntala von K. Rabe [Ebend. 1845. 32 S. gr. 8.]; DieeerU 
de varüs quibus Dantis Aligerii divina comoedia easpUcaiur- raUouiku» TOO 
Herm. Grieben [Breslau, Freund. 1845. 29 S. gr. &]; Dtueri. de Qraa*, 
eorum nominativis quos vocant abaolutis Yon JuU Geiiler [BreslaOf Grase, 
Barth n. C. 1845. 55 S. gr. 8.}; Disseri, de superfieiebua cofAsk emäibeH 
auperficiei circunucriptia Yon Frz, Herm, Sieheck [Breslau , Frenad» 184|^ 
31 S. gr. 8.] ; Yajurvedae apecimen cum commentario primae edidH A\h* 
Weher [Breslau, Grass, Barth u. C. 1845. XXXIV und 72 & gr. a]| 
Diapuiaiio de codicibus m$8, aique editionibus vett, Tadti Germaniae pari. I« 
von Rohert Tagmann [Ebend. 1846. Öl S. gr. 8.]: Quastionum iMcretkh 
narum apecimen von Hugo Purmann [Bbend. 1846. 69 S. gr. 8.] ; tXee^ 
de locia Horaiiania hiatum habentibua von Herm, Sekedler [1846. 37 S« 
gr. 8.]. [/.] 

f Dresden. Die dasige Krenzschule war zo Ostern 1847 in ihre« 
5 Classen oder 10 Classenabtheilungen von 301 Schüler besucht und hatte 
zu Michaelis vor. J. 12 Schuler mit dem zweiten und dritten Zeugniss der 
Reife zur Universität entlassen. • In das LehrercoIIeginm ist statt des 
abgegangenen CoUaborators Wilh. Jul, Dietke der Candidat Karl JuUua 
Hermann als vierter Hulfslehrer u6d SpecialauCseher des Alumneums ein- 
getreten. Das zu Ostern dieses Jahres erschienene Programm enthält 
PhiUppi Wagneri Commeniaiioma deJunio PhUargyro para altera [Dresden, 
gedr. bei Blochmann. 46 (33) S. 8.] und bildet die Fortsetzung der in dem 
vorjährigen Programm von dem Verf. begonnenen Untersuchung. Vgl. 
NJbb. 48. S. 275. Hatte er nämlich dort Namen und Zeitalter des Ja- 
nius Phüargyrus festzustellen und den innern sprachlichen und sachlicbeo 
V^erth der Schollen desselben zu bestimmen gesucht: so lässt er jetzt eine 
Untersuchung über den äussern Zustand dieser Schollen folgen , worin er 
mit der ihm eigenthümlichen Umsicht und Sorgfalt die Beschaffenheit der^ 
selben geprüft und aus den bekannten Handschriften ermittelt hat, wie 
wei€ wir dieselben gegenwärtig etwa noch in ihrer ursprünglichen Ger 
stalt zu erkennen vermögen. Dass wir nämlich diese Scbolien in der von 
Fuiy. Ursinus zuerst bekannt gemachten und in Burmann's Ausgabe dea 
Virgil befindUcben Sammlung mcht vollständig, sondern nur in Excerpten» 
welche noch dazu durch Beimischung späterer und fremdartiger Zusätze 
entstellt sind, übrig haben» ist nicht blos als bekannt vorausgesetzt, soa« 
dern an einigen schlagenden Stellen noch besonders bewittsea. Die Hanpt^ 
Untersuchung aber betrifft die sogenannten SchoUa JuniUi Flagrü^ Gfcni- 



112 6«kil- wd Uu▼eniatnacluricktfli^ 

dmdä el T. GaUiy ▼on deoeo neaerdings Snringar ood Maller einieine 
Stacke heraosgegeben haben. Vgl. den Artikel Rd]k>i.stadt. Ueber 
dos gegenseitige Verhältnis de« Gaadentios ond Gallos hat) der Verf. 
keine weitem Bestimaiangen gewonnen , als dass er mit Soringar (in Hist. 
crit, schoiiast. Rom. II. p. 169.) annimmt, Gallas möge die froher yer- 
fiusten Commentare des Gaadentios sa den Bocolicis, Georgids ond der 
Aeneis excerpirt, spater aber irgend ein Magister sich for den Unterricht 
eine Scholiensammlang in Excerpten ans JonUios Fiagrios, Gaodentiai 
ond T. Gallos angelegt haben, welche er seinen Schalem Vortrag ond 
von der wir non in der Berner ond in der Leidener Handschrift zwei wer- 
sehiedene Nachschriften besitzen, von denen die Beraer reichhaltigeri 
die Leydener kürzer ond nachlassiger ist. Da Hr. W. aber schon froher 
ia dem Jutuima Flagrius den Jurdus PhäargyruM erkannt hatte, so hat 
er non jetzt weiter begroodet, dass nicht nor mehrere Scholien, welche 
in den beiden Sammlangen als dem Jonilias angebörig bezeichnet sind, 
Blit den Ursinischen Scholien des Philargyros öbereinstimmen , sondern 
dass aoch die obrigen mit des Jonilias Namen versehenen ond sogar noch 
eine Anzahl namenlose , sobald man die eingeflickten Interpolationen ans- 
scheidet, gar wohl dem Ph>largyro8 angehören können, indem sie nach 
Form ond Inhalt 'sich mit den anzweifelhaften Scholien desselben vertra- 
gen, ond bisweilen sogar wichtige Notizen enthalten, von denen einige 
selbst bei Servios sich nicht finden , z. B. zo Ed. VI. 18. die Nachricht 
von dem Grammatiker Homertis, der dorch das Zeogniss des Apoläas de 
orthogr. p. 137. ond 136. bestätigt wird. Durch die Verwandtschaft aber, 
in welcher die Berner ond Leydener Scholiensammlong mit- einander ste- 
hen, ond dorch die Erkenntniss, dass in beiden Brochstooke aos den Scho- 
lien des Philargyrus enthalten sind , ist Hr. W. za weiterer Vergleichong 
derselben mit den von Ursinos heraosgegebenen Scholien des Phiiargyras 
gefohrt worden , ond hat daraos nicht nur eine Anzahl glacklicher Aof- 
klarongen ond Verbesserangen einzelner Stellen gewonnen , sondern aoch 
daraof den Nachweis begrändet , dass es oberhaopt möglich sei, aos allen 
drei Sammlangen die Scholien des Phiiargyras theils zu vervollständigen, 
theils zo sichten , ond sie za einem reineren Ganzen zo gestalten , als 
sie in der Ursinischen Sammlung sind. * Zo dieser Ergänzung und Sich- 
tong hat er aoch noch eine vierte Quelle in dem Codex G. bei Barmann 
nachgewiesen, welcher nämlich Excerpte aos Servios enthält, die viel- 
fiich mit Brochstackeo aos Phiiargyras vermengt sind and deren Erkennt- 
niss wiederum durch Vergleichong mit den Berner and Leydener Scho- 
lien vermittelt wird. Einige geringere Ergänzungen soll aoch eine Dresd- 
ner Handschrift des Servios bieten, ond selbst aus dem gedruckten 
Servios lässt dieselbe Vergleichong mit den Berner und Leydener Scho- 
lien einzelne Bruchstacke heraosfinden, welche dem Phiiargyras angehören. 
Es ergiebt sich aus diesen Mittheilungen, dass Hr. W. durch seine 
genaoe ond scharfsinnige Untersochong ober die Scholien des Philargyroa 
ein Licht verbreitet hat, welches man bei dem vorhandenen Zostande 
derselben kaum erwarten durfte, and das am so wichtiger ist, je mehr 



Beförderungen and BhrenbeieiglHifini. US 

nberhaapt noch die Benrtheilukig und Sichtung aller Scholiensamminngen 
an lateinischen Schriftstellern im Argen liegt. [^.] 

Gotha. Am dasigen Gymnasium illustre ist zu den diesjährigen ' 
öffentlichen Prüfungen sammtlicher Gymnasialclassen zum ersten Male ein 
Programm ausgegeben worden, worin der Director Dr. Rost eine Ab- 
handlung deformulü S ri na^av et o ri fia^oiv accurate seribendU atqUe 
expUcandü mitgetheüt und den Lehrplan des Gymnasiums bekannt ge- 
macht [Gotha 1847. gedr. in der Bngelhard-Reyherschen Hofbuchdruck. 
18 (10) S. gr. 4.], überhaupt aber dasselbe mit folgender Vorbemerkung 
eingeführt hat: „Permirum sane accidit , ut libetli , quales tralaticio in- 
stituto praemitti solent scholarum indicibus in gymnasiis quotannis haben- 
darum , ex nostro gymnasio aut nuUa prodirent aut paucissimi illi , qnibua 
▼el ad singularia scholae sollemnia celebranda magistri iuTitarent vei 
principibus et patronis res laetas üeinstasque gratularentur. Quae negli- 
gentia quo minus magistrorum ignaviae atqne socordiae , sed soli reruniy 
quibus sumptus fierent, tenuitati et penuriae tribuenda fuit, eo nunc lae- 
tins edicto Serenissimi Principis paremus prudenter scholae saluti pro- 
spicientis , cuius nos generosa liberalitas sumptibus ex aerario scholastico 
promendis iussit scriptiunculas latino sermone confectas quotannis emit- 
tere, quo ne usitata iusti honoris commendatione schola nostra diutiut 
destitueretur. Cui ego legi saluberrimae primus obtemperans hoc quod 
infra posui commentandi periculum feci. Subscquentur me ordine quot* 
quot bonarum literarum in gymnasio nostro docendarum carissimi coUegae 
provinciam sustinent.'^ Die lateinische Abhandlung lehnt sich an die 
Stelle in Plat. Apölog. 26. p. 36. B,, tl ciitog dya noc^etv ij dnovtoai , o 
Ti ita&fov iv Tip ßifo evx r^avxCav ^yov , an, und weil die Formel o tc 
(iad^fov sowohl hinsichtlich ihrer Bedeutung — indem man sie nämlich mit o 
ZI na&tav yertauschen wollte — wie hinsichtlich ihres grammatischen Ver- 
hältnisses noch nicht vollständig erkannt zu sein scheint ^vgl. Hermana 
z. Ari&toph. Nub. pcaef. edit. 2. p. XL VI. ff.): so hat der Verf. nacb 
beiden Seiten eine Erörterung derselben Torgenommen. Die Begriff»» 
entwickelung lehnt er mit F. A. Wolf zu Demosth. adv. Lept. §. 127. air 
den Fragformeln r/ i^ad^wv (was ficht dich an) und ii fMid'cov (was 
fällt dir ein) an und lässt also in der ersteren ein quanam re affectuM^ 
quo ca9Uy qui ^ ut, in der letztern ein quo argumento , qua ratioep- 
natione usw, quid aecutusy enthalten sein. Für .das grammatische Ver- 
hältniss zeigt er zuvorderst an den beiden Stellen Plat. Lach. c. 6. p. 
182. E. AceHsdaifioPloig ovöhv «kXo iiilii ^ xovto irixaCv xal initriSsvsiv^ 
o XI Sv (lad'ovtsg ual iniTTjäsvcavtsg nXBortaizoisv tdiv aXXoav tcbqI top 
Tcolefiov {nihii curae est, nisi ut quaerant et tractent, quod diseenta et 
tractantesy oder euiua usu et iractione praestent aliis hello) und Phiiostr« 
vit. Apollon. I. 28. TJqsto avtov 6 nQsaßvrcttos y o ti fiad'mv HatcKpQomlj^ " 
asiBtov ßaetXifog (quaesivit ex eo, quid sit quod.oder quibus caum 
motua contemneret regem) die beiden Endpunkte der Formel , in welcher 
das ti einmal rein relativisch , das andere Mal als Xnterrogaüvum steht 
und der durch dasselbe eingeleitete Satz sich als indirecter Fragsatz an 
den regierenden Hauptsatz anlehnt. Schwieriger aber erscheint ihm das 
iV. Jakrb.f. Phil. m. Paed. od. Krit. Bibl. Bd. L. Uß. 1. % 



114 MM- fmä ürimrilili 



VerliiltiiiM a^Sn ßm^mw m dcsSCdleB Plit; Ap«L c 91, 
Eothyd. c 35. p. 299. A. ui c 13. p. 3B3. B. n« B«p«L ap. Stob. 
6en^ IV. p. 53. [weU skk 4» Ui don o n beMe Badpmkte Teraaigt 
finden , und das 8 relntiTiMher Natar ist, das t£ iatefragatiTe Krall be- 
bUt, so daas Mn m diesen Stellen TieUeicbt nebt xi fUE^OT, senden S 
t/ fMT^iMr scbreiben sollte]. Weil nan Stallbaasi an Pkt. Ap^. L c in 
diesen Stellen das o t» nacb der Analogie Ton 9mxt. nnd wtMxt fiv einen 
sogenannten AccnsatiTns absolotns (nana vo o ti iui%mwj prspleren fnod 
fani, weil was docb mir in den Sinn gekomnien.ist, dass 
ich etc.) erklirt bat [nnd daait offenbar nnr das^graBsutiscbe Verhait- 
niss des an das Vorbergehende relatiTiscb sieb anl eb n enden o erkliren 
will] : so bilt neb Herr Rost nnr an das ioterrogatiTe n , erkennt in dem 
o XI «nen rdnen , Ton fut9m9 regierten ObjectsaccnsatiT , uid gelangt 
obne Beacbtong der in o enthaltenen Kraft des relatiTen Anknopfens an 
den vorhergehenden Satt so folgender Erklämng: welche Strafe Ter- 
diene ich, »nt mir einfallen lassend ich nicht Rnbe hielt, 
welche durch folgende Bemerkoag begründet wird : „Manifesto enonciatio 
n verbis o t» pta^mw exordiens cansan continet, qoa poenan commeraisse 
Socrates Tideator. Jan facile qni osom Hngoae habeat concedat fieri 
posse, Qt in locnm ennnciationis caasaÜs soccedat enonciatio com ezda^ 
■Mtione , qoae in modoni indirectae iaterrogationis est conformata.'' Diess 
rechtfertigt er dorch die Nachweisong, dass häufig aach den Wörtern 
»avfMr&o Xlliad. 24. 629., 2. 320., Piat. Grit. 1. p. 43. A. nnd Phaed. 38. 
p. 89. A.), luMifitmu. a. (Herodot. I. 31., Plat. Phaed. 3. p. 58. B.X 
iftvm (Plat. de rep. I. 3. p. 329. B.) , awoxlaim o. a. (Plat. Pbaed. 46. 
p. 1171 C, Xenoph. Cyrop. VIL 3. 13.), vsfitßiSofuci ^ ai§x990iun o. a. 
(lUad. 5. 757^ 5. 166., Xenoph. Anab. 1. 7. 4.), fidUi fMt (lüad. 34.683.) 
n. 8. w. dorch Fragworter ein indirecter Fragsatz angeknöpft ist, wah- 
rend man einen einfachen relativen Satz mit deshalb weil oder dass 
erwartet -— [naturlich weil der Redende ans der einfachen logisch-gram- 
matischen Gedankenfolge in eine emphatisch - rhetorische Ausdmcksweise 
fibergegangen ist]. Auch macht er darauf aufmerksam , dass , wenn man 
B. B. mit Weglassung des ßu^mv blos den Satz bilden wollte agio'ff ^rt 
xifMUfiag^ o ti ovx naviiav tffBVy diese o n falsch sein wurde. Pemer 
Veranlasst ihn die in jenen Stellen bei der Formel o ri (tM^mv hervertre* 
tende interrogative Kraft des xi zur Widerlegung der Bnttmannischen An- 
sicht (in der griech. Gramm. J. 150.), weichet blos ort /»«dmr sehreiben 
wollte« Allein weil er doch die in e enthaltene relative Beziehung nicht 
wegbringen kann , so schlagt er zuleUt vor , in jenen vier Stellen oti xi 
§uic&»p zo schreiben. Dadurch hat er nun allerdings in sehr scharfsinni- 
ger nnd treffender Weise die grammatische Doppelrichtong des Relativen 
Qpd Interrogativen richtig ausgeprägt, aber die Frage nicht erledigt, ob 
idcbt Ti für sich allein beide Beziehungen in sich enthalten könne. — ^ 
Statt des sonst in den Programmen gewöhnlichen Berichtes ober die im 
i^^rgangenen Schuljahr abgehandelten Lehrpensa ist hier S. 1 1 — 16.ein detail- 
r Lehrplan ßr den Jahrescursos von Ostern 1847 — 48 mitgetheilt, aus 
iflab folgende schematisohe Abstofong der LebrgegeMtiiide «rgiebt : 






u. 


lU, 


IV. 


V. 


VI, 




3» 


9, 


8, 


8. 


5 




1' 


6, 


&, 


(2). 






S: 


i: 


i: 


t: 


- 8 




2, 


2, 


3, 


3, 


2 




2, 


2. 


2, 


2, 


2 




3, 


3, 


8, 


3, 


3 




2. 


i 


2, 


2, 


■ — 


■» 


9 


"*"> 


2. 


2, 


2 


X 







__ 


__ 


.«. 


1, 




ai 


2: 


2', 


2 



Befördetnngen und EltteDbeB«ig«iifM. 11| 

io I. 

Latein^ 9, 9, 9, 8, 8, 5 wochentl. Standen 

Griechisch 6, " 

Hebräisch 3, 

Deutsch 3, 

Französisch 2, 

Religion ^ 2, 

Mathematik 3, 

Geschichte 2^ 

Naturgeschichte—, — , -^\ 

Physik 
Geographie 

Dazu kommt noch für die erste Classe (Selecta) Unterricht im Englischen 
und Italienischen, welcher in 2 wöchentlichen Standen abwechselnd so 
ertheilt wird, dass für das Englische ein ganzjähriger, für das Italieni- 
sche ein halbjähriger Cursus angesetzt ist , für V. und VI. wöchentlich 2 
und' 3 Stunden Schönschreiben, für IV, und V, je 1 Stunde Zeichnen und 
für alle Schüler wöchentl. 2 St. Gesangunterricht. Es hat aber dieser 
Lehrplan noch den besonderen Werth , dass bei mehreren Lehrgegenstän- 
den die Abstufung des Lehrstoffes und dessen >)ethodik für die einzelnen 
Classen in speciellerer Gliederung und Abgrenzung angegeben ist, frei- 
lich auch die Schattenseite , dass der demische Unterricht in mehrern 
Classen je a^wei Lehrern a^ugewiesen i^t. [/.] 

Gotha« Am 28. April wurde von dem Gymnasium illustre eine 
Qedächtnissfeier für den am 30. März Terstor^ienen Geheimen Hofrath 
liod Öberbiblioihekar Friedrich Jgcoba veranstaltet. Prof. ßFHatemann^ 
4er dem Verewigten auch im Leben nahe gestanden , sprach in einer la- 
teinischen Rede zunächst von den hohen Verdiensten des Mannea, dec 
«Ine Zierde des deutschen Vaterlandes war, um Wisaenschaften und Künste 
im Allgemeinen, und um die Alterthumswissenschaft insbesondere, wel- 
cher er durch eine geistreiche and geschmackvolle Behandlung nach allen 
Richtungen hin viele Verehrer auch in weitern Kreisen gewonnen hat. 
Jedoch deutete der Redner diese Verdienste nur in allgemeinen Umrissen 
an, indem er die specielle Ausführung für eine ausführlichere^ aoch ii| 
latein. Sprache geschriebene memoria , welche er in Druck erscheinen in 
lassen beabsichtigt , sich vorbehielt. Sodann redete er von Jac. ausge- 
zeichneten Leistungen im Gebiete der neuen Literatur, und zeigte, wie 
derselbe auch als Schriftsteller in unserer Muttersprache der Jugend mit 
Recht als Muster aufgestellt werde. Indem er weiter nachwies, wie 
Jae. mit der grossten Vielseitigkeit der Kenntnisse auch die edelste Ge- 
sinnnng verbunden habe , hob er vor lindern seltenen Eigenschaften des 
Geistes und Herzens, welche Jac, als Gelehrten zierten, besonders seine 
Humanität hervor, die im Inlande wie im Auslände bei jeder Partei die 
vollste Anerkennung gefunden hat, and glaubte so den Gefeierten seinen 
Zuhörern als ein wahres Musterbild eines Gelehrten aufstellen za können, 
welcher sein Handeln mit seinen Lehren stets in QÜnklang erhalten hat. 
Doch nicht blos den Gelehrten hatte der Q^doer in Auge, er spra^pb aoch 
V0& Jac Wiikea in aeinem Amtsbemfe. Er rMmtM in ^eser fte ii^lM mg 



116 Schal- and UniTersttatinachricIiten, 

luerst die Verdienste, welche sich derselbe um die Tvissenscbaftlicben 
Sammlungen in Gotha, deren Director er war, besonders um die Biblio- 
thek und das Münzcabinet durch Katalogisirung und bessere Einrichtung 
derselben , so wie hauptsächlich dadurch , dass er diese Schätze für alle 
Gelehrten zugänglich machte, in einer langen Reihe Yon Jahren erworben 
hat. Vor allem aber verbreitete er sich umständlich , wozu der Ort und 
die Versammlung selbst aufforderte, über Jac. segensreiches Wirken als 
Lehrer an dem Goth. Gymnasium. Hier war dem Redner ein weites Feld 
eröffnet. Nicht leicht l)^t ein Lehrer seine Schüler für alles Edle and 
Schöne so begeistert und einen bleibenden Eindruck für das ganze Leben 
bei ihnen so hinterlassen, wie Jac. Aber auch ausser diesem Kreise 
hatte der Verewigte durch seine vielen und weit verbreiteten Schriften 
für Jugendbildung nützlich gewirkt und selbst zur Hebung und besserir 
Stellung des ganzen Schulstandes in Deutschland wesentlich beigetragen. 
Am Schlüsse versuchte der Redner ein möglichst treues Bild von Jac. zu 
entwerfen , wie er in seiner Familie , unter seinen Freunden und in den 
geselligen Kreisen aller Stände gelebt ; auch als Mensch stand Jac. hoch 
und wurde von Allen, die ihn näher kannten , geliebt und verehrt. Doch 
wir brechen hier ab , da wir nur über den Hauptinhalt der Rede berich- 
ten und das grössere Publicum auf die bald nachfolgende Erscheinung der 
ausfuhrlichen Abhandlung, welcher interessante angedruckte Briefe an 
Jacobs als Anhang beigefügt werden sollen, aufmerksam machen wollten *), 

[B.] 
Greifswald. Die dasige Universität und die mit ihr Yerbundene 
Staats- und landwirthschaftliche Akademie in Eldena war im Winter 1843 
bis 44 von 214 immatriculirten Studenten besucht , und ausserdem nahmen 
noch 18 nieht immatriculirte Eleven der medicinisch - chirurgischen Lehr- 
anstalt an den Vorlesungen Theil. Die Zahl der Stndirenden betrug 
sodann 





imma- 


nicht 


Aus- 


in theo- 


Ju- 


me- 


phi 




tricul. 


immat. 


länd. 


log- > 


rist., 


die, 


los. 


1844 im Sommer 


222, 


19, 


12, 


39T 


33,' 


87, 


63 


1844 im Winter 


225, 


17 


21 


23 


37 


82, 


83 


1845im Sommer 


217, 


26 


21 


23 


40 


88 


66 


1845 im Winter 


227, 


29 


24 


39 


40 


92; 


66 


18^6 im Sommer 


212, 


31 


14 


28; 


37 


84, 


63 


1846 im Winter 


192, 


25 


13 


25, 


37 


84 


46 


1847 im Sommer 


185; 


23 


15 


26; 


31 


83; 


45 



"*") Friedr, Jacobs nahm unter den Humanisten einen so vorzüglichen 
Platz ein und war eine so interessante Persönlichkeit, dass eine Charak- 
teristik seines Lebens schon an sich sehr willkommen sein muss , aber 
noch erwünschtelr sein wird , wenn sie aus den Händen Wüstemann^s 
kommt, der durch seine Stellung zu dem Verstorbenen vor Vielen be- 
fähigt ist, ein lebendiges und reiches Bild von ihm zu entwerfen. Was 
daher der Einsender als Hoffnung ausgesprochen hat, das spricht der 
Unterzeichnete hier noch, gewiss im Namen Vieler, als Wunsch aus, und 
freut sich noch besonders darauf , dass diese zu erwartende Charakteri- 
stik eine lateinisch geschriebene Memoria sein soll. Die schone Sitte, 
ausgezeichnete AUerthamfkenner in einer Spradie des Alterthnms zu sohil- 



Befori^ningeii und BlirenbeBeigaiif^. llf ^ 

Für dieae Stndirenden wurden im Winter 1846 — 47 Vorlesnngen gehaltea 
in der theologischen Facoltat yon den ordentlichen Professoren 
Dr. Kosegarten , Consistorialrath nnd Pastor Dr. Schirmer , Saperintend« 
und Pastor Dr. Findius [Director des theolog. - praktischen Instituts, ist 
aber am 22. Dec. 1846 gestorben] , Consistorialrath Dr. Vogi nnd Dr. 
^Semisch [seit 1844 als t)rd. Prof. berufen , früher Pastor in Trebnitz] und 
dem ausserord. Prof. Lic. A, H,Beier [seit 1844 zum ausserord. Prof. ev^ 
nannt] ; in der juristischen Facultät yon den ordentl. Professoreli 
Consistorialdirector Dr. F. A, Nieme^^ Geh. Justiz- und Consistorial- 
rath Dr. Barkow , Geh. Justizrath Dr. Beseter , Dr. Plank [1845 von der 
Univers. in Basel hierher berufen] nnd Dr. Futter [seit 1845 zum prdentl* 
Prof. ernannt] und dem ausserord. Prof. Dr. von Tigerstrom; Inder 
medicinischen Facultat von den ordentl. ProfT. Dr. C. J, S, 
Sckultze [Director der anatom. Anstalten nnd Grossherz. Badischem Hof- 
rath] , Geh. Medicinairath Dr. F. A. G, Bemdt [Director der medicinischen 
nnd geburtsbülfl. Klinik , ist aber am 20. Dec. 1846 gestorben] , Dr. Baum 
{Director der chirnrg. und augenarztl. Klinik] und Dr. lAtzmann [1844 
als ausserord. Prof. Ton der Univers. in Halle berufen und 1846 zum ord. 
Prof. ernannt] , den ausserord. Proff. Prosector Dr. Laurer und Dr. F. 

E, G. Bemdt [ausserord. Prof. seit 1846] nnd dem 1846 habilitirten Pri- 
vatdoc. Dr. Eichstedt; in der philosophischen Facultat von den 
ordentl. Proff. Dr* G, S. Tillberg [Director des mathematisch - physikal. 
Instituts] , Dr. C F. Hornschuck [Director des zoolog. Museums und des 
botan. Gartens] , Dr. O. F. Schomann [Director des philolog. Seminars 
nnd erstem Bibliothekar der Univers.-Bibliothek] , Dr. E. Stiedenroth^ Dr; 
Joh. Erichson, Dr. J. J» Grunert [Director der mathemat. Geseilschaft 
und Vorsteher des astronomisch mathemat. Instituts], Dr. F. L. Hünrfeld 
[Director des Mineraliencabinets und des* chemischen Instituts], Dr. Fi 
G. Barthold <, Dr. £. Baumstark [Director der Staats- und landwirthschaftl, 
Akademie], Dr.^. St. Matthies [ord. Prof. seit 1844] und Dr. O. Jahn 
[Vorsteher der archäolog. Gesellschaft, seit 1845 ord. Prof.], den ausser« 
ordentl. Proff. Dr. J. Ftorello, Diakonus Dr. C. A. Hasert [Director der 
pädagog. Gesellschaft und des Schuliehrerseminars] , Dr. A, Hof er ^ Dr. 

F. Schulze nnd Dr. Schauer [1844 von der Univ. in Breslau als Lehrer 
der Botanik , namentlich für die Akademie in Eldena berufen] , dem seit 
1846 habilitirten Privatdocenten Dr. Klempin und drei Sprach - und Ex- 
ercitienmeistern. An der Akademie in Eldena lehren ausserdem noch be- 
sonders die Proff. Gildemeister [Landwirthschaft] und Dr. Haubner [Thier- 
heilkunde] , Bauinspector Menzel [landwirth. Baukunst] und Dr. Schober 
[Staats- und Landwirthschaft]. Aus der theolog. Facultat ist der im J. 
1844 zum ausserord. Prof. und zum Unterbibliothekar bei der Univers.- 
Bibl. ernannte Lic. C. W. J, Bindemann im Jahre 1846 als Pfarrer nach 



dem, wird leider ^tzt immer seltener, nnd sie yon einem so gewandten 
nnd eleganten Latinisten, wie Wustemann, wieder aufgenommen zu se- 
hen, ist schon um der Rechtfertigung willen erwünscht, dass es auch in 
der Gegenwart nicht an Philologen fehle, welche ein elegantes Latein zn 
schreiben ▼erstehen. [J.| 



118 6^uil • tuid Unireriiattnadiriditaii, 

'Grimmen gegangen ; in der mediein» FacnltSt 1845 der ordenti« Prof. Dr. 
JSe^eri gestorben, nnd ans der philos. Fao. zu Ostern 1847 der ordentl. 
Prof. der Archäologie Pr. Jahn als ord. Prof. an die Unirers. in Leipzig 
gegangen. Die jährlichen Ferien lind, wie bei allen übrigen ' preass. 
UnlTersitäteh (mit Anshabme von Königsberg) durch Cabineüiordfe Tom 
19« April 1644 so geordnet, dass sie im Herbst vom 15. Aug. bis 14. Oct., 
«Q Ostern 3 Wochen danem sollen* FSr Professoren ond Studenten ist 
1816 ein akademisches Lesezimmer eingerichtet ond dazn aus den Uni- 
tersitätsfonds 70 Thir. bewilligt worden. Aus Staatsfonds worden 1844 
800 Thir. zur Gründung einer Sammlong Ton Gypsabdröckeo ^naeh Anti 
len , 1845 jährliehe 2Ö0 TMr. als W«kerer Zuschoss für das chirorgische 
Klinikum und 300 Thir. zar Anachaffong eines Mikroskops für dasselbe, 
1846 7400 Tblr. zor Erweiterung ^er medicinisch > chirorgischen Klinik, 
100 Thir. Zoschuss fQr den botanischen Garten ond 75 Thir. Ür das z<k>- 
logische Museum bewilligt. ^» , Der Phifessor Dr. Schoemann hat in dem 
index $cholarum per sem, MkertniM a, 1842 — 43. kahefidarum [20 (12) S. 
gr. 4.] de jure hereditario Atkenienmim in Bezog auf des Isaeus Rede 
iber die Erbschaft des Philoktemeo geschrieben ond seine in der Hall. 
Ltz. 1840 Egbl. 67« vorgetragene Erklärung jener Erbschaftssacbe gegen 
die Einwendungen von Bonsen und Schelling yertheidigt; im index sehoh 
Mbem, a. 1844 — 45. de transpositione versuum in Aeeek^i EumenidXbua 
[14 S. gr. 4.] die von ßermann yorgeschlagene Umstellong in Vs. 32 ff. 
and die Versetzung von Vs. 276. bestritten , weil in der letztem Stelle 
entweder eine Lücke anzunehmen oder der Vers ganz zu ^reichen sei, 
die Versetznhg von Vs. 453. ond die Umstellung in Vs. 674 ff. zurückge- 
wiesen, nnd>den dritten Chorgesang so geordnet ^ dass Vs. 329 — 333. die 
Strophe, Vs. 334—339. den Mesodus, Vs. 340 — 342. die AntiStrophe 
bilden, in welcher letztern aber zwei Verse fehlen, nnd Vs. 343— -345« 
iknd 346 — 350. wieder Mesoden sind, dabei auch die letztern Verse wie- 
der auf die handschriftliche Reihenfolge zurückgebracht werden; ideni 
index Scholar^ oesttt). o. 1845. eine Diss. de iheogoma Hesiodea tfi aacfia 
non adh&ka [11 S. 4.] und dem Inc^ea; schol, hibem, a. 1845 — 46. mne 
Diss. de nympkia Meliw^ GiganHbu$ et Enmfsm iheogeniae HeHodeae 
[19 S. 4.] voraosgeschickt. In der an die Universität in Koia€(SB£Ra 
za deren dritten Sacularfeier überschickten Gratolationsschrift steht eine 
ron dem Prof. Schomann verfasste-«nd-aoch in den Bachhandel gekom- 
mene Abhandlung de Tkambus Hemdek [35 S, gr« 4.], worin der Grand- 
begriff der Titdnensage gegen Hermann^s il>elrtang festgestellt nnd daraus 
die Folgerung abgeleitet wird, dass der VeH;"Äer Hesiodischen Theogonie 
die Sage nicht mehr in ihrer wahren Bedentong gekannt, sondern nur 
ältere Ueberlieferongen nachgebetet und versifimmelt habe. Die Zahl und 
Stellung der Titanen erscheint nämlich daselbst nicht mehr in der Weise, 
wie sie sich aus den griechischen Ideen von der Weltschopfung ergiebt, 
ond ist namentlich in der Titancmiadhie ganz verworren. Da nämlich die 
Erde vom Ocean nmsbhloSsen gedacht wurde, ao muss dieser Oheanos 
natürlich in derselben Zeit entstanden s^in, als die Er'de sich geformt 
und ^ntua und Coelum aas ihr sich abgesondert hatten. Da ferner alle 



Q«fi$rdermigen mi Blireabeseigiuigen. .1X9 

Erseq^üusse der Kxde haapUäcblich des Wassers sor Nahrung bedarfeo, 
so mosste ancb Tethys geschaffen sein, bevor das Nähren der Erd- 
pflanzen durch sie eintrat« Bevor Sonne , Mond und Sterne entsteh^ 
konnten , waren die sie erzeugenden , ordnenden ond leitenden Kräfte und 
.Gewalten, nämlich I^yperion, Coens, Crio, Thia und Phob^ 
nöihig y und T b em i s und jVfnei^osyne museten geschaffen ^in, bevor 
Jüan die Welt als unter Gesetz und Ordnung gestellt denken konnte. Z« 
.diesen Urkräften kamen noch K r o n o s und R h e a als die Priocipien für 
die Entstehung d^ Dinge und endlich J a p e t o s als Schopfer des Men- 
«chengeschlechtes , indem man nämlich die Menschen nicht von den Göt- 
tern f sondern von den Urkräften geschaffen sein liess. Diese hier Ge- 
nannten sind also die ursprünglichen Titanen und haben ihre Entstehung 
aus den Culten und Volkssagen, von denen jene Namen entlehnt sind. 
Beiläufig ist in Theog. 154. folgende Verbesserung vorgeschlagen : ooaop 
d*u(f Fairig ts xal OvQcivau i^eyivovto Stivovatot nctidiov cfpstiga d* 
fix^-wto xoy,rj'i i£ oIqxV^ y tovnjov i^bv Sna^ xt^ ngtotct yivotto , noivxci^ 
anoytQt^itfucyiB. Zur Feier des Winckelmannsfestes im Jahre 1844 hatte 
der Prof. Dr. Jahn durch die Schrift Paria und Oenone [1844. 13 S. 4.] 
' eingeladen und darin die verschiedenen Kunstalterthumer, auf denen Paris 
und Oenone dargestellt sind , aufgezählt und beschrieben ; und die zu die- 
iiem Feste von dem Prof. Schümann gehaltene Rede ist unter dem Titel : 
JFinckdmann und die Archäologie [Greifswald , Koch. 1844. 32 S. 8.] 
gedruckt erschienen und schildert Winckelmann^s Studien Und Begriff und 
.Stellung der von ihm begrundeteten Wissenschaft der Archäologie. In* 
dem sich der Redner hierbei an Wolfs Definition der Alterthomswissen- 
schaft anlehnt , so macht er die Archäologie zu einem integrirenden Theile 
derselben , und weist auf den Werth der alten Kunst hin , welchen sie als 
-Kanst der wahren Schönheit für die Gebildeten hat. — Zwei philoso- 
phische Doctor- Disputationen der Greifs walder Universität sind die 
Diss. de speculaiiw) logices Platonicae principw von Rud. Döhn aus Hiii« 
richshagen im Mecklenburgischen [Greifswald gedr. bei Kunike. 1845. 
52 S. gr. 8.j und Disquisüionei nonnullae de fractionibus continuia von dem 
Lehrer P. Fr. Arndt am Gymn. in Stralsund. [Stralsund 1845. 32 S. gr.8.] 

HiLDBVRGHAUSBN» Das dasige Gymnasium , welches in seinen 6 
Classen zu Ostern 1847 von 87 Schulern besucht war und 8 Schüler mit 
-dem Zeugoiss der Reife zur Universität entliess , hat im Laufe des ver- 
gangenen Schuljahres mehrere Veränderungen und Vereinfachungen in 
seinem Lectionsplane vorgenommen [s. NJbb. 49. S. 224 ff.] und aus dem 
LdirercoUegium den xum Rector der vereinigten Schulen in SaalfeLp 
.ernannten dritten Lehrer Dr, Alb. WMemann verloren. Während nun 
der Director Dr. A. Stünenhurf^ und die Professoren Dr. F. Reinhardt .und 
Dr. E. Büchner unverändert in ihrer Stellung verblieben sind, sind die 
Lehrer Dr. A, Doberenz , Dr. J» Siebeiis und Dr. W< Henneberger in die 
dritte, vierte und fünfte ordentliche Lehrerstelle aufgerückt, der Dr. Do* 
^erenz auch zum Professor ernannt, und als sechster ordentlicher Lehrer 
der Pfieurr-Vicar Anton Emmerißh angestellt worden. Das zu Ostern die- 



120 Sfitol- and ünhrqrwtStWMidiricht— , 

•es Jahres znr Aahorniig der offeoUichen Prafang ersclueaeoe EhdadMng§* 
Programm enthält aoter dem Titel: Corrufta$ aliquot Ataehfiy OceronU^ 
Taäü loeoa emendare eonofus egt Rudoiph, Stuartnkwrg [HUdbarghanseii 
gedr. bei Gadow und Sohn. 1847. 26 (14) 8. 4.] kritische Erörternngen 
SU 8 Stellen ans Aeschjli Prometheus , 9 Stellen ans Cicero uod 6 Stellen 
ans Tadtos , in denen- über die Verde^bniss des Textes kein Zweifel sein 
kann , nnd für welche der Verf. anch nur in zwei Stellen (Aesch. Prom. 
6. adafiaPTiraif nidfjoiv d^^i^KtOig jUx^aigj und Cic. Tusc. I* 
$. 101. Quid? üle dux eemidea dküi P&rgiU animo forü etc.) die Ver^ 
besserung aus den Handschriften hat entnehmen k6nnen, die übrigen 
durch Conjecturalkritik zu heilen sucht. Da die Erörterungen auf tiefere 
Erörterung des Sinnes und Znsammenhanges der Stellen nicht eingehen, 
sondern nur die vorgeschlagenen Verbesserungen kritisch und sprachlidi 
rechtfertigen, und dies, wie sieh das bei einem Gelehrten , wie Hr. Stu- 
renburg ist, ?on selbst versteht, überall mit reicher kritischer und sprach- 
licher Einsicht und Umsicht geschehen ist: so wollen wir hier die ge- 
machten Aendernngen einfach aufzählen. Es ist nämlich als richtige Les- 
art Torgeschlagen Aesch. Prom. 188. aX7i ^fivag, ^(inecg ottp fiaXccxoyviD^ 
limv ictat no^'y otav tccvtrj ^aiö^^. ib. 263. iXatpgov oattg n. I. n, Ijjst «. 
pov^ezeiv zs tovs ncnttSg nQaaaovTces» tSös xav^' anavx riniczä^riv. 
ib. 541. fiv^^fff fio'X^Offf huiüvmoyL^vov Zrivl atvyogy d. u für Zeus 
em Gegenstand des Zornes, ib. 560. a to (pcozavy dXaov (patztov ysvog. 
ib. 712. otg f»i} neXa^siv , all' dXiCzalg yv7to9ag xQiisazovisa ^%iaiaip 
htxsQuv i^ova , wo yvnovg , erlahmter Fuss , durch das analoge ^fUnovg 
Tertheidigt wird. ib. 790. nach einer Conjectnr von J. Siebeiis: ozccp 
fÜQderjg QsId'QOV rinhlqav oqov^ ngog dvzoXdg (pXoydSnag ^Xiov Ott' 
ßstg novzov negdiaa (pXotaßov. Cic. Tusc. I. §. 20. et duas partes se 
s%p arare voluit; §. 38. sed, guod Uteris extet y probe Phereesdes Sjf^ 
rius dixit etc. ; §. 45. sollen die gesammten Worte quae est nominatq 
ArgOy quia Argivi in ea delecti viri etc. Worte des Ennijus sein; $. 105. 
Mater y te appello, au quae cur am somno suspenso levas^ Neque tey te 
mei miseret? surge et sepeli natum! Tusc. U. §. 38. priusquam oppeto ma- 
lam pestem au datam hostüimanu. Cic. in Catil. 11. §. 22. manieatis 
et talaribusy sed tritis tunicis. ib. IV. §. 11. facÜe me a crudelitatis 
Mfüuperaiiofie populi Romani defendetis, exsolvetis, Tacit. Ann. 
n. 11. cffringerent um der handschriftl. Lesart willen , statt frangerent. 
II. 14. 8 1 scrtpsMsent expostulantes y d. i. etwa gewechselte Briefe beider 
herausverlangendy IV. 33. sie converso statu, neque alio rerum, quam 
•tc. nach der Conjectur von Ryckius. IV. 53. esse tn cwitate qui Ger- 
manici coniugem ac Uberos eius redpere dignarentur, IV. 57. tandem 
Caesar in Campaniam speetat specie dedicandi templa etc. Tacit. bist. 
L 70. adversus Petronium ivit procuratorem» I. 83. St, sicubiiabean- 
für, quaerere singulis liceat etc. In den beiden Stellen Aesch.^Trom. 19^ 
und Cic. Tusc. I. $. 37. hat der Vf. die vorgeschlagenen Verbesserungen 
spater nach brieflichen Mittbeilungen wieder zurückgenommen , nnd bil- 
ligt in der ersteren die Conjectur des Tumebus axovza i antov SvcXv- 
xoig xctXii%v\Laci^ in der letzterau mortuorum imagineSy nach dem Homeri- 



BefSrSenmeeii und EkieBbeseigoiigäi. ^ 121 

flohen BÜdala wtfkovtmVy wof6r er im Prograoim imagineB mörialwm 
Torgeschlagea hatten [J.] 

PREUSSEN. FvLT das Jahr 1847 sind die wissenschaftlichen Pra- 
fengscommissionen znsammengesetzt: in Königsberg aas den Unirersir 
tats-Professoren Dr. Drutnann (als Director) , Dr. Rosenhranx , Dr. tU^ 
ehelot and Dr. Lehra^ dem Consisl^alrath and P/of. Dr. Leknerdt and 
dem Medicinalrath nnd Prof. Dr. Rathke; in Breslau ans den Profes- 
soren Dr. Kutzen (Director), Dr. Kummer^ Dr. Gopper^y Dr. Braniss, Dr. 
jimbrosch, Dr. Friedlieb and Dr. Oehler; in Greifswald ans den Pro- 
fessoren Dr. Grunert (Director) , Dr. Barthold, Dr. Stiedenrothy Dr.Hdtn* 
schueh and Dr. Semiach; in Berlin aas den Professoren Dr. TrendeUttr 
kurg (Director), Dr. Soheübachy Dr. Gtut, Rose and Dr. Ehrenhergj 
den Gymnasialdirectoren Dr. Memeke and Dr. Cramer und dem Obercon» 
sistorialrath Prof. Dr. Twesten ; in Halle ans den Professoren Dr. Leo 
(Director) , Dr. Bemhardy , Dr. Sohnke , Dr. Ulrici und Consistorialrath 
Dr. Müller; in Münster aas dem Consistorial - ond Scholrath Dr» 
Wagner (Director) und den Professoren Gudermann, Dr. JFiniewski, Dr. 
Orauert, Dr. Esser , Dr. Becks and Dr. Dieckhoff; in Bonn aas den Pro- 
fessoren Dr. P^ficfcer (Director), Dr. RUschly Dr. Lobeü, Dr. Hilgergf 
Dr. Chist, Bischof, dem Geh. Regieratigsrath Prof. Dr. Brandts and dem 
Consistorialrath Prof. Dr. Sack, Bei der wissenschaftlichen Prafungs- 
commission' in Berlin ist seit vorigem Jahre für das Fach der Naturwis- 
senschaften noch eine zweite Steile gegründet worden , indem die Erfah-: 
rang gelehrt hat, dass sich sehr schwer Gelehrte finden lassen, welche 
die Prüfung in der Zoologie , Botanik , Chemie und Mineralogie zugleich 
za übernehmen geeignet sind. Demnach ist der Professor Ehrenberg für 
Botanik und Zoologie und der Prof. Gtist. Rose für Mineralogie und Che-> 
mie zum Prnfungsmitgliede ernannt. — Seit Ostern 1846 Ist durch Mi- 
nisterialverordnung die gesetzliche Forderung eingeführt, dass kein Canr 
didat der Rechte i^ur ersten juristischen Prüfung zugelassen werden darf^ 
welcher nicht über Logik, juristische Encyclopädie und Methodologie, 
Rechtsphilosophie , Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, 
Pandecten, deutsche Rechtsgeschichte, deutsches Privatrecht, Kirchen- 
recht, Lehnrecht, europäisches Völkerrecht, deutsches Staatsrecht, Cri- 
minalrecht, gerichtliche Medicin, preussisches Privatrecht, gemeinen 
Cfvilprocess und gemeinen Criminalprocess akademische Vorlesungen ge- 
hört hat. 

Ratzebürg. Die dasige Domschule ist durch Baschluss der gross- 
herzogl. Regierung zu Neustrelitz um Michaelis 1845 aufgehohen und an 
ihre Stelle ein theologisches Seminar gesetzt worden , an welchem der 
Stadtprediger und Consistorialrath Rüdiger aus Neustrelitz ond der ge- 
wesene Prorector Kämpfer von 4er früheren Domschule als Lehrer an- 
gestellt, sowie der Prorector Genzken als Stadtprediger nach Neustrelitz * 
nnd der Mathematikus Wittmütz als Rector an die Bürgerschule in Schön- 
berg versetzt worden ist. Dagegen ist von Seiten der Dänischen Rer 
giernng in Ratzebarg eine neue Gelehrtenschule für das Herzogthom 
Lanenbtirg errichtet and am 20. Oct, 1845 eröffnet worden. Za 4At«Sk 



12S ^BcW* ud UidveraÜatwiidiridi^ 

Dinctor wnrde der Conrector der geweaoieii Domscbiile profeMor Z«n« 
iler eroaniit, and neben ihm lehren der Rector Dr. Rktk^ der Conrector 
Sobertagj der Snbrector Dr. Aldenhoven n. die CoUaboratoren $kferi und 
ÜUth. Die 5 Cla«gen der nenea Schale waren von Michaelis 1845 bis 
dahin 1846 Ton 91 Schalern besucht , and zam Ostwexamen 1846 lad der 
Direetor Prof. Zoniier darch ein Progitom ein , welches Jrtdeutungen cur 
€hieMckie de$ Bfomisehen Kriegnoeaen» [18. 'S. 4.] enthalt and als Fort- 
.Setzung einer im Progranm der Domschule im Jahre 1840 heraosgegebenea 
Abhandlung, in' welcher die Geschichte des römischen Kriegswesens in 
drei Perioden, Ton SerTius Tnllias, von Camülos und ron Sdpio Afiri- 
cnniis an, zertheilt ist, eine Charakteristik der romischen Kriegsdiscipiia 
in den beiden ersten Perioden enthält Zar feierlichen Eröffnung der 
fieaen Gelehrtenschnle im Jahre 1845 halte der Ephorus derselben, Su- 
perintendent CatenJauen ein Programm geschrieben, worin Dr. Martin 
LiKitheirB , de$ deuincken Prcfhelen und JpoHda , lekrreiehe Auasprüche über 
die kehen Sehulen zusammengestellt sind. 

RüDOLSTADT. Das dasige Gymnasium war im Schuljahre v. Ostern 
1646 bis dahin 1847 im ersten Halbjahr von 142, im zweiten von 144 
Sdiulern beiucht, von denen 115 den fünf Gymnasial - and 27 den beiden 
Realdaesea angehorten, und entliess zu Ostern 1847 7 Schaler cor Uni- 
versitSt. Von den Lehrern desselben starb am. 20. Juli .1846 der Prof. 
und Consistorialassessor Dr. Lorenz Sommer und gegen das Ende dfis 
Jahres wvrde der Professor Hereher, welcher abwechselnd mit dem Prof. 
Sommer das Directorium des Gymnasiums besorgt hatte, mit dem Titel 
eines Hofrathes pensionirt. Dafür wurde der Dr. Kmrl Wük. Müller^ 
Welcher von 18d3 — 1846 als Direetor des hohem Gymnaskims und ab 
ausserord. Prof. an der Universität in Bern gelehrt und im Decbr. 1846 
die nachgesnchte Entlassung „in allen Ehren mit Verdankoog der gelei- 
steten Dienste^' erhalten hatte , im Januar des jetzigen Jahres als Direetor 
vnd Professor eingeführt , und neben ihm lehren die Professoren. Obba- 
rhu , Wdthier und Dr. Klmummnn [letzterer seit 1846 definitiv angestellt 
and zum vierten Professor ernannt] , der CoUaborator und Lehrer der 
5« Classe Dr. Rudolph Hercher [seit Anfang 1847 angesteUt], der Lehrer 
der Mathematik und Physik Dr. Bottger, der Milizprediger OüneiJte als 
Religionslehrer der untern Classen , der Hofsprachlehrer Gascard für das 
Französische, und ein Schreib - nnd Gesanglebrer. Der Zeichen - und 
Turnunterricht und der Unterricht der Realclassen wird von den ordent- 
lichen Lehrern des Gymnasiums vertreten. N^ben .den Toranbungen 
Sind nach Consistorialrescript vom 11. März 1846 mit den Schillern der 
Mden obersten Classen aueh in zwei Standen wMientlicb Waffenubun- 
gen vorgenommen worden, aber onier bestfindiger Anfsidkt eines Gymna- 
siallehrers , um allem Missbrauche zu wehren. Von demselben Consisto- 
riom ist auch ein früheres Rescript {s. NJbb. 42. S. 192.] wieder in Er- 
innerung gebracht, daes nämlich nur diejeiagen Gymnasiasten Eriaubniss 
sum Studium der Theologie erhalten sollen , welche wirklich durch ihre 
geistigen Anlagen, ihre sittliche Haltung und ihre körperliche BesdMiffen- 
iMH'daBn geeignet sind. Bin anderes Consistorialrescript vom 2&. Febr. 



B«förd«ra«ftNi and BkrenV«B>eigaigtti. $iSß 

'1947 Terfagt , dass kfinftigfain die Lehreane ein Jahr dattern und itt 
Ostern beginnen sollen, damit die neu eintretenden Sohnler denaelbea 
«ogleieh folgen können; dass, wahrend bis jetkt in Prima sechs, in Se» 
4mnda fönf alte Schriftsteller neben einander gelesen worden sind , künftig 
in der gleichen Anzahl Standen zwei Griechen und zwei Romer, je ei« 
Dichter and Prosaiker , erklart werden sollen , in<dem nnr dadurch eine 
regere Theilnahme an diesem Unterrichte erzeugt werde ; dass aber znr 
passenden Zeit mit den Schriftstellern abgewechselt werden soll; dass 
tMBSoaders in deia ehern Classen die Bchriftiichen Uebungen in den ver«- 
vchiedenen Sprachen immer Ten demjenigen Lehrer geleitet werden solleni 
welchem in der Classe die Erklamng der Schriftsteller obliegt /weil hei* 
des , schriftliche Uebungen und Lectüre , in zu innigem ZnsasMnenhang« 
etehea , als dass es ohne Schaden getrennt werden könne ; das« zn den 
physikalischen Unterrichte in der ersten Classe noch eine Stande hinzn-^ 
gefugt werden soll. In demselben Rescript war auch ein ausführlicher 
Plan fKr den Unterricht in der deutschen Sprache mitgetheilt and ' nidit 
nnr festgesetzt, was in theoretischer und praktischer Rücksicht getrieben 
werden soll , sondern auch als Grandsatz aufgestellt , das;i der Unterricht 
nach den Ansichten von K. F. Becker ertheilt werde. In dem zu Ostern 
1847 herausgegebenen Jahresprogramm hat der Director Prof. Dr. MüUer 
ausser dem Jahresbericht Commentaria Jwnlii Fltigfü , T. GalU «f Gotf- 
dtntu in VtrgüH geptem prior e$ eclogas , nunc frimum ex 'codiee Bemenai 
[Radotstadt gedr. bei Frobel. 49 (42) S. 4.] mitgetheilt, d. h. aus einer 
' Bemer Handschrift des 10. Jahrhunderts , welche froher dem Dan. Hei»- 
sios gehört hat and eine Sammlnng ron Schollen zu den Eclogen, den 
Georgicis und den fünf ersten Büchern der Aeneide des Yirgil «nthält, 
die Schellen zu den sieben ersten ficlogen and die in derselben Handschr« 
beikidHcheVita Yirgilii, welche gewöhnlich demDonat baigelegt wird, abdm» 
cken lassen. Der Abdruck ist genau nach der Handschrift gemacht «nd Hr. 
Müller hat nur einzelne der vielen Fehler verbessert , dann aber auch 
jedesmal in besonderen Annserkungen die Lesart der Handschr. angeführt* 
Es stehen diese Schollen , von denen Hr. M. bereits in dem Analectis Berw 
nensibus {1841) eine Probe mitgetheilt hatte, in enger Verwandtschaft 
mit den Schollen za denselben Schriften des Virgil in einem Codex Vo«*- 
sianas zn Leyden , woraas Suringar in der Historia cridca Soholiastarom ^ 
Latinorum II. p. 272 ff. ein Stück hat abdrucken lassen : nnr sollen die 
Berner reichhaltiger sein , und die jüngere Vossisdie Handschrift scheint 
Von einem Abschreiber herzurühren , der mehrere augenscheinliche Fehler 
der Quellenhandschrift stillschweigend verbessert haben mag. Ob beid* 
Handschriften aus einer und densfffiben Qoelle stammen, lasst sich znr Z«St 
hoch nicht zuverlSssig übersehen; Hr. M. bemerkt, dass sich eine dritte 
ähnliche Handschr. solcher Schollen in Rom befinde. Auch i^rfte der 
Scholiencodex G , welchen Barmann za den ersten Büchern der Georgioa 
benatzt hat, mit ihnen in naher Verwandtschaft stehen; minder die Scho- 
Ma Parisina, von denen Dühner in der Nouvelle Revoe philologique 1845, 
1. p. 17. eine Probe bekannt gemacht hat. Was nun den, Werth J&bmik 
MiolleR anlangt, so «ind «ie ein 'seltsames Gemch T«n4dkrici gdishrlwm 



ISl «Nidifil-iiiid UniVersitatnaeluriditAi.i 

Notisen , die ans altea ig;titen Quellen «tammeji mfiiäen , nnd von flachen 
lind unverständigen Wort - und Sacherklärungen. Bei mehrern einzelnen 
^cholien findet sich die Angäbe , dass sie aus Commentarien von Juniliua 
Flagrius und Gaudentiua entnommen sind, und einen weitem Aufschluss 
geben noch zvrei Unterschriften, welche sich in beiden Handschriften za 
Ed. 10. 77. und hinter dem ersten Buche der Georgica finden, nämlich 
an der ersteren Stelle : Haec omnia de commentarüs Romahorum congre^ 
gavi, t. e. TUi Galli et Gaudentü et maxime JunÜü Flagrüy Mediolanen- 
ses [im Cod. Voss. Mediolanensiam\ , zu der letztern : Titus Gällus de 
tnbuB commeniarüs Gaudentü [cod. Bern« Gaudentius] haec »cripaU [oder 
fecU, wie im cod. Bern, steht]. Bs sind abo Excerpte aus andern Com- 
mentatoren , mit allerlei Znsätzen vermehrt , und in^ einer Weise ausge- 
logen , welche nicht eben sehr verständig genannt werden darf. Indes« 
da diese Scholien doch manches Gute enthalten: so ist es sehr willkom- 
men , das« Hr. M. auch den Abdruck der noch übrigen bei anderer Ge- 
legenheit folgen lassen will. ^ Sollte es ihm möglich sein , sich dazu auch 
ciine Abschrift des Code Voss, zn verschaffen, so -wurde er dadurch ein 
bestimmteres Urtheil über das Wesen dieser Scholien sehr fördern. Bine 
literar-historische Untersuchung über dieselben hat neuerdings Phil. Wag- 
ner bekannt gemacht. Vgl. den Artikel Dresden. [J,] 

SoNDERSHAüSEN. An dem dasigen Gymnasium ist die Schulerzahl, 
welche zu Ostern 1846 in den 5 Classen 53 betrug, im Schuljahr bis za 
Ostern 1847 auf 70 gestiegen, wovon aber einige 20 nur solche sind, 
welche den Gymnasialunterricht benutzen , um sich für das zur Bildung ' 
von Blementarschullehrern bestehende Landesseminar vorzubereiten. Zur 
Universität wurden im Herbst 1846 3 Abiturienten mit dem ersten und 
zweiten Zengniss der Reife entlassen , und zu Ostern 1847 hatten sich -2 
Schuler zur Abiturientenprufung gemeldet. Die zeitgemässe äussere Ver- 
vollkommnung des Gymnasiums wird in der erfreulichsten Weise gefor- 
dert. Mehrere zu gering besoldete Lehrer haben. Zulagen erhalten; für 
den Lehrapparat sind die Zuschüsse aus dem Gymnasialfonds vermehrt 
worden; das Gymnasialgebande soll im neuen Schuljahr einen Umbau er- 
fahren und zweckmässiger eingerichtet werden; zur Brleichterung derje- 
nigen Lehrer, welche bisher mit zu vielen Stunden belastet waren, und 
znr zweckmässigem Vertheilung der Lehrkräfte auf die einzelnen Unter- 
richtsgegenstände ist die Anstellung eines neuen Hulfslehrers in Aussicht 
gestellt. Gegenwärtig nämlich ist der Unterrichtsplan, trotzdem dass 
zahlreiche Combinationen stattfinden , doch so gestaltet, dass der Director 
Fr. Gerber 17, der Prof. Dr. W. Kieaer 25, der Consistorialassessor C. 
Emmerting [für den Unterricht in der Religion und dem Hebräischen in 
Prima und Secunda] 7, der Oberlehrer Ferd, Gobel [für Mathematik und 
Physik] 11, der Oberlehrer Dr. C. Zange [für Franzosisch] 10, der Col- 
laborator Dr. Gust, Quecfc 24 , der Cantor Roh, Luize 22 , der Gymnasial- 
lehrer Thilo Irmisch 27, der Zeichenlehrer Friedem. Kleffel 6 wöchent- 
liche Lehrstnnden zu ertheilen hat. Der zu Ostern 1845 erschienene 
JmhreaheriM über dag Gymnasium enthält als Wissenschaft!. Abhandlung : 
Beiträge sbut CkarokteriHik des IMue Ton dem Collaboraior Dr. Quedt , 



BeBrderBngen and EhrenbeoeigangM. 185 

[32 (^)] S. gr. 4.], eine nach Inhalt nnd Form vorzügliche and sehr an- 
sprechende Schildernng der psychologischen Eigenthumlichkeiten, welche 
den schriftstellerischen Charakter des Livins ausmachen. Kein anderer 
römischer Historiker soll nach der Behauptung des Verf. einen so krafti- 
gen und wirksamen Einfluss auf die Gemüther der Leser , namentlich sta- 
dirender Junglinge, äussern , als Livius durch den sittlichen Ernst und dU 
sittliche Würde, womit er die allmälige Entwickelung des romischen 
Staates , die Charaktere der Schöpfer und Träger derselben , die unzäh- 
ligen , siegreich überwundienen Conflicte des Staats, und seiner Glieder 
darstelle, sowie durch den erhabenen religiösen Sinn, der sich durch' 
Alles, was er erzähle, durchziehe. Es sei aber diese Wirkung eine rein 
natürliche und nicht durch künstlich angelegte Mittel bewerkstelligt« 
Ohne ermüdende *Einleitungen und kritische Erörterungen , welche die 
Auffassung und das Urtheil des Lesers im Voraus gefangen nehmieuj^ ohne 
lange Betrachtungen , welch« die Handlung anterbrechen , ohne kalte Re* 
flexionen und politische Raisonnements , welche die Thatsache aus d«n 
Auge entrücken, wisse er das rein historische oder für historisch ange- 
sehene Ereigniss auf dem ebenen Spiegel der Objec^ivität zu geben und 
die blosse Gestaltung der Dinge ohne jene erkältenden Zuthaten zu schiU 
dern. Und diese Erzählung, welche in ihrer geschichtlichen Nackthdt 
ermüden und erschlaffen würde , erhalte Leben , Wärme und Kraft duroh 
das religiös -sittliche Element, auf welchem er als Schriftsteller 
stehe. Darum sei es der Volksglaube, den er in schonuhgsTolIer Ach- 
tung und heiliger Scheu nicht antaste, dem er als treuer Verkünder der 
alten Zeit sein Recht und seine national politische Bedeutung lasse; da- 
rum sei es die Tugend, die er .bewundere und preise, das Laster, das 
er strafe und züchtige, die Gerechtigkeit im Handeln der Menschen und 
Völker, sowie im Walten der Götter, die den Fortschritt und Abschluss 
einzelner Ereignisse bedinge; darum sei es die unvermeidliche und anab- 
wendbare Allgewalt des Fatum, durch welches er Uebiermuth und Frevel 
jBtürzen, die entsetzlichsten Katastrophen hervorrufen, die kämpfenden 
Elemente zur Ruhe kommen, Uebereilung, Verblendung, Irrwahn and 
unerklärliche Verhältnisse vermitteln lasse. Und so erhebe er sich von 
seinem sittlich - religiösen Standpunkte aus zur rein tragischen Auffas- 
sung , zur tragischen Idee. Aber er habe dieses charakteristische Ele- 
ment nicht ängstlich überall ausgesprochen und angebracht, nicht die 
Ereignisse gewaltsam nach der subjectiven Maxime gestaltet, sich nidit 
Über die Ereignisse gestellt, sondern sich in dieselben vertieft; ganz un- 
willkürlich , schlicht und anspruchslos komme es zum Vorschein , liege 
manchmal nicht offen zu Tage, sondern müsse als verwebt mit den Facteii 
erst herausgefühlt werden: und so sei denn dieses religiös - sittliche Ele- 
ment in seinem innersten Wesen begründet, ein reiner Aasfluss seines 
eigensten Denkens und Fühlens und die Grundfarbe in seinem Bilde» 
Er sondere seinen Beruf als historischer Schriftsteller nicht von dem 3e- 
rufe des Menschen , sondern jener gehe in diesem auf. Er schildere mehr 
als er urtheile , und selten lasse er sein Urtheil als Ergebniss der Sachen 
durchschimmern« Allerdings berge die Geschichte and vornehmlich ^e 



X9it Schdl" Bod UnivorntitinaoliriolitM, 

Qefchiehte des römischen Staates jenes religios^sittliche Element in sich 
«od bringe es sur AnschaHUdg; aber des Livios Verdienst sei, dass er die ■ 
Fasen und Fäden dieses Elementes heraosgesncht and dessen Mahnungen 
nicht nur durch beredte Worte', sondern durch kraftige und begeisterte 
Melodien kundgegebeu, überhaupt am eindringlichsten den tiefen sittlichen 
Werth des Gescbichtsstudittms vermittelt habe , dabei auch nicht die hb« 
stracte Tugend , sondern das verkörperte Ideal derselben uns vorgehalten, 
und in rein objecti?er, wahrhaft epischer Haltung die Blatter der Ge- 
schichte , ohne Vorwort und phne Nachschrift für die einzelnen Situatio- 
nen , vor uns aufgerollt habe , um den sittlichen Gehalt derselben auf uns 
überströmen, um Belehrung oder Warnung an uns ergehen zu lassen. 
Eine sittliche Atmosphäre sei aber das Ganze gezogen, ein sittlicher 
Hauch über dasselbe ausgegossen. Darum sei auch der Ausdruck , die 
sprachliche Darstellung dieses von Religion und Sittlichkeit durchdrunge- 
nen Charakters innigst mit jenem naturlichen Elemente verwachsen und 
ihm natüriich entsprechend. Die Sprache des Livius sei vom sittlichen 
Hauch durcbdningen , stelle Entrüstung über das Laster , Bewunderung 
4er Tugend , Theikiahme an den Schlägen des Schicksais entsprechend 
dar und schwinge sich so/ zur tragischen Form auf. Darum sei nicht 
Alles leerer Prunk und gehaltloser Wortschmnck^ was ihm ein erregtes 
Gefühl, eine glühende und blühende Phantasie in die Feder gegeben habe, 
nicht Alles eine der damaligen Mode huldigende Rhetorik, was die Gesetze 
der Einfachheit überschreite,-—^ wenn auch der Schriftoteller nicht gänz- 
lich die Formen , unter denen er seine Bildung erhalten und in denen seine 
Zeitgenossen sich bewegten, habe abstreifen können* Da nun aber die 
geschichtliche Darstellung des Livius so entschieden auf dem religiös-sitt- 
lichen Charakter des Livius ruhen soll: so versucht es der Verf., die spe- 
cielle Ausprägung desselben , wie sie sich in dessen Geschichtswerk' kund- 
giebt, nach den wesentlichsten Hauptcügen zu schildern. Er zeigt dem- 
' nach, wie dieser sittliche Charakter auf religiöser Grundlage ruhe, und 
wie Livins si^h eng an seine vaterländische Religion anschliesse , Roms 
Grosse'nach den Ansichten seines Volkes als ein Werk und als eine Offen- 
barung der Gotter ansehe, überall die Zeichen und Beweise dieser gott- 
lichen. Offenbarung verfolge, nur aber dieseil religiösen Glauben in ge- 
läuterterer Erkenntniss als der grosse Haufen kund gebe, ohne an dem 
ehrwürdigen Gebäude der Orthodoxie zu rütteln, und wie man es ihm 
daher nicht als Superstition und Leichtgläubigkeit auslegen dürfe, wenn 
er dfts Wesen der Vorzeit sa treu nach dem Glauben der Väter darstelle. 
8r xeigt femer , dass aus den Grundzügen dieses sittlichen Charakters 
die Wahrheit, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe hervor- 
gingen, die sich in allen seinen Darstellungen abspiegeln, und die in 
ihren einzelnen wesentlichen Ausprägungen durch entsprechende Beispiele 
belegt und' geschildert werden. Dabei ist über dessen politischen 
Charakter bemerkt, dass er ein echter Romer mit Herz und Sinn war, 
djuis er sich parteilos zwischen die Kämpfe der Patricier und Plebejer 
itelli, und überall das allgemeine Menscfaenrecht , die gesetsmässige Ord- 
aong der Dinge , die gerechte Mitte der Preiheit and das darauf beruhende 



BefSrdeniiigeii and EhmbeitigiiiifM. 187 

Heil des Staates herrorhebt,.nnd alle Ansschweiftmgen jedes Standes rer- 
wirft und in ihrer Ungehorigheit darzustellen weiss. Den Schlass bildet 
eine Charakteristik seiner sittlichen Weltanschauung» die in die 
Idee des herrschenden Fatun auslaufen soll, welches ordnend und regierend» 
strafeAd und lohnend als die höchste sittliche Potenz im Schicksale ein- 
zelner Menschen und ganzer Volker walte. Alles, was der Verf. über 
diese Dinge vorbringt , ist scharf und tief aufgefasst und mit soviel Um- 
sicht begründet, dass sich die Abhandlung den mehrfachen Untersuchun- 
gen über das sittliche Element der alten Schriftsteller auf sehr wordige 
Weise änschliesst. Dass sie natürlich noch keine Gesammtcharakteristik 
des Livias ist, hat der Vetf» wohl dadurch angedeutet, dass er eben nur 
Beitrage zur Charakteristik des Livius, hat liefern wollen. [J. J 

Waadtland. Das neue Schulgesetz Tom 12. Not. 1846 enthalt 
folgende Bestimmangen. »»Der Unterricht in den öffentlichen Schulen 
ist zu ertheilen in Angemessenheit zu den Grundsätzen des Christenthums 
und der Demokratie (nach Art. 3 der Verfassung). — Art. 1. Die öffent- 
lichen Lehranstalten des Cantons sind a) die Primärschulen, b) dieMittel- 
und Industrieschulen und die städtischen Schulen (coH^es commnnaux), 
c) die Cantonschale (Gymnasium in Lausanne) und die Akademie. — 
Art. 2. Durch besondere Gesetze organisirt werden die Normalschule für 
Bildung des Lehrerpersonals der Primärschulen , itt eine Ackerbanschule, 
it. eine Schule für Künste und Gewerbe. — Art. 105-— 8. Die Prüfun- 
gen der Schnlamtscandidaten werden durch eine Juri abgeschätzt. Die 
Prüfungsjuri erstattet der Mnnicipalität und dem Erziehungsrath um- 
ständlichen Bericht über das Ergebniss der Prüfung eines jeden Candida- 
ten und giebt ihren Vorbescheid. Nach Vernehmung mit diesen beiden 
Behörden ernennt der Staa^rath die Lehrer. — Art. 229. Ein Ausschuss 
von drei Lehrern versieht, unter Autorität des Erziehungsrathes , die 
Direction , Inspectlon und Administration der Cantonschule. Eines der 
Ausschussmitglieder wird für die Dauer eines Jahres vom Staatsrath zum 
DIrector ernannt, ist Jedoch wieder wählbar. -* Art. 255. In sämmtli- 
chert öffentiic|ien Schulen ist keinerlei Religionslehre zulässig, als diejenige 
der Nationalkirche (laut Art. 9 der Verfassungsnrkunde) und , in Anwen- 
dartg auf die Schulen katholischen Bekenntnisses, die der römischen Kirche. 
Jeder diesem Verbot zuwiderhandelnde Lehrer wird abgesetzt (sera de- 
stitu^). ' In allen derartigen Pällen hat die Schulbehörde sich vorläufig 
mit der Kirdienoommission zu vernehmen. — Art. 256. Jeder mit irgend 
einem Üntiorrichtszwelg Beauftragte , welcher religiösen Dissidentenver^ 
Sammlungen ausserhalb der Nationalkirche beiwohnt, ist absetzbar (fimträ 
^tre destitu^). 

Das später als das Schulgesetz erschienene Regulativ (nr die Can- 
tonschule aufs Jahr 1647 giebt folgende Vertheilang der Lehrgegen- 
stände. ' 



128 Sdinl- und Universitatsnachrichten etc, 



Glasse 


VI. 


V. 


IV. 


ra. 


n. 


I. 


Alter 


10. 


11. 


12. 


13. 


14. 


15. 


Religion 


3, 


2. 


2, 


h 


~T» 


*""> 


Franzosisch 


7, 


6, 


4, 


4, 


4. 


5, 


Deatsch 


— j 


3, 


2, 


2, 


2, 


2, 


Latein 


10, 


9, 


9, 


8, 


6. 


6, 


Griechisch 


— * 




6, 


6, 


4, 


5, 


Rom. Alterthumer 


""*> 


9 


9 


9 


2^ 


2, 


Griech. Alterthumer 


^9 


f 


"~> 


""> 


C 


1, 


Alte Geographie 


> 


"~> 


"^9 


1, 


tT 


1, 


Geschichte 


1, 


1, 


2, 


3, 


2, 


3, 


Neuere Geographie 


2, 


2, 


2, 


2. 


2, 


2, 


Mathematik 


3, 


3, 


3, 


2, 


3, 


3> 


Physik u. Naturwissensch. — , 


9 


"""> 


""">• 


3, 


2, 


Schreiben n. Stenograph. 


. 3, 


2, 


2, 


1, 


1, 


1, 


Zeichnen 


2, 


2, 


2. 


2, 


2, 


2. 


Gesang 


2, 


2, 


2, 


2, 


2, 


2, 


Gymnastik 


3. 


2, 


2, 


2, 


2, 


2, 



Somma 34. 34. 38. 36. 35. 39. 
Hierzn noch die militärischen Uebungen , wofür wöchentlich ein halber 
Tag angesetzt ist. — Der Canton hat binnen kurzer Zeit zwei seiner 
hervorragendsten Männer verloren: Monnardy durch dessen Berufung 
nach Bonn als Professor der franz. Literatur; Finet (am 4. Mai) durch 
den Tod. Beide hatten deutsches Wissen an den Quellen geschöpft, 
M* in Frankfurt a. M. , wo er längere Zeit als franz. Prediger angestellt 
war, V. während vieljährigen Aufenthalts in Basel. [O, C, K,'\ 



Versammlung der Philologen^ Schulmänner und 
Orientalisten in Basel. 

Da in der Philologen - Versammlung in Jena für das Jahr 
1847 Basel zum Versammlungsorte bestimmt, und die Unterzeich- 
neten mit der Führung der Geschäfte beauftragt worden sind, so 
wird hiermit die Anzeige gemacht, dass die Versammlung vom 
29. September bis zum 2. October in Basel stattfinden wird. Dem- 
gemäss werden die Philologen, Schulmänner und Orientalisten 
Deutschlands und der Schweiz, welche unsere gemeinsamen 
Zwecke zu fördern geneigt sind, ergebenst eingeladen, in der 
angegebenen Zeit sich in Basel zu versammeln. Diejenigen, welche 
einen Vortrag zu halten beabsichtigen, werden ersucht, bis späte- 
stens Anfang Septembers daVon Anzeige beim Präsidium zu machen 
und den Gegenstand zu bezeichnen. Auch die Anzeige der An- 
kunft ist desshalb wünschenswerth i damit eine hinlängliche An- 
zahl Wohnungen bereit gehalten werden können, welches ein be- 
sonderer Gegenstand der Sorge für die Unterzeichneten sein wird. 

Basel, den 24. Mai 1847. 

Fr. Dar. Gerlach. W. Vücher. W. M. Leb. 
De Wette. J. J. Stehelin. 



]tf eoe 

JAHRBÜCHER 

fSat 

Philolegfie and Paedag^egfik, 

oder 

MrUische IBihUotheU 

far das 

Schill- und Unterriclitswesen. 



In Verbinduiig mit einem Vereine von Gelehrten 

herausgegeben 
▼on 

M. Jöhofwn ChriMtiitn Jfahn 

und 

Prof. HehihoMa MOota* 




Fünfzigster Band. Zweites Heft. 



lielpzlff, 

Druck und Verlag von B« 6. Teubner. 
1847. 



.■.»-- -i • • > -«x ■ i. . 



fT^.tmC 



Kritische Beürtheilangeii. 



Sophoclia Oedip. Ty rann. reo. et explan. Eduardw Wundt- 
ru8, Edit. tertia. Gothae et Erfordiae. 1847. 8. 

Vindiciae Slophocleae scr. Jungham, Programm des Laae> 
burger Gymnas. vom lahre 1846. 4. 

Minutias Sophocleaa denao continnat Imdov. Doederlein. Er- 
langer Universitätsschrift vom Jahre 1846. 4. 

Die sieben Tragödien des Sophokles. Erklärungen v. 
Conr. Schwende. Frankfurt 1846. 8. 

König Oedip US von Sopk. DenUeh ron Oswald Marbach, Mit 
einer ausfuhr!, kritischen Erläuterung. Leipzig. Wigand. 1846. 16. 

Nichdem «af das Antigone -Fieber und auf die auch in der 
philologiechen Welt durch zahlreiche Schriften bekandete Aufre^ 
gung eine wohlthaende Ruhe gefolgt ist, die, wie wir hoffen, ge- 
rade wie bei dem vor einigen Jahren heftig geführten Streite über 
die Frage der Iphig. Aulid. noch einige Jahre andauern und neue 
Streitkräfte tammeln wird , ist in der leisten Zeit keines der So^ 
phokl. Stucke einer solch allgemeinen Betrachtung und Aufmerk- 
samkeit anheimgefallen als der König Oedipus. Wenn aber auch 
ein Stück der Sophokl. Muse einer besondern Berücksichtigung 
werth war, so ist es gewiss dieses Stuck, das wohl nur durch be- 
sondere Umstände bisher der königlichen Gönnerschaft entzogen 
ist. Die beiden andern Stucke der Laisehen Pragmatie sind be* 
kanuUich einer solchen Gunst theilhaftig geworden, nachdem der 
Coloneus ebenfalls mit Mendeissohn'scher Musik in Berlin ist in 
Scene gesetzt worden, freih'ch ohne einen d.er Antigone- Auffüh- 
rung ähnlichen enthusiastischen Erfolg zu Wege bringen zu kön* 
nen. Wie die Zeitungen berichten, soll jetzt auch König Oedipus 
in Berlin zur Aufführung gelangen, sobald die Cemponisten ihre 
Arbelt werden ToUendet haben, und die Sophokleische Trilo^s 



1S2 " GriecMiiche Literatar.^ 

in die gehörige Form gegossen , in Scene gesetzt sein wird. Wir 
onsers Ttieils glauben, dass das eine verlcehrte Ordnung der Dinge 
sei , die schwer zu rechtfertigen und am wenigsten geeignet ist, 
das Verständniss der drei Sophokleischen Tragödien zu betordern. 
Oder glaubt man, diese Aufeinanderfolge der Stücke mit ihrer 
Abfassungszeit rechtfertigen zu können? Dann wäre die Ansicht 
Yon Thiersch über die Zeit des Coloneus in Berlin die geltende 
geblieben. Oder mit der Zeit der einzelnen Fabeln ? Unmöglich! 
Denn Jeder weiss, dass dann Oedipus Tyrannus hätte zuerst zur 
Aufführung gelangen müssen. Es muss also der Zufall sein Spiel 
getrieben oder der Gegenstand der Antigene und des Oedip. Colon, 
anziehender geschienen haben Das lässl sich bei den mancherlei 
Vorkommnissen in Berlin leidlich begreifen, aber unpassend ist 
der eingeschlagene Weg gewiss. Denn wer mit der Fabel des 
Oed. Gol. im Kopfe ah die Lektüre oder in die Aufführung des 
Tyrannus oder der Antigene geht, ist nicht im Stande dort das 
ganze Stück , hier einzelne Stellen zu begreifen. Diese Ansicht 
wird in Bezug auf den Oedip« tyrann. unten näher besprochen 
werden , da es nöthig scheint , dass auch die Philologenwelt hier- 
über zu einer endlichen bestimmten Entscheidung gelange. Wir 
köimen aber nicht umhin, hier ?on Neuem die Aufforderung an die 
Leiter der Berliner Aufführungen antiker Tragödien auszusprechen, 
dieselben durch einen den Zuschauer gehörig au fait setzenden Prolog 
einzuleiten, zu dessen Abfassungge wiss L. Tieck der geeignetste 
Mann sein würde. Es kann das nicht so gedeutet werden , als 
tollte dem antiken Kleide ein modemer Flicken tiufgesetzt wer- 
den. Wir verlangen einen s. g. Euripideischen Prolog, der sich 
zur Aufgabe stellt , die Sophokleische Auffassung des Mythus aus- 
einanderzusetzen , damit der Zuschauer nicht von falschen Vorstel- 
lungen geleitet, nicht verfuhrt werde, hier z. B. den Mythus des 
Oed. Cq\, hinein zu tragen. Wir glauben, das g;erade sei die Ab- 
sicht der s. g« Euripideischen Prologe gewesen, das Publicum mit 
dem ganzen Mythus, soweit er zur Auffassung des Stückes iioth- 
wendig, nicht etwa blos mit der specielien Auffassung des Dich- 
ters bekannt zu machen. Zu der Entwickelung dieser letztern 
bedurfte es keiner langen Vorerzähinng, sondern dieselbe konnte 
in der ersten Scene genügenden Raum finden, wie wir das bei 
Aeschylus und Soph. sehen und bei den alteren Stücken des Eu- 
ripides. Denn erst da liess sich der letztere zu solchen Prologen 
bereitwillig herbei , ^Is das Publicum durch Perikles Anordnungen 
ein anderes, ein gemischtes geworden war. Jetzt trat der Zu- 
stand ein, dass, um mit Aristot. poet. IX.' zu sprechen, tu yvcigifiä 
tmv jtaQaösdoßBvcJv ßv&nov o^lyotg yvmQifia ijv. Wollte der 
Dichter dem Wesen der alten Tragödie treu bleiben, das einen 
mit dem Mythus bekannten Zuschauer voraussetzt und darauf rech- 
net, dass der Zuschauer durch diese Kenntniss befähigt werde, 
sich mit aller Kraft der Intuition, ohne vom Interesse der Neu- 



Neuere Schriften ab«)r Rdnig Oedipas. 133 

^{er getrieb€D zu werden, in die jedesmalige einzelne Scene in 
versetzen, wollte er sich nicht mit einem unbestimmten , unklaren 
Bvq)Qalveö^ai, der ZuschMwer begnügen (Aristot. ib.), so musste 
er das gemischte , Publicum , auf welches er ohnehin als bereit- . 
williger Beförderer der suf die Bildung und Befähigung des poli* 
tisch gewordenen Volkes gerichteten Absichten des Perikles und 
als ein Dichter, der, wie Göthe von sich sagt, wenigstens eine 
Million Leser, hier Zuschauer erwartet, gebührend und gern Aück- 
sieht nahm, erst dazu durch einfache Erzahhing des JMythus be- 
fähigen ^). Wollen wir unserm jetzigen Publicum ^einen gleichen 
Genuss der antiken Tragödien verschaffen, so müssen wir bei der 
vorherrschend modernen Bildung desselben noch weit eher za 
demselben Mittel greifen. Also ein Prolog muss vorangehen, der 
den gesammten Verlauf vorher entwickelt, sich selbst nicht scheut, 
die Katastrophe vorher zu verrathen ; dann wird derselbe auch die 
viel geschmähten Prophezeihungen der Euripideischen Prologe 
thatsächlich zu Ehren bringen. 

Es kann scheinen, als verliessen wir unsere Aufgabe. Dem 
ist aber nicht so, denn dieselbe Forderung, welche wir eben stell- 
ten, müssen wir auch an die Ausgaben, an die Uebersetzungea 
etc. machen, namentlich wenn jene für Schulen veranstaltet sind. 
Das ist eben die wohlbegründete Klage der Gegenwart, dass diese 
Ausgaben bis jetzt noch imitier den gricch. Text hauptsächlich in« 
Auge fassen, als wären sie für Gelehrte bestimmt, nicht aber den 
Schüler zur richtigen Auffassung des speciellen Stückes anleiten, 
dasselbe allseitig in seiner Stellung zum Dichter, zur Zeit und zu 
der ganzen Kunstgattung darstellen, die Entwickelong des indi- 
viduellen Ideenganges, der eigenthümlichen durch Stoff, Zeit und 
Lebensverhältnisse des Dichters bedingten Darstellungsform hiii- 
reichend beachten. Da entschuldigt man freilich solch eine Re- 
daction mit der Forderung , dass derartige Ergänzungen von dem 
erklärenden Lehrer ausgehen müssten, als wenn bei der Mehrzahl 
dieser Lehrer nicht vorausgesetzt werden könnte, dass sie weit 
eher im Stande sein würden , die grammatischen , metrischen und 
lexicalischen Expectorationen aus ihrem Kenntnlssvorrathe zu ge- 
ben , lateinische observationes vorzutragen und über jeden Modna 
die Gurrenten Grammatiken zu citiren; als wenn es ferner nicht 
bekannt genug wäre , dass die gewöhnlichen lateinischen Commen- 
tare von den Schülern eher für eine Last als für eine Erleichte- 



1) In den Verhandlungen des Jenaiseben Philologencongressefl i^t, 
80 viel wir nach den Berichten der A. AÜg. Ztg. sehen , gerade diese Ab- 
sicht der Burip. Prologe, die uns die Hauptsache za sein scheint, unbe* 
rucksichtigt geblieben. In den cnrrenten Literaturgeschichten und io der 
neulich erschienenen Vorschule zu dem Studium der griech. Trag, von A. 
Witzschei bleibt sie ebenfalls bei Seite. 



1S4 GriechiBclie Literator. 

mnf denelben angetehen tu werden pflegten. Jat gewiss! {§1 
die GymnasUlreform In einer Forderung in ihrem Rechte, so ist 
ti% es mit derjenigen, dass unsere Schnliosgiben eine andere, vor 
Allem den Schüier mehr anregende, seine Verstandeskrifte mehr 
in Anspruch nehmende Redaotion erhalten müssen. . Aber man 
seilte sich nicht begnügen mit dem Anssprechen der Forderung, 
man sollte mit einer solchen Gabe hervortreten und durch ein 
Mnaterbelspiel andere Gelehrte snr Nachfolge aufmuntern. 

Wir sind hier nun aber In dem Falle, zu gestehen, dass die 
von una ao eben geforderte Entwiclielung des Mythus eines 
SUkclLes in dreien der oben lusammengestellten Schriften gegeben 
ist DieSchwenck 'sehen Erklärungen beiaasen sich hauptsach- 
lich damit, aus einer Darlegung des behandelten Mythus die Idee 
dea Stuckea abiul^iten. Wie weit, das dort beim Konig Oedfpns ge- 
lingen, werden wir unten sehen: hier wollen wir nur gleich be- 
nerben, dass dabei nicht blos In Nebendingen, sondern in Haupt- 
aaehen mancherlei Irrthnmer untergelaufen sind, die wir nur auf 
Rechnung einer Fluchtigkeit, eines Mangels aq selbstständiger 
Prikfung setsen können. Hr. Schwenck hat bekanntlich vor eini- 
gen Jahren mit seinem Programm über die Antigene einen grossen 
Snecess gehabt Es folgte ihm die Anerkennung der auf dem 
Felde der Tragödie tonangebenden Gelehrten. Ein Jahr später 
schrieb er über den Philoctet und seine Arbeiten sind jetzt zu die- 
sem sehr ansprechend und fliessend geschriebenen Buche erweitert, 
das sich über sämmtliche Tragödien des Sophokles verbreitet, und 
nicht allein den Laien , auch den Philologen zu empfehlen ist, die 
ihm freilich nicht nachsehen werden , dass er sowohl bei König 
OedipuB, wie^bei Oedipua auf Kolonos ^) die politische Seite der 
Stücke ganz bei Seite gelassen hat Wir werden die Schrift na- 
türlich hier nur insoweit, wie gesagt, berticksiehti^en , als der 
Qed. tyr. in Frage kommt, und müssen da sogleich rühmend aner- 
kennen, dass auch Hr. Schw. in diesem Stucke keine Schicksais- 
tragödie sehen und finden kann noch will. Lieber seine Auffassung 
der Antigone haben wir schon anderweit unser Urtheil abgeben 
können. — Hr. Marbach hat in einer fast siebenzig Seiten langen 
kritischen Abhandlung, die wir hier allein der Kritik unterwerfen 
wollen , da eine Recension seiner Uebersetzung eine Ironie fiir ein 
philologisches Blatt sein würde , eine ausführliche Enarration des 



2) Ciarisse macht in seiner adnot. ad Thncyd. b. P. epocham , so 
viel wir wissen , säuerst öffentlich darauf aafnierksam , wie ähnlich der 
Oed. CoL des Soph. in vieler Beziehnng mit den Herakliden des Eorip. 
sei. Als wir über das letztere Stuck geschrieben , kanntea wir Clarisse's 
Arbeit noch nicht. Von K. Fr. Hermann darauf aufmerksam gemacht, wer- 
den wir jetzt bald über dieselbe unsere abweichenden Ansichten rer- 
öffentlichen. 



Neuere Schriften ober König' Oedipiut. iSSi 

Stücket ^;eben,die daiiiinerftte Vei'atilldtiiftBdteMfelMtt'aiifilcMie«- 
sen solL und In fielen Fällen kann. Er fol^t den eftttelfi^ Scenen 
Schritt Tor Schritt und giebtallerdin^ofl überraschende Anfklänin- 
gen über die Haltung der einseinen Charaktere in denselben. Dabei 
hat er freilich kauiti anders gekonnt als einzelne Seitenhieb'e gegen 
sterile Kritiker zu führen, aber desaohngeachtet lind trotzdem* 
dass in seiner Auffassung Manches ungenau und einseitig darge- 
stellt Ist und der gründlichen aaf tüchtige Sprachkeniltniss ge- 
stutzten Kritik oflFenbar entbehrt, er sich rielmehr nach seiner 
eigenen freien Uebersetzung richtet, empfehlen wir die fleissige 
und interessante Arbeit den Philologen, namentlich denjenigen, 
welche auf Gymnasien das Stück erklärt haben und tum Schlüsse 
den Schüler mit einer Liebersicht des Ganzen zur richtigen Auf-' 
fassung des Ganzen hinleiten möchten. Die Arbeit liefert von 
Neuem den Beweis, wie viel zur Geltendmachung der Vorzüge 
eitler Tragödie eine tüchtige Enarration derselben beitragen kann. 
Reisig fühlte das, aber er hat keine Nachfolger gehabt oder nur 
wenige. 

Auch bei Hrn. Wunder, dessen dritte Ausgabe uns hier vor- 
liegt (Beweis genug, dass seine Ausgabe jetzt In den Schulen die 
Gurrenteste sein mag), geht p. 10., wie früher, eine kurze Abhand- 
lung voraus, betitelt fabula Oedipi, qualis ab Sophöcle ad scenam 
composita est. Es ist der selbst In falschen CItaten nngeänderte 
Abdruck aus den frühern Aasgaben, deshalb eben so kurz und 
unvollständig, eben so oberflächlich und theil weise Irrthfimlicfa, 
ohne dass man daraus die Charakteristik der einzelnen Personen, 
das besonders Eigenthümliche und Hervorstechende der Sophoklei- 
schen Auffassung erkennen könnte. Wäre dem nicht so, so hätte 
die Erklärung des Stuckes ganz andern Vortheil davon ziehen 
müssen. Denn wer die Vorfrage, ob das Stück eine Schicksals- 
tragödie sei oder nicht, unentschieden lässt, und sie lässt sich nur 
aus der Entwickelung der Sophokl. Fabel zur Entscheidung brin- 
gen, wer da glaubt, diese Frage sei für die Erklärung des Stückes 
irrelevant, der muss in allen Fragen der Kritik, die in dies Gebiet 
schlagen, und das sind äusserst wichtige, in Unentschledenheit 
zurücktreten. Dass das in Wunder's Ausgabe der Fall sei, wollen 
wir unten an mancherlei Beispielen zeigen. 

Freilich ! finden wir uns Hrn. Wunder gegenüber in einer 
elgenthümlichen Stimninng. Ein Blick in diese neue Ausgabe 
zeigt ff US nämlich, dass zwar briefliche Mittheilungen an den Her- 
ausgeber, z. B. von Krfiger, eine g^bührehde Erwägung, oft viel- 
leicht mehr als gut war, gefunden haben ^ dagegen die M($f mingen, 
welche seit der zweiten Ausgabe über dies Stück veröffentlicht 
sind , thells In selbsrtsCändigen Schriften ^ thefl» in gehaitvc^ll^n Re- 
eensionen in den gele^nisten Blätt^ern, bis auf wef fkler dtel nidhl 
sehr erhebliche Fälle nnberücksicbflgt gebiiebcftr Atta. Sottel wir 
nämlich sehen , unterscheidet sich diese Ausgabe von der vorigen 



136 Griechische Literatar. 

nur darin, das« erstens verschiedene kritische Noten, namentlich 
die Bruncli'schen (v. 229. 43. 45. 59. 74.; 408. 60.; 507. 9.; 722. 
35.; 1432 83. 61.) und einzelne exegetische (v 112. die Botlie'- 
sehe, 311. 408. 700. 1459. 1105.) ganz gestrichen worden, was 
in Bezug auf die Itritischen Iteineswegs immer unsere Billigung er- 
halten hat; dass zweitens Zusätze gemacht sind, theils unnöthige 
von Citaten, denn dieselben füllen bereits über Gebühr den Com- 
roentar an (v. 28. 81. 87. 170. 339. 383. 473.518. .')24. 763. 806. 
987. 1074. 1204. 1232. 1237. 1301. 1367. 1378. 1393. 1472.), 
theils mehr und minder anerkennenswerthe zu den exegetischen 
(101. 191.619.907.990.1027. 1079. 1092. 1103. 1113. 1136. 
1208. 1225. 1347.) und zu den kritischen Noten (714. 736. 781. 
1075.1194. 1256.); dass endlich drittens Aenderuugen in den kri- 
tisclien Noten viermal (191. 874. 1027. 1194.) in den exegetischen 
dreizehnmal eingetreten sind (25. 560. 618. 714. 745. 874. 934. 
1055. 116Ö. 1204. 1232. 1247. 1442.). Von manchen derselben 
wird unten die Rede sein. Die Schriften von Wüllner, Wulff und 
Junghans, die grundlichen Recensionen von Thudichum, Reizen- 
stein und Ameis sind keiner erheblichen Berücksichtigung anheim- 
gefallen, nur eine Conjectur von Winckelmann und einige Bemer- 
kungen aus dem zweiten Theile der neuesten oben erwähnten 
Schrift TOn Döderlein sind würdig befunden , in den Commentar 
verwoben zu werden. Das Licht , durch welches die immer eifri- 
ger und methodisch geübten Studien unserer Uebersetzer den 
Geist der Dichtung mehr als sonst beleuchtet haben, hat wenig 
Ju diese Ausgabe geleuchtet. Nach solchem Befund, meinen wir, 
muss der Recensent der Wunder'schen Ausgabe eine gute Por- 
tion Selbstverleugnung besitzen, um sich dem Recensirgeschafte 
zu unterziehen. Denn er muss furchten , dass auch seine wohlge* 
meintesten und wohlbegründetsten Vorschlägre ruhig ad acta wer- 
den gelegt und dort den Todesschlaf schlafen werden. Auch die 
wohlgemeinten Warnungen des Hrn. Junghans in der obigen Schrift 
sind ebenso vergeblich gefallen, wie die des Dr Gust. Woiff (de Soph. 
schol. Laur. var. lectt ),der p. 160. von der Wunder'schen Kritik mit 
vollem Rechte sagen kann: mira sane ista est medicina, qua si quis 
manu aegrotet, tota manus illico resecetur, und sehr oft mit Um- 
sicht die Widerlegung der Wunder'schen Ansichten geführt hat: 
Hr. Wunder scheint beide Schriften gar nicht gekannt zu haben ; 
welch ein anderes Schicksal werden also unsere Worte haben, die wir 
meinen, schon der Dank für den schnellen Absatz hätte den Hrn. 
Herausgeber veranlassen sollen, eine gründlichere Prüfung des 
Gegebenen eintreten zu lassen und ihm mit Sophokles zurufen: 
dkk avdga xsl ttg y 6otp6Q x6 ^lav^avHv nokX alöxQov ovdiv'i 
Aber vielleicht ist Hr. W. kein Freund der Negation: so wollen 
wir denn das Recensirgeschäft in die Form einer Position bringen, 
dass dieselbe ihn selbst zur Negation anreize. In dieser Absicht 



Neuere Scfarifteii aber König Oedipos. 1A7 

haben wir die obigen Schriften zusammengestellt. Von denselben 
zuvor noch einige übersichtliche Mittheilungen. 

Hr. Junghans debiitirt, soviel wir wissen, zum ersten Maie 
auf der Scene der antiken Tragödie, ist aber mit Glüclc in die 
Fussstapfen seines ohniängst verstorbenen Directors Haage getre- 
ten, dem man manchen schätzenswerthen Beitrag zum Sopholclea 
verdani(t^ Der Hr. Programmatarius hat die iobenswerthe, aber 
nicht erreichte (s. z. B. Wund, zu v. 1025.) Absicht, Hrn. Wunder 
zu veranlassen , tnit den Verdammungen und unbedachten Aende* 
rungen Sophokieischer Verse einzuhalten. Er schreibt von der 
audacia desselben: quae si pcrget ut incepit, habebimus deniqiie, 
quod ejus pace dixerim , Sophoclem ex suis suörumque amicorum 
conjecturis confictum.. Quae si scriberet ut multa viris doctis, 
tacitam ferret legentium aut comprobationem aut improbationem : 
at scribit publicis scholasticae juventutis lectionibus et magistris, 
quibus quum sit injuncla necessitas interponendi judicii, reputet 
ipse, quam insu per imponat necessitatem aut jurandi in ipsius 
vcrba, quod vetat veritas, aut stultitiae suscipiendi ignominiam 
(nam ea fere nota afficit adversantem sententiam) aut regerendi in 
auctorem ipsum, qnorum neutrum fert aut pudor praeceptoris aut 
juventutis verecundia. Itaque obnixe ego cum multis rogatum vi« 
rnm doct. velim, ut in iis, quae posthac de Soph. fabulis commen- 
tetur, redeat ad pristinam moderationem aut abstineat saltem 
horrenda illa proacriptionia /ormt/Za, neexularesensimutilissimae 
ejus editiones ex scholis incipiant , quas nunc cum maximo discen- 
tium fructu obtinent prope omnes. In diesen Worten ist man- 
cherlei dem Rec. aus der Seele geschrieben. Hr. Junghans ver- 
sucht sodann Oed. R. v. 8. 779. 789. 807. 815. 827. und v. 376. 
mit einem Excurs über die Allitteration, endlich El^ctr. 957. ^e^tm 
verschiedene Angriife des Hrn. Wunder in Schutz zu nehmen, 
was ihm , wie wir unten sehen werden , im Allgemeinen recht wohl 
gelungen ist. Dass wir ihm zuzustimmen geneigt sein würden, 
kann Jeder, der unsere Mitwirkung zur Erklärung und Würdigung 
der Tragiker kennt, von vornherein denken. Wir wünschen aber 
Hrn. Junghans aufrichtig, dass er mit seinen conservativen Versu- 
chen in wohlwollendere Hände falle , als von denen es heissen 
kann : anavta ycLQ lötX KQsiöOa nkijv vn '/^gyeloig tcböbIv , oder 
dass er wenigstens alier nergelnden Widersacher ungeachtet bei 
der Fahne auszuhaken den Muth und -die Kraft bewahre. So 
schreibt einer von diesen neulich bei der Reccnsion von Wagner's 
poett trag, fragm , weil Wagner ebenfalls mit vollem Rechte ge- 
gen- die zahlreichen Verdächtigungen ganzer Verse und Versrei- 
hen aufgetreten ist: „man muss sich nicht im ponireu.lassen, wenn 
ein gelehrt thuender Mensch, der, wenn er einmal angefangen 
hat , nie fertig werden kann , einem verkehrten Einfall zu Liebe 
ein dickes Buch geschrieben hat, und nie glauben, dass, was mit 
gesunder Vernunft aliein zu schlichten ist, je mit Gitaten abge- 



198 Griechische Literator. 

macht werden koone^^ Es scheint doch aber^ dasa darüber noch 
lan^e nicht genug geschrieben ist, dass wenigstens die Vernunft 
solcher vernünftigen Menschen noch vielfiicher Zurechtweisung 
bedarf. In eo dispntant, contaminari non decere fabnlas. Fa- 
ciont nae intelligendo , ut nihil intelligsnt. Was werden sie dar- 
über sagen , dass neuerdings auch bei Plautus wörtliche Ueberein- 
Stimmungen ganzer Verse in denselben oder verschiedenen Dramen 
von Ritschi für zulässig erklärt worden sind, (Schneidewfn's Phi- 
lologus 2) 2), und wie werden sie darüber trauern, dass die Zahl der* 
jenigen, welche allerdings etwas mehr auf die aus voUgfltigen 
unangreifbaren Citaten geschöpften Beweise als auf irgend weiche 
launenhafte Einfalle eines mit seiner erleuchteten Vernunft prun- 
kenden Menschen zu geben pflegen, immer zunimmt, wie verschie- 
dene briefliche Mittheilungen namhafter Gelehrten seit mehreren 
Jahren mir beweisen. 

Hr. Döderlein giebt in seinem, so viel ms bekannt , dritten 
Hefte der minutiaeSophocleaewiederam in seiner bekannten gründ-* 
liehen und liebenswürdigen Weise einen schätzenswerthen Beitrag 
xur Erklärung des Oed. tyr. , indem er sich über v. 10. 87. 105. 
196. 227. 328. 579. 582. 688. 790. 937. 1167* 1228. 1249. und 
Trach. 1109. verbreitet. In v. 196. opfiov, v. 937. 1167. 619. hat 
et bereits die Zustimmung und v. 1228. die Berücksichtigung des 
Hm. Wunder erlangt, so dass darüber ebenfalls unten von uns bei 
der Kritik der Wunder'schen Ausgabe kann geredet werden. 

Also, wie gesagt, wir wollen unsere Recension an einen be- 
stimmten Gegenstand anknüpfen , an die Entwickelung des Mjthus 
unserer Fabel, die wir nach den Fingerzeigen im Stücke selbst, 
nicht nach allen möglichen, aufs Gerathewohl zusammengestellten 
Angaben machen wollen« Von dem letztern Fehler hat sich auch 
Hr. Marbach nicht frei gehalten. Wir wollen zeigen, dass aus 
der allseitigen Kenntniss desselben ein Heil für die wichtigsten 
Sachen der Kritik, für die ganze Auffassung des Stückes erwach- 
sen mnss , dass der ganze innere Gang des Stückes, die Freiheit 
der Charakterzeiehnung nur auf diese Weise zur Anschauung ge- 
langen kann, ohne deren Beachtung die grössten Schönheiten des 
Stückes dem Leser verloren gehen. Wer als Bditor des Oed. tyr. 
gich nicht erst Fragen wie die folgenden be'antwortet hat: mit 
welcher Kenntniss von Laios Schicksalen betritt Oedipus die 
Bühne 1 weiss er, dass Laios einen Sohn gehabt? Wie muss sein 
früheres VerhSItniss zum Creon und zum Tiresias gewesen sein? 
zur Jokaste? Welches sind die Hauptzüge seines Charakters und 
wie und wo treten dieselben hervor? Weiss Kreon von Anbeginn 
des Stückes, dass Oedip. der fitaötwQ sei, wie Tricliu. zu v. 87. 
meint? WelcheZüge seines Charakters sind die hervorstechenden? 
Ist der Knecht der Einzige , der Alles überschaut hat, oder theilt 
noch Jokaste die Mitwissenschaft ? Wie lautet bei Sophokles der 
dem Laios einst gegebene Orakelsprnch? ist das Stfkk eineSchick- 



Neuere Schriften aber K3iil|r Oedipas. 189 

•älstragSdfel u. dgl. — wer fiolche Fragen Tielleicbt atieh nieh 
der Herausgabe sich noch nicht beantworten kann ^ ihnen schea 
aus dem Wege geht , der lässt noch mehr die Änmaassnng und Ün- 
haltbarkelt des Princips ans Licht treten , wonach der 8abject(T€ 
Geschmack des Erklarers normangebend ffein soll, ein Geschmack, 
der so Vieles ohne Noth und zum Schaden der indlTidaellen Dich^ 
terrede verdächtigt und umgestossen hat. Die Sprachbildneret 
des Sophokles, die mitten aus dem einfachen Gebrauche zu kfih« 
nen Neuerungen fortschreitet und den Wortgehalt zu Tertiefen 
liebt, dass sie mehr leistet und verbirgt, als der Anschein giebt, 
verlangt von ihrem Erklärer eine scharfe Individualisirnng der 
auftretenden Charaktere, und will nicht nach der grammatischen 
und lexikalischen- Scala allgemeiner Sprachnormen abgegrenzt 
sein, verlangt eine durchdringende Auffassung der jedesmaligen 
Situation des Redenden und wird sich dann auch weniger als Ma^ 
her scheuen, die Rhetorik, die Scenerie und Dramaturgie, die 
Hypokritik zu Hilfe zu nehmen. Aristoteles lässt diese Dinge In 
seiner Poetik freilich ausdrücklich als ungehörig bei Seite, nnd 
allerdings kann der Dichter für die Fehler der Schauspieler und 
der Choragen nicht verantwortlich gemacht werden, aher der 
Erklarer soll eben der ursprünglichen Absicht des Dichters so 
gründlich nachgehen, dass er den Regisseur einer Anfföhrnng det 
Stuckes abgeben, dass er nachweisen kann, wie der Dichter wird 
Alles haben spielen lassen wollen. 

Aber freilich hört man gewöhnlich , den bekannten Labdakf- 
denroythns noch einmal erst zn entwickeln, sei nach der dabin 
einschlagenden Arbeit von Schütz zum Aeschjl., und Wunder zum 
Söph. und Sterk de Labdacid. bist, (letzterer ist uns leider nicht 
angängig gewesen) überflüssig. Das vielgebrauchte Wort des Ko* 
mikers Antiphanes „die Tragödie habe so viel voraus vor der Ko- 
mödie ; kaum dass einer das Wort Oedipus nenne , so wisse gleich 
Jeder das Weitere, dass sein Vater Laios, seine Mutter Jokast« 
gewesen , was er gelitten , gethan u. s. w.^^ wird als Beweis dafür 
aufgeboten. Lässt ja auch Sophokles selbst im Oed. Col. 596. auf 
die Frage des Theseus „willst du das alte Geschick des Labdakl- 
denhauses erzählen ?^^ den Oedipus antworten (yö d^T\ Insl xäg 
xovzo y 'EkXijvcDV &qobL Das mag für das griechische Publicum, 
welches de» reinen Mythus von dem vermischten zu scheiden 
wusste , passen , kann sich aber dennoch nur auf die Hauptmo*. 
mente des Mythus beziehen , so weit derselbe in seiner Einfach- 
heit^ unvermischt mit den Anhängseln und Deutungen der Logo- 
graphen wie der spätem Dichter, dem griechischen Volke vor 
Augen stand; wir können aus dem Gewirre, welches, am nur 
einen Autor zu nenne» , z. B. bei dem Scholiasten zu Bnr. Pheen. 
herrscht, um gar nicht einmal Enrip. selbst, der laut schol. Phoen. 
71. des Pherekydes und des Helianicus Erzählung und Auffas^ng 
;eu vereinigen suchte, und Hyginus zu erwähnen, keine klare 



140 GrleGhb€be Literfttor. 

Uebersieht erhalten, und sind deshalb genöthigt, nnd Jn diese 
Forderun^^ stimmt Hr. Marbach ein , aus den Worten des Dichters 
selbst eine Zusamroensetsnn^ des Mythns , wie er ihn aufgefasst 
wissen will , zu Teranstalten. Dabei müssen wir von vornherein 
gegen den vielverbreiteten Irrthum auftreten , es genüge su den 
vorhandenen Sophokleischen Stucken der Lakdakidenfabel eine 
Kntwickelung des Mythus. So wenig wie dar Dichter die drei 
erhaltenen hierher gehörigen Stücke im Zusammenhange und zur 
selben Zeit geschrieben, oder gar, was Schoell meinte, aufgeführt 
hat, '80 wenig liegt den dreien dieselbe Fabel bis in alle ihre ein- 
zelnen Theile hinein zum Grunde, sondern der Dichter that nach 
B#dürfniss und Belieben davon ab und zu. Wer z. B. ausOed. Col. 
Beweise zur Beurtheiludg des Lajischen Todschlages nach Rechts- 
prinzipien und Grundsätzen der individuellen Gesinnung des Oed. 
tyr. sucht, wie selbst in äusserst gelehrten Abhandlungen gesche- 
hen ist , der verfolgt einen durchaus irrthümlichen Weg ; denn dem 
Koloneischen Oedipus liegt eine ganz andere Seite des Lakdaki- 
denmythus zum Grunde, als dem König Oedipus, der auf einem 
durchaus verschiedenen Standpunkte steht als jener, was ja selbst 
diejenigen eingestehen müssen, die mit aller Gewalt den Oed. tyr. 
zu einer Schicksalstragödie stempeln wollen. In Nebenpersonen 
mag die Ansicht allenfalls gelten, dass der Dichter in allen drei 
Stücken die Charaktere gleich gehalten haben werde, in den 
Hauptpersonen machten schon die verschiedenen Tendenzen der 
einzelnen Stücke verschiedene Auffassungen noth wendig, wie man 
das bei anderen Gelegenheiten z.B. bei Kreon Inder Antigone anzu- 
nehmen für gut gefunden hat, um ^er bekannten „Idee^^ jenes Stückes 
besser aufzuhelfen. Wer ferner wohl gar den Euripideischen Oe- 
dipus mit dem Sophokleischen in beiden Stücken zu verwechseln 
den Muth hat , der ist vollkommen auf Abwege geratben. Das 
an sich geringfügig Scheinende, z. B. der Raub des Lajischen W^ 
gens und die Schenkung desselben an Polybus durch Oedipus kann 
eine gänzliche Verwirruug erregen. Das eben ist die Grösse der 
Griechen , sagt Göthc bei Ekkermann , dass sie weniger auf die 
Treue eines historischen Factums gingen , als darauf, wie es der 
Dichter behandelte. Das zu erkennen, ist eine Hauptaufgabe, 
verfolgen wir dieselbe, um die meisterhafte Behandlung des Dich- 
ters kennen zu lernen , der es allerdings nicht wagte , den Mythus 
Ins Blaue hinein zu Jivsiv^ aber sich wahrlich auch nicht das Recht 
hat nehmen lassen zu BVQlöxstv xal totg nagadedofiivoig %p^6- 
9m xak(Dg, wie Aristot. poet. XIV, 5. als Forderung aufstellte. 

Wir können uns anfangs kurz fassen. Laios ist König von 
Theben, aus dem alten Labdakiden-Geschlechte, dessen glorreiche 
Genealogie der Dichter gleich zu Anfang in die grosse Rede des 
Oedipus gelegt hat ^), Er hatte erst in spätem Jahren nach län- 



3) Bei solchen Gelegenheiten soll der Heraasgeber nicht schweigen 



Neuere Schriften iiber KÖMg Oedipns. 141 

f erer Kioderlosigkeit, wie das aus ▼. 742. ^etchlotsen werden kiimt^ 
mit Jocaste eineo Soha gezeugt^ der wegen dea früher vom Orakel 
erhaltenen Spruches, dass er von demselben den Tod nehmen 

> werde , ans äem Wege geräumt werden soll ^). Bei weicher Ver» 
aulassung und weshaib dem Laios dieser Spruch geworden, er- 
wähnt Soph. nirgend, es ist deshalb missliclk, mit Wnllner un4 
Schweiick den am Sohne des Pelops, Chrysippus, vollzogenen Rank 
Behufs der Knabenliebe, die damit versuchtjB Aufhebung derEhe^ 
endlich den von Pelops ausgestossenen Fluch nber Laios' Kind 
und Kiudeskind ^) als Motiv des grausen Orakels herbeizuziehen. 
Hätle Soph. darauf recurriren wollen, so hätte er in seinen drei 
Stücken leicht dazu Ort uud Gelegenheit finden können , nament- 
lich in Chorgesängen oder bei den Versuchen des Oedipua auf 
Koloiioa, sich makellos und unschuldig darzustellen. Es findet sich 

, aber keine Spur davon bei Sophokles. Wir wollen nicht die Mög- 
lichkeit bestreiten, dass mancher Zuschauier, wenn er es nöthig 
fand , diese Momente des Mythus ans seiner Kenntniss ergänzt«^ 
aber Soph. meinte gewiss nicht, dass zum Verständniss seinef 
Stücke dies herbeigezogen werden müsse, sonst hätte er es selbirt 
gethan. Es kann nicht ernstlich gemeint, nur ein lasciver 
Scherz sein, dem Dichter eine absichtliche Verheimlichung und 



oder sich mit Wendungen begnügen, Y/ie man so oft hört, „amat tra* 
goedia genealogias^'. Er soll vielmehr den Gründen nachforschen, yveg- 
halb der Dichter sich veranlaisst fühlte , die Genealogie hineinzuflechten, 
und v¥ie verständig er dabei iji Werke gegangen. Denn nicht fiberaU 
ist das , namentlich bei Eurip., der Fall. Hier trägt die Genealogie daan 
bei , den ganzen Herrscherstolz des Oedipus hervortreten zn lassen. Die 
ganze Rede ist voll dieser Absicht« . 
^, 4) S. schol. zn Phoen. 66. 

5) Aaf die zweifelnde Frage, wie Jocaste trotz des Orakels habe 
eine Zeogang geschehen lassen können , antwortet der Scholiast zu Phoeu.> 
entweder habe sie das Orakel nicht vorher gekannt , oder sie habe das« 
selbe für eine blosse Erfindung des Laios angesehen , gemacht zur Ent* 
schuldigung seiner Knabenliebe. Andere Männer bekamen alierdingä 
vom Orakel andere Rathscbläge in puncto der Kinderlosigkeit. Ich erinnere 
an Aegens in Eurip. Medea: ixQ'H^^^y cianov (le %ov nqovxovza fiTi Xvöm 
nodct, nQlv av nc^gmav av^tß katiav (idXio. Es gewährt keine grosse 
Vorstellung von Aegeus.Urtheilskjraft, dass er den Spruch nennt tfo^t»* 
xsq' rj HUT avdQa aviißaXsiv iitTj (v. 675) , und ihn glaubt dem Pittheaa 
vorlegen zu müssen. Die Athenischen Zuschauer lösten den Spruch gewiss 
männiglich , Jeder für sich. — Dass andere Nachrichten besagen , Oedip« 
sei Jn einem Kästchen auf dem Wasser ausgesetzt und an Sikyons Küste 
getrieben , oder gar er sei ein natürlicher Sohn des Polybos gewesen 
(schol. zu Phoen. 26), zeigt uns wiederum , wie verschieden die Oedipua* 
sage von den Dichtem mag ausgebeutet worden sein. . 




MS 

dgeoe ^«t i M ii uidig e Lhm dud Nei- 
KMb€H^ ■alenödiidbca. — A«ff wetten Be- 
te Ksd besdl^t wovica, duiber iadca sich 

i Liofe 4ee Slickcs swei BütÜMUoogea; tfe enle gdil vm Joe. 

B T. 717., ,,wcht db« Tage war das KM all, da fesselte Luos 
Fiase umA Htm ilui darch Aadere ia en nnregsani Gdbirge 
irfDgea*^. !■ wie weil dies richtig sei, kami mir nadiden Worteo 
(117i.) dea altes IMcaers, dem die Ausselsaiig nbertragen worden, 
h cmesscn werden. Denn dass diese letztere das Gepräge dar 
, Wahrhetl an der Stirn tragen, geht aas der ganzen Situation her- 
vor. Srerklirlnnn aber, Jocaate hat mir das Kind gegeben, 
es dem Verderben an wcnhen; so wird das Verbrechen gans ei- 
gentlich anf die Motter gewibl, wodurch es im Auge des Zu- 
aahanen jedenidls noch verdammBcher wird. Denn hat man 
nwch dieser Dnthal den Schon des Verbrechens su nehmen ge- 
■nehl, indem man sidi anf die griedi. Sitte, wonach es den Eltern 
frei atend, ein Kind aossosetsen, belogen, so hat diese Sitte eines- 
dwils Becker im Charides I. p. 23. bereits anf natorgemasse Weise 
eingeochrinkt, andemtheils treten doch hier die Motive der Ans- 
aetsung und die nahem Umslinde derselben so entschieden mit 
den sittlichen Elementen in Conflict, dass man kaum nöthig bat, 
anf den specieilen die Ansselsnng Terdsmmenden vofAog Srjßaios 
bei Aellan t. h. II, 7. snrucksugehen, nm jenen Versuich der Recht-, 
ffsitigvng ala anpassend nnd nnubeiiegt iunanslellen. Sophokles 
wollte die TImi keineswegs als eine gesetsKche schiUem ; er lisst 
loc die Unwahrheit sagen, nicht ans draamturgisdien Rneksichten, 
elwa nm den Faden der Tragödie gehörig fortauspinnen, sondern 
weil sie ihrem Gemahle Oedipns gegenüber fühlt, wie schmalig die 
Tiut dem Motterhersen stehe. Darum socht sie jede Mitschuld 
in jenen Versen dadurch von sich absulehoen, dass sie sich gans 
passiv bei der That hinstellt (freilich ohne den Oedipus wirklich 
in berücken. Tgl. y. 1452., wo er sagt: /»^ri/p ri (loi xav^g 
n iMatgava i&iö^^v Imvzi hvqiov Taq>ov)^ darum femer mil- 
dert sie selbst den Ausdruck, mit welchem die That hätte bezeich- 
■et werden müssen. Der Korinthische Bote nämlich , aus dessen 
Munde, wie gesagt, In jener Situation nur Wahrheit kommt, sagt 
T. 1034. Ivm d* Ixovta dtatogovg noöoiv dufids. Das ist also 
die Wahrheit Kann dieselbe etwa durch den Ausdruck der Joe. 
718. ag^ga iv^ßv^ag «odolv ans Licht tretend Nun überbieten 
sich zwar die bei der Erklärung des Soph. nicht selten gemiss- 
brauchten Schollen in Thorheit, Indem sie an der letztern Stelle 
erklären: td ötpvgd asgovy öwdil^ag^ aber dennoch wird das in 
den currenten Ausgaben, auch bei Hrn. Wunder, der einer klaren 
Binsicht In die Verhältnisse der dortigen Scene und in den Cha- 
rakter der Jocaste zu ermangeln scheint^ wieder dem Leser mit 
dem Beisatz recte geboten^ als hätte den Soph. keine tiefere Ab- 
sicht zu diesem Ausdrucke geleitet Jocaste sagt die Unwahrheit, 



Neuere Schriften aber König Oedipns. 148 

beiqhÖQ igt die Tbit, nie dena ihre dortige Rede eiicb io an- 
derer Beziebung unwabre BebniMbuogea entbiit *). Wie seUeii 
hat man aber , ao gewii» nvcb immer das beaondere Tdent dee 
Soph. in der altaeitigeii Durchführung und Schilderung seiner 
Charaktere bervorgehobeo wird, apeciell auf derartiges geachtet? 
Freilich fuhrt dahin nur ein genaues Bild tou den einseinen Chap- 
ralcteren, dessen Entwerf ung mühsam, weil oft mosaikartig, su- 
sammeuzufugeo ist aus den einzeln hingeworfenen Fingerzeigcai. 
Wenn diese Worte der Joe. schon In zwiefacher Beziehung neben 
der Wahrheit hergehen, wie schwach ist dann die Annahme be- 
gründet : tertio die postquam natus erat infantem expositum esse, 
die Hr. W. aua den Worten non,&6s Sb ßkaötds ov iUöxov i^ffti* 
Qai, TQ^lg als ganz positiv ableitet. Seine ganze Darstellung dieser 
YerhSltoisse p. 10. ist mager und gebt den scheinbaren Wider- 
sprüchen in den von ihm selbst gegebenen Citaten aus dem Wege. 
Hr. Schweock p. 98. ist ebenfalls sehr ungenau. 

So war das Kind beseitigt (v. 1173.), wie seine Eltern wenig- 
stens in menschlicher Kurzsichtigkeit und Nachlässigkeit glaubten; 
aber der treue Diener, dem wegen langjähriger Dienste die den 
Mord bezweckende Aussetzung anvertraut war, hat Mitleid. Er 
soll es ins Gebirge bringen, auf dass es dort eine Beute der Wild- 
nis« werde. Und dass nicht etwa ein glücklicheres Loos ihm zu 
Theil werde , müssen dem Kinde die Fussgelenke durchstochen 
werden. Das unterscheidet sich doch wahrlich von einer gewöhn- 
lichen bei den Griechen sonst erlaubten Aussetzung! Eine ge- 
wöhnliche liess zu , dass sich für das Kind andere erlärmende El- 
tern fanden. Das sollte unmöglich gemacht werden , wozu sonst 
das durchstochene Fussgelenk ? Doch nicht etwa damit de iha 
einst wiedererkennen könnten? und ein dreitägig Kind kann auch 
ohne gefesselte Füsse nicht vom Platze. Darum ist die That eine 
das Vater- und Muttergefühl empörende Un that, damit durch den 
Mord des Kindes (s. v. 1350.) die Drohungen des Schicksals ge- 
ahmt wurden , wie das Wüllner ganz recht bezeichnet hat, Und 
endlich ist sie mit Feigheit gepaart, gleichsam ein Versuch, wie 
Kreon in der Antig. den Mord will, aber nicht den direkten Mord 
vollziehen lässt. ^Inv x^qöIv sagt Jocaste; ja! ja! die Schuld soll 
ieber auf einen schuldlosen Menschen übertragen werden, man hofft 
so dem äyogi zu entfliehen, schol. zu Phoen. 25« Aber das Orakel 
iasst sieb nicht tausehen; beide Eltern empfangen den Lohn, auch 



6)Z. B. das iivot Igaxocl and alXtop x^Q^^9 wovon weiter unten 
die Rede sein wird. Wie paaat ferner ▼, 719. : iQ^iiJtsv SXliov x^if^^ «^6 
Sfaxouoqßg zu t, 1174«: did^ffty^de, cog ivtaloiaMiii v^P^ wie endlich das 
iv xQivlulg cifutiitois z« jenem mit den Worten tdXfi^ls HfQf»^ eingelei- 
teten Ausdrucke , der schon in sich das .Gepräge der grossern Wahrheit 
tragt: r((9rAfg neXiv^Qv niXufi ▼. 801? 



144 Griechische Literatar. 

T. 1360. und 1397» von Soph. die gerechte Beseichnmig ihres Ver- 
brechens. Das bezweckea onserer Ansicht nach aach v. 1215—^17., 
die freilich anders gedeatet za werden pflegen ^). 

Der Lebensberuf als Hirte hatte den Diener, dem die Aus- 
setzung anbefohlen, schon oft anf den Kithäron geführt und In die 
demselben nahen Gaue, dahin nimmt er das Kind mit. Die regel- 
mässige Zusammenicunft , die er dort schon drei Jahre lang mit 
einem Korinthischen Hirten gehabt®), hat zur Folge, dass er von 



7) Wir meinen das tsyivovvta %ocl tsnvoviisvov. Die zweite Stro- 
phe and Gegenstrophe ist fär die Gesammtaaffassnng des Stückes von 
Wichtigkeit 9 indem sie eine Anklage der Jocaste und des Laios, ja, am 
Schlüsse eine Selbstanklage des Chors enthalten. Eine Uebersetzang mag 
das einstweilen zeigen: Wie nnr, o ! wie vermochte dich, Armer, des 
Vaters Saatenfeld schweigend bis jetzt in sich zu ertragen ! Gefunden hat 
wider deinen Willen dich die allsehende Zeit : sie richtet längst den nicht- 
gen Bund, den Vater und den Sohn. Weh ! du Sohn des Lalos, hätt* ich, 
hätt^ ich nie — nimmer dich gesehn! Denn ich jammre. wie über- 
schwenglich seufzet mein Mund ! Soll ich Wahrheit sagen, Ich athmete auf 
durch dich und dann schläfert' ich ein meine Augenlider. 

S) Die Worte des Boten lauten : sv yaq ol^ ort wxtoiSsv, jjftos 
ZOP Kid^aiqmvos TOTCov 6 fikv dtnXolat noiiivioig^ iyu ff ^v\ inlriaCttiov 
tfjids tdvÖQi tQsl^s olovg l£ ^pog sig aQKZovgov i/iitijvovg XQOvovg, Statt 
ifilii^vovg hatTrin. ixfi9]vovg, was Schaef. in IxfATffovg verändert hat. Aber 
welch eine Sprache ! nXrjaioiito hat einen Dativ obj. , einen ^ccus. loci, 
Accus, temporis und einen Dat. instrum. bei sich. Die Aufifälligkeit wird 
durch den Zusatz des Hrn. W. zu v. 1103., durch welchen er demVerbum 
nXriaitttfo die prägnante Bedeutung versari vindiciren will, nicht gehoben. 
Ferner wird v(p8s xavÖQl von demselben gesagt, der einen Vers vorher 
6 filv hiess und in dem diesem vorangehenden Verse Subject in iidtoidsp 
ist. Was bedarf es ferner der ausdrücklichen Bestimmung, dass sie dort 
sechs Monate gewesen , wenn die Schaefer-Musgrave*sche Rechnung rich- 
tig ist, dass vom Frühlingsanfang bis zum Aufgang des Arcturus sechs 
Monate gewesen? Ist denn Sophokles sonst in derartigen Dingen so genau? 
Warum hätte er in dem Falle nicht lieber geradezu das Jahr gesetzt, in 
welchem der Vorfall gewesen? Und wie passt dazu der Fortgang xsinfSvi 
9' ijiTj etc.? Wo bleiben denn da die Herbstmonate, und wo bleiben 
die Hirten in denselben y wenn sie erst , was allerdings viel wahrschein- 
licher ist, beim Beginn des Winters heimtrieben? Nein! die Stelle ist 
verdorben, es hat iftfi8tvcig an der Stelle von infiiivovg gestanden. Je- 
nes hat ein Abschreiber nicht erklären können, weil er es zu dem zn- 
nächststehenden Verbnm inXrjattttov zog. Es ist aber hinter InlriaCoiiov 
ein Comma zu setzen und iiiiisivag auf das frühere natoiSsv als Particip 
der nähern Ergänzung zu beziehen , so dass der Hirt Subject ist. „Er 
wird es doch wissen, da er drei ganze Zeiten bei mir gewesen^^ ziß8s 
zdvdQl bezeichnet, wie in dem Stücke und dem Dialoge überhaupt so oft, 



Neuere Schriften über Konig Oedipas. 145 

Mitleid bewogen diesem das Kind giebt, damit dieser dasselbe in 
fremdes Land mitnalime (v. 1178) und, was Hr. W. auslässt^ fOr 
sich aiiferzöge (v. 1148). WeAen Kind es sei, Terschweigt er. 
Wie scfiön spricht durch des Dieners Mund die Menschlichlceit, 
wenn wirs nur hören wollen! Oder was ist der Grund der Worte 
▼. 1163: Efiov (Aiv ovx iymy, ids^dfAriv de rov. Ich denice Sycoys 
80 gut wie ifiov f^iv enthalten eine nachdrücidiche' Verwahrung, 
dass ihn solch ein Vorwurf, sein eigen Kind ausgesetzt zu haben, 
nicht treffe. Wieder ein bisher unberücksichtigt gebliebener Be- 
weis , dass Sopholdes die Aussetzung als eine gesetzliche und des- 
halb nicht strafbare nicht hat ansehen wollen und können. Wie 
Hr. W. darüber denke, hat er nicht angegeben. 

So gelangt das Kind durch den Korinthischen Hirten^) nach' 
Korinth. Dieser zieht es aber nicht selbst auf, sondern legt es 
in die Hände des Königs, der kinderlos war. v. 1024. Auf die 
Frage eines Schollasten zuPhoen.31., wie denn Polybos dn solches 
Kind mit durchstochenen Füssen habe annehmen mögen, giebt So- 
phokles nicht die Antwort wie Euripides , Merope habe es für ihr 
eigen Kind ausgegeben und den Fussschaden als ein natürliches 
Leiden, welches vom Kinde mit auf die Welt gebracht sei, darge- 
stellt; oder sie habe gerade durch die Annahme eines nicht gani 
gesunden Kindes jedem Verdachte, das Kind nicht selbst gebo- 
ren zu haben, desto besser Torbeugen wollen; der Dichter lässt 
Merope dabei ganz aus dem Spiele, sagt nur, Polybos habe das 
Kind mit Liebe empfangen und auf erzogen. Der Schol. zu Phoen. 
27, wo es heiasi"E klag vtv civofia^sv Oldlnovv^ womit sich 
auch Hr. W. begnügt, ist der Ansicht, Merope habe ihm von dem 
Fussleiden den Namen Oldinovq gegeben. Auch davon ist keine 
Spur bei Sophokles. Jedoch der Dichter lässt die Frage, wer 



die Person des Redenden. Die Verbindung von ^nfiivto findet, wenn sie 
dessen überhaupt bedarf, z. B. in Ear. Erechth, fragm. XX, 12. einen 
Beleg. Demnach niuss die Uebersetznng lauten » denn ich weiss gewiss, 
er weiss, als zu Kithärons Bergen hin mit zweien Heerden er und ich oiit 
einer mich zu nähern pflegte , dass er hier bei diesem Mann (d. h. bei mir) 
drei ganze Zeiten von dem Frühjahr bis zum Herbst geblieben. Kam der 
Winter dann etc. — Auf die Unstatthaftigkeit der Schäfer'schen Con- 
jectur hat übrigens auch Stager aufmerksam gemacht , freilich aus ganz 
andern Motiven. 

9) Dass derselbe von der Merope beauftragt gewesen sei, ihr ein 
Kind zu suchen, weil sie gefurchtet, ihre Kinderlosigkeit werde Polybos 
bewegen , seine Gunst einem andern Weibe zuzuwenden i dass derselbe 
femer gerade deshalb von dem ohnehin heilbaren Leiden des sonst scho- 
nen Kindes abgesehen habe, nur um desto eher dem Wunsche seiuer^Für- 
stin zu genügen (schol. Guelph. zu Phoen. 28. und 31.), sind. Alles dem 
Sopb. unbekannte Dinge. 

Pf. Jahrb. f. PkiL m. Päd. od. Krit. BibL Bd. L. Bfi. 2. V^ 



146 Griechische Literttar. 

das Kind so genannt , nicht ganz unber&cksichtigt , sondern beant- 
wortet dieselbe am natargemässesten , wenn man seine Worte nur 
richtig verstehen will. Die hierher gehörige Stelle ist v. 1036. 
äöt avofiaöfhjg In tvxrjg tavtijg og el. So sa^ der Korinthische 
Hirt. Oedip. fragt darauf d nQog &Bav^ ngog (ititQog ij srotgög, 
ipQciöov^ worauf jener: ovk old\ 6 dovg de xavz ifiov Xmov 
q>QOVsl, Der Schollast hält es für unverständig, wolle Oedipus 
hier fragen, ob Vater oder Mutter Ihn so genannt habel und dar- 
auf hin hat auch Hr. Wunder die Ansicht , die Frage gehe auf den 
vorhergehenden Hauptgedanken und beieiehne: ,,wer hat mir 
diese Schmach der Windeln zugetbellt?^^ Diese Frage würde aber 
In den Mund des Oed. kommen, ohne dass.man wnsste wie. Der Hirt 
hat nämlich bisher nur gesagt, ich habe dich angetroffen auf dem 
KIthäron und bin dein Retter gewesen, well ich dir damals dieFuss- 
gelenke gelöst habe. So hat sich der Bote als Finder eines ihm f r em- 
den Kindes hingestellt, der dasselbe später dem Polybos gegeben. 
Wie käme nun der verständige, Sberall, auch hier, mit fast juri- 
stischer Schärfe examiilirende Oedipus auf die unverständige 
Frage: hat Vater oder Mutter mir das Leid zugefügt^ Will man 
es nicht allenfalls für eine Suggestivfrage erklären, die nach den 
bisherigen treuherzigen Antworten des Boten und dem schmerzli- 
chen Ausrufe des Oedipus ebenfalls unpassend und unverständig 
erscheinen mösste, so. bleibt es thöricht, solch eine Frage an den 
Finder eines Findlings zu richten, abgesehen davon, dass dieselbe 
fär die Lage des Oedipus müssig erscheinen dürfte, desshalb mit 
sr^og &B(&v unmöglich einzuführen war. Wenn nun aber Oedipus 
diese Frage nicht stellen, also aus v. 1035. nicht kann dvBik6^i]v 
zu ngbg natQog ergänzt werden , so scheint nichts übrig zu blei- 
ben, als, wenn einmal die Ergänzung eines vorhergehenden Ver- 
bums nothwendig sein sollte, die natürlichste Ergänzung des Ver- 
bums aus dem unmittelbar vorhergehenden Verse eintreten zu 
lassen, also die Frage dem Oedip In den Mond zu legen, nannte 
mich Vater so oder Mutter? Das ist unverständig, sagt der Scho- 
liast. Wir können das nicht ganz zugeben, wenn natgög i} ftij' 
XQog von den vermeintlichen Eltern, d^m Korinthischen Königs- 
paare, verstanden wird ; wohl aber müssten wir auch diese Frage 
fiir eine äusserst müssige erklären, deren Beantwortung dem Frag- 
steller nicht so wichtig sein kann, dass er dieselbe mit ngog %Bmv 
erheischen könnte. Oedipus kann nur Aufklärung im Allgemeinen 
wünschen. Die bestimmton , die Hauptsache , nämlich dass Oedip. 
ein Findelkind sei, bestätigenden Worte des Boten, dass Oedipus 
von seinem Fussleiden den Namen erhalten (cSors mit Indicativ!), 
können gewiss die Vermuthung des Königs rechtfertigen , dass der 
Bote von den nahern Umständen seiner Jugend , seiner Abkunft 
etwas wisse. Nach diesen verlangt Oedipus In dem Augenblicke, 
wo er seine ganzen früheren Meinungen über seine Abkunft über 
den Haufen geworfen sieht , wo sein Stolz so tief gekränkt wird, 



Neuere fichrifteii aber König Oedipas. t47 

WO er iich als Gegenstand einer achlechten That erblickt Nach 
weiterer Aufklärung im Allgemeinen moss er suchen, wie er es 
V. 1009. in dem Verse that: »ag^ d yigaii*^ ngdg 9ewv dldaöni 
Plb\ das ist das Nat&rliche; und so hat's auch Soph« eingerichtet. 
Rede^ sprich! das sagt er, ich beschwöre dich um der Götter 
(Apollo) und *um der Eltern willen ! Der Vers oS KQog ^Bmv^ngog 
lirjtgog tj natgög^ (pgidov enthalt nichts als die Aufforderung: oE 
rede, rede! Aber welche Eltern meint er 1 seine vermeintlichen? 
seine wirklichen? Keins von beiden, denn wie passte da ^? Oed. be*- 
schwört den Boten bei seinen, des Boten, Eltern, und da er nicht wis- 
sen kann, ob dessen Mutter oder Vater noch lebt, oder welche derset» 
ben ihm besonders werth sind, kann er ^' recht gut gebrauchen. So 
gewiss dir die Götter, so gewiss dir Mutter oder Vater lieb sind, 
sprich! Das ist-eine Beschwörungsformel, deren Berechtigung an 
dieser Stelle nicht kann bestritten werden. Ebenso wenig kann 
geleugnet werden , dass bei dieser Auffassung die Concinnität des 
Ausdrucks sehr gewinnt; denn nun steht Tigog in demselben Verse 
nicht in zwei Bedeutungen. Aber, kann man einwerfen ^ wie passt 
jetzt die Antwort des Hirten ? Oedipus kann nichts dazu , w^nn 
der ihn falsch versteht und von dem Standpunkte seines Verstan- 
des aus ihm eine so müssige Frage nach dem 'Urheber des Namens 
zuschreibt. Wer die Gesetze und Gewohnheiten des Dialogs der 
grlech. Tragödie kennt, der weiss, dass oft in anderm Sinne ge« 
fragt wird , als der Antwortende versteht. Die deutsche Ueber- 
Setzung hätte also vor Allem die Möglichkeit des Doppelsinns eben- 
falls zu erstreben ^^), Der Bote verweist die Antwort auf die 
Frage, wie er sie aus den Worten herauszuhören gemeint hat, an 
den Geber des Kindes (Beweis genug, dass der Name dem Kinde 
nicht In Korinth gegeben),, und hat mit dem Ausdrucke d dovg dem 
Oedipus wieder so viel Stoif zu neuen Fragen gegeben, dass der 
Dialog auf die natürlichste Wei^e in eine andere Bahn fortschrei- 
tet. ' Mit dieser Verweisung an den Geber hat nun aber Soph. die 
oben von uns gestellte Frage, yon wem das Kind den Namen er- 
halten , in seiner eignen Auffassung beantwortet. Nicht Jocaste, 
nicht Leios kann ihn so genannt haben , denn was hätten sie einem 
zum Tode bestimmten Kinde noch einen Namen geben sollen? und 
hätte dann nicht Jocaste später gerade durch den Namen bei ihrer 
Verheirathung mit dem Oedipus doppelt zur Vorsicht gemahnt sein 
müssen 1 Solch eine Meinung häuft die Unwahrscheinllchkeitea 
im Hintergründe des Stuckes auf unnöthige Weise; nein! das 
Natürlichste ist, dass der mit der Aussetzung beauftragte Diener 
dem kleinen Schmerzenreich von seinem Fussleiden den Namen 



10) Wir meinen so : Oed, Gewaltge Schmach der Windein ward mir 
zDgetheilt! Aug. So dass nach dem Geschick da hiessest, wer da bist. 
Oed, Bei Mutter oder Vater, bei den Göttern, sprich! Äug* Nicht weiss 
ich's. Wer dich gab , weiss besser das ala ich. 

10* 



148 Griechische Literatur. 

giebt, als er denselben dem Korinther fiberliefert. Denn der 
Letstere wird beim Empfang doch sicherlich nach dem Namen ge- 
fragt haben. . Das ist die Auffassung des Sophokles gewesen. 

Unter dem Namen Oldluovg wachst das Kind nun in Korinth 
auf in der Königsfamilie. Der Hirt weiss um das Geheimniss und 
•dieint allerdings für seine Person reinen Mund gehaften zu haben, 
wenn er in unserm Stücke in Veranlassung des Todes des Poijbos 
sich aufmacht, diese Nachricht nach Theben su bringen, also 
nicht vermuthen kann, dass ihm darin. einer werde zuvorkommen 
können. Das Fussleideil^Ternarbt, dass er davon so genannt sei, 
bleibt dem Oedipus unbekannt. Es macht auf ihn einen grossen 
Eindruck und verleiht in seinen Augen den Worten des Boten den 
Schein der Wahrheit, als dieser ihn an die Fussgelenke erinnert. 
Natürlich ! es ist das ein uQxaiov xaxov , ein ösivöv ovBidog äaaQ- 
}rcKVfi>i'v das man nicht gern zur Schau tragt, das Oedipus wird 
möglichst verheimlicht haben , auch seine Gattin nicht wird haben 
sehen lassen. 

Ein Scholion zu Phoen. 26. sagt: ol dl dno ttSv änagyä- 
vov q>aölv avvdv s^oidijxsvai ix tavrofiatov ra noÖBy das 
könnte eben die Meinung des Oedipus selbst sein, vielleicht zur 
Beschönigung seiner neugierigen Fragen einst in seiner Jugend von 
Merope erfunden. — Er gilt in Korinth für den König^sohn, steht 
da als der Bürger Grösster ^^). Da hat er einst einen Streit beim 
Weine (er macht darauf ausdrücklich aufmerksam ^ 2)), bei wel- 



11) Eorip. scheint sich gedacht zu hahen, Oedipns sei geflohen, weil 
er habe ein Sclavenleben dort geführt. Phoen. 160& ist dovXBvacei nicht 
anders za fassen. Schol. za Phoen. 33. deutet an , Oedipus habe sich zu- 
rfickgesetzt gefühlt von seinen Eltern. Das ist der Sophokleischen Auf- 
fassung ganz fremd. 

12) Man höre: cevrjif yccQ iv Ssinvoig (i vnsQnXrie&'sls (is- 
^97 ff HuXsi, naq otvio^ nlaövog mg striv. Hr. Wunder stösst sich an 
der Tautologie, wie er hier die Wortfulle nennt, und vermuthet nag' otvat 
sei corrumpirt. Hr. Junghans remonstrirt p. 9. : quum sit pars coenae 
compotatio , quando commcmoratur aliquid quod inter compotandum factum 
sit, commemoranda etiam compotatio. Primum commemorat in Univer- 
sum cocnam, deinde hominem temulcntum, tum quid fecerit et quando fe- 
cerit ille , nimirum in vino. Die Hauptsache giebt er am Scblass : nihil 
tnrbatqm nee supervacaneum, praesertim quum in hoc ipso insit causa, cur 
jactum illud convicium tunc non fuisse tanti sibi faciendum nunc jadicet 
Oedipus. Allerdings! Gerade die Absicht des Oedipus, die ganze Sa- 
che, seiner Gemahlin gegenüber, recht unbedeutend hinzustellen, damit 
nicht ein Zweifel an seine rechtmässige Geburt in Joe. aufsteige , spricht 
sich durch diese Häufung der BegrifiFe am Schönsten aus. Aber wann 
wird man endlich anfangen , die griech. Trag, zu hören , statt sie mit 
kritischer Schärfe hinter dem grünen Tische abzuwägen. Der Charakter 



Neuere Schriften über König Oedipus. 149 

^chetn ihm (weshalb meint Hr. Schwende p. 100. von einem Kna* 
b e n? y. 779. heisst es dvtjg) vorgeworfen wird, ersei ein Bastard, 
Sein Stolz ist beleidigt; er nimmt die Sache ernster, als sie wirk- 
lich werth war (wie er selbst, wohllm Gefühle, dass daher seine 
Flucht aus Korinth und sein ganzes späteres Schicksal entsprungen^ 
eingesteht) , tritt am folgenden Tage vor seine vermeintlichen EU 
tern und stellt dahin zielende Fragen. Das Königspaar nimmt 
zwar die Schmähung dem Schmähenden übel auf, aber seine Ant- 
worten genügen dem Oedipus nicht, der desshalb ohnehin bei der 
weitern Verbreitung ^^) des ihm gewordenen Vorwurfs, nicht etwa 
in Theben genauer nachforscht ,. oder die Sache zu vergessen 
sucht, sondern sich ohne Wissen der königl. Familie, der fr 
schlecht die Liebe lohnt, aufmacht und in der Hitze der Aufre* 
gung nach Delphi zieht , um nach seiner Abkunft dort den Gott 
zu fragen. Der aber giebt ihm auf sdne voreilige Frage keine 
Antwort (wie bezeichnend ist sein Wort v. 280. „Götter zu dem 
zwingen, was | sie selbst nicht wollen, das vermag ein Mensch 
wohl nie!^^ So hatte auch Kadmos einst keine Antwort, wohl 
aber ein Orakel erhalten, vgl. schol. zu Phoeo. 5. und 638.), weil 
eben das Orakel nicht zur Befriedigung vorwitziger ^ukunftsfor- 
scher gestiftet ist, sondern um die göttlichen Satzungen zu. ver- 
kündigen (SchömaniKzu Eum. p. 75.); wohl aber kündet er vor- 
her '^) Grausenhaftes, ,,er müsse sich seiner Mutter einen und den 
Menschen ein schreckliches Geschlecht zeugen , und Mörder sei- 
nes Vaters sein, der ihp gezeugt^* ^^). Das sind die Worte dea 



des Oedipas tritt auch aus jenen Worten wieder hervor. Za sagen iv 
deiTtvco sei das Ganze , nag' otvtp der Theil , ist Alles zu spinös. 

13) So fassen wir das vq>stQns yccQ noXv v. 7Q6. Das Gerücht hatte 
sich im Geheimen weiter ausgebreitet. Hr. W. iolgt Musgrave , wir 
EUendt. Ein gewichtigerer Grund ist es offenbar, wenn gerade die Ver- 
breitung des Vorwurfs den Oedipus zu seinen weitern Schritten bringt.. 

14) So wenigstens würden wir die Wunder^sche Conjectur n{to^ 
(privBv auffassen. Er zog es vor, mir ein Orakel Ätatt der Antwort zu 
geben. Die Präpositionen in den Compositis werden noch zu wenig be- 
achtet, z. B. das ix^sttffttff^at in y. 1253. (Oed. Coi. 285.)* Indess von 
der Nothwendigkeit dieser Conjectur können wir uns noch nicht iiber^ 
beugen. Auch Hr. Junghans hat p. 9. dagegen remonstrirt, wie ThUr 
dichum in der Recens. der zweiten Aufl. der Wunder*schen Ausgabe« 
Wie V. 395. vom Tire«, gesagt wird ^j; (ficcvtslav) ovt an olavSv cv 
nQovcpdvrjs %x<^v, so kann auch hier der handschriftl. Aulsdruck Geltang 
behalten. 

15) tov tpvzhvooLvtoq nax(^6q. Hier kann von k^nem Pleonasmds 
die Rede, sein. Gerade der wirkliche , nicht der vermeintliche Vatel^soU 
hingestellt werden. Die Verwechselung dieser beiden Personen ist ja der 
Grund aller Miss Verständnisse. Indess liegt sie im Stücke so oft nahe, 



150 ' Grieefaische Literatur. 

Orakeliprochg, Mrie er diefielben lelbst und in einer Stimman; der 
Wahrheit v. 790. ausspricht '«;. Weich einen Entichloss fasst er 



data der Zuschaner selbst Acht haben raass , dieselbe nicht zu machen, 
and Sophokles alle Sor^alt darauf verwenden mnsste, den Zuschauer 
Tor der Verwechselung tu hüten. Schon aus dieser Sorgfalt konnte er 
T.8d7. setzen, welchen Hr. Wunder glatibt verdächtigen zu müssen. Der 
Zuschauer musste dort ausdrücklich wieder darauf verwiesen werden, dass 
Oedipus noch immer das Korinthische Paar für seine echten Eltern halte. 
Der Vers ist zum bessern Verstandniss des Ganzen nothwendig, dieses 
aber zu erwirken ist überall so sehr die Absicht des Soph. , dass man in 
solchen Stellen nicht immer die Hand eines »Abschreibers wittern darf. 
j9r. Junghans nimmt den Vers mit vollem Rechte in Schutz , doch will es 
ans scheinen, als gehe er dabei zu spitzfindig zu Werke, und habe eine 
Hauptsache vergessen. Der Gott hatte von dem nocrrjg 6 tpvüag ge- 
sprochen , es. ist ganz angemessen , wenn Oedipus in seine Argumentation 
den Orakelspruch ebenso vollständig aufnimmt. Darum der relative Zn> 
satz OS i^itpvaB, der gleichsam den Grund enthält, weshalb das Orakel 
nar auf die Korinthische Konigsfamilie gehen könne, der aber ebenso gut 
die Absicht verfolgt, jeden Gedanken, dass Oed. ein Bastard sei, ans 
dem Sinne der Joe. und des Chores zu verbannen« Die Znfugung des 
Namens JloXvßov kann hier ebenso wenig auffallen , wie v. 956., wo eine 
morose Kritik den Namen ebenfalls für überflüssig erklären kann. Wir 
glauben , Hr. W. dürfe sich nicht viel auf sein ego primus uncis inclusi 
bunc versum einbilden. 

16) Dass ihm damals der Gott noch Weiteres prophezeiht, nämlich 
seine endliche Erlösung von Leiden, ihm zur Freude und den Hülfe ge- 
währenden Freunden zum Nutzen, wie das Soph. Oed. Col. 87. sq. und 
453. den Oedip. aussprechen lässt, davon ist im ganzen Oedip. tyr. keine 
Spur; im Gegentheile, es. kann dies Orakel mit der ganzen Fabel des 
Oed. tyr. gar nicht bestehen. ' Auch ein Beweis , wie leichtfertig die An- 
nahme von einer trilogischen Verknüpfung der beiden Oedipe und der 
Aptigone aufgebaut sei. G. Hermann macht zu Oed. Col. v. 391. vnig. 
darauf aufmerksam , dass der Dichter nicht mit gewohnter Fertigkeit die 
durch Ismene gebrachte Nachricht von dem neuen Orakel mit dem von 
Oedipus lange gekannten und ausgesprochenen in Einklang zu setzen ge- 
^us^t habe , und nicht gleich erkennen lasse , dass beide ihrem Wesen 
nach dieselben seien. Ist diese Ausstellung auch in etwas zu beschrän- 
ken , so ist sie doch in der Hauptsache richtig. Der Grund aber, weshalb 
Soph. dort im Prologe schon das Orakel aussprechen lässt, war ein dra- 
maturgischer. Der Zuschauer sollte, wie das ausserdem noch viele an- 
dere Fingerzeige bezwecken, von vornherein gleich erfahren, dass der 
Standpnnkt des Dichters beim Oed. Col. ein ganz und gar anderer sei, 
als derselbe beim Oed. tyr. gewesen , ein Standpunkt, den Ismene in dem 
Verse 394. ganz passend ausdruckt: vv9 ya^ ^so^ a' d^^ovf», nqoad's 
9* &XXvoctv. 



Neuere Schriften über K^oig Oedipüs. 151 

ttunl Die Aot Worten seiner ElteAi hatten ihm nicht genügt, et 
hatte für ihn eher die Yermuthung durin liegen können , dass der 
Vorwurf nicht angegründet sei. Statt alles Weitern hatte er auf 
neue Auskundschaftung seiner wirklichen filtern Bedacht nehmen 
müssen ; aber diese , ohnstreitig für ihn jetzt gerade die wichtigst^ 
Frage, lässt er sofort aus den Augen ; in Korinth hätte er am Ehe- 
sten, zumal durch Mittheilung des Orakels, Auskunft erhaltes; 
statt dessen wahnt er, dem Orakel entfliehen zu müssen und zo 
können , wenn er Korinth für die Zukunft meide. In dieser Ab-^ 
Meht beharrt er auch den grössten Theil der Zeit in unserm Stübke, 
vgl. V. 825 sq. und 1007. Ein einfaches Fernhalten von Korinth, 
meint er in einer die Gottheit wenig erkennenden Weise, werde 
genügen , die Erfüllung des Orakels unmöglich zu .machen. So 
treibt ihn seine Klugheit gerade zu dem Schlimmsten. Des Leicht-» 
sinna, den er dabei gezeigt, zeiht er sicli selbst t. 777. 

Er schlägt also in unglücklicher Stimmung und Wahl einen 
andern Weg ein y nicht nach Theben geradezu , wie die Heraus- 
geber sagen, denn das wäre doch eher derselbe Weg, wie nach 
Korinth gewesen (Genauigkeit in geographischen Verhältnissen 
erstrebt die Tnn^ödie^ auch Sophokles [vgl. nur Oed. Col. 1045 sq« 
mit den verschiedenen Erklärungsversuchen!] eben so wenig, wie 
in astronomischen ; man darf aus Unrichtigkeiten in beiden keinerlei 
Verdächtigungen der Dichter herleiten, wie das geschehen), woM 
eher nach Daulien. Noch In Phocis aber, also noch nicht fem 
von der Orakelstätte, gerade dort, wo der Pfad sich spaltet zu 
einem Wege nach Daulien und nach Theben , also tQixXal dfia^i- 
toi waren (d. h. 3 Wege, einer nach Delphi, einer nach Daulien, 
einer nach Theben; der Schol. zu Phoen. 38. vSpricht falsches, wenn 
er 6%L6tYi öSog so erklärt, ^ 6xlt,%i r^v ItcI Boiwriav xal (Btjßag 
xal AxxiTtr^v xcrl K6Qt,v%ov 686v\ begegnet ihm, es ist in einem 
Walde und in einem engen Thale (1399.), eine ^scagla. Es ist ein 
alter Mann auf einem Wagen mit einem Herold , den Phericydes Po-* 
lyphetes nennt, von Dienern begleitet. Der Rosselenkcr und der 
Alte stossen ihn aus dem Wege und drängen den stolzen raschen Kö- 
nigssohn. Der schlägt den Erstem zornergrimmt; da nimmt der Alte 
den Moment wahr^ wo Oed. ihm nahe steht, und schlägt ihn mitten 
auf das Haupt mit doppelt geführtem Schlage. Oedip. erwidert das 
nicht in gleicher Art, nein! kurzen Wegs vom Scepter des Oed. tödt^ 
lieh getroffen stürzt Laios hinterrücks vom Wagen herab , und ile 
Begleitung wird getödtet. So sagt Oedipus im Stucke '^). Aber 



17) %ttlv(o 9b xovq ^viinavzccg v. 8l2. Joe. sagte v. 752, : nivv 
iicuv o\ iüibnavxB^. Danach bestiind die ^sagCa im Ganzen aus fünf 
Personen. Oedip. hatte aber nur vier erschlagen , denn Einer ist ent- 
flohen: weil er das nicht gemerkt (bei Hrn. Sehwenck p. 100. ist daa 
sehi; undettUidi!)^60 sidd die Erschlagenen in seinen Angen qI ifii^zctvtts* 



152 ' * Griechische Literatar. 

Einer dieser Begleitung ist ehtwichen, ohne datt Oedlpus 
es geijpahr.ge worden (v. 1110.) vielleicht gleich zum Beginne 
des Kampfes. 

So hat Oedipus , gleich unmittelbar nachdem ihm das Orakel 
geworden , einen Mord begangen , noch dazu an einem alten Manne 
(807.), den er nicht kannte, an einem Fürsten, wie ihn die Beglei- 
tung ahnen lassen konnte (vgl. seinen eigenen Ausdruck oV av^g 
dQXVy^t^^S ^' 751.), hat an einem dv^g ^sa^gog nicht blosse Ver- 
geltung ausgeübt (ovk Xörjv y hLösv)^ nein! mit dem Alten die 
gante Begleitung, soviel er davon gewahrte, erschlagen« 
Froh des gewonnenen Sieges, den ihm seine Tapferkeit und Kor- 
perstärke eingebracht, wohl auch in einer bei der Besuchtheit 
des Ortes unüberlegten Sicherheit, dass die That nicht könne ver- 
rathen werden, setzt er stolz seinen Wanderstab weiter, nicht 
ahnend , dass der Erschlagene sein eigener Vater gewesen ^^), 
nicht ahnend , dass die That könne ans Licht gezogen werden (da- 
her seine verwunderte Frage v. 754. tlg nors)^ vielmehr dieselbe 
— dekin das geht doch aus den seine Erzählung einleitenden Worten 
xal öol^ yvvaij rdXtjdis i^Bgc5 zur Genüge hervor — stets ver- 
heimlichend, auch in der Folge. Weich einen Grund hätte er zu 
der Verheimlichung gehabt, wäre die That eine rechtliche, durch 
Pflicht der Selbsthülfe gebotene gewesen? Würde er dieselbe 
nicht viel eher in Theben als einen Beweis seines Muthes und 
seiner Tapferkeit zumal bei dem ihm anklebenden Stolze hinge- 
stellt haben? Es ist verfehlt, will man das Gesetz des Rliada- 
manthjs bei Apollod. bibl. II, 4, 9. hierher ziehen : og av diivvrj- 
.tuL xov %zigäv dälxcov ag^avta^ d&diov tlvai^ oder sich gar auf 
Oed. Gol. 537. berafen; Kai yag dkovg lq)6vev0a xal cSAetfa, vo- 



Die Zahl, welche Joe. 752. angiebt, überhört er, oder lässt sie unbeach- 
tet, weil die weitem Worte der Joe. an jener Stelle wichtiger, mit sei- 
ner Erinnerung übereinstimmender , zur Ermittelung der Identität geeig- 
neter sind. Das sind Freikeiten des Dialogs, welche jeder Dichter für 
'sich in Anspruch nehmen darf. In jener Erzählung des Oedipus ist Hr. 
W. vergeblich bemuht , noch zwei andere Verse zu streichen. Fasst man 
die Situation, die Stimmung des Oedip., die Absicht seiner Worte ins 
Aage j so Iconnen auch jene Verse (808. und 815.) nicht entbehrt werden. 
Hr. Junghans hat dieselben aufs Beste in der Hauptsache gerechtfertigt, 
in Nebendingen stimmen wir, namentlich in Bezug auf aq' itpvv xaxo$, 
nicht mit ihm überein. 

18) Die Sage bei schol. zu Phoen. 26., Oedipus habe als Rächer des 
Chrysippus, der sich in Folge des ihm gestellten Ansinnens getödtet, im 
Kampfe den Laios erschlagen , dann die Jocaste , welche zur Bestattung 
ihres Gatten gekommen, geschwängert, ist dem Soph. ebenso fremd, wie 
die andere, dass PolyboS den Oedipus geblendet habe, weil er das dem- 
selben gegebene Orakel auf sich bezogen habe. 8. schoL Phoen. 26 u. 53. 



Neuere Schrifteo aber Konif Oedipos. 153 

fiip dl aa^agdg^ ffögig ig roA' '^X^ovy deno einmal ftiminft et 
mit seiner eignen Erzählung im Oed. tjr. gar nicht überein , das« 
er durcli Nothwelir zum Morde gezwungen gewesen wäre, andern« 
ttieils bezieht sich das xa^o^o^ nicht auf den Mord übeiliaupt, 
Bondern auf den Vatermord, ebenso wie die ganze dort v. 992. 
von ihm versuchte Vertheidigung. Es Icann aus gleichem Grunde 
schwerlich angenommen werden, dass Soph. dort sich eine AnzQg* 
lichjkeit, eine Berücksichtignng der Euripid eischen Auffassung^ 
erlaubt habe, wenn auch im Principe solch eine Annahme nicht 
bekrittelt werden darf. Oedipns gesteht es selbst ein , ovx i&iju 
itiöBv, und spricht damit selbst eine gewisse VeruMieilnng gegen 
sich aus. Befleckt mit dem Morde geht er, ohne dass er dfci 
auch vom Schol. zu Phoen. 44. für nothwendig gehaltene Reiiii* 
gung von dem vergossenen Blute vorgenommen (Soph. ermähnt 
wenigstens einer solchen nicht, was er gethan haben würde, hätte 
er den ganzen Vorfall als einen gewöhnlichen anfgefasst, die Be- 
rechtigung des Oedipus anerkannt wissen wollen) , weiter seine« 
Weges, ob nach Daulien zu oder nach Theben, bleibt ungewiss ; doch< 
ist jenes wahrscheinlicher , als dass er denselben Weg einsehlagen- 
wird , auf welchem der Erschlagene gekommen. Soph. sagt in- 
dessen nur, Oedipus sei nicht lange Zeit darnach '^) in Thebens, 
Nähe gewesen. 

Was Laios damals bei seiner Reise nach Delphi für eine Ab-« 
sieht gehabt, das wird nicht gesagt. Wir erfahren nur ^Ba>06g 
ixdtjficov V. 114. Der SchoL zu Phoen. 36. meint, demEuripides 
helfend , seine Absicht dabei wäre gewesen ij xb&vs(otcc xov mov. 
aKOvöag däemg dtaysiv ij ^avta ccKOVöag (pvkätTBiv savtov,' 
weil er durch einen Traum beunruhigt gewesen. ' Hr. Wunder 
stinimt zu v. 114. diesem Motive der Reise bei, da Schol. u. Gloss. 
eben so meinen. Davon ist bei Sophokl. aber keine Spur, er kann 
das auch kaum gedacht haben, schon der Ausdruck dBdogog dürfte 
dem widersprechen , wenigstens wenn wir den Schol. zu Ar. Frie- 
den p. 342. hören: ^BcsQOvg ÖB ixdlovv rovg äjtd räv n»6Xe€9¥ 
df](io0la in7ceiAno(iivovg 6vv^0ovtag xal öv(inavfiyvQl' 



19) ▼• 736.: axsSov xi nqocQ'zv iJ ev t^s S* %x(ov %^ov6^ ^(ixA^ 
itpalvov. Es konnte nicht die Absicht des Dichters sein , genauer die« 
Zeit anzugeben. Schon ▼. 561. hat er eine genauere Bestimmung abge-* 
lehnt. 'Naturlich ! Hier in der Zeit liegt etwas äXoyov, Darum hütet; 
sich der Dichter, dasselbe noch klarer hervortreten zu lassen durch aus- 
druckliche Angaben, indem er die der Tragödie in solchen Dingen ge- 
stattete Freiheit (vgl. unsere Bern, in diesen Jahrbb. 1841 XXXf, 2. p. 
138. und zur Iphig. Aul. p. 244., wo wir hätten auf K.' O. Müller Eume- 
diden p. 106. verweisen sollen) für sich in Anspruch nimmt. Der Ver- 
such , diese Zeit auszufüllen y hat eben die andern Erzählungen hervorge- 
rufen , wonach Oedipus wieder nach Korinth zurückkehrt etc. 



154 Gfriechische Literatur. 

eoffttcg- Wahrscheinlicher ist, dass er sich dachte^ Laios sei wegen 
der Sphinx dahin gereist. Es fuhrt darauf auch noch ein Wort 
in Prologe. Wir meinen ▼. 126. Aatov 8 ' okakozog oddalg agm^ 
yog iv xaxotg iylyvno nq. Daraus Icann wenigstens hervorgehen, 
dass zu der Zeit der Sphinx Laios hin nach Delphi gereist sei, 
und war das der Fall , so ist bei solchen Zeitläuften nichts natör« 
licher als die Annahme, er werde das im Interesse der Stadt ge- 
than hahen. Dahin fuhrt auch eine Nachricht beim Schol. za 
Phoen. 1760», nach^weicher Tires. dem Laios gerathen haben soU, 
statt nach Delphi su gehen, lieber der "Hga %ä yafioOtoXip xa 
opfern , welchMurch den Raub des Chrysippus und die begonnene 
Knabenliebe verletzt die Sphinx zur Strafe gesendet habe. So 
«tinde Laioa dem Oedipus in Bezug auf die Absicht, die Leide» 
der Stadt za lindern , ganz ähnlich da. 

Laios Mord wird in Theben bekannt, als der eine Diener, der 
geflüchtet war, die Nachricht bringt. Aber, damit sich Alles 
■och mehr verwirre, meldet der nicht die Wahrheit, nicht, dass 
ein Mann, ein Jüngling die That verübt, sondern er schildert es 
in Gegenwart der Jocaste und der xokig (v. 850.) , als ein Werk 
TOn Räubern. Möglich, dass er wirklich gedacht, ein Ränber 
sei der Thiter , möglich , dass er die Lüge ersann, um nicht als 
Feigling, als Verräther seines Herrn dazustehen. Der Schol. zu 
T. 118., wo Kreon von dem Knechte sagt q)6ßca g)vyciv ^ /weht hin 
aof die Gewohnheit der Feigen , die Umstände, wegen welcher sie 
geflohen, ins Grosse auszumalen, sowie auf die Oekonomie des 
Stückes, welche den Dichter be wog, diese Lüge des Sclaven zu 
benutzen. Denn eigentlich hatte diese Aussage nur dann einen 
Grad der Wahrscheinlichkeit für sich, wenn, wie die andere Er- 
Siählung des Mythus auffasst (s. schoL zu Phoen. 44. u. 1760.), 
sehon durch die Zeit des dem Oedipus gegebenen Orakeis von der 
Sophokleischen ganz verschieden , Oedipus den Wagen des Er- 
schlagenen, seinen Gürtel und Schwert als Siegestrophäe nach 
Korinth gebracht hätte. Ein einfaches Hinsenden zur Stelle des 
Mordes hätte, falls nicht andere Leute, die des Wegs gekommen, 
den Wagen genommen, was aber wieder eher eine Entdeckung 
des Sachverhältnisses möglich gemacht haben würde, die Aussage 
des Boten Lügen gestraft; aber alle solche Bedenken sucht Soph; 
4nit der Dichtung abzuschneiden, die Lage, in welche Theben 
durch die Sphinx versetzt gewesen , habe eine gründliche Nach- 
forschung unmöglich gemacht ^^). Vgl. v. 129 sq. Nicht dass an 



20) So konnte die Entschaldignng des Schol. zu Phoen. 44., dass 
die Thebaner ihren König in Delphi anwesend yermnthet ,' also nichts 
geahnt hätten , von Soph. nicht gebraucht werden. — Hr. Marbacfa lasst 
übrigens die Sphinx erst später, nach dem Tode des Laios, in Theben 
erscheinen. 



Neuere Schriften aber Konig Oedlpns. 153 

dfeser Stelle Kreon überhaupt in Abrede stellte, daM eine Nach4 
forschang angestellt sei, denn das würde einen durch nichts mott- 
Tirten Widerspruch mit V. 567. (wo man ntSg d* ovxl; nicht unbe« 
achtet lassen darf) hervorbringen, sondern er will damit mir sagen^ 
dass die Untersschnng nicht habe su Ende gebracht werden können. 
Ber Ausdruck, A^^tfra/ hätten ihn getödtet, ist sehr wichtig 
und rerhindert eine lange Weile im Stucke die Entdeckung. Oedi- 
pus klammert sich znletst wahrhaft ängstlich daran (v. 8-^5.), dast 
Mehrere den Mord vollbracht : ov yag yivoir av bX^ ys tolg noX* 
KoigiöoS' l^ie Nachricht des Boten kennt erstens Kreon, den 
▼ön ihm hört Oedipus zuerst v. 107. von tovg etvtoivxttg %£ipl unil 
V. I22. kTg6tag 6vvtyx6vtag ov fiia ^dfifD ällä övv «Ai^'dsi xs^ 
pcov; kennt ferner der Chor, denn er stellt freilich als xmtpä fial 
naXaC Sni] hin, was v. 292. steht: &avBlv kXix^V ngog xivmv odoi^ 
jcoQav (man schliesse ans Oedipus Antwort ijKOvöa ndym nicht 
etwa, auch er habe schon vorher, vor der Zeit, mit welcher daa 
Stuck anhebt, dieselbe Kunde gehabt; der Ausdruck bezieht sich 
einzig und allein auf die ihm im Prologe gewordene Mittheilung 
durch Kreon), kennt endlich Jocaste, denn sie sagt v. 715. ^ivoi 
noTB Xy6ta\ (povBvtwöu Diese drei Mittheilungen sind sich gleich, 
bis auf das ^ivoi der Jocaste ^^) , was bei dem Mangel an Wahr« 
haftigkeit in ihren dortigen Worten (vgL oben) eher auf Rech* 
nung dieser gesetzt werden l(önnte, als dass man es für den wirk-* 
liehen Wortlaut der Botennachricht annehmen mnsste , wenn der 
Begriff überhaupt von irgend einer Erheblichkeit wäre. Aber 
auffallend ist die Art und Weise, wie Oedipus die erste Mitthei- 
lung aufnimmt, gegenüber der ausdrücklichen Versicherung d^ 
Kreon, dass der Mörder Mehrere gewesen. Man muss erstena- 
fragen , weshalb die Mehrheit der Mörder gleich von Anfang av^ 
wo dieselbe noch ganz irrelevant erseheint, so ausdrucklich mit 
mehrern Worten hingestellt wird, und zweitens, wie trotzdem Oo- 
dipus fortfahren kann x<Sg ovv 6 Xy6ti^g-^ bXtv (iij ^vv dgyvQip 
ingaööBx kv%BvÖ\ ig xoÖ* av xokfitjg ^ßrj ; jenes kann zwar mil 
der Absicht des Dichters entschuldigt werden, die Fälschung, auf 
welche sich der Fortgang des Stückes gründet, gleich von vorn 
herein recht deutlich zu machen, aber es darf doch dabei der aus- 
führliche Ausdruck Im Munde des Kreon nicht völlig unmotivirt 
dastehn. Wir finden ein genügendes Motiv in der ganzen vom 
Dichter beabsichtigten Haltung des Kreon, indem wir meinen, dass 



21) Einen Widergproch in oSoiytSgtoP mit Xv^rvocg cvPTV%ivrocg will 
Hr. Marbach finden p. 109. Der wäre doch eu unerheblich. Wir kön- 
nen desshalb auch nicht die von ihm daraas gemachten Polgemngen för 
richtig anerkennen. Hatte Oedipus in dieser Versehiedenheit der Be« 
Zeichnungen später einen Anker seiner Hoffnung, so wurde er das r. 8«ii* 
ausgebeutet haben. . 



1S6 Griechische Literatur. 

bisher viel zii wenig darauf geachtet; sei, wie der Dichter nicht 
plötzlich in v. 378., sondern nach und nach erst in Oedipus Brust 
den Argwohn gegen Kreon, entstehen lasse. . Es heisst die So- 
phokleische Charakterschilderung total verkennen , wenn man, wie 
auch Scholl in Soph. Leben p. 180« gethan, meint, erst v. 378. mit 
dem offenen Ausdrucke des Argwohns gegen Kreon fasse derselbe 
In der Brust des Oedipus Wurzel. Der Dichter muss sogar den 
Argwohn schon vorher durchblicken lassen, es darf derselbe nicht 
tde ein deus ex machina Hals über Kopf einbrechen. Wer die 
Worte des Dichters aufmerksam liest ^ wird finden, dass der Arg* 
wohn sowohl schon vorher durch Kreon's Haltung motivirt, wie 
versteckt ausgesprochen wird in Oedipus Worten und Thaten. 
Dies wollen wir zuerst bedenken, da auch Hr. Marbach davon nicht 
die volle Ahnung gehabt zu haben scheint. 

Kreon kommt von der Mission nach Delphi auffallend spät ' 
zurück ; man achte darauf, wie Oedipus diese Verzögerung nicht 
einfach, vielmehr drei Verse hindurch, also sehr nachdrücklich 
beraerklich macht v. 73 — 75. : xal (i tifiag ^d'jy ^vfi(iBTQov(i£vov 
XQOvq^ IvTcet^ xL ngdöösi. rov ydg slxozog niga änaöTL nkslca 
%ov Ktt^tjxovros ;u9o'vot;. Wäre Hr. W. consequent , so hätte er 
auch hier an der Häufung der gleichbedeutenden Begriffe Anstoss 
nehmen ibüssen. In den Worten ist ein gewisser Vorwurf wegen 
der Säumnlss ganz unverkennbar, eine Unzufriedenheit, eine Ver- 
wunderung, die zum Argwohn leicht führen kann. Nun kommt 
aber Kreon, mitheilverkündendem, gute Botschaft prophezeihen- 
dem Lorbeer im Haar. Wo Alle lechzen nach Aufklärung und 
Hilfe , da hüllt er die Antwort des Gottes in eigenthümliches Dun- 
kel. Seine ersten Worte v. 87. sind so beschaffen, dass Oedipus 
gestehen muss , er fasse dabei weder Muth noch Sorge. Dennoch 
und obgleich er dazu aufgefordert wird , spricht Kreon noch nicht, 
was er bringt, sondern scheint (man begreift nicht, warum? die 
Vorsicht kann leicht Verdacht erregen!) die Gegenwart der Prie- 
ster und Kinder für die Mittheilung des Spruches als ungeeignet 
anzusehen. Erst als mit inniger Wärme , welche ihm die Herzen 
gewinnt, keineswegs aber, wie Hr. Marbach p. 105. will, Leicht- 
sinn verräth, der König diesen Grund der Zögerung beseitigt hat, 
thut Kreon die Meldung , dieselbe mit grosser Bestimmtheit an- 
kündigend (^i(i(pavcjg v. 96.; denn dies Adverbium gehört zu avfa- 
yav^ nicht zu ava^^ welches Hr. W. scheint vom Apoll zu ver- 
stehen, während es als Anrede des Oedipus durch zwei Kommata 
sollte eingeschlossen sein); und mehr als das, wo Oedipus keine 
Deutung derselben weiss, hat Kreon eine solche sogleich bei der 
Hand , auch diese für öag>i]g v. 106. ausgebend , nämlich dass 
Apollo den Mord des Laios im Auge habe. Man darf nämlich 
nicht glauben, wozu die falsche Auffassung von v. 110. und 308. 
allenfalls verleiten könnte and Hr. Marbach p. 100. verleitet hat, 
Apollo habe selbst vom Laios gesprochen, denn der kann doch 



Neaere Schriften aber König Oedipiu. 157 

unmöglich den Plural avtoivtag' xeigi gebraucht haben , da er 
wusste, dass nur ein Mensch der Thäter, dagegen eine falsche 
Nachricht darüber in Theben verbreitet war. Woher nun diese 
geflissentliche Dunkelheit im Ausdrucke, dieses Suchen nach Auf- 
schub, Tornehmlich nach einer Mittheilung unter vi^r Augen? 
Man sieht sich bei Hrn. Wunder, Schwenck und Marbach Tcrgeb* 
lieh nach einer Antwort auf diese sich von selbst aufdrängende 
Frage um. Täuscht mich nicht Alles, so dachte sich der Dichter, 
dass Kreon Alles ahnt, dass ihm wenigstens die Möglichkeit vor- 
schwebt, Oedipos könne der Mörder sein , zu welcher Vermuthung 
zu gelangen es offenbar keiner übergrossen Verstandesschärfe be- 
durfte. Hat er gesehen , wie beim Anblick des Oedipus auf dem 
Königsthrone von Theben der Ueberbringer der eigenthümlichen 
Nachricht von Laios Morde der alte langjährige, im Hause ge- 
borene treue Diener des Laischen Hauses das Weite sucht, wie 
Oedipus kurz nach dem Morde des Laios eintraft, und zwar von 
derselben Seite, nach welcher Laios vorher gezogen war, wie mit 
seinem Erscheinen die weitern Nachforschungen wegen Laios trots 
der Befreiung: von der dieselben bisher verhindernden Sphininoth 
eingestellt waren , so konnte daraus , so natürlich namentlich das 
Letztere auch; von dem Standpunkte des Oedipus aus betrachtet, 
sein mochte, in seiner Brust eine Vermuthung Platz gewinnen, die 
bei dem Orakel, das so klar sagte, in der Stadt sei das gAlaönd^ 
und gebot, q>6vov g)6vGj Xvslv^ neue Nahrung fassen musste. Aus 
diesem Argwohn und dem Streben, denselben nicht blicken zu 
lassen, wozu ihn sowohl wirkliches Wohlwollen gegen Oedipua 
bringen konnte, wie die Sorge für seine eigene Sicherheit, die 
Furcht vor Oedipus, die richtige Wahrnehmung, dass seine Rela* 
tion leicht für eine eigene aus selbstsüchtigen Absichten entsprun- 
gene verleumderische Erfindung gelten, ihm auch den wirklich 
später erfolgenden Vorwurf eintragen könne, nichts zur Sühne 
des Laischen Mordes gethan zu haben, entsteht seine verzögerte 
Ankunft, seine Dunkelheit im Ausdrucke des ersten Wortes v. 87«, 
sein Wunsch, die Meldung lieber unter vier Augen zu machen; 
entsteht sein sofortiger Entschiusa > nicht den wirklichen Orakel- 
spruch wörtlich zu geben (ola v. 95.), sondern ihn mit Rücksicht 
auf die alten Gerüchte, ob der Gegenwart des Volkes, zu modu- 
liren , mit denselben in Einklang zu setzen (wie ganz natürlich ist 
nan die Unterbrechung des Oedipus v. 99., da seinem Verlangen 
so weitschweifig 4ind umständlich genügt wird) ; entsteht die Beifü- 
gung von Versicherungen der Wahrheit {i(^g)a'VäS'^ öaq>äg\ die sonst 
überflüssig dastehen würden, von sich verwahrenden Motivirun- 
gen^^) mitcfg v. 97. und 101.; entstehen seine Redewendungen, 



22) Hr. W. hat jetzt v. 101. voii den Worten ©s tod* cttyM xB^lueiop 
noXiv eine richtigere Erklärung gegeben, die aber noch nicht bemerkiich 



158 Griediische Litentnr. 

die <^wiifi hiiiter dem Berget halten , bald sich io allgemetneii Sen* 
tenzen ergehen (v. 110), bald geradezu ei#e Unwissenheit fiogiren 
(■Hin nehme nur t. 114. Ist das eine Antwort auf Oedipus grund- 
flehe Fraget nicht vielmehr ein Tergi? ersiren v sls wenn er alle 
alten Nachrichten verbergen wollte ? und t.II?» tcXiqv iv. Ei, wusste 
er denn nicht mehr^ hatte denn der Knecht nicht auch gesagt, 
und zwar in Gegenwart der noktg, dass L. iv tginkalg äfgcc^LXoig 
in Phocis gefallen? Hätte nicht gerade diese IMLittheilung auf Oe- 
dipus Frage von v. 112. kommen müssen?), und dieselbe hinter 
schönen gesuchten Worten und Wendungen *^) verstecken (s. v. 
118 — 19. nl^v iig und nk^v %v^ Sv Ü8t'd8(ig\ bald eine offen- 
bare Verlegenheit verrathen (dahin rechnen wir v. 126. do^ovvxa 
%av% ^v); daraus entsteht endlich seine ganze spatere Haltung 
im Stücke, welche ihm nur die Rolle auferlegt, sich selbst zu 
vertheidigen , dagegen nichts zu thun und zu sagen , was zur Ent- 
kstung des Oedipus irgend beitrsgen könnte, welche ihm den 
ganz richtigen und zur Gharakterisirung dieser Rolle viel zu we- 
nig beachteten Vorwurf spä'ter einträgt, er sei kiysiv deivog. Und 
wie Kreon im Prologe angefangen, so vollendet er auch im Epiloge 
seine Rolle, ohne Gonsequenz sich den augenblicklichen Umstän- 
den fugend. Das lassen aber die Erklärer der letzten wahrhaft 
maltraitirten Scene des Stückes nicht merken. 

Aber diese Aeussernngen einer Aengstlichkeit und Unent- 
Bchiedenheit im Wesen des Kreon fasst natürlich der König ganz 
und gar anders auf. Ihm geben sie den Anlass zu dem Argwohn, 
welchen Kreon eben hatte vermeiden wollen'. Der Weg zu dem- 
aelben war für Oedipus etwa folgender: Kreon bringt den Orakel- 
spruch ein fLla0(ia xdgag^ cig xB&gafjLfiivov etc. ikavvBiv und 
deutet denselben auf einen ihm (dem Oedipl.) völlig unbekannten 
lange vorher geschehenen (daher v. 109.) Mord desLaios. Warum 
ist denn der noch ungesiihnt? Warum Ist ihm das stets verheim- 
licht? Hatte Laios keinen Sohn, wie das Oedipus annimmt (s. 
unten), so war der nächste männliche Anverwandte, der zur Blut- 
rache verpflichtet war, nur Kreon ^)* Warum hat dieser dieselbe 



laacht, dass die Wendnag ganz dieselbe sei, wie die eben in demselben 
Orakelsprache vorhergehende mg Ts&(}ot(ifiivov etc. Diess dg nanilich 
begründet das voranstehende xoiQotgy welches mit ilavvsiv su verbinden 
auch die Glosse anräth , welche für h xfjds will in xTJgds, 

25) Hierher gehört anch das Anfangswort: fo^Aijv Uym ya^, xal 
•%m 6vg<poff ^i %vxoi%0Lt* 6qJ^6p i|«10ovra, n«vx' £9 tvtvxBtp, 
Diese Interpanction hat Hr. Doderlein p. 3. ganz richtig gefordert, ohne 
dass sich Hr. W. zu einer Aendernng hätte bewegen lassen. Es heisst : 
j, Glückselge; würde , mein ich, auch das Schwierige zum richtigen Ende 
kommen, en de tV Alles gat.'^ 

24) In der Anschaaongsweise des Königs ganz besonders; denn, 



Neaere Sduriften uhtx Kwilg Oedipiu. 159 

imterlBsaeii? Wenn der Konig auf aolche Art gefalien, nocb ds^ 
an anf einer l&smgla fnr die Stadt, waram unterliets man da die 
gehörige Nactiforschang ? Kann der Mord ,weaiiderMörd«r 
hierin Theben, aas andern Motiven als Neid wegen dea Thro- 
nes geschehen sein^ Von wem Iconnte aber ein solcher nur aus- 
gehen 1 Wer konnte hoffen, zum Throne su gelangen? Dieae 
und ähnliche Fragen, verbunden mit dem langem Ausbleiben und 
den übrigen obigen äassern Erscheinungen einer Befangenheit des 
Kreon sind ausreic|iend , in der ohnehin argwöhnischen Seele 
des Königs den argwöhnischen Gedanlcen hervorsurnfen , Kreon 
sei der Mörder, wisse wenigstens um die blutige That. Nun faaat 
er Kreon's vorsichtig wohlmeinenden Vorschlag, ins Haus au ge* 
ben und dort unter vier Augen die Meldung zu vernehmen, gerade 
, schnür in einer der Absicht , aus welcher derselbe hervorgegangen, 
stracks entgegengesetzten Weise. Hat Kreon seine Rückkehr 
verzögert, so kann er das , argumentirt Oedipus , nnr desshalb ge- 
than haben, weil er sich scheute, eine Nachricht zu bringen, 
deren Ausfiihnmg ihn (Kreon) in Untersuchung und Gefahr lie- 
hen konnte ,* ebenso liegt, argumentirt er weiter, seiner dunkeln 
Rede und seiner Weigerung, vor dem Volke zu sprechen, nur das 
eigene Interesse zum Grunde, das den Wunsch haben muss, es 
möge der Orakelspruch nicht zur Oeffentlichkeit gelangen. Die 
ausweichenden Antworten des Kreon, die sich, wie wir gezeigt, 
über die Umstände von Leios Tode nichts weniger als genau ver- 
breiten , steigern den Argwohn in Oedipus Seele. Was ist natür- 
licher, als dass desshalb die Absicht der oben angeführten Worte 
des Kreon, um zu diesen endlich zurückzukehren, XjjOtag Sg)aöK8 
Cvvtvxovtag ov (iiä QcifL\j xtavelv viv, dlXä 6vvnkiq%Bi %tQäv^ 
von Oedipus ganz anders gedeutet wird^ Kreon wollte mit jener 
so ausdrücklichen Bezeichmmg, dass nicht Einer, sondern Viele 
den Laios gemordet, jede Mutlimaassung, als ahne er wirklich in 
Oedipus den Mörder , bei Oedipus unmöglich machen , daher eben 
jenes ov (iia ^coft^ ^^^ct 0vv nkij&si %., dessen Ausführlichkeit, 
wie gesagt, sonst ganz unmotivirt erscheinen müsste; Oedipus da- 
gegen saugt aus dieser ausführlichen Bezeichnung den Verdacht, 
Kreon wolle sich selbst dadurch vor dem Verdachte, der Mör- 
der zu sein, sichern. Nun , aber auch jetzt erst ist Oedipus Frage 
von V. 124. verständlich n<Sg ovv 6 kjjötijg , t% xi iiii ^vv dgyvQip 
iagdööBt iv&ivd\ ig rdd' ävt6X(i7jg fßfj. Er fasst gleich eine 

wohl zu merken, er spricht weder v. 128. noch 257. von einer Pflicht der 
Blatrache für Verwand tenmord , sondern stellt es , ganz im Geiste seines 
Konigsstolses , als Bürgerpflicht für den gemordeten Herrn nnd König 
hin. Ja man könnte aus v. 137., wo er den Laios einen dnoatigm tpüog 
nennt, schliessen, dass er an die Verwandtschaft überhaupt gar nicht 
denke , denn sein Verhältnis« zum Laios war im Grunde ein noch nähe- 
res als das des Kreon. 



160 Griedrisohe Literatur. 

einsige Persönlichkeit als Mörder aof (und das ist eine bittere 
Ironie des Dicliters)^ dalier 6 Xj^eti^Sy trotz Kreon'« nachdrückli- 
cher, Bezeichnung des Plurals, und ebenso setzt er auch trots 
Kreon's Erklärung in seiner spätem Ediktsverkündigung' den Sin- 
gular, ▼. 225. ävdgdg Ik tlvog dicoAero, v. 231. xov avTOXBiQa^^)^ 
-T. 23§. TOI/ avififa tovtov (v. 246. setzt er zu xov dBÖgaxota die 
dier Zweifel als Glauben bekundenden Worte aln tig slg Sv 
kiXfj^sv bXzb nXBiovmv fiitaj die doch schon durch ihre Zusam- 
menstellung eine Kritik von Kreon's obiger Bezeichnung aus- 
drücken und offenbar einen Hinblick auf den Einen enthalten); 
daher seine sofortige Bereitwilligkeit zur Mitwirkung, ohne erst 
noch weiter zu forschen , als wenn ihm die ganze Sache schon klar 
wär^, er nur die ohnehin zu keinem gewissen Resultate führenden 
Fragen schnell abbrechen wollte; daher gleich der Argwohn, nur 
ein Feind des Laios, der ihm nach der Krone gestrebt, könne der 
Mörder sein, und werde, wie er jenem gethan, auch an ihm sich 
vergreifen wollen (das ist doch hindeutend genug, denn wer kann 
das anders in Theben sein, als Kreon 7 und auch hier wieder v. 
139. 6 xravdv^ die Einheil). Der Ausdruck xifiGiQBlv^ dessen 
sich Oedipus dort bedient, hat den Herausgebern viel zu schaffen 
gemacht. Natürlich , solcherlei steht in keinem Lexikon , das will, 
gerade wie v. 1483. ngov^irtjcav^ aus der ganzen Situation ver- 
standen sein. Hier machte schon der Scholiast darauf aufmerk- 
sam: t^v dXi^^Biccv alvlxxBxai x(p ^Bdxgq), So eine Rache, 
heisst es, wie Laios getroffen, denn von einem Räuber kann er 
nicht getodtet sein ^®) , wird sich leicht auch an mir vergreifen 



25) Beiläufig wollen wir hier aufmerksam machen , dass in Soph, El. 
264. nicht hätte gegen alle Handschr. avrog>6vTr]g gestrichen werden dür- 
fen. Die Ausdrücke avzoivtrjg v. 107. , avzoKzovog Med. 1254. , avzO' 
q>6vTrisMed, 1269. bezeichnen, was Stäger in der Uebers.p. 146. nicht zu 
ahnen scheint, alle dasselbe, nämlich den eigenhändigen Mörder. Die 
letztgenannte Steile aus der Medea würde weit eher eine richtige Losung 
gefunden haben, hätte man das gehörig erwogen, nicht durchaus geglaubt, 
den parricida hineinlegen zu müssen. 

26) V. 124. : et xi /it^ |w dqyvQtp fTtqocaitst iv&sv8e. Für die Be- 
deutung „gewinnen, bestechen <*, welche Hr. Wunder hier dem Verbum 
nQaaaeiv'gieht, beruft er sich auf Düker, zu Thuc. IV, 89. oder auf Ajax 
446. , wir wollen nicht untersuchen , mit welchem Rechte , weil wir vor- 
ziehen, die Sache natürlicher zu nehmen. Oed. kritisirt wie gewohnlich 
sogleich mit seinem Verstände jene Nachricht. „Wenn mit Gelde nichts 
vqp hier aus geschah", das heisst, wenn Laios, wie eben gesagt, auf 
einer Reise zum Orakel war, also nicht etwa Schätze zu ertappen der 
Räuber erwarten konnte. So ist sowohl das Imperfect, an welchem man 
•Anstoss genommen, wie überh|iupt der Ausspruch dieser Meinung, voll- 
ständig gerechtfertigt ! Man muss doch einen Grund sehen , wie Oedipus 



Neuere Schriften fibwr KM^ Oedipas. IM 

w«Uen, der ich Ltio« Tbron naS MMbt erhalten habö. Diit f«t 
niui freilich Doch directer ab alles frühere auf Kremi gfeHiftinf. 
Wie in denn ganzen Thun des Oedipn« sich eine B^kdtteiQilgp det 
Nachricht maoifestire^ fühlt Kreon heraus; der Dichter lisst efc 
diesen v.l445» geradesu aufsprechen^ freilich darf man den letzt» 
genannten Vers bei Leibe nicht wie Schneider- Witzschel erkli- 
ren wollen. 

Ohne diese Annahme des Verhältnisses zwischen Oedtpus nttd 
Kreon , dessen Aufbau vielleicht einer Sophokleiscfa^n Feder nicht 
unwürdig ist, kann der ganze Prolog des Stückes nicht verstanden 
werden, wenigstens nicht in seinen innersten Motfren, höchstens 
nur in der oberflächlichsten Ueberscbanlicbkeit. Dtass übrigenti 
diese Annahme keine Willkür ist, beweist auch der nächste und 
der zweite Akt. In jenem ist nun klar , warum er v. 254. wieder 
sein eigenes Interesse als Motiv des Edikts voranstellt , und fin- 
den nun die Verse 249—251. noch eine tiefere Bedeutung. Hat 
Oedipus gegen Kreon den oben erwähnten Argwohn, so will er 
mit jenen Versen auf Kreon hinaus, zugleich seine eigene Be*^ 
theiligung auf das Entschiedenste in Abrede stellend. -Wer kann 
denn auch unter ^wiotiog iv tolg ifAolg oiTioiöiv^ welches Hr. 
Marbach p. 108. ganz falsch gedeutet , anders gemeint sein, als 
Kreon? Denn an die Diener zu denken und an eipe in Betreff der- 
selben besondere Versicherung, dass auch sie mit in dem Edikte efn^ 
begriffen seien , wäre thörlcht. Hat Oedipus den Argwohn gegen 
Kreon , so erhält endlich auch die herrliche Scene mit TeiresiaS 
ein anderes Relief, da dann der Argwohn gegen den Seher weit 
motivirter dasteht. Zu diesem zu senden, hat ja Kreon gerathen. 
AberTlr. hat gezögert zu erscheinen, trotz zweimaliger lloten, die 
an ihn gesendet , kommt er nicht; sein Ausbleiben ist dem König 



zu seinen Worten kommen kann. Der Verdacht einer Bestechung liegt 
aber zu fern , da fehlen zu viele Mittelglieder. Warum sollte ein Räuber 
auch erst auf Bestechung warten? Räuber tödten auch wohl um des Rau- 
bes willen. Kreon^s Antwort öoHovvta xoivx r^v ist eine Ablehnung einer 
solchen Kritik, die gewissermaassen auch das Orakel traf, durch Ver^- 
Sicherung y man habe das damals angenommen. Uebrigens steht die Kritik 
des Oedipus mit dessen Worten t« 116. im innigsten Zusammenhange. 
Dieselben enthalten allerdings den Vorwurf , dass früher etwas unterlasseri 
sei. Die Wendung orov tig infia^eiif izf^j^aat av muss nur riebtig aufge- 
löst werden in oxiia rig ixaricuz Sv bI ei^iia&'sv, . Hätte das Hr. Wender 
gethan, so würde er nicht wieder au der bekaahten trosttosen Schlnss- 
formel fliehen : nescio an locus corruptus sit<^ „Und sah-s kein Bote, keiif 
Genosse seines Wegs^ dass sich bedienet. hätte, wer es ansgeforscht^f.- 
Dass man hat glauben können, es heisse „dass man sich jetzt bedieneA 
könnte", zeigt, wie mangelhaft die grammatischen Kenntnisse selbst bef 
Bditorea des Sophokl. sein können. 

N, Jahrb. f. Phil, u. Päd, od. KrÜ. Bibl. Bd. t. Hfl. 2. H 



1([2 Griedibelie Uterat^. 

wunderbar *T). AI« er nun endlich auftritt, aber mit Webemf 
über die Thorheit, hergfelcomnen zu sein, als er trot»der,bei68en 
Bitten des Königs und des Volkes (denn v. 326. hat Hr. W. fanz 
richtig dem Chore wieder gegeben. Hr. Marbach hat sidi p. 111. 
sehr geirrt, und damit der Charalcterisirung des Oedipns gescha^ 
det. Die übel ausgesonnene , als Gesetz verkündete Schnurbrust 
der Stichomythie sollte man endlich abthun und sich mit der Sti- 
chomythie als einer beliebten «^Erscheinung begnügen , wie wir 
das schon lange auf Gründe gestützt angerathen haben. Vgl. 
Ztschr. für Alterth. 1841 Nr. Ul-^112.) seinen Ausspruch dess- 
haib verweigert, weil er so hoffe, seinen eignen (denn den stellt 
er immer voran ^^)) und des Königs Vortheil besser zu befördern. 



27) S. V. 249. nuXoti 8^ firi noLQtav d^avpKxistcct. Hr. W* schreibt 
dazu i. e. firi nuQBivai avzov «d'avjLMxSa)., wie das Matthiä p. 1092. , aaf 
welchen er verweist , ehenfeUs gethan hatte. Was ist aber damit gehol- 
fen? Der Schuler findet leicht, dass nai^mv ein s. g. Particip der nähern 
Ergänzung sei , aber an der Partikel fi^ stösst er hier regelmässig an. 
Pie^elbe war zu erklären und das kann nur durch die Auflösung in si (iiq 
nu^BOti geschehen. Diese Wendung nach den Verbis ^avfia^stv n. a. 
rechtfertigt hier fii) allein. Wir müssen Hrn. Wunder überhaupt vor- 
werfen, dass er nicht selten beiden schwierigsten grammat. Verhältnissen 
den Schuler im Stiche lässt. Zwei Beispiele mögen genügen. Sowohl 
der Infin. Idslv ▼. 832. , wofür doch Jedermann den Optativ idoifii er- 
wartet,- wie der negative Imperativ Aor.T. 1449. firinov' a^noQifjzia müssen 
dem tüchtigen Schuler auffallig sein. Warum schweigt in beiden Fällen 
die Adnotation? 

28) Der heidnische Seher bleibt sich darin überall gleich. Nur da 
will er (pQOvsTv , wo ihm das fpqovBiv Nutzen bringt. Das gerade kann 
Oedipus Argwohn nur erhöhen. Hr. Marbach hat das p. 112^ richtig ge- 
fasst. Obwohl Tires. das ganze Geschick von Theben in seinem Ur- 
sprünge und Grunde längst erkannt hat, so hat ihm bisher Furcht den 
Mund geschlossen und iSigennntz. Die Rolle des Tir. in Bur. Phoen. 
nimmt auf unser Stuck Rucksicht und kann zur Erklärung herbeigezogen 
werden, namentlich 954 — 59. Er hat erst doppelten Boten Folge ge- 
leistet, hat von ihnen sicherlich gehört, um was es sich handle (Her^ 
Schwenck p. 111. stellt das irrthnmlich dar), dennoch ist er gekommen, 
fühlt aber dem Könige gegenüber Rene, dass er gekommen , weil er weiss, 
welch einen Sturm seine Revelationen heraufbeschwören werden. Es 
scheint, als habe K. Fr. Hermann (gottesd. Alterth. %. 37.) die Stelle 
missveJTstanden. Wie Tir. v. 317. seine eigne Gefahr voranstellt, so re- 
currirt er v. 320. wieder darauf (xovy^ov)^ und stellt indirekt v. 324. (pv8l 
crol) ein Gleiches hin. Da werden seine Worte , die wieder den eigenen 
Vortheil im Auge haben , vom Chore unterbrochen (nur in dessen Munde 

^t die Unterbrechung gerechtfertigt), so dass er seine Rede nicht ganz 
vollendet : <og ow /tij^' iyto xaizov nad-m, «^ Die so mit einem Final- 



Neuere Sefariften aber Konig Oedipas. 165 

dk kann die Verblendung des Oedfpns doch am Besten- daher ge- 
leitet werden , dliss er den Tom Seher ihm vorgeschobenen eigenen 
Vortheil auf sein verwandtschaftliches Verhältniss zum Kreon be- 
sieht, und anderntheils sein lang genährter Argwohn gegen Kreon, 
dessen Bewahrheitung und Bestätigung er durch Tir/ asu erhalten 
hoffte, alle ruhige Ueberlegung zurückdrängt. Denn der diH'ch 
vielfache Umstände (vgl. Marbach p.*118.) gerechtfertigte Arg. 
wohn gegen Kreon findet neue Nahrung in dieser Weigerung, 
welche er auf Rechnung einer Uebereinkunft des Kr, und Tir. setzt; 
so steigert sich in seinen Augen das Verbrechen des Kreon. Er 
vergisst, dass einen gleichen Rath auch der Chor nur zu geben 
wusste. Aber auch Tir. Betragen, wie wenn es eines Sehers und 
der Stadt nnwürdig , ein versuchter Widerstand gegen den Königs- 
willen wäre, erfüllt ihn mit Zorn^^)^ und sein Argwohn richtet 



satze begonnene aber unterbrochene Rede nimmt er, wie naturlich ge- 
schehen musste, ▼. 328. wieder auf, doch nicht der Construction, nur dem 
Sinne nach. Ich will nicht, sagt er, um damit meine itatid auszuspre- 
chen, deine verkünden. Wie er auch hier wieder TUfid voransetzt, so 
thut er's wieder im v. 332. ovt ifiavvov ovts a dXyvvu, Die Rucksicht 
auf das eigne Wohl ist vorwiegend, und gerade dadurch kann um so 
eher der Argwohn des Oedipus gegen ihn und Kreon hervorgerufen wer- 
den. Wir müssen deshalb abweichend vom ^cboliasten , der in unserm 
Stücke nicht immer das Rechte gesehen, und gegen Hrn. Wunder, der ihm 
folgt, noch immer unserer schon früher in den Supplem. dieser Ztschr. 
1835 gegebenen Ansicht treu bleiben , und v. 328. so interpungiren : sym 
d* ov pLTiTcoTS, Tccii wg «v stjt(o , iij) tcc c sittfyijva} xaxcf. Ueber ov (iri 
— M ^6^« unsern dritten Excurs zur Iph. Aul. So werden alle genann- 
ten Bedenken beseitigt. Von dieser Ansicht kann uns auch nicht Hr. Dd- 
derl. p. 6. abziehen , der sich zu viele Schwierigkeiten macht. Die Be- 
merkung des Schol. TU jLi^t' nocta Xoyov ikXtnig iattv, ro 81 natä didvoiocv 
nXriifBs bezieht sich übrigens nur auf die v. 325. angenommene Unterbre- 
chung, welche Hr. Wunder durch ein Signum interruptae orationis zu be- 
zeichnen keinen Anstand nehmen sollte. 

29) S. V. 339. Dass Hr. Wunder zu v. 337. vnv ffijy 9' Ofiov valov- 
cctv ov Hcctsidag die Bemerkung des Eustathius abdruckt , kann nur ge- 
billigt werden; dass er dieselbe aber für wahr hält, beweist eine auch 
Ton G. Hermann getheilte Verkennung der ganzen Situation. Tires; 
ist noch gar nicht so weit, irgend welche Entdeckungen zu machen, denn 
das beginnt erst v. 350. ; und wollte er etwas auffinden , in der Absicht 
den Oedipus zur Mässigung zurückzubringen, wie wäre da so schlecht 
gerade das gewählt, wovon Oedip. nicht die geringste Ahnung haben 
kann. Brnnck that ganz recht daran, die von Eustath. hier gefundene 
Ambiguität der Rede, mit welcher auch zu v. 928. ein leichtsinniges Spiel 
auf Musgrave's Anrath getrieben zu werden pflegt, zurückzuweisen; wir 
glauben Hr. Wunder hat nitht gut daran gethan, wenn er in dieser drittea 



164 Griedufldie LHarfttor. 

fleh aaeta gegen diesen. Der König denkt rieh ein Toilstindiges 
Complott, eine alte schon sn Laios Mord eingegangene Verbindung 
der beiden , die jetzt auf neoe Verbrechen rinne und in eigenem 
Interesse den Orakeispmch deuten woiie. Das Fragment des Eu- 
ripideischen-Oedipus: fp96vog äxfäkstf avxov üräckt etwa diesen 
Argwohn aus, wie in unserm Stucke auf den q)&6vog v.382. Alles 
geschoben wird. Hr. Marbach dringt mit vollem Rechte darauf, 
dass V. 340 sq. wirklich für die Ueberzeugung des Oedlpas^ nicht 
für ein Mittel angesehen werden , den Seli^ zum Sprechen sa 
bringen. In v. 378. Kgiovrog ij 6ov xavxa td^BVQijfiata macht 
sich der Argwohn gegen Kreon endlich in Worten Luft und die 
dann folgende längere Rede zeigt, dass derselbe nicht jenem 
Augenblicke erst seine Entstehung verdanke , da er sofort in einem 
vollständigen Bilde dasteht. Kreon , meint er, will ihn störzen, 
(da kommt also die Erklärung von ufiogBiv aus v. 140.) er hat 
Alles abgekartet, den Seher zu den Lugen angeregt, indem er 
demselben Vortheile versprochen (400.), er hat die Anklage des 
Verbrechens auf Oed. gewälzt (v. 703.), sich aber feig selbst ins 
«weite Glied gestellt (v. 706.): so wollen sie die Sühne üben ^o). 
Aber erst will er die Anklage gegen sich in Ihrem Unwerthe dar- 



AdA. eine grosse Geringschatzong Brunck^s darchblicken lässt. In der 
Anffassang des innern Ganges des Stackes und allen damit zusammenhän- 
genden Fragen könnten die neuern Herausgeber noch Manches Ton Brunck 
lernen. „Den Zorn von mir , den tadelst du ; dass der von dir zugleich 
dabei steht, siehst du nicht; ^och schilt mich nur!^' Das ist unsere Auf- 
fiuBsung der Stelle , nach welcher wir in den ob'en erwähnten emend. Soph. 
allerdings dXX* ifik ipsys haben vorschlagen müssen. — Noch wollen wir 
hier des Versuches gedenken , den Hr. Junghans p. 18 sq. macht, die 
handscbr. Lesart in v. 376. wieder zur Geltung zu bringen. Auch Stager 
hatte das gewollt, wie Bothe und Schneider. Wir müssen denselben für 
verfehlt erklären , G. Hermann's gewichtige Worte hätten ihn davon billig 
abbringen müssen. An der Statthaftigkeit der Brunck 'sehen Emcndation 
kann nur der zweifeln , welcher die ähnliche, vielfach nachgebildete Scene 
in Enr. Phoeniss., namentlich v. 918. vergessen hat. Wir vermögen recht 
wohl zu begreifen , weshalb man v. 375. ifih und aXXov für Subjectsaccu- 
iative halten mochte (den Hauptgrund dieses Wunsches sehen wir hei Hrn. 
Jangbans nicht; erliegt darin, dass man ein Wort der Rechtfertigung 
ans dem Munde des Oedipus vermisst, weshalb er seine Drohungen v,363. 
nnd 368. nicht zur Ausfuhrung gelangen lasse!), aber G. Herrn, sagt ganz 
recht, dass dann der Objectsacc. ae nicht hatte fehlen dürfen. Und Vi 
377. bleibt bei der handschr. Lesart stets unerklärlich oder äusserst ge- 
Bwungen , v. 517, aber spricht sehr für die Bmendation. 

30) Wenn v. 402. ayriXatrJGBiv ganz richtig von Musgrave und Wun- 
der gefasst ist, so muss man sich noch mehr darüber wundern, dass der 
l46tztere.der allein richtigen Erklärung von tvfißivtiv in der Antigene, 



Neuere Schriften über Kiuiig Oedipns« 165 

flIellMi, das ist söni^hst seine Bemühung: der Argwohn kehrt aber 
denn auch wieder za dem ersten Stadium suruclc , im folgenden 
Akte spricht er sich endlich vollständig in den beidenTerseii 584. 
ads ixov q^ovBvg äv roväs tocvÖQog ifiq>avag A|;<5r^g t^ivagyiljg 
t^g iit^g tVQävvlöog* Nur ein günslich^ Verkennen der Soplio- 
kleischen Cliaraktermalerei, nur ein steriles Lesen hat hier Hr. 
W. dazu gebracht I tovda t^avSopg für ifiov zti nehmen. Ja, 
Keiner whrd in Abrede<etelien , dass das grammatisch richtig seiy 
unsere Trag, selbst liefert davon noch mehrfache Belege, trotzdem 
daito dieser, nicht aber, wie geschehen, ein anderer zu streichen 
sind ^'), aber dem Sinne und der ganzen Sachlage nach kann hier 
nur darunter Laios verstanden werden. Der Dichter wollte nämlich 
hier endlich den ganzen vollen Verdacht des Oedipns gegen Kreon 
hinstellen und der Mord des Laios ist die Angel, um welche sich 
der glänze Schwerpunkt des Stückes bis dahin gedreht hat. So 
gewiss unter qH}vwg v. 362. 576. 793. nur der des Laios vcrattn* 
den werden kann, so gewiss v. 703. in den Worten des Oedipua 
fpovia (iB (pi^al Aatov tca^sördvai nur sein Argwohn spricht, 
da Kreon niemals diese Anschuldigung gemacht hatte, so gewiss 
isl q>ovBvg auch hier nur so zu fassen. Hr. Marbach hat p. 123« 
mit Recht dieselbe Ansicht ausgesprochen. Und wie schön reiht 
sich der Begriff Aj^tfrifs an! Das ist ja derselbe B^riff, in wel- 
chem oben V. 124. der Argwohn gegen Kreon seinen ersten Aus* 
druck erhielt. Nicht gewöhnliche Räuber, nein, der eine Räuber 
des Königsthrones. Wofür will denn auch Öed. den Kreon nach« 
her mit dem Tode bestrafen? itvTJöxB^v^ ov q>vyelv 6b ßovXofiai 
sagt er v. 623. Doch nicht dafür allein , dasa er glaubt, Jener 
Strebenach der Königsmachtl Man treibe doch mit solchen An« 
nahmen nicht die Verblendung des Königs zur Willkur und zum 
Wahnsinn eines wilden Selbstherrschers. Nein, dafür, dass Jener 
des an Laios verübten Mordes geziehen wird. Oben v. 229. war 
dafür Exil bestimmt, und diese Strafe konnte einestheils aus dem 
Orakel herausgelesen werden, wollte vielleicht andernthells dem 
Kreon, als schon damals gemuthmaasstem Theilnehmer an der Sa- 
che ^ einea Rückzug öffnen, bei welchem er dßkaßrjg sein könnte, 
jetzt aber , wo sich zu jenem Verbrechen ein neues gesellt, der 
Versuch, durch Lügen den König zu stürzen, reicht die früher be« 
stimmte Strafe nicht mehr aus. Man darf desshalb nicht voa 
einem Widerspruche zwischen v. 623. und v. 229 sq. reden. Solche 
unbedachtsame Vorwürfe zeugen von grosser Oberflächlichkeit ia 



nie dieselbe von G« Hermann gegeben ist, sein Obr verscUessen häh. 
Cfr. uns. Bern, in Jabn's Jahrbb. 1844. XLT, 1. p. 54. Solche Ausdrucke 
rechnen , wie oben xinm(^Biv , auf das innigste Verständniss der ganzen 
Situation. 

31) Vgl. Not. 19. 



160 Griecbiflche LHeratnr. 

der AiiffaflnuDg des Sophokl. Mekiterwerks. In der AntigoBe bat 
man dergleichen, wo es nicht angeht ^ gern übersehen wollen. 
Vgl. Jahn's Jahrbb. 1844. XU, 1. 

Damit wir ans von unserm Hauptthema nicht su weit Terlie- 
reQ, wollen wir hier nicht weiter sergliedern, wie die Scene, wo 
die beiden Schwager einander gegenüberstehen, ebenfalls ver- 
langt , die Worte beider aus der gegenseitigen Gesinnung absa- 
leiten, wie namentlich Kreon's ausweichende Antworten in v. 561. 
565« 574. ihre innere Begründung nur in seinem ängstlichen Be- 
streben finden , durchaus nichts zu sagen , was dem Argwohn dea 
Oedipus gegen ihn neue Nahrung geben, und seinen eignen gegen 
den König verrathen Icönnte. Es ist eine totale Passivität bei ihm 
eingetreten, er thut nichts, Tires. Worte als lügnerisch daran- 
stellen, so passend doch auch dasu z. B. v. 574. gewesen sein 
wurde, er strebt nur dahin, sich selbst aus der Affaire zu ziehen 
und giebt dadurch selbst zu dem Unwillen des Königs den gültig- 
aten Anlass« Fasst man das ins Auge, so kann freilich v. 574. 
/nicht das langweilige avvSg olö&a stehen bleiben , welches ohne- 
hin statt einer ausweichenden eine abweichende, den Argwohn 
des Königs dadurch erhöhende Antwort hinstellen wurde. „Nicht 
ich bin schuld an diesem Wort, nein , er hat's von sich^S das Icann 
er dort nur sagen und das haben wir, wenn wir schreiben avvog 
old\ wie wir neulich in unsern emendatt. Soph. vorgeschlagen 
haben. 

Kehren wir also endlich zur Entwiclcelung des Soph. Mythus 
zurück. In der Fortdauer der durch die Sphinx bewirkten allge- 
meinen Noth kommt Oedipus nicht lange nach Laios Morde (736.) 
in Thebens Nähe, und befreit die Stadt, wo Alles rathlos war, vom 
grausen Tribute (v. 36.), den man hatte der Sphinx zahlen müssen, 
steht auf als ^avavcDV nvgyog (v. 1200.) durch die Lösung des 
Räthsels. Er thut es ohne weitere Nachforschung, so dass es 
allgemein heisst, er habe das nur mit Beistand eines Gottes ge- 
than. S. V. 39. So sagt der greise Priester im Prologe: xal 
rav%^ vtp vfimv ovdhv i^sidäg nUov ovo* iKÖidäx^hls ^ Worte, 
deren Bedeutsamkeit schwerlich bisher gehörig gewürdigt ist. 
Das ist, was im Epiloge Oedipus selbst so bitter beklagt, v. 1484., 
ovO*' OQ^v ov^' lotogäv^ nachdem er v. 396. so stolz gerühmt 
hatte dkX iyd uoltov 6 [ATjähv Biddg Oldlxövg Snavöä mv, yvd- 
lifj xvQjjöag övd' a% olcovcSv (ia&civ> Die Enträthselong. der 
Sphinx ist gerade der Anlass alier folgenden GTräuei , sie erfüllt 
ihn mit stolzer Ueberschätzung seines Verstandes, der sich von 
der Zeit an erhebt über die Schranken der Mässigung und Gottes- 
furcht, der die Mantik^^) geringschätzt, weil sie nicht hat helfen 



32) Nach dem Schol. zu Phoen. 45. hätte Socrates die Sphinx fär 
eine iyzcoQla xqrianoXoyos disyvaaia (luvtBvonivfi erklärt« Vgl. ib. 1760. 



Neaere Sclirift«ii aber JLdaif Oedipas. Id7 

Ittonen, und deshalb mit Tires« nicht im betten Vernehmen steht 
(vgl, s. Anklage ▼. 400. ; dieselbe lisst durch den Gegensatz anf 
das Verhältniss zwischen Oed. und Tir. schliessen), der nun den 
einmal eingeschlagenen Weg für den besten und es deshalb in 
allen übrigen Dingen auch für unnöthig hält, bei Andern weiter 
nachzuforschen und Auskunft zu. holen, der nun aber auch in gins» 
lieber Unkenntniss der Verhältnisse bleibt, in welche er tritt. 
Das ist der Stolz auf die tix^ti ^^) tixpi^g vnBQq>eQ0v6a; ja, Tir. 
Wort sollte mit grossen Buchstaben gedruckt sein, als besonders 
wichtig für die Auffassung der ganzen Tragödie (v. 442.) 
avTi] ys (livtoi, 6* r^ tvxrj dmkeöav ! ^^) 
Der Lohn für die Befreiung der Stadt ist der Thebanische 
Königsthron und die Hand der Königin- Wittwe. Dass Beides vor- 
her durch Kreon als Belohnung für den Retter ausgeboten , von 
Kreon sogar bereits eine Rettung durch seines Sohnes Opferung 
erstrebt worden , Oedipus durch das Kijgvyßa als ein Hivdvvq> 
%^v ^vtvxlav 9fiQci(iBV0Q (schol. Phoen. 44.) zur Reise gen The«« 
ben bewogen wäre, wie das sonst vpn Euripid. erzählt wird, und 



So träte die Geringschätzung der Mantik von Seiten der Jocaste und des 
Oedipus noch greller hervor. Aach Asciepiadea stellt die Leiden The- 
bens zur Zeit der Sphinx nicht als Wirkungen derselben, sondern nur 
als gleichzeitig dar« ^ 

33) V. 380. Hr. W. sträubt sich auch jetzt noch , diese tixvri tixvvs 
' vnsQqtSQOvaot für die soUertia zu halten , qua Sphingis aenigma solvent, 

und deutet den Ausdruck nach Musgrave'scher Weise. Er sollte jene An- 
sicht wenigstens nicht mit dem Zusammenhange zurückweisen wollen, 
denn dass der gerade zu derselben führe, haben wir zu zeigen hier ver- 
sucht. Reichthura und Konigsherrschaft sind Gegenstand des Neides in 
Kreon ^8 Augen, diese in der RätbsellÖsung gezeigte, dih Mantik in 
Schatten stellende Verstandeskraft dasselbe in Tire sias Augen. Eine 
konigl. sdlertia im Allgemeinen kann den Neid der Andern nicht erregen, 
am wenigsten den des Sehers, dessen sollertia einen ganz andern Wir- 
kungskreis bat; aber eine Kunst, die eine andere Kunst überragt, kann 
eben den Ausüber dieser letzten Kunst zum scheelen Neide bringen. Di6 
Mantik ist solch eine tsxvrif wie es gleich v. 389. heisst: trjv xi%vr};v S' 
^ipv tmpXdg, Wie hätte auch sonst nur der Singul. tixvrjg stehen dürfen f 
Warum wäre da nicht texvdiv gesetzt? Aber den Genit. Singul. ' konnte 
Keiner anders verstehen, als von einer einzelnen Kunst, in welcher- in 
einem Streite mit dem Seher Jeder die Seherkunst verstehen wird. Ef 
tritt eben die Selbstüberschätzung des Oedipus auch hier wieder in dem 
Ausdrucke xixvri hervor. 

34) In dem ganzen Zusammenhange liegt der Beweis , dass ctvvtj if 
xuxiri nur auf die RätbsellÖsung gehen kann. Dennoch sagt Hr. W. : for- 
luuam dicit eam , qua rex Thebarum Oedipus et maritus Jocastae factus 
est, etsi foo sibi ingenio eam solato Sphingis aenigmate paraverat. 



IfiSi Grieolii^chf I4t4f»^or. 

Hr« Sc)liw«iick p. 101. ia s^qq fintwickelong MtteiDiutrageD ge- 
H^Ugt hat --^ das AU^s ist beiSoph. nicht su findeq ?^)^ Es l&sst fifioh 
^er aus v. 384. äf^x^^ ^^ ^l^ol nokig diopi^töv, od« tt2irt/roy 
s{g8xs/(^i^«i^i welcher mitOed, Col. 525. überoinstimmt, scbiiQssea, 
4as8 nur fIMr die wqnderbarß Hilfe, die mit Götterbeistand ge- 
wahrt XU sein schien (i^^v, 390» der Dank vom Volke und der Jo- 
caate auf solche W^ise ausgesprochen soi. Die Worte des Chors 
1^02. Ig pv Mal ßaaiksvs ^0 nulhl igAog xul td (liyiöt IvAfiad^g, 
wlg ßsyalmötv hv &ij߀n0t>v Avicütov^ führen ebenfalls dahin, 
wie sie andererseits die grosse Verehrung sohildem , in welcher 
Oedipus seither gestanden. Denn die ist überschwenglich : er ist 
von der Zeit an 6 uä6i %luwgOlSLnovq Kailovfiai/o^, wie er sich 
aolhst im Anfange v. 7. neant^^) und am Schlüsse v. 1523. os zoL 



35) Di« Frage des Schol. Pboen, 47.> wie man nm: liabe so onver- 
&t$Q4ig »ein können , dem Ersten Besten die Hand der Konigin anzubieten, 
t^leibt demnach fSr uns irreleyant^ sammt der dort gegebenen Antwcart» 
Dass Oedipus sich für den Sohn des Korinthischen Königshauses ausge- 
geben, geht schon aus dem ersten Stasimon hervor. 

3!$) Diese Stelle hat Hr. Marbach übersehen, als er p. 102. bebaap> 
tete, Oedipus werde als ein nicht angestammter Herrscher nur zvQoivvog^ 
ilicbt poiüiXBvgi genannt ! Wird doch y* 128. selbst von Laios Regierung 
der Ausdruck rvQavvi« gebraucht. . * 

37) Hr. W. hat diesen Vera geradezu ausgelassen) Hr. Jungh. in 
9qhutz genommep, wie Th4dichu8» ebenfalU gethan und Wolff p. 157. 
I^it vollem Blechte. Er verw^t erstens auf die Anmerkung des \^erses 
4nrch da« schol- Lanr., ai^f den Unfugs den man mit s. g. Sohaaspielerzu- 
sätzen seit Valckenaer zu treiben gewohnt sei (quum hac in re fuerimus 
aagaces et suspicaces nimium diu, jam simus aliquamdin vei credoli veL 
tardi poUus, h» e. certis incorruptisque testlmoniis plus tribuamos quam 
Bostris opinionibus aut suspicionibns) ; dann aber widerlegt er Hrn., W.'s 
Grunde der Verdächtigung, die ifi der That unbegreiflich sind. ISieque 
enim unquam apud Soph. qoi prologpm orditur suom ipsias nomen ita pro- 
fitetur sed ab eo quicum colloquitur primum nomine appellatur^', d* h. in 
dem einen der sieben vollständig enthaltenen Stücke thut er es zwar, wie 
es bei Eurip« nicht ungewöhnlich ist, Aeschylus nicht scheut, und die 
Personen bei Soph« im Allgemeinen sich seihst nennen (z. B. v. 18. und 
Oed. Col. 3., auch nicht ohne Ruhm Oed.tyr. 1380.), vgl. Marbach p.99., 
aber es behagt Hrn. W. nicht. „Sophocles quo fuit sensu venusti et de- 
eori , numqiAam Oedipum in ipso exordio xov ncia$ idsivov hckA. se dicen- 
tem introduxisset^^, will sagen, nach dem Gefühle, welches der Hr. Edi- 
tor hat , ist der Vers zu streichen. Da ist freilich sehr zn bedauern, dass 
ein Editor des Stückes die Bedeutsamkeit des Verses , die Absicht des 
Dichters nicht besser begri^en hat« Schon Jos. Braun in einem sehr le- 
senswerthen Aufsätze über den Konig Oedipus (in seinem I^aok^on» Mainz 
1824) schrieb, a. A« ; mit der Nennung des Namens soU eine gcosae Idoe 



Neaere Schrifteo aber Kowg Oediptif, . 199 

xX$lv aMyiiat^ yötf KtU ngatiöTog ijv ptvi^Q^ äg tfff (soii^iiflji 
i«t statt des verdorbenen ocng su schreiben , und dasselbe 3p 4()ai 
hier venseichneten Verse su stehen), er ist to xQatkCxov xiüiP 
Olölseov wgä^ su welchem, \tie zu einem Qotte, beim Beginne 
des Stuckes die greisen Priester mit den Kindern aiehen,: Tj^t^« 
glovg Hkado%>g auf die Stufen des Königspallastes gleiohsam wie 
auf Altäre der Götter legend , so dass der Priester ausdracjdijßli 
V. SU gleichsam entschuldigend ^er dodi rechtfertigend sagen 
muss: Qsolet (ihv wv ovk 10ov(ajbv6v i fyta ete. (freilich wet der 
absonderliehen und doch mit einem Anfwande von GelehrsanjJkeit 
▼ertheidigten Ansicht des Hrn. Wunder von der Situation jener 
Scene folgt, der wird hier etwas einauwenden die Lust, jedoch, 
wie wir gleich sebt)n werden, nicht das Recht haben). An der 
Grosüthat der Befreiung Thebens, daran hält sich das Volk und 
seine alten Priester v. 36 — 89. (nur Tires. spricht ironisch v. 440^ 
indem er dem, welcher seine Worte ulvLHzd nennt, offenbar mit 
Hinblick auf das »iBtvov a'iviyfia der Sphinx ausruft: ovxovv <5d 
räür' aQiötog bvqI^xsiv Sgnig)y daran der Chor s. B. v. 505—10. 
60(p6g (Dq)9f] ßaödvq) &* i^övnokig und v. 695. og v kfiäv yav 
q>lkctv SV xovoig ikvqvöav itav 6q&6v ovgtöag ; vgL 880. 156 sq; 
1525. 1202 — 10., daran er selbst in grosser Ueberschätzung seiner 
^eSfiij, s. 441. 443. 391 — 99. Trunken von einem grossen Siege,, 
den er mit grosser Tapferkeit erkämpft hat (Einer gegen Meh- 
rere), wird er noch trunkener von dem Siege, den er seiner alle 
Mantik (denn die, sagt er selbst, war rathlos) iiberrsgenden Weis- 
heit verdankt; denn der bringt ihm Ruhm, Ehre, Gluck, Reichr 
thum und Macht ein. Die Tvxv verblendet ihn (auch nur in der 



von der Hauptperson erweckt werden , wie im Philoctet und der Klectra,, 
ea i&t eine Aeofiserang des konigl. Selbstgefühls. Also schon hier ver- 
standige Versuche -einer Rechtfertigung. Vor AUem twar aber , wie Hr, 
Jungh. zum Theil gethan hat , darauf hinzuweisen , dass gerade die ans 
der RäthseliÖsung hervorgegangene HXBivÖTrjg des Oedipns und die . ihr 
folgenden Schicksale desselben der Gegenstand der Trag, ist und dess* 
halb vom Dichter gleich vornhin gestellt wird ; dass ferner gerade diese 
Benennung dem Zuschauer erst die Zeit angiebt, mit welcher das Stuok 
anhebt« Das konnte derselbe aus den andern Versen nicht entnehmen» 
Es ist eben die Zeit der Blütbe, des vollen Ruhms, in welchem Oe- 
di^us steht; dass det Vers ferner, obwohl eine Aeusserung des könig- 
lichen Selbstgefühls, doch auch desto deutlicher sowohl die Grösse des 
Mitleids, welches in Oedipus Brust schlägt, ausdruckt wie die Ursache 
des Heraustretens und die Bereitwilligkeit , wie einst in der Sphinxnoth» 
so auch jetzt zu helfen. Endlich ist das Beiwort ein so stereotypes, aus 
den alten Mythus entlehntes ^vgl. v. 1207.)} dass es wenig Bede,iikeii 
dem Griechen erregen konnte. Vers. 1526. recurrirt. &o gut auf dieseai 
wie auf v. 40. 



17Ö ^ GriechisdM Literatur. 

Besiehmig nennt er sieb v. 1080. Tvxfjg ^caida)^ die Siegestrati- 
kenhelt reisst ihn über Alle« weg (dis* Scblusswort xdvta (tii 
ßwköv KQavsiV nal fäg aTcgättiöag ov 6oi rä ßlcj} ^vvsönstol 
iftt sehr beseichnend!). Vergessen ist sogleich der grause Orakel- 
sprach: er nimmt die Hand einer Wittwe, die doch den Jahren 
dach Tollkommen seine Mutter sein konnte, nimmt die Regierung 
an , ohne gereinigt zu sein ?on dem Morde , den er begangen, ohne 
den Verhältnissen nachzuforschen , unter denen der Thron erle- 
digt ist und welche ihm doch eine Sühne des Gemordeten schon 
damals auferlegt haben würden , wie er selbst dieselbe im Stücke 
für seine noth wendige Pflicht anerkennt. Ovdlv 6q(Öv^ ovdlv 
löTOQfSv das ist sein Wesen, wie er es in Theben zeigt, und wie 
sich's genügend oflTenbart. Weiss er, dass Laios sein Vorgänger 
war? Ja^^)9 aber nichts Gewisses von dem Morde desselben, ob- 
wohl davon die ganzie Stadt Kenntniss hatte, und vollends weder 
wie, noch wann, noch wo der Mord gewesen. Er begnügt sich, 
dessen Tod für einen dsi^Attrot/ d. h. für einen von Gott verhäng- 
ten ^*) zu halten. Hat er sich überhaupt nach der Persönlichkeit 



38) V. 106. ^ioi9' aHOvtov' ov ya^ si^BiSov ya nm. So steht auch in 
der dritten Auflage. Mit Recht nennt Hr. Döderlein p. 4. diese Lesart 
dine absurde , da ovnoa nur nondum heissen kann , und verlangt die ai^ 
dcre, von Hrn. W. nicht einmal erwähnte, handschr. Lesart nav, die auch 
i^ir in den emendatt. Soph. für unumgänglich nÖtbig erklärt haben, ovtioo 
ist niemals so viel wie ovTrors. 

39) V. 255. Mit den gewöhnlichen Erklärungen dieser Stelle, zumal 
sie darauf hinausgehen , innerhalb eines und desselben Satzes x6 nquyu,a 
in zwei Bedeutungen zu nehmen, und den von den alten Lexicographen 
bei Ellendt für QariKatov festgesetzten Bedeutungen widersprechen , ist 
es nichts. Es ist hl — riv keineswegs ein Conditionalsatz, wie er durch 
il mit dem Indic. einer histor. Zeitform gewöhnlich ausgedrückt wird, 
wo die Wirklichkeit der Bedingung sowohl wie des Bedingten verneint 
wird, sondern ein solcher, wo die Bedinjg;ung sowohl wie Bedingtes als 
Erscheinung , als gewiss dargestellt wird. Solche Beispiele von hl mit 
dem Indic. einer histor« Zeitform sind begreiflicher Weise selten, doch 
namentlich in der Tragödie nicht unerhört. Es heisst: denn, wenn die 
That nicht war von Gott gefügt, war's auch nicht Recht, so ungesüh* 
net sie zu lassen, wenn der Edelste, der König umgekommen war, nein! 
es war auszuforschen. Erst im Laufe des Stückes hat Oedipus als etwas 
Gewisses erfahren, dass Laios getödtet, nicht eines, wie er früher glaubte, 
naturlichen oder gottverhängten Todes , z. B. durch Blitz oder natürliches 
Unglück gestorben sei : nun steht die Schuld des iiiaapLa auf dem , der 
damals die Sühne des Mordes gehabt hätte, auf Kreon, aber bei dem 
Königs morde auch auf der ganzen Bürgerschaar. Oedipus spricht 
hier einen Vorwurf aus, wie er einen solchen (vgl. not. 26.) schon oben v. 
117. direkt auf Kreon gemünzt hatte. Hr. Marbach hat verschiedenes 
liierher Gehöriges richtig entwickelt p. 101 — 4. 



Nenere Sdirift«! 8b<er KSnig Oedipns. 171 

deMelben erkundig 1 dann würde er nicht erat ▼. 740« nach detaca 
^6ig und ^j3i}s ditfiij fragen ^^) , wurde längst die für ihn la 
jeder Zeit eine Warnung enthaltende Antwort erhalten haben: 
lAOQq>^g öh r^g öfjg ovx antötazu nokv v* 743. Man darf also 
agiotog in v. 255. nicht in moral. Bedeutung fassen. Weiss er, 
dass Oedipus und Jocaste schon einen Sohn gehabt? und was dea 
Eitern dariiber prophezeit gewesen? o nein! idvötvxijöBV x$lv€^ 
t6 yivog v. 261. ist Alles was er weiss. Und so wie er selbst ia 
dieser Beziehung im grasslichen Dunkel bleibt (denn erst im Stü- 
cke erfährt er Alles dieses), während die Stadt davon weiss (s. v. 
1051.), so lässt er seine Umgebung auch über sich im Duakelo, 
sagt nichts von dem begangenen Morde, Ton dem ihn bedrohenden 
Orakelspruche , der in seiner theilweisen Uebereinstimmung 
mit dem Laischen (v. 711. 1246.) zu einer Warnung und Entde- 
ckung hätte führen können , nichts von dem Zweifel über seine 
Abkunft , wirft sich einem leichtsinnigen , gottvergessenen Weibei 
das an der Seite des jungen Mannes leicht die Pietätspflicht ver- 
gisst , die Rache des Gemordeten auf jede Welse zu betreiben , in 
die Arme, und lebt der vermessenen Meinung, durch einfache 
Meidung von Korinth und dem Korinthischen Konigspaare daa 
Orakel ohnmächtig zu machen. S. v. 998. Erst im Stücke selbst 
thut er V. 437. eine Frage wieder, deren Beantwortung ihn immer 
hätte beschäftigen sollen , er aber zurück gedrängt hat; dort bricht 
sie endlich so charakteristisch hervor : wer seine Eltern wären ? 
Gleich bei dem ersten Widerstreite gegen sich bringt ihn Tires. 
Wort dazu, da fühlt er die Vernachlässigung dieser wichtigstea 
Frage und von da an tritt dieselbe wieder in den Vordergrund für 
ihn, so dass er derselben Alles Andere nachsetzt. Ja, ist dag 



40) y. 74CI. Hr. Doderlein bat richtig bemerkt, iiiina igtota sei: 
„frag noch mich nicht!" Ueber das ^z^v des folgenden Verses schreibt 
jetzt Hr. W« „volgata defendi non potest, quia Sophociem magnae ca- 
jnsdam negligentiae accasemns, qaod crimen ego qaidem intendere poetaa 
diligentissimo non ansim." Wenn er ^x^^ nicht anders erklären kann| 
als durch ein ausgelassenes fiv, so ist er zu dieser Bemerkung voIlkoHi- 
men berechtigt. Aber Hr. W. wurde darauf nicht gekommen sein , hätte 
statt ixtov etwa Xaßmv gestanden ; dann würde er gewiss zu ergänzen be- 
fohlen haben vavxriv fqv tpvßtv bI%b, Wir finden nur den Gebrauch von 
%Xtov nach dem kurz vorher gebrauchten kXx^ etwas auffällig und nach- 
lässig; doch, glauben wir, ist Soph. von solch einer Nachlässigkeit 
nicht frei, noch braucht er davon freigesprochen zu werden. Warum 
stosst man sich denn nicht v. 947 — 49. an ovrog, ode, tov^s, wenn mit 
jenen beiden ersten Pronomen Oedipus, mit dem letzten der Bote, and 
zwar von der Jocaste und innerhalb dreier Verse und eines Satzes be- 
zeichnet wird? Der Dichter rechnet immer auf einen guten Schauspieler. 
Vgl. V. 1179^81. 



1?2 GriechuQbe LHerBtor. 

Sliek eine Schicksalatragödie, flanli redet Btaii leicbt ton deÄ Uii* 
wahisdieiiilichkeiten, welche im Hintergruhde des Stücke» Ittgeo, 
dano nüi88 ikian Brfurdt nachschreiben (s. Wond. zu t« 112.; das« 
dart jetst die Bothe^sche Bemerkung^ gestrichen , ist gans recht !), 
wie webig glaubhaft es sei, dass derartige Expectorationen in ei- 
ne^ langjährigen Ehe zwischen liebenden Gatteii nicht vorgekom- 
inen ; dann kann man dafür höchstens bei Aristoteles eine theil- 
weise Entschuldigung finden. ' Aber die Sache wird ganz ander», 
wenn beMe Gktten mit vollem Bewusstsein schweigen, beide 
ihre Grunde haben, das Licht der Wahrheit zu sTcheiien, beide 
bdastet sind mit einem schuldbewussten oder orakelgequälten Ge- 
wissen, da kann ein Leichtsinn der Grundtypns eines Lebens wer- 
den, eine Vermessenheit, eine Götterverachtung, wie wir sie im 
Oedipus und der Jocaste mit Entsetzen sehen müssen, und wie sie 
die' Strafe der Gottheit, wenn auch nicht gleich^ aber doch sicher, 
ael's fr%h sei's spät nach sich ziehen muss. So wollte es Sophokles. 
In Hieben ändert sich in den Verhältnissen des Königshause» 
idehts; man lebt fort wie zu Lalos Zeit, ja, die Bezwingung der 
Sphinx wird eher in Jobelfesten zur Verherrlichung des Siegers 
gepriesen sein, als in Dankfesten gegen die Götter. Nur Einer 
bann in Thebens Mauern nicht länger bleiben , das ist der beim; 
Mordel des Laios geflohene Knecht Als er den Oedipus im Be- 
sitz de» Laischen Thrones sah , sagt Joe, da war seines Bleiben» 
in Theb«n länger nicht; er trat zu ihr und flehte dringend, ihn 
za den Hee'rden möglichst weit entfernt aus den Augen der Stadt 
zn schidccv, und erhielt als ein solcher gnadewürdlger Sclav ^^), 
wie Joe. sagt v. 763., diese Vergünstignng, da er, wie sie meint, 



41) Hr. Wunder hatte sich froher zu v. 763. mit Hermann's Emen- 
dation otec begnqgt. Jetst wittert er wieder allerlei Verfälschongea, und 
meint , ifvenn ola acht wäre , wurde in dem Sinne von onouc aus y. 886, 
statt dovXog dviQQ eher x^arog oder dergl. erwartet sein. Wer aber 
zwingt Hrn. W., ota in d er Bedeutung zu nehmen , nicht eher in derjeni 
gen yt)n mg ▼. 1118. und O. Col. 20., welchem der Gebrauch des latein. 
nt so gut hei Cic wie bei Tacit. entspricht? Terent. Adelph. 111, 4, 34. 
sthreibt ausführlicher: Geta, ut captus servulorum estf non roaluA neque: 
iners. In dem oV dvriQ SovXog wurde eben eine Einschränkung des a^g 
liegen; nicht in jeder Beziehung a^iog^ sondern mit Berücksichtigung 
einer Sdavennalor. Indess Hr. W. thut nicht Recht, dass er die von 
B^unck aufgenommene und von Thudichum am Besten durch die Dar> 
Stellung des Hrn. IVlarbach p. 129. vertheidigte handschr. Lesart o6s yr 
aufgegeben hat. Er hätte hier ebenso gut wie v. 773., wo er die hand» 
schriftl. Lesart fASi'iovi wieder restituirt hat, Thudichum folgen könneii. 
' Eine unmittelbare Erinnerung des Zuschauers , dass dieser Kneoht der- 
selbe sei , der in das Geheimniss der Aussetzung des Laischen Kindes ein- 
geweiht gewesen , war hier durchaus am^ rechten Orte. . 



Neoer& Schriften ib«r König Oedipas. 173 

«erth gewesen wäre, selbst noch eine grossere m eai^aagen. 
Oedipas erinnert sich nicht , mit ihm einmal ansammengetroffen 
in sein (t. 1110.)- Der Knecht ist der Einzige ^^)^ der das Ganiie 
überschaut. Er erkennt nicht aliein in dem neuen Könige den 
Bf Order des alten , sondern ahnt sowohl aus dem doch ungewohnt 
Rehen Namen Oedipu^, den der neue König führte und er einit 
auch dem ihm zur Aussetzung übergebenen Kinde gegeben, als 
auch aus dem Umstände, das« der neue König aus Korinth kommt, 
wohin er das Kind einst gebracht wusste, dass dieser Oedipus in 
Laios seinen Vater erschlagen, also das dem Laios gegebene Ora- 
kel, welches dem Knechte bekannt war (s. v. 11760) erföllt habe 
und folgerecht in Jocaste seine Mutter geheiradiet habe« Darnra 
flieht er, anderer seine eigene Sicherheit und seinen Ruf gefahr^ 
denden Motive nicht zu gedenken ^^). 

Und lange Zeit erfreut sich Oedipus seiner erworbenen Macht 
Er gesteht es selbst, bvtvx&s lebe er (998.); nur das Eine ist 
ilim schmerzlich, dass er Korinth , also das Antlitz seiner yermeini- 
Uchen Eltern meiden muss, da er hofft, auf solche Weise die Ep- 
Allung des ihm gegebenen Orakels unmöglich zu machen, Er 
wird Vater von vier Kindern, die alteren, die beiden Brüder, sind 
schon zu Männern gereift (s. 1460. avÖQsg bIöIv, Söt^ fi'^ ^a^ 
yivaoTB 6%bIv^ Svd'' &v döi^ toi) ßlov. Wenigstens kanR^da8 
«o gedeutet werden ^^). Der Dichter lasstaber diese Zeitbestim^ 



43) Vielleicht' tfüch Jocaste , so scheint es wenigstens in seinem Aas- 
rufe neos nozB, ndg noQr' al natqmai a aXov.Bq fpiqBiVj xctXttq , ciy idv- 
vri^aav ig toaovSa v. 1210. der Chor za fohlen. Wir wollen aber den 
Gedanken hier nicht ausbeuten. 

^ 43) Dass der Knecht Alles gewnsst , geht auch ans seinen Worten ia 
der Tragödie herror. Daher seine Weigerung , die Wahrheit zu gesteb^A 
u. s. w. Auch einzelne Ausdrucke fuhren mit Bestimmtheit dahin z. B. 
1146. ovK slg oXs^qov ;ov a looni] cag ^6 si; Worte, die, bei Seite ge- 
sprochen, den Seelenzustand des Alten genügend schildern. Die alte 
Weise , zu sagen , cnonriacig k'ast stehe^ für ^loanTJosig^ ist doppelt falsch ; 
denn erstens ist es unwahr, dass die Griechen das Partieip mit dem Hiifs^ 
Zeitwort promiscue für das Zeitwort gebrauchen^ und zweitens hätte in 
dem Falle wenigstens ai(on<ov steben müssen. Man wende dagegen ja 
nicht y. 90. nqoMaag sifii ein, und ▼. 957. oTifirivag ysvov. Es deutet 
der Ausdruck also auf ein früheres Schweigen hin , das er dem I^orinthk 
Hirten auferlegt, und er bat ohngefähr dieselbe Kraft, wie das sonst ge* 
brauchliche aiooTniaag ^eig. 

44) Ueber jene Stelle und die von Hrn. Wunder durchaus richtig 
entdeckte Lücke] v. 1412. haben wir in den emend. Soph. gesprochen, dort 
auch einen Versuch gemacht, die Lücke auszufällen. Die Wunder'sche 
Erklärung jener Rede des Oedipus leidet übrigens ab manchen Schwachem 
Es ist z. B. auch v. 1463. wieder unbedachtsam das VerdamnuiigBariheil 



174 Griechisdie Literater. 

mimg des Mythus absichtlich im Ungewissen; als er ▼. 561. die 
Gelegenheit gehabt hatte, es naher su bestimmen, vermied er es, 
freilich nicht minder dort durch Kreon's Situation bewogen. - So 
etwas ist der Tragödie der Griechen nicht ungewöhnlich, -wie wir 
ittletzt in unserer comment« de Eur. Heraklidis ^^) haben zeigen 
können), da bricht eine Pest ein über Theben. Eine grause Hun- 
gersnoth, mit allen Entsetzen im Gefolge, verödet die Stadt, die 
,,hinstirbt in dem fruchtbeschwerten Keim der Flur, hinstirbt ia 
den Rinderheerden , in der Fraun noch ungebomen Kindera^^ 
Man schaart sich zusammen an den Altären und Tempeln der The- 
banischen Götter, vergeblich» Wie einst zur Zeit der Sphinx («. 
oben) bleibt die einzige Hoffnung auf den Gott zu Delphi^ doch 
"diess Mittel rath die Stadt nicht an, Oedipns selbst hat lange 
auf Heilung gesonnen (denn auch sein eigenes Interesse ist ga*- 
fiUirdet, der Priester braucht ihn schwerlich erst v. 55. darauf 
aufmerksam zu machen) und die einzige darin gefunden (ein auf- 
fallendes Geständniss, aus dem man aber nicht gleich eine Gottes- 
furcht des Königs herleiten. sollte), Kreon zum Orakel su senden; 
die Stadt wendet sich vielmehr zunächst an ihren grösstenHort, 
den xvßsQvi^Tfjg vscig^ wie ihn Joe. v. 923. nennt, dass er, wo das 
Gebet nicht hilft, ein Retter liebevoll ^^) werde. Das ist der 
Moment, mit welchem die Tragödie anhebt. Es ist eine gross- 
artige Situation, deren Darstellung wir um so weniger vermeiden 
wollen, als trotz G. Hermann's richtiger Entwickelangen sich 
die durchaus falsche Meinung des Hrn. Wunder zur Geltung zu 
bringen scheint (auch Hr. Junghans theilt dieselbe), welche der 
Scene noch einen höhern äussern Glanz verleihen will. 

Während nämlich des Dichters Worte darauf genügend hin- 
weisen, dass die ganze Schaar der Hilfeflehenden etwas Ausser- 
ordentliches sein soll , von dem Bisherigen und Gewöhnlichen Ab- 
weichendes, hat man geglaubt, nur in der Masse der Bittenden 



Neae^s angenommen. Hr. Wunder recitire sich doch einmal den Ver5 vor 
und mache eine Pause nach ovnod' i^fii^. Eine richtige Rhetorik kann 
da vielen Aufschluss ertheiien. Und wie hat er v. 1455. die Erfurdt'sche 
Note nachschreiben mögen! 

45) Commentatio de tempore , quo Heraclidas et composuisse et do- 
cnisse Euripides videatur, et de nova eam tragoed. interpretandi ratione 
inde repetenda. Wiesbaden, 1846. Kreidel. Vgl. die Nachtrage in Schnei- 
dewin's Philologus Bd. I. Hft. 3. 

46) Hr. Wunder scheint sich was darauf einzubilden , das handschr. 
mfo&vfiiag v. 48. in nQoitrid'iag verändert zu haben. Stände so , ia, 
wurden wir es gebrauchen können, aber nothig ist's nicht; der Priester, 
der an Oedip. Weisheit nicht zweifelt, will hier nur eine Liebesthat, stellt 
deshalb auch die frühere Rettung mehr als ein Liebes- denn als ein Weis- 
heitftwerk hin. 



Neuere Sebriften fiber König Oedipus. 17S 

und in der groasattigen Decoration der Scene liege das Oroisär- 
lige, und liat sich selbst bemüht, durch specielle Excurse den Be- 
weis mit (lilfe anderer Stücke der Latschen Pragmatie su führen, 
dass ifor dem Königshause drei Altare mindestens gestanden bitten, 
einer für Apollo, ein zweiter für Minerva, ein dritter für Diana. 
Dass diese ganze Mühe umsonst sei, hätte man, denke ich, schon 
aus y. 919. abnehmen können. Wenn Jocaste mit den Worten auf* 
tritt, XQog öl y ä Avkh "AjtoXXov^ ay%i6to% yag £?, Ixitig 
äq>l'ytiav toiöds 6vv nataQy^aöiv^ so wurde doch eben diese Be^ 
gründung, wesshalb sie sich zum Apoll wendete, eine kolossale 
Faulheit ausdrücken, wenn es nur einiger weniger Schritte ber 
dürft hätte, um zu den andern Altären zu gelangen; es wäre der 
Zusatz mindestens eine grosse Lächerlichkeit. Nein, ApoUo*ä 
Altar ist der einzige, wie gewöhnlich ohnweit der Mittelthür der 
Scenenwand angebracht, andere Götteraltäre sind in der Stadt. 
Aber auch aus andern Gründen hätte man den Ausdruck xoig ßm- 
fioidi nicht auf solche Weise cömmentiren sollen. Ebenso wenig 
wie drei verschiedene Altersclassen dort aufgetreten sind, sind 
drei Altäre nöthig. Jenes ist eine weder den Worten zusagende 
Annahme, noch der Situation angefnessen. Die ganze Deputation 
muss, wie gesagt, etwas Ausserordentliches sein. Während das 
Volk an den Altären der Pallas ulid des Apollo Ismenius sich zu^ 
sammenschaart, in der grässlichsten Noth, geht eine Gesandtschaft 
zum Könige Oedipus, in der Erinnerung, dass er einst von einer 
Noth die Stadt befreit durch eigene Kraft, ohne fremde wdtere 
Hilfe. Sie soll sein Mitleid rege machen , darum ziehen nur die« 
jenigen hin , welche zur Erregung desselben am geeignetsten sind. 
Nicht etwa Kinder, Männer, Greise, also alle drei Lebensalter^ 
und nnter ihnen die Männer vom Volke auserwählt (19.) -^ denn 
es wäre doch sonderbar , dass diese Wahl unter den Männern nicht 
vornehmlich die Mitglieder des Chores betroffen hätte, da dieselr 
ben , wie das Stück zeigt , in besonders innigem , auch einflusa* 
reichem Verhältnisse zum Oedipus stehen ^^) ; in der Cömposir 
tion der Gesandtschaft läge auch nicht das Besondere, was Oed^ 
selbst darin findet, und der Priester mit dem Ausdrucke ^A/xoi 
bezeichnet; nichts Männliches, wenn diese Alle mit wollenmwun« 
denen Stäben gekommen wären ; auch nichts besonders Rührendes 
— nein, es erscheinen nur unschuldige Kinder, geführt von grei- 
sen Priestern. Das ist eine Schaar , die etwas Absonderliches hat^ 



47) Dass nämlich der Chor von Anfang an auf der Buhne gewesen, 
wie Hr. Marbach p, 107. annimmt, widerstreitet dem Gebrauche der Tra- 
gödie im Allgemeinen und den ausdrücklichen Fingerzeigen unsers Stu- 
. ckes. Dagegen muss es rühmend anerkannt werden , dass Hr. Marbach 
sonst so richtig die Chorgesänge in ihrem Verhäitniss zun» ganzen Stucke 
aufgefasst hat. 



17B Griechische (»iteritir. 

Kinder und greine Priester (Bustathius p. 775, 21« kann nur diese 
Stelle anfuhren sum Belege, dass Priester bei Gesandtschaften 
•ind) , das ist Mitleid erregend, wie Triciin. sagt^ und dass sie auf 
den Stufen des Königspaliastes die Ixtfiglai niedergelegt haben, 

Serade als wollten sie cum Oedipns wie zu einem Gotte beten, 
as ist es weiter, was das Staunen des Königs hervori'uft. So 
sind auch seine Worte gleich an diese Kinder gerichtet, iJ t£xv« 
Kddßov tov xdkai, via rpog)^ (wie eigenthümlich klänge der An»- 
drock via .tQoq>ij von Menschen aller Klassen) ; so seine grosse 
Verwunderung, tlvag «od' Sögag ragdcfiot ^oa^ts; so war, bei 
dieser ausserordentlichen Sache, sein Eotschluss gleich gefasst, 
selbst herauszutreten, nicht erst durch Boten, durch Fremde den 
Wunsch kennen zu lernen. Er will es wissen tlvi XQonto xa^id- 
taxB (also wieder die Art der Versammlung), und wendet sich an 
einen Priester, der sich später selbst den des Zeus nennt, weil 
dieser Mginanf (gerade als Zeuspriester vor deu übrigen Tielleicht 
BUsgesBeichnet durch Aeusserlichkeiten , Kleidung, Altern, s. w.) 
igw XQO tävdi qtavBiv. Ich wäre fühllos, meint er, xoiävÖB 
p^ ov xatoiKTslgeiv Sdgav. 

Ich denke, dahat der Dichter, soviel er nur vermochte, das 
Befremden des Königs über gerade solch eine Art der Ersehe!'» 
nong ausgedrückt. Darum legt auch der Dichter in die Antwort 
des Priesters zunächst di^ Art der Zusammensetzung „du siehst 
i^klKOi 7ta^ii(ii%a d, h. von welchem Alter wir hier sitzen^^ 
Wären alle drei Lebensalter hier repräsentirt gewesen, denn meh- 
rere kennt der Grieche nicht, was sollte da diese Einleitung 1f o£ 
fÄv audixa ^axgav ntiö^a^ 6&ivovtig^ das ist klar, das sind 
die kleinen Kinder, wie «och mit ahnlichem Bilde Euripides in den 
etwa zwei Jahre früheren Herakliden gleich zu Anfange die Kin«- 
der, welche er und die Alcmena, also ebenfalls Greise, geleiten, 
90 hezeiehndt vno «xsgolg tovgdi öd^io; nun aber weiter o£ dh 
6vv y^ga ßagüg Ugijg iym (isvZrjvog^ ot Si t* f^^imv iBxtoL 
Das ist weit schwieriger, denn erstens enthalt diese Lesart sämmt^ 
licher Handschriften offenbar einen Solöcismus in der PartikelTer-* 
bindung di rs, zweitens entsteht die Frage, ob sym (isv und ol 
di tB correlativ sind, oder ob ol 6i tt einen weiteren Gegensatst 
in ol (khf ovöinm etc. darbietet, drittens ob mit Bentley Ugiv^ 
lyw (ihv zu schreiben und viertens ob unter y&soi die Männer zu 
verstehen sind. Die dritte und vierte Frage bejaht Hr. Wunder« 
Natürlich ! Sollen die drei Lebensalter an drei verschiedenen Al- 
tären repräsentirt sein , so dürfen hier nicht Mos greise Priester, 
sondern es müssen im Allgemeinen Greise erwähnt, und da die 
Minner nicht fehlen dürfen, diede unter ^'d£0i verstanden werden. 
Aber wer ist denn ^96og*i In den vorhandenen Tragödien kommt 
das Wort, abgesehen von einer Conjectur Hermann's in Iph. Aul. 
172., welche wir in unserer Ausgabe zurückgewiesen, nur noch 
einmal vor, und zwar in der unmittelbarsten Nähe eines vielfach 



N«aere Schriften aber König Oedipos. " 177 

verdfichtigten Verses der Phoenissen, der In unsere ,,Verdächti- 
gong Eurip. Verse , surüdcgewiesen^^ etc. p. 09. eine Beleuchtung 
gefunden hat. Dort sagt Valckenaer T^t^sog^ Snsigog ydfioVi 
naQ%ivog^ wie es dort der Scholiast erklärt durch äyafiog^ na- 
^ccQog^ dfiokvvtog* Dempmäss Plato: giizgi naidoyBvlag 'j^t^Böi 
xai uHiiQatot ya^imv zt ayvoX täöiv. Man kann den Ausdruck 
nach dem Gebrauche in den Phönissen nur einen geschlechtlichen 
nennen , .und sich höchstens auf die Analogie Ton %aQ%ivog be- 
siehen , will man es wie unser Junggesell in der Bedeutung von 
Jiingling gebrauchen. Solche Analogien sind aber misslich; man 
verlangt billig andere Belege eines derartigen Sprachgebrauchs, 
zumal wenn eine Beweisstelle, wie die unsrige, corrumpirt zu sein 
scheint; keinenfalls könnten darunter im Allgemeinen die Männer 
verstanden werden, und noch weniger die vi^nioiy wie Triciin. 
will. Was nun die zweite und dritte Frage angeht , so ist es doch 
weit natürlicher für den Vortrag des Schauspielers und fär den 
Zusammenhang des Ganzen ol da vs als Gegensatz von ot [lev zn 
nehmen, sowie Ug-^g zu belassen und zu dem Vorhergehenden zn 
ziehen. Hinsichtlich der ersten Frage können wir nicht anders 
als uns für die Nothwendigkeit einer Emendation entscheiden, wie 
das alle Herausgeber gethan. Den bisherigen Vorschlägen steht 
Allerlei im Wege , namentlich kann der Wunder*sche ^ der sich auf 
einen Codex des Suidas bezieht , schwerlich für eiwas anderes als 
für einen Schreibfehler dieses Codex angesehen werden. Tn 
Uebereinstimmung mit den Forderungen, die wir oben an die Zu- 
sammensetzung dieser Deputation gemacht haben, schreiben wir 
statt ot Ö6 Tydaov in leichter Emendation ot d'Jx täv %sciv Xex" 
rol seil, hg^g. Dem Zrjvog steht twv &Bciv d. h. die in Theben 
heimischen und verehrten Götter gegenüber. Die Verbannung der 
in tmesi gebrauchten Präposition hat den ganzen Wirwar ange- 
richtet , wie das auch in Uiectr. v. 703. der Fall gewesen , wo G. 
Hermann richtig ix öl %ag geschrieben hat. Sonst könnte man 
Ik t(ov sc. tsgicDV verbinden. Triciin. Worte dvt\ xov oitoi t&v 
dtogxovgav tagaig^ zeigen, auch wenn er selbst dieser Erklärung 
nicht zustimmt, dass unsere Emendation vielleicht das Richtige 
getroffen. Nun ist das Verhältniss klar. Der Priester sagt: hier 
sind die kleinen Kinder, dort vom Alter gedruckte Priester, ich 
der des Zeus, die andern ausgewählte der andern Götter: das 
übrige Thebanische Geschlecht ist an den Altären zusammenge- 
schaart. Jetzt schreitet die Rede in aller der Würde des Prie- 
sters angemessenen Ruhe fort, nicht unpassend unterbrochen durch 
die Klammer lyci fiav Ztjvog , die bei der gewöhnlichen Auffas- 
sung so sehr moicstirt, da zu dieser ausserordentlichen , einzelnen 
Legitimation des Redenden gar kein genügender Grund gedacht 
und die gewöhnliche Entschuldigung, dieselbe sei im Interesse 
der Zuschauer hinzugesetzt, hier für genügend nicht gehalten 
werden kann. 

^ /¥. Jakrb. f. Phil, u. Päd. od. KrU. BibL Bd. L. Hfl. 2. 12 



178 Griechische Literatur. 

Jetif kann es endlich auch verstanden werden, was der Prie- 
ster sa^T. 31. Qsolöt'iiLsv vvv ovx l6ov(i$vov t^ iyd ovo' oSöb 
nalÖBq s^tMcatfO' Iqpstftiot, cnfdQcav 6s ngiotov^ denn man kann 
sich erstens einen Grund angeben , weshalb er kyfi ovo' olös nal- 
dsg sagt: in dem sycA spricht der Repräsentant der Priester, dem 
gegenüber die Kinder (welche immer die Hauptmasse hier ans* 
machen sollen), also alle werden hier genannt; unter naiÖBg mit 
der frnhern Erklärung auch die Männer zu begreifen , ist unmög- 
lich. Abgesehen, dass er dann, wo von einem hqivbiv die Rede 
Ist, schwerlich deu Begriff naidsg gesetzt haben wörde, kann er 
in der dritten Person die übrigen Anwesenden , wenn es nicht 
wirkliche Kinder sind, gar nicht naldeg nennen, zumal eZd$ nm^ 
deg* Der König kann sein Volk allenfalls so anreden: was wor- 
den wir aber sagen, wollte z. B. in solch einer Situation derObei^ 
burgermeister oder der Bischoff in Berlin , wenn er mit Männern 
und Kindern vor dem Palais wäre, von dieser Gesammtheit so re- 
den : ,^weder ich , noch diese Kinder hier^S auch wenn der König 
dies vertrauensvolle Wort noch so oft im Munde führte! Der Aus- 
druck naldsg öItctqioI v. 58. und v. 142. und 146. ntxiÖBg kann nun 
ebenfalls auf ungesuchte Weise erklärt werden. Zweitens aber 
begreifen wir nun auch , wie der Priester auf diesen Gedanken 
überhaupt nur kommen mag ; er will die ungewöhnliche Erschei- 
nung , daas man dem Könige wie einem Gotte nahet (mit Bitten 
jubrigens, nicht mit Dank oder aus Furcht, wie Oedipus dies sup- 
ponirte ^^)), rechtfertigen, darum sagt er, zwar halten wir dich 
nicht für einen Gott, doch für der Menschen Ersten. Was 



48) T, 1 1 ds^ffavtsg fj öriQ^avtig. Wenn eine Schaar von Kindeni, 
von greisen Priestern gefuhrt, an die Stnfep des KÖnigspaiastes tritt, mit 
hix'/iQiats in den Händen, äo kann einer solchen Erscheinung a^s Motiv 
sowohl eine Furcht wie- ein Vertrauen, :das aus einer Zufriedenheit - mit 
den bisherigen Maassregeln hervorgeht , hingestellt werden. Wenn -aiüo 
Oed. friagt: ,,waruRi steht Ihr so? Von Furcht bewegt, von Liebe?'*, so 
kann die Frage docli gewiss nur für eine seiit^r Situation durchaas an^- 
metöene geitea. Hr. Doderlein p. 2, hat durchaus Recht, wenn er die 
Bedentang des Bittens und Wunschens, welche auch Hr. Wunder hier 
will, dem \ erhvim OteQyuv abspricht, nar hätte er, wie uns dünkt, auf 
die Grandbedeutung „zufrieden sein^' zurückgehen müssen. S. Oed. Col. 
7. Antig. 292. Seine Erklärung der Stelle, die auf der innigen Verbin- 
jdaog von atigicewsg mit dem folgenden Participialsatze beruht, können 
wir indess nicht billigen : qaonam animi habita constitistis ? metuerttesne 
^ne lentus ego sim ad opem ferendam) an boni consulentes tamquam ad 
omiiia promtus sim? Es scheint uns das gezwungen za sein, eog ^diXop- 
roi Sv Sfiov nQoaceQHtiv nSv knOpft sich an die Hauptfrage rivt tqo- 
«CO Tia%iaTct^s in gleicher Weise wie v. 146. tog luiv Sfiov dgäooptag, und 
würde ebenso gut haben heissen können syoa yocQ Sv ^iioiiit xrl. 



Neaere Schriften über Kimg Oedipas. 179 

BUD endUchr den ücradHick ß(0(ioi6i töig eolg t. 16. angebt, no 
hat Bronck behauptet, es bedeute derselbe nicht ^,die dll* geweih- 
ten Altäre^S sonderh ,,die an deinem Hause stehenden^ Oedipus 
gebraucht einen solchen Ausdruck nicht, sondern v. 2. sd^g 
tdgds und t. 13. ^(HiivSB Idgccv und r. 142. ßa^gonv totaO^B. Za 
dem letzten Ausdrucke notirt Trlclinins 6 rJsrog, Ev9tt n iHxXfj&ta 
iysvBto ßaO'filöLV'^v tivkIo) dtBi^Xijfiiiivog Skkaig hi UKkaiq^ tv- 
9a ol övvBkd'ovx^g xdvTBg 7ca&i^(iBvoi dvBiixoSlötag ^xqocBvtö 
tov töTa^ivov ev ^ifica nal övpißovXBvovtog. Er hat es demnacfl 
ebenfalls nicht für AUarstufen angesehen. Daran ist auch nieht 
SU denken. BcjpioXöi tolg öolg ist tropisch gebraucht. Die Stu^ 
. fen des Palastes mit IxttjQUig belegt sind eben den ßaifMolg gleich 
anausehen. Das konnte leicht der König, wie die Zuschauer fki 
Athen verstehen. Ginge das nicht, so würden wir imm^ ver- 
liehen d6)A0iei. M emendiren , alis die merkwürdige andere Ansicht 
anzunehmen. 

Wir müssen uns in dem Folgenden wegen Mangel an Raum 
kürzer fassen« Hauptsächlich soll uns der Charakter des Oedipus, 
wie ihn das Stück selbst zeigt <, beschäftigen. Wir erblicken ihn 
zunächst als einen volksfreuudlichen , Jen Jammer über die Noth 
des Volks theilenden König, der darum „schon viel gewandert auf 
der Sorge Steg^^ (^7.), der zu der Erfnlliuig des Wunsches, den 
ihm die Stadt vortragen lässt, nicht erst durch die Deputation ge- 
bracht wird (v. 58.), der auch bereits nach Delphi geschickt hat. 
Aber weit entfernt, daas ihn Kreon's Mittheilung des Orakelispruchs 
an den Mord erinnert, den er selbst verübt, fasst er dieselbe mit 
kritischem Verstände auf ^ wenigstens dessen Auslegung durch 
Kreon. Wir sprachen oben von jener Seene und Oedipus Arg^ 
wohn. Sein Entschluss , für Laios aufzutreten als Rächer, ist kein 
reiner; denn er geht hauptsächlich aus Selbstsucht, aus der Rück- 
sicht für seine eigene Sicherheit hervor (v. 139.). Thnt er aber 
nun das zunächst Mthige? Lässt er den^ einzigen Augenzeugen 
des Laischen Mordes, der ihm eben genannt ist, herbeiholen? od^r 
forscht er darnach? Das wäre doch, nachdem er y. 118. gehöri^, 
das Natürlichste und Einfachste gewesen. Nein, seine yvAfiif 
liebt überhaupt nicht den natürlichen Weg tu gehen, hier ist sie- 
ohnehin berückt von .einem Vorurtheiie, das er ohne genügenden 
Grund geiasst hat. Seine Worte v. 292. rdv d' ISovt oddslg ogf 
zeigen darin den Leichtsinn. Denn wirkliche Forschungen nach 
dem löav kann er nicht angestellt haben; wo er es thut, nämlich 
unten, sind dieselben sogleich von einem Resultat begleitet. Hat 
er seine Zuflucht zu der Seherkunst genommen? Auch das wärib 
ein natürlicher Qang gewesen. Er hat zwar zum Th*es. geschickt^, 
aber erst auf Kreon's Rath. Es liegt in der Natur der Sache, datfS 
er »welcher seine yvdfiri weit über die Mantifc stellt (vglv v. 39915 
nicht gera*dc das grösste Zutrauen zum Tir. haben mochte. ' Zvif^ 
nächst wiU er seine Königsmacht, zu deren Bezeichnung er v. 2^7. 



180 Griednjfclie Ltteratnr. 

einen grossartigen Aosdriick gebraocht, aufbieten inr Erforschung 
des Morders nnd lasst deshalb Kddfiov kaov her zu der Königs- 
burg bescheiden (t. 144.). Vor diesem, welches der Chor reprS- 
sentirt, beginnt er seine Rede, dieselbe gleich an die letzten Ge- 
danken des Chores anknüpfend. Der Eingang enthält gleichsam 
eine Versicherang , dass er den Mörder nicht kenne , dass er ^ivog 
tov Xoyov und ^ivog xov 7iQax%ivtog^^) sei, sich deshalb an 
diejenigen wenden müsse, welche früher als er in Hieben gewe- 
sen. Sie sollen den Thäter entdecken ^ der Thater selbst soll sich 
nicht scheuen, sich anzuklagen , denn ihn solle nur die^ Strafe des 
Exiis treffen (mehr hat auch das Orakef nicht verlangt); der 
Freund soll sich nicht weigern, den Freund anzuzeigen; die Sache 
müsse ans Tageslicht ^^). Wollt Ihr schweigen, nun so verhänge 
ich über den Mörder die Excommunication, weil er das fAtoiffiä 
unseres Landes ist (dadurch soll jdie mögliche Rücksicht auf den 



49) Der Ausdruck Xoyoi^ von welchem Hr. W. schweigt, ist unbe- 
stimmt. Meint Oed. das Gerücht von Laios Tode? So kann es wenig- 
stens der Chor nicht verstanden haben , denn der nennt ja dies Gerücht, 
denn es ist seinem Inhalte nach dasselbe, unten %(o^a nal nccXaid , als 
wenn das vom Oedipus oben nicht erwähnt gewesen. Man hatte also 
weit eher Ursache, Xoyog von dem zur Sühne der Pest die "Aufsuchung 
des Mörders des Laios gebietenden Orakelsprnche zu nehmen. Bei dem 
Argwohn, der sich durch die Brust des Königs zieht, wäre diese An- 
nahme sicherlich statthaft! 

50) V. 227 sq. Die Rede ist nicht immer ruhig gehalten, weder hier, 
noch unten v. 261. Sie will recht eigentlich gehört, nicht gelesen sein. 
Dass xs^ fiev und %l S\ correspondiren , liegt auf der Hand : zu beiden 
Bedingungssätzen gehört der Nachsatz fiij cicmoitm, wie das die fort- 
fchreitende Rede il 6' av anom^ösad^s (av jetzt, wie früherhin) ausser 
allen Zweifel setzt, da in derselben als Subject die beiden «bigen Be- 
dingungssätze zusammengefasst stehen: tig rj (piXov 9siaag rj xavxov. Die 
Begründung des Qefehles |l»] aioanatto ist durch yä^ beiden Sätzen zuge- 
fügt, dem ersten auf eine unserm Logischen Gedankengange minder ge- 
bräuchliche Wei^e, nämlich dem Befehle vorangestellt. Das ist das 

' ganze Geheimniss der Stelle , zu dessen leichterer AufPassung die Inter- 
punktion leiten kanii, wenn v. 228. hinter avtog ^a^* avtov ein Gedanken- 
strich gesetzt und die folgenden Worte bis dßXocßijg als eng zusammen- 
hangend gefasst werden. Es wurde dann auch besser hinter aßXccßrig 
ein Gedankenstrich stehen. Scholl hat sich grosse Missgriffe in der Auf- 
fassung dieser Rede zu Schulden kommen lassen. Für einen solchen er- 
klären wir auch , dass Hr. Marbach einen Fluch darin findet über die, 
welche den Oedipus „hindern^' wurden an der Bestrafung. Wenn Hr. 
Wunder zu v. 294. zu tgitpsi als Subj. statt o Idtov aus dem vorangehen- 
den Verse interfector Laii nehmen will , so mag das auch wohl ein Beweis 
apiny dass er aicht wosste, über wen v. 269. der Fluch ansgesprochen war. 



Neuere Schriften über König Oedipns. 181 

Freund In ihren Motiven bekämpft , sollen die Freunde selbst den 
Freund anaugebeu, und der Mörder zur Selbstanklage bewegten 
werden ; denn solch eine Excommonication ist ja der hier für den 
Thäter angesetzten einfachen Strafe des Exils völlig gleich), and 
spreche über ihn den Fluch aus. So bestimme ich um meinei^ 
willen, wie um des Gottes und des unglücklichen Landes Willen« 
Pflicht wäre es gewesen, schon damals, als der König gefallen, 
nachzuforschen; nun das versäumt, will ich für ihn, als war ich 
sein Sohn , die Pflicht der Blutrache vollziehen. 

In dieser Uebersicht decAede , welche in mehrfacher Bezieh ' 
hung Schwierigkeiten darbietet und gerade den innigen Zusam- 
menhang nicht immer gleich finden lässt, ist die Stimmung des 
Herrschers ausgedrückt: mit Reglerungsmaassregeln , soweit die 
Königsmacht sie darbietet, soll der Thäter ermittelt wenden, und 
als Motiv steht wieder das eigene Interesse (253.) voran; das ist 
es auch, welches hauptsächlich den Vorwurf hervorruft, dass ein 
Königsmord so ungeahndet hatte bleiben können , zu dessen Sühne 
so das Land wie die Verwandten verpflichtet gewesen wären. 
Dem möglichen Zurückgeben dieses Vorwurfs , dass Oedipus bei 
seinem Antritt der Regierung nichts dazu gethan, begegnen 
die Worte fl ^v rö ngäyyLa fiij ^eykarov^ welche (255.) die bk« 
herige Ansicht des Königs von Lalos Tode enthalten ^0- Soweit 
durch Mittel der Macht, durch Befehl und Fluch geholfen werden 
kann, ist Alles gethan: nun, sagt der Chor, wenn der Thäter nur 
etwas Furcht noch in «ich hat, so wird er nicht im Lande bleiben 
tägöag tOLCcgd' dgag dxovcav (295.). Dass Oed. über sich seibat 
so den strengen Fluch ausgerufen, weiss der Zuschauer und ist 
von der tragischen Wirkung: „es mag den schwachen Menschen 
mahnen , der nicht weiss, wieviel Nachsicht er selber bedarf, min- 
der rasch den Fluch über einen Fehlenden auszustossen^^ 

Als Tiresias, dessen hohen Ruf von vorn herein der Chor 
mit den Worten cl rccXrjdsg ifiUtSfpvKBv äv^gcinov ftova dem Zu- 
schauer bemerklich machen soll, erscheint, redet ihn Oedipus zu- 
erst, wenn auch nicht „mit den Ausdrücken der innigsten Ver- 
ehrung ^S doch mit aller Ehrerbietung an. Er rühmt dessen 
Weisheit , auf weicher allein jetzt die Rettung beruhe (natürlich, 
die Königsworte haben beim Chore, als dem Repräsentanten des 
Volkes, kein Resultat erzielt) , appeilirt an seine (des Sehers) , an 
die eigene und der Stadt Wohlfahrt und schliesst mit dehn schönen 
ihn ehrenden Spruche : „es ist die schönste Müh für einen Mann, 
zu nützen wie er weiss und kann^^ Aber seine Hoffnung wird ge- 
täuscht.* Die Weigerung des Sehers, so herrlich vom Dichter ge- 
schildert, aber so wenig richtig bisher' bis in das Einzelne be- 
griffen^^), verletzt des Königs Stolz, erhöht seinen Argwohn (s. 



51) Vgl. Not. 39. 

52) Vgl. Not. 28. 



183 Griechische Ldteratnr. 

Qbqn) qnd erregt den heftigsten Zorn ^ den er selbfit xuf eatehi v. 
330.^ in welohem er einer ruhigen Ueberlegimg nicht fähig ist, 
floadern mit Ungestüm die heftigsten Anschuldigungen ausstösst^ 
und dieselben mit argem Drohen begleitet t. 355*.^^). Um seiner 
Sache gana. gewiss zu sein, lässt er sich die Anschnldignng zwei- 
mal sagen '^^),; dann aber schilt er den, welcher eben noch für 
ivahrhaft galt ^ für einen L'dgner. (370.) , und denkt nur immer, es 
«ei die Absichtv» ihm au sdiaden (375.). Seine Phantasie malt 
sich Alles aus: der Neid auf seinen Relchtb um, 'seine Herrscher- 
* Mfirde, seine Qeistesgaben hat das Complott hertorgerufed«. Nicht 
dass er den Ausspruch des Sehers ^^) durch innere G^ündie zn 



}... 53) Hcii nov zovTO €pfv^E0^t diXtig^ Hr. W. begnügt ^ich no^ des 
Bthol. Worten : xriv k'hoXov^ovcocv toi Qi^fioiti ßkaßrjv, Wer findet das 
aber bdrauf ? Der Schol. zu Orest. 163. sagt einmal et 7^9 pn^ Svvtnai 
T^cJ^Hf'dwi, TlDvTO d(« nqoqfonto^ ätjlovTat, Bin wahres Wort^ vor dessen 
Anwendang man sich aber gewöhnlich scheut, weil man bei der Erklä- 
mig der Trag, sowenig auf die Hypokritik Rüdcsiclit nimmt. In Iphig. 
Aul, 1368. V, ig vovfo y' ^^st hat G. Hermann, Barnes, Kieffer an einen 
Cnefetns gedacht, der die Hand ail das Schwerdt brachte^ so dass zovro 
dieses- bezeichne» . Dort haben wir. diese Efrklarung nicht angenommen, 
'wohi aber in ansern Vorarbeiten zu einer griech. Dramaturgie genug Bei- 
spiele, welche die Richtigkeit solcher Annahme nicht bezweifeln lassen. 
Dröysen hat Aesch. Stippl. 902» WreW^ tdde in ähnlicher Weise gefasst. 
Kürz! Hier ist unter vovto tu terstehen to aurjntQOVy welches Oedipus 
ia der Hand halt. Das erbebt er auch t. 1162., wie aus der Antwort fifj 
p'4ciKi07j faerrorgeht« Aber freiiifch geht es weit, weiln er damit dem 
ji^er droht. : Indess wer denkt gleich an Schlüge? (EncijvrT^ov ist das 
Symbol der Herrscherge waJt (vgL 456., wo der Seher otf^tgov sehr be- 
Bcicbnend gebraucht).- Wer nun gar sagen wollte, Tir^ sei blind, könne 
also einen derartigen Gestus nicht sehen , dem würde man Spitzfindigkeit 
Torwerfan und sagen müssen , die Drohung sei eine auch ohne Anblick 
•Terständlidie , schon eine hörbare, 

64) Wie Hr. Wunder nur auch jetst wieder die alte Bemerkung eu 
T. 860.^17 *HitiiQ^ Aiyttv hat wiederholen mögen! Die Antwort des Oedip. 
beweist d'öohr genügend, dass die Erklärung an rogitando qnid dicäm id 
Stades ellßcare at verum non dicam? ganz falsch ist. Ubbrigens. wärdon 
•wr entweder iy 'nnn^ä oder inxstQa (Imperat. des Actirs) vorschlagen. 
■Dann hiessia «es : „begrifFst du's nicht vorher? Versaeh's zu sprechen mir! 
^ Noch nicht zum Sprechen kann ich's, nein! sag's noch einmal !^^ Das 
hit allerdings insolent, aber-Tir. fühlt ganz recht, worauf Oed. hinaus 
will. -^ y. 582. würden wir dagegen das handscbr. ^ Seiassen haben. 

• 56) H^. Marbach meint p. 113., das Recnrrlren dies Sehers auf d«n 
vom Oedipus ausgesprochenen Fluch, den er doch mejischlicher Weise 
nicht kennen könne, stelle die prophetische Bedeutsamkeit der Worte 
noch höher hin. Das ist gesprochen ohne Rücksicht auf die handschriftl. 



Neuere Schriften aber König Oedipas. iS3r 

widerlegen suchte, wie da« dpäter Joe: so unglücUicti uotemiminl, 
die Autorität des Sehers soll u'mgestossen welrden , dahin geht sei» 
Strebes, und dur das Alter des Tir., wie sein Ansehen (448.) be-. 
wahrt denselben ?or Gewaltthat (402.). Der Chor will einlenken^ 
das Gespräch wieder auf die Hauptfrage zurückführen, nämiicb 
wie die Förderung des Orakels su erfüllen sei, vergeblich! Dec 
Streit ist jetat schon 2a weit, Tir. muss die Anklagen gegen sieb 
surückweiseu V i)duss das Unheil prophezeiben , und wenn er ed 
auch Anfangs; ikur in rathselhafteii Worten thut, die dem Königci 
für Thorheiten gelten, ihm aber doch die Frage abzwingen, wei! 
seine Eltern s'eiön, die WoHe, 'mit .welchen er abtritt v.'462., sind 
klar und bestimmt; sie wären wohl geeignet, den Oedipus «zuaü 
Nachdenken tu veranlassen: „Du bist der Mörder, bist Thebaner, 
bist Sohn und Gatte deiner Mutter, Vater und Bruder deiner KiiH 
der und wirst bald statt sehend blind , statt reich ein Bettler flieri 
hen!<'^ Mit diesen Gedanken schlibsst der Akt, aus Welchem dei; 
Zuschauer das Gefühl mit sich nimmt, wie Leidenschaft, vorge- 
fksste Mdnung, Argwohn und Selbstsucht den König blind macht 
gegen die Wahrheit, wie sein üngemessener Sirni das Verhängnis^ 
In seiner stärksten Gestalt auf ihn herabrufen wird , wie menscih 
Uche Weisheit gegen die ewige Wahrheit und Absicht der Götter 
vergeb)i4^h Inkampft./ Diesem Gedanken in' seinen! gadzen UnK 
fange giebt ahet der Chor nicht Baum , er kehrt zurück , wie obeoi 
auf die $'rage,.wer.ist der.MörderT zu fliehen vermag er nicht; 
denn es ereilt ihn der Gott und die unversöhnlichen K^Qsg'j seine 
Liebe zuldeinOedi^alässt ihn, der oben in die Wahrhaftigkeit 
des Sehers kernen Zweifel setzte (v. 299.), jetzt selbst zweifelii4 
ob llr. recht gei^rocheh« Er hat die Streitenden Beide zotnig 
gesehen (v» 404.), und der Zorki legt nicht jedes Wort auf die 
Waagschale der Wahrheit, drum, und weil er für des Sehers 
Wort keine Begründung aus seiner Erfahrung nehmen kann (488.), 
hofft er nur auf die Gottheit, kritisirt er im Allgemeinen die Kraft 
eines menschlichen Sehers, will er seinUrtheil noch suspendiren, 
sich halten an dem, ^as er gesehen, dass Oedipus einst Retter der 



Lesart ngogePaag und ohne Beachtung des Gel^rauchs der Tragödie ia 
solchen Djngen. Zwischen der Aussprache des. Fluches und der Ankunft 
des Sehers liegen mehr als dreissig Verse. Uebrigens glauben wir v. 305p 
sei Hr. Wunder übel berathen gewesen in der Aufnahme der Conjectur 
von Lud. Stephanus, welche einen äusserst langweiligen Gedanken zu 
Wege bringt. Hr. Ameis sollte desshalb nicht das handschr. st xal da- 
mit vertheidigen wollen , dass es wie ti^ ri , nur emphatischer gebraucht 
werde. Oedipus kann unmöglich denken, seine Boten würden das, was 
ganz Theben aufregte, dem Tir. verschwiegen haben; gerade das Ge- 
gentheil muss er ^upponiren / und das haben wir, wenn wir statt ii xal 
fi^ schreiben st XV^V» * 



184 Griechische Literatur. 

8ttdi war. Diese Beurtheilung ist der Liebe zum Oedipns ent- 
spruogen und der Unerltlirlichkeit, in welcher fär ihn des 
Sehers Worte liegen konnten: aber auf Oedipus, der sich ei- 
nes Mordes bewusst war, hätten die letstern eindringlicher wirken, 
ihm wenigstens die Möglichkeit der Wahrheit des Tir. liinstellen 
müssen« Gab es nicht einen dunklen Punkt in seinem Leben , an 
welchem die furchtbare Schuld haften konnte? Das mnsste.er 
fragen und überlegen. Aber nichts von alle dem. Auch der 
nächste Akt zur ersten Hälfte zeigt ihn noch ganz in seiner Ver- 
blendung, deren strafbare unedle Motive wir eben gezeigt haben. 
Kreon's Erscheinen hält er für schamlose Frechheit, weil er es 
fir eine ausgemachte Sache hält , dass. er der Mörder des Laios 
sei, und ihm die Absicht zuschiebt, wie einst den Laios, so ihn 
jetzt za stürzen. Es ist charakteristisch für ihn, dass er ?• 5S6. 
meint, nur gegen daiklav^ ^ n&glav dürfe ein solches Coropiott 
gerichtet sein ^*) , denn wir sahen ja oben, wie gerade die Tapfer- 
keit und Klugheit die Motive seines Stolzes immer waren ^ dass er 
femer das ganze Projekt, den Thron zu usurpiren, sobald es sich 
nicht auf die Menge und auf Reichthum stütze, ^n thörichtes 
nennt ; denn aus seiner eigenen Erfahrung kann er das doch nicht 
sagen , es ist das gleich wieder die Ungemessenheit der Rede, der 
Zorn und Uebermuth. Aber in dieser Leidenschaftlichkeit ver- 
bleibt er, ja sie wird nur noch gesteigert durch Kreon*s theiis 
bestimmte, theiis ausweichende Antwort Denn in dem Verhöre, 
welches nun der König anstellt, dringt Kreon darauf, erst zu wis* 
sen, was er verbrochen. Oedipus stellt ihm nur die Frage, ob er 
nicht den Rath ertheilt habe, den Seher citiren zu lassen, und 
springt dann gleich in einer zwar ihm und dem Zuschauer, nicht 
aber dem Kreon begreiflichen Ideenverbindung auf die Zeit des 



56) Die von Soph. gebrauchte Wendang ist ähnlich der bei Terent. 
in der Andria IIT, 2, 10 sq. gelesenen. Bekanntlich ist die Andria eine 
Nachbildung der Perinthia des Menander. Ich weiss nicht, ob schon dar- 
i&af hingewiesen ist , dass die Andria mehrfach Aehnlichkeiten in Gedan- 
ken mit Enrip. Medea darbietet z. B. I, 2, 19; II, 5, 16; IV, I, 16; IV, 
3, 1 — 5. Da dürfte man auch wohl annehmen , dass der fast gleichzei- 
tige Oed. Rex ebenfalls von Menander berücksichtigt sei. -^ Dass Oed. 
Rex auch mit der Medea und den andern Stücken derselben Trllogie be- 
deutende Uebereinstimmungen habe, wollen wir nur andeuten. Man 
kommt dabei selbst in Versuchung , zu fragen , wer von dem andern ab- 
geschrieben , falls nicht die Auskunft gestattet ist , dass beide einem frem- 
den Master, sicherlich dem Kallias gefolgt sind. Davon nächstens. Die 
doppelte Nachricht bei Athenaeus von der yQocfifiauKij tQccyatdla des Kal- 
lias und ihren Nachahmern frischweg für eine Absurdität zu erklären und 
zu einer abgeschmackten Schnurre zu machen, muss doch ein etwas 
tumultuarisches Verfahren genannt werden. 



Neuere Schriften Bber Konig Oedipos. 185 

Laiseheti Mordes über (daher Kreon'« Wort v. 559., das man nkhl 
als ein Nothbehelf der hier übrigens so recht eigentlich statthaften 
Stichomythie gelten lassen darf, denn solche 'Nothbehelfe sind der 
Sophol^leischen Tragödie fremd; wie sie bei Euripides statt- 
haft werden) und auf die damalige Geltung des Tiresias. Also 
wieder auf die Unbedeotendheit des Tires. will er hinaus, auf das 
Verbrechen des Kreon ^ damals die Sühne des Mordes unterlassea^ 
jetzt den Seher veranlasst zu haben , den Mord dem Könige zuza- 
schieben. Kreon redet nichts anderes, als was seine Unschald 
darstellen kann, er sagt kein Wort, was den Spruch des Sehers 
ZU' mildern trachtete, was denOedipus beruhigen könnte, und stei-> 
gert eben dadurch dessen Argwohn und Verblendung noch mehr« 
Kreon will nur darauf hinaus, dass er ja ^ar keinen Grund haben 
könne, den Oedipus zu stürzen ^^), dass seine jetzige Stellung ihm 
Tollkoromen genüge, appellirt auch an seine stets gezeigten wohl- 
wollenden Freudesgesinnungen. Darin lag auch eine Vertheidi- 
gung gegen die Anklage, den Mord des Laios um der Usurpation 
willen vollbracht zu haben. So beginnt er einen Kampf der yvcififj 
gegen die yvdiiij, das ist die Achillesferse des Oedipus, darum 
packt ihn dieser bei einer Aeusserung, die ganz unschuldig ge- 
meint, aber einer zwiefachen Deutung föhig war und desshalb, 
von Oedipus in seinem Sinne gedeutet , der Anlass wird zu dem 
heftigsten Streite. Der Vers 581« hvKovv l6oviiai Cq)(ßv iym 
dvolv TQtTog scheint dem Oedipus geeignet, gerade damit seinen 
Argwohn zu unterstützen. „Du willst uns gleich sein , das ist ge- 
rade der Grund deiner Handlung, das ist es, wo du als schiechter 
Freund dastehst^S Sein Königsstolz fühlt sich dadurch tief ge- 
krankt. Mag sich auch gegen die falsche Auslegimg seiner Worte 
Kreon v. 583. ausdrücklich verwahren, mag er schildern, wieseine 
bisherige Stellung ^*) am Thebanischen Hofe ihm vollkommen ge- 
nüge (aus dieser Schilderung seiner Stellung , die doch dem Oedi- 
pus gegenüber und in ihrer Ursache nicht erlogen sein kann, geht 



57) Za V. 579. hat Hr. W. jetzt die Erklärung des Hrn. Doderl. ac- 
ceptirt , dass in dem Verse ägxsig S ' itisivri tocvzä yijs icov vs(i(ov der 
Genit. yrjg von agzeig , nicht von taov abhängen müsse , weil die beiden 
Gatten nicht sowohl das Land als die Herrschaft wurden gethcilt haben. 
Ebenso vernünftige ist es, dass Hr. W. jetzt auf Doderl. Bemerkung taop 
vifiaav erklärt: parem dignitatem tribuens. 

58) Kreon unterscheidet zwischen Königswurde und Konigsgewalt. 
Jene nennt er ein ^vv-q)6ßot.ai xvQOiVvos etvoti, diese at^iszog svSmv t^ 
Qctvva d^äv. Auffällig, weil in den Zusammenhang gar nicht passend, 
der Redefertigkeit des Kreon minder entsprechend, bleibt v. 591. nolXu 
hSv ctHCiv ^ÖQcav, Man sieht sich vergeblich bei Hrn. Wunder nach einer 
Erklärung um. Vielleicht muss onrcov statt axcav geschrieben werden. 
Dagegen hätte Hr. Wunder 597. getrost hnaXoHoi stehen lassen soileo. 



f8ft Grieohische Liieraiyr. 

heri^r^'dass H^. Wunder unterlassen mutete , liu v. 385. di^ Be-' 
2eidiDung KgiiDv 6 niötog ot;| agx^g tplXog nach Anleitung des 
Sdioiiasten für eine ironische auszageben ^^). Freilich wird nun 
die Hitae des Königs noch unverzeihlicher und strafwürdiger, 
wenn sie gegen den alten Freund gerichtet ist!), mag er sodänu 
aaf das Orakel sich berafen^dass er nur Wahres berichtet habe, 
und geiofoen , wenn er im <^omplott mit Tires. wäre ^ sterben zu 
wollen; das wird, abgesehen^ dass eine Appellation an. die Freund- 
schaft und Berufung auf die ieigene Weisheit, hier nichts hfelf^a 
kennten, über seine philosophische . und moralische Sentena aiü- 
Sohlusse der Worte, trota der freilich zwiefacher Deutung fähi- 
gen ^^) Warnung des Chors, gleich überhört. Solche Charaktere 
wie Oedipus lieben die häufige Wiederkehr solcher Seotenaen 
nicht, in welchen Kreon sich allerdings gern bewegt; darvtn.^aubt 
er hier, weil sein Argwohn noch in gleicher, fa Tielleicht bei den 
ausweichenden Antworten des Kreon in erhöheter Kraft bleibt, 
iMtoell handeln zu müssen, wenn er den beabsichtigten Nachstel- 
lungen entgehen wolle (620.) und spricht seine Absicht aus, Kreon 
Mf tödten. Als dieser sagt, erst müsst du aeigen, worin mein 
Meid beisteht, findet Oedipus darin eine Widersetzlichkieit: er weist 
itl starrer Unnachgiebigkeit die an ihn gestellte Folgerung der 
rahigen UeberlegUng zurück , als bei einem Schlechten nicht nö- 
thig, er steift sich auf seine^Königswürde ^^), die &c nicht einge- 



■ b^^ Auch tat yft bbß^tov CBHvopLavsivSvSff et steht bei Hrn. Wunder 
^ £i^t998iA, • Wir halten dien Ansdrack fär eSne Wiederkointig desjenigeii, 
welchen: Krevn'damaU gebrauchte, als er den Rath ertheiite, Tir. holeii 
tea iass^sn^ .Die folgende R«de geht nur darauf hinaus, gerade diesoa 
Au«drvck als einen unverdienten hinzustellen. So kommt in das Gdn^e 
d«4iiMg«rer'Z«garomenhang. 

->! -;i 60) i^ir- meinen nämlich, «vA(yj3ov^£i^c9T. 6 J6L Hesse sich dem Wort- 
laut nach ebenso gut auf Kreon, wie auf Oedipus beziehen. 

61) Wer d^'Kzsov y oficag 628. mit G. Dindorf fasst dkXa xqti ßaCL- 
iBvM&cct, der hat erstens diesen Gebrauch zu beweisen und fasst zweitens 
die Stelle nicht richtig. Sie heisst im Zusammenhange also : Kr. Nicht 
sieh ich dich verständig ja ! Oed. Ich bin^s für mich. Kr. Doch gleich 
musst du*s für mich auch sein! Oed. Doch du bist schlecht! K r. Wenn 
du nun nichts begreifst? Oed. Geherrschet muss doch sein. Kr. Für- 
wahr! nicht \^enn man schlecht herrscht! Oed. O du Stadt, du Stadt! 
K r. Auch ich hab Theil an dieser Stadt , nicht du allein ! " In dieser 
Uebersetzung liegen die Beweise , weshalb wir vielfach von Hrn. Wunder 
abweichen. Oedipus stellt an die Stelle der Gründe die Gewalt. «V* 
ttov y oficös, wie unten v. 1170. «U* ofimg d%ovaziov^ wie Kreon in O. 
Col. 883. in ganz gleichem Uebermuthe eingesteht : vßqiq, ^AA* dvt%Tiot, 
Gerade dies ist die v^iqiq , von welcher unten der Chor zu singen Anlas» 
nehmen muss. 



Neaere fiokriftea «ber Konig Oedipas. 197 

schränkt^ welcher er. einen 'unbedingten 43ehörtam gesollt ichen 
will, wird hingerimen cur offenbarslen Tyrannei, von der ihn- la- 
rückwibringen freilich weder der Vorwurf des Kreon geeignet Itt^ 
dass' er schlecht herrsche (der Ausnif <d noXig^ m nokig iat^dev 
Ausdruck des höchsten Selbstbewussteeins, d^ grössten Herrsohoi^ 
gefühls, eine Appellation an jene tv%ij , die ihn ziim König genradit, 
wie er, die Ihn vernichtet hat, wie Tir. oben sagte ^)) noch der 
iweideatige. Anspruch desselben^ idassauoh er Antheil habe" in 
dieser sröilc^. Ehe Oedipus auf. diese ietiien Worte des KieoB, 
die ja f&r «in EingestMndhiss der gegen Kteon gerichteten Anklage 
gelten konnten, antwortet, legt sich in dem Momente des höeh« 
sten Streites der Chor ins Mittel und localBte, welche die Strei- 
tenden anf die allgemeine Noth verweist^ wo solche, wie sieiee 
anffasst, Privatstreitigkeiten sdiweigen* inüssten. So wird der 
Streit schroff abgebrochen, nicht ausgefochteo^ nicht versöhnt 
So mildernd auch Kreon's Anklage bei der loc. lautet ^^) , Oedipus 
heharrt hei seiner Verurtheilung desselben, beharri selbst da noch 
dabei, als Kreon seine Unschuld bei allen Göttern und durch des 
heftigsten Schwur betheuert und der rChor ihn dringend bittet^ 
aiöiiö^ai roi^ otits nglv v^nvov^ vvv z iv ogUcj) idyav. (ML 
Weigerung ist offenbare Gottesverachtung, Verletzung der Göt^ 
lersdieu : er will eben nicht folgen , denn sonst sieht er i^einen 
oXi^QOV rj qyvytjv vor Augen (659 )• Das ist nur recht an ver- 
stehen ^^)l SO' wendet sich denn sein Arjgwohn selbst gegen ^den 



62) Wie Hr. Wander meinen kann, „Oed, civitatem appelJat, nt 
injnriam sibi illatam utoiecaiar. Et Oreon ita r^spondet, nt sibi qooqae 
ciri cives opem latufos injariamqne , qua ab Oed. affectus esset, ultaros 
esse dicat^', muss uns nach der obigen Darstellung unbegreiflich vorkom • 
men , ebenso wenn Hr. Marbach p. 122« meint , Kreon berufe sich auf das 
Zeugniss der Bürger, dass Oedip. nicht mehr fähig zur Herrschaft s^ 

63) Wir sind nämlich der Ansicht, dass der von Hrn. Wunder über- 
gangene Widerspruch , in welchem v. 640. Svoiv otnomfivag xemoiv selbst 
in der Weise , dass man das Particip causal oder conditional fasst, mit v. 
623. steht, wo Oed. den Tod über Kreon verhängt wissen wollte, so 
seine Entschuldigung finde. Kreon will dem Konig auf solche Art gleich- 
sam einen Rückzug möglich machen. Er ist immer der XiyBiv ösivog , in 
allen drei Sophokl. Tragödien. 

64) Nicht , dass das etwa bedeutet , wie es Hr. Marbach fasst p. 
125., dann werde ich als Mörder dastehen, und desshalb entweder sterben 
oder fliehen müssen , sondern dann werden die Machinationen der Ver- ' 
schwomen d. h. des Kreon und Tiresias meinen Untergang oder mein 
Exil bewerkstelligen (tct zovds nsnQayfiiva ^atai , rufiot ös TJficcQTrifitva ' 
'ax\) , du also das gut heissen , oder wie er v. 670. sagt: nsl XQti fte nav- 
TsA(og Q'aveiv ^ yrjg oitifipv rrjgd' dniood^rivaL ßia^ das ist es, gewalt- 
same Vertreibung. Wenn man v. 677. TtOQSvaoiicii hat von einem ins Exil 



188 Griechische Literatur. 

Chor, ^et sar Vorsicht rath, so dass'sich auch dieser erst aufs 
hdchste (664.) verscliwören miiss. ' ich denke, wer hier sehen will, 
sieht genug: wer Oedipas strafbares Treiben, das bis zur Gottes- 
veracbtiing, bis znr höchsten Tyrannei steigt, erkennen will, kann 
doch unmöglich noch von einer blosen Schicksalstragödie, von 
ehietn unschuldig Leidenden sprechen ; die Vermesseuheit ist es, 
welche ihn sturat. Wie diejenigen , welche dem Stücke directe 
politische Beziehungen unterschieben, von einer Schicksalstragödie 
sprechen können , ist vollends unbegreiflich ; denn sie werfen mit 
einer Hand eine Anschuldigung hin auf Pericles, die^ie doch mit 
der andern vom Oedipns abzunehmen trachten. 

Jetzt giebt er nach , aber sein Nachgeben ist kein aufrichtiges, 
•eine Worte athmen den grössten Hass ®^) gegen Kreon. Auch 
hier legt der Dichter diesmal in Kreon's Mund ein zur W&rdigung 
des Oedipus geeignetes Wort, eine Prophezeihnng dessen, was 
am Schlüsse in Erfüllung geht : ai toiavrai q)v6SLg aiitalg 81- 
Kolmg slöiv Skyiötai q>SQSi,v d: h. derartige Naturen bereiten sich, 
und das ist recht, den grössten Schmerz. Ja, Oedipns ist, so- 
frelt ihn die Tragödie zeigt, nicht schuldlos, sondern, ge- 
rade wie Kreon in der Antigene, über die menschliche Besonnen- 
heit weit hinaus. 

Als Kreon abgetreten , mit der Hoffnung, wenn auch verkannt 
vom Könige , doch bei dem Chore als Jöog d. h« als ein Mann da- 
snstehen y der Gleiches in Anspruch nimmt wie er gewahrt (wie 
Oedipus nicht heissen kann) , möchte locaste den Vorfall , der die 
beiden Schwäger entzweit hat, kennen lernen. Der Chor will sie 
kurz abfertigen: doxijöig dyvmg koyoif ^Ada, dantsi ob xal rö 
H^ "vÖMoVjSBgt er, Worte, die ebenfalls von Hrn. W., wie wir 



Gehen versteben wollen, so ist das ebenso falsch^ als wenn man v. 679. 
■rJyd« hat auf Kreon beziehen und dem Chore damit die Aufforderung in 
in den Mund legen wollen , loc. solle Kreon folgen , um ihn vom Aus- 
wandern zurückzuhalten. 

65) atvyvog iihv stnmv sagt Kreon v.673., wozu Hr. Wunder schreibt: 
immitem (crudeiem) te ostendis quum cedis. Eodem siguificatn quum alibi 
ctvyvog positum, tum El. 918. Das ist wieder so eine allgemein gehaltene 
Note, die in das innere Verständniss des Kunstwerks gar nicht fuhren 
kann. Vor Allem hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass der Be- 
griff atvyvog sich aufs Engste an das letzte Wort des Oedipus ovrog 
d% ivd"' Sv ^, arvyijastoci hnschliesst, durch dasselbe hervorgerufen 
wird. Dann findet sich die Bedeutung von atvyvog ohne Weiteres: es 
ist die active. „Der wird wo er sei gehasset sein ! " „Hass athmend 
weichst du'^ Auch Ellendt fasst den Begriff nicht recht. Der activische 
Gebrauch der Adjectiva in der Tragödie bedarf einer neuen Behandlung. 
So ist V. 678. ayvmg activ, v. 681. passiv, also in unmittelbarer Nähe 
verschieden. 



Neuere Schriften aber König Oedipnf« 189 

glauben , unrichtig yerstanden sind. Der Chor kann eben keineB 
andern Anlass des Streites sehen ^ als ein Missrerttfindnias, e^ 
leitet den ganzen Hader, der die Heftigkeit des ärgsten Streitet 
herbeiführte, von jenem Verse des Kreon her, an den sieh Oedi- 
pus wie an ein Elngestäi^dniss eigener Schuld klammerte. Wir 
sahen , das ist v. 581. /doxijöig dyvdg koycov ist also nicht opinie 
quae nihil certi proferre sciat (Wunder), nicht ein Verdacht der 
keine Griindesieht (Staeger und Ameis), sondern die Meinung, 
welche hervorging aus dem MissTCrstehen der Worte des Kreon^ 
,,eine Worte nicht verstehende Meinung ist eingetreten , und un- 
gerechte Beschuldigungen verletzen^S So hatte der Chor v. 657. 
gesagt övv dq>avBl Xoycj. Fragt nun loc. ccfiq>olv an avzoiv, so 
muss supplirt werden ^AO's öoxijöig xai v6 (iTj^vöiKOV^ und bejaht 
dies der Chor, so Ist die weitere Frage der loc, die von dem er- 
sten Ausdrucke des Chors ausgehen will, xai xlg ^v Xoyog gans 
natürlich ^). Aber jener lehnt Alles Weitere ab , so dass sich 
loc. nun an ihren GTemahl wendet und bei der allgemeinen Ver- 
wirrung von Missverständnissen endlich eine deutliche (6aq>mg v. 
702. also nicht müssig) Aufklärung verlangt. Diese wird ihr und 
führt jene von Aristoteles poet. XL, 1 und 3« so gerühmte ^^) 
ävayvoiQiötg mit nsQinirsia verbunden herbei« Aber was hi'», 
das endlich den Oedipus zur Vermuthang bringt, dass er der Mör- 
der des Laios gewesen? Es Ist höchst charakteristisch, dass er, 
der so stolz ist auf seine yvcififj , nur durch eine zufällige Aeus- 
aerllcl^keit aufmerksam gemacht wird. Ein dem Anschein nach, 
da die Worte hauptsächlich die Unfehlbarkeit der Orakel angreifen 
und lächerlich machen sollen t^l^.), ganz absichtslos hingeworfe- 
ner Ausdruck , der höchstens die Absicht haben konnte , den Be- 
griff einer vielbesuchten Landstrasse bemerklich zu machen , Iv 
tginkalg dfia^itolg^ berührt ihn mit furchtbarer Mahnung, bringt 
ihn sofort zum xkdvrina ^XVS TcdvaxlvTjötg q>Q6VfSv (727.). Die 



66) Wir weichen also von der AafTassnng des Hrn. W. ab $ anf- 
fallend ist es , dass seine Annotation zn v, 657. (seiner Zählang) einen 
Widersprach und eine Unentschiedenheit enthält. Das verräth eine un- 
aufmerksame Redaction, die wir auch zu v. 1247. (W.) finden, wenn Hr. 
W. trotz der neuen exegetischen Note die Hermann'sche Conjectnr 
oipaivzo beibehält. Nach seiner jetzigen Erklärung wurde dieselbe in 
dem ovii einen Solöcismus enthalten. 

67) Natürlich! denn wie dürftig steht dagegen eine andere da beim 
schöl. Phoen. 1760. , wonach Oedip. mit Joe. zufällig desselben Weges 
gekommen und dadurch angeregt worden sei , seiner Ehehälfte fein bur-. 
gerlich seine Heldenthat zu erzählen; wonach ferner die endliche Er- 
kennung nach Eurip. Weise aus der Aufzeigung der ancegycc tot und der 
vdvtqa hervorging. Das ist die dtixvotoLzri dvayvcoQiais des Aristot., 
^ nlsiöToi x((€iygai di' ino^imv^ d. h. der Dichter hat dabei nicht geholfen. 



190 Griecbisehe LiUratar. 

Absicht der loe., deo Gcmthl zu beruhigeo , bat also gerade den 
eotgegeagesetatea ErMg. Wahrend die Andern ilin nicht beru- 
higen wollten, er su der Widerlegung ihrer Anschuldigungen ge^ 
rade ein auf die Sache selbat gehendes Exadien hätte anstellen 
sollen , hat er das unterlassen, aelbst Tir. Prophezeihungen Hessen 
keinen tiefen Eindruck zurück (freilich Hr. Marbach meint das 
p. 127.); hier wird die gute Abatbht der loc zur Quelle seiner 
Unruhe. Er ahnt, er sei der Mörder, aber sein erster Wehruf 
ertönt nicht dem Entsetalichen der That, ist kein Jammer darüber, 
dass er al» Mörder dastehe, sondern dem Umstände, dass er sich 
selbst das Verdammungsurtheil unwissend gesprochen. Das ist 
es, was ihn schmerzt, dass eric? xtiQvytiaT^ aviog iii^ivBi^ dass 
er selbst sein ganzes Glück zertrümmert hat durch diesen Befehl; 
kdne Reue pber die That, nur Betrübniss und Verzweiflung über . 
die selbst?erhängte Strafe. Das kehrt untea immer wieder: Vgl. 
äi9. wA xäd'.Qvxig aklog 171/ ^ 'yd V i^avzia tigi^ aQaqi 
»Qogtt&ils und v. 1381. dvr^Q stg — amtötigi^ö' kßavvofß. Sein 
sweites Wort 747. ist Furcht, dass Tires; nun doch recht haben 
könnte, natürlich nur in dem Ausspniche, dass er der Mörder sei. 
Sein drittes 754« Verwunderung, wer nur solche Botschaft habt 
überbringen könnend Denn ervertraute'lSst, damals Alle erschla- 
gen zu haben. S. oben. Jetzt will er diesen Diener sehen , doch 
lässt er sich durch loc, die darauf hinweist, dass auch sie wohl 
eine Mittheilung verdiene, bestimmen, erst seine Jugendge«- 
zchichte und zwar in. aller Wahrheit, ohne irgend welche Ver- 
heimlichungen (v. 800. s. oben), wie seine weiteren Schicksale bis 
zur Ankunft in Theben zu erzählen. In früheren Zeiten liatte er 
geschwiegen, im; Glücke nemllch ; jetzt schon bei dei* Möglichkeit 
des Unglücks steht er gleich furchtsam , ja ^erzw^lflnugsvoU da. 
Er .stellt die Möglichkeit: hin, da^ er das Weib des von Ihm Ge- 
mordeten besitze; aber iminer nur die Folgen hat er Im Ai/ge, dass 
er nämlich dann fliehen , seine Familie lassen , und doch auch nicht 
nach Korinth gehen dürfe, ohne in Gefahr zu gerathen, dort den 
ihm gegebenen. Orakelspruch zu verwirklichen. Denn seit Tires. 
in seiner Proph^zeihi^ng die Worte des Orakels wiederholt hat, 
mnsB diese Furcht in ihni noch bedeutender sein, aU sie jege^ 
wesen. Die xrjVig 6viiq)0Qäg^ welche er vor Augen isleht, ist. der 
bauptslichlichste Gegenstand der Fureht ; nur an dem einen hängt 
noch seine Hoffnung, dass der Diener von mehreren, nicht von 
einem einzigen Mörder gesprochen habe. Ob loc. da ihrer eige^ 
Den Erinnerung misstraut ? Ob in Ihrer Brust ein Zweifel an der 
Wahrheit des einst von dem Knecht Gesagten entspringt^ Nach 
dem Verlaufe der Scene wäre sie wohl dazu berechtigt, wie Hr. 
Marbach richtig p. 130. schildert. Nun, sie beruft sich auf die 
ganze Stadt, und mehr als das, selbst für den Fall, dass der Diet- 
nec jetzt anders spräche , will sie ihren Gemahl beruhigen. Es 
wäaejadann» meint sie^ der d^m Laios gegebene Sprudi, der 



Neuere l^briftien ober^Koirig Ocdipos. ÜdL 

'demselben verhies», v^on seines Sohnes Hand Äti sterben« nicht 
erfüllt; das sei g[enug Beweis, dass Oedipus die Mantik nicht zu 
beachten brauche, weder hierin noch in Anderem^);- „locaste 
Terachtet In eitlem Selbstvertranen , durch die Ermordung des eiur 
zigen Sohnes einst den Willen des Schicltsals gebrochen au habe«, 
die Mantik , sogar das hochheilige Orakel des Delph. Apoll^ ver- 
achtet den Volksglauben als ein nichtiges Vorurtheil>^ Aber Oe- 
dipus verlangt dennoch nach dem Diener. 

Da singt der Chor sein herrliches Lied Ton der svöBXtog 
dyvsla Xoymv SgycDV rs navtcDv, Ton der über Menschen erhabeoeti 
Göttlichkeit des Zeils, ?on der vßgig^ welche die Tyrannei ge- 
biert und untergehen muss, von der Götterfurcht, die allein deq 
Menschen und die Slaaten bewahre, und ruft sein Wehe über den 
Frevel im Munde der locaste, weichem Oedipus beigestimmt 
hatte. Es giebt kaum einen grössern Beweis, wiedlointerprtli« 
eich haben an einer Dichtung yersiindigen können, als die E^klt>- 
rung dieses Liedes, welchem auch Hr. Wunder, obwohl es döoli 
so eng mit dem Ganzen verwebt und aus der augenblickliehcik 
Situation des Stübks allein hervorgegangen ist; hat vorwerfen 
können, es habe mehr die Zeitverhältnisse als den ianern Gang 
des Stückes im Auge. JDnd nun gar Beziehungen auf AIcibiadesJ 
Servius sag^t zur Aeneis II, 402. generalis (j^uidem sententia est, 
•ed loco congrua:jalioquin vitiosa est, cum discrepat a speeiaKtele. 
So muss es auch mit Sophokles sein, der nicht zwei Strophehi hlnn 
durch sein Thema ganz verlassen kann, der keine ins$gcüdu0äu$ 
X60ovg schreibt, der seine Anspielnngen auf die Zeit nur daiin 
giebt , wenn er. dieselben in seine Personen , ohne dem Innern 
Gange des Stückes Gewalt anzuthun , legen kann. Er weiss recht 
gut sowohl die Politik wie die Rhetorik zu handhaben ^ und bringt 
sie nicht an ungeeijgneten Stejlen an , wovor Aristot. VI. so wariit. 
An Alcibiades ist keinenfalls zu denken, denn die Zeit desStückck, 
welche von K. Fr. Hermann unter Beistimmung von W^lckeh, 
Sdioell, Ciarisse imd Röscher so festgestellt wordeh? rwie.sie'K. 
O. Muller schon 1830 seinen Zuhörern in Göttingenr^anzogekieh 
pflegte (nämlich ih der Zeit der Athenischen Pest, nodi yer dem 
Tode des Pericles spielt das Stück), führt nicht dahin» Dehnodh 
hat Hr. Wunder ebenfalls auf Aloibiades hinaus gewollt. Hr: Mar- 
bttch ist p. 107. ungenau in der Zeitbestimmung. Staeger hattfe 
bereits viel richtiger geurtheilt^ 

• ^-i ■ .. .... * 

GS) ovte t^€ , o^TB t^d* av vothqQV fassen irsir. nämlich von d^ip 
Latschen Spruche im Gegensatze gegen den neuen vom Orakel ertheiJUii 
in Bezug auf die Pest. Vgl. v. 916. und 971. Hr. Wunder hat die lang- 
weilige Auffassung von Musgrave vorgezogen. Dass er auch diessmal v. 
•825. die Bothe'sche Conjectur cov ys beibehalten , wundert uns nach der 
Thudichum'schen Recension doppelt. Auch Ameis schützt mit voikm 
Aechte die handsohrifti. Lesart, .,,.,, 



192 Griechbche Literatnr. 

Auch der Chor ist iu Furcht seil Oediputi Ersählung, da seia 
groUesfürchtigfes, von keiner Leidenschaft bestürmtes Gemüth aus 
derselben den Anlass nehmen konnte zu klarerer Einsicht in das ganze 
Getriebe, als Oedipus selbst und die leichtsinnige loc. vermochten 
oder ahnen Hessen. S. v. 834« Jetzt ivo locaste die Mantik ge- 
schmäht, mit menschlicher Weisheit die göttliche zu hintergehen 
hoflft, wo Oedipus einzustimmen scheint (859.), wo der Chor 
fühlt, was selbst die Greuel der Pest nicht vermocht, das Ver- 
trauen der Götter ganz zu vernichten, vermöge die jetzt vorlie- 
gende Verwirrung der Verhältnisse, jetzt beurtheilt er des Königs 
Betragen gegen den Seher und gegen Kreon anders als früher; 
jetzt ruft er in banger Furcht 880.: t6 KukcSg d' Sxov nokst xä^ 
kMöfAa iiijxovB kvöat ^sov ttkoviiat , &a6v ov Xt^^co «oxh ngo- 
Ctdzav Xöxcjv. Hätte man bedacht , dass dcoV im ersten Satze 
nicht Subjects-, sondern Objects-Accusativ sei, so würde man die 
Stelle nicht so sehr durch Conjectur und Interpretation gequüt 
haben. Soviel der Chor auch oben überall die Erlösung aus der 
Sphinxnoth als den Anhaltspunkt seiner Treue und Liebe gegen 
Oedipns hingestellt hat, sich daraus selbst zu einem Zweifel an 
der Unumstösslichkeit von Tir. Mantik hat leiten lassen, hier, wo 
er die Vermessenheit weithin schreiten sah , geht auch er einen 
Schritt weiter: nicht möge das schöne Ringen für die Stadt mir 
den Gott vernichten , den Gott zu meinem Vorstande zu haben will 
ich niemals aufhören ! Das ganze Chorlied , mag es auch für die 
damalige Lage Athens mancherlei Aehnlichkeiten enthalten und 
Fingerzeige vom politischen Standpunkte des Dichters aus, wie 
eine Vergleichung mit^ Thucyd. ausweist , steht doch in allen sei- 
nen Theilen in der engsten Beziehung zu dem Stücke selbst. 
Schnell hat sich arg an demselben versündigt. Wir werden a. a. 
O« diesen Chor näher beleuchten ; denn er ist der Schwerpunkt 
des ganzen Stückes. Auch Hr. Marbach irrt, wenn er p. 133. von 
der höchsten Zartheit spricht, mit welcher der Chor hier aufträte 
(Oedipus ist ja gar nicht auf der Bühne) und wenn er meint, der 
Chor liesse sich dorichaus noch nicht ein auf ein Urtheil über das 
Königspaar. Dagegen hat Hr. Marbach sonst viel Schönes über 
dies Lied gesagt. 

Wie der Chor prophezeihend gesagt, so kommt es gleich im 
folgenden Akte : zwar scheint loc. jetzt selbst zu den Göttern, so- 
gar zum Apoll, zu fliehen, aber es ist nur Rathlosigkeit und 
Furcht, die sie dahin treibt, und sie giebt ihr äusserliches Gebet 
gleich auf, als sie eine andere Hoffnung zu erblicken wähnt (331.). 
Die Nachricht, Polybos sei todt <'^), nicht im Auftrage der Koriuther 



69) V. 943. Nur bei dem starren Gesetze der Stichomythie kann 
die Bothe-£rfurd('sche Conjectur der handschriftl. Lesart vorziehen 
woiien, da die letztere der Rede eine so pausende , dem heitern Charak- 



Neuere Schriften aber Konig Oedipofi. 193 ' 

hier überbracht, sondern von jenem Hirten, der einst auf dem 
Kithäron den kleinen Oedipus empfangen hatte /freiviililg, in Hoff- 
nung auf reichen Gewinn, nach Theben getragen (das ist zur Be-^ 
urtheihing seiner ganzen heitern Persönlichkeit viel zu wenig ins 
Auge gefasst!) bringt loc v. 946. und 952. und Oedipus t. 965. 
zur offenen Verachtung der Orakelsprüche (wie schrecklich klingt 
der Witz, er habe seinen Vater nicht getödtet, wofern diesen 
nicht etwa die Sehnsucht nach ihm getödtet habe) ^^) und t. 979. 
zur schrecklichen Moral, wie dieselbe, wenn wir Thacyd. II, 53. 
hören, auch durch die Athenit^che Pest sich Geltung verschaffte^ 
ilx^ xgdnövov gijv, oTCcog dvvaito rig Das ist so ganz wieThu- 
cyd. sagt 1. c. äots xaxüctg tag InavQiceig nai ngog to tsgnvov 
i^^iovv noulö^aLj sq>i]fjLeQa xa tb ödiiara xal xä xQiJiiaxcc ouolmg 
i^yovfLSvoi' — o^ XL ÖS rlÖti xi ij^i) xal navxaxob'BV lg avxo xap- 
öaXeov^ xovxo naX xaAov k«1 xQriiSt^ov tccctböttj. Oben sprach 
auch Kreon v. 595. dti?)) aXlcc XQtj^etv ^ xci övv nigdfi, liuXA, 
Solche Gedanken sind die ß^Ai; i^i;%ag, von denen der Chor v. 893. 
gesungen. Dennoch stimmt Oedipus , dessen Charakterisirung hier 
Hrn. Marbach nicht gelungen, ein, 984 : er hat Alles vergessen; 
denn selbst bei dem Unwerthe der Mantik war doch das ihm schon 
fast zur Gewissheit geworden, dass er Laios Mörder sei. Jetzt 
hängt er nar an einer thörichten Furcht, dass- nämlich, so lange 
Merope lebe, doch eine Möglichkeit noch vorhanden sei, dass das 
Orakel erfüllt werde — Thörichles quält ihn; w^s ihn hätte quä- 



ter dieses Boten zusagende Lebendigkeit verleiht. Kein anderer Granä 
kann für die Conjectur namhaft gemacht werden, als dies Gesetz der 
Stichomythie, welches keines ist. Hr. W* schreibt einfach : quam scrip- 
taram mutandam esse primus vidit Bothias. 

70) Y- 969. h^ ^' 0$' ivd-ttSs atpavaros iyxovg, st ti f^rj tcd/mätto- 
&(p HaTsqfd-sto, Hr. Wander hat zwar darauf gedrangen, utpavarog actjv 
zu fassen, and dieser Gebrauch der Adj. in der Trag, ist allerdings viel 
häufiger als man glaubt, aber weder er noch sonst Einer hat es der Mähe 
werth gehalten , auf die Bedeutung von fyx^^ ^^^^ aufmerksam zu machen, 
weiches doch unmöglich, wie es EUendt nimmt, in gewöhnlicher Bedeu- 
tung hier steht. Denn was hiesse: ich habe einen Speer rep. ein Schwerdt 
nicht berührt, es sei denn dass er aus Sehnsucht nach mir hinschwand? 
Was ist da ^yxog^ Täuscht mich nicht Alles, seist es die Waffe, welche, 
wie es im Eur. Ale. 76. steht, der Thanatos führt; wir sagen gewohn- 
lich die Sense. Lessing in einem Epigramm auf die Genesung einer Buh- 
ierin (Werke, N. A. I. p. 24.) schreibt: „der Tod, der ökonomisch denket 
und nicht den Wurfpfeil blindlings schwenket". So hatte er 1771 
gedichtet, hatte aber 1753, also 18 Jahre früher, geschrieben: „die 
Sense blindlings lenket'^ Das ist der rechte Ausdruck „Wurfpfeil*'. 
„Ich aber hier ergriff den Wurfpfeil nicht, wofern er nicht aus Sehnsac^t. 
nach mir hinsank". 

iV. JaJkrb. /. PAH. u. Paed. od. Kr\t. Bibl. Bd. li. llfi. 1. \^ 



104 Griechische Literatur. 

len müssen, ist ^anz in den Hinter^und getreten — ; von dieser 
Furcht will ihn der Korinthische Bote mit heiterm Sinne befreien. 
. So erfährt Oedipns , üass er gar kein Korinther sei und zu dem 
Korinthischen Hause in keinerlei Beziehung stehe (die von dem 
Boten ausgesprochene Nachfolge auf dem Korinthischen Königs- 
throne lässt Soph. nur als Gerücht melden (940. dg ijvdät bksI) 
und als Entschluss der Bürger des Isthmischen Landes , nicht, wie 
Schwenck p. 108. will , als Folge eines Erbrechts). Nun weiss 
locaste Alles, mit unzweifelhafter Gewissheit muss sie jetzt in 
Oedipus ihren Sohn erkennen ; nun stehen ihr also selbst jene 
Worte ihres alten Diepers ; denen sie oben Glauben zu schenken 
schien, als Liigen dar: sie soll es selbst enthüllen ^^) , wer jeuer 
Diener gewesen , dem sie das Kind gegeben ; noch einmal versdcht 
sie, ihren Leichtsinn auch dem Oedipus einzupflanzen (t. 1057.), 
dann beschwört sie ihn, nicht weiter zu gehen in seinen Forschun- 



71) Hr. W. hat ganz recht v. 1056. jetzt mit Elmsley ri S' dem 
frühem rtg d', welches Hrm'Marbach p. 140. zu einer Thorheit verleitet 
hat, vorgezogen, nur meinen wir müsste dahinter das Fragezeichen ge- 
setzt und oVrtr slns zu dem Folgenden gezogen werden. „Was? wen 
' er auch gesagt, nicht kummr* es dich! doch des Gesprochnen lass erin- 
nern dich und nicht umsonst ! '' Aus dieser Uebersetzung wird zugleich 
klar werden, dass fUflSsy über welches für den Sehüler gewiss noch - 
eher als zu v. 1378. W. und 1393, eine Bemerkung nothwendig ist, 
schon wegen der Stellung , nur durch Herbeiziehung der Rhetorik seine 
Erklärung finde. Dagegen hat Hr. W. zwei Verse vorher neue Verdäch- 
tigungen vorgetragen. Er entscheidet sich dafür, dass hinter v. 1055. 
ein Vers incuria librariorum ausgefallen sei. Die Verse lauten: yvvcti^ 
voslg irtstvov, ovtiv ciqtioos fioXstv itpLs/isöd'cc ^ xov^' ovzog Xiysi^ Oed. ' 
kano nicht fragen, kennst du den, welchen wir eben zu sehen wünschten; 
denn dass locaste den kenne, hatte sie oben deutlich genug erklärt; da 
ferner der Chor ihn eben in Bezug auf tdds, d. h. ob Jener und Dieser 
eine und dieselbe Person sei , an loc. verwiesen hatte, so kann , wie Krü- 
ger Hrn. Wunder ganz richtig bedeutet hat, Oed. nur eben dieses fragen, 
ob beide Personen Eins seien. Krüger meint, die Rede sei unterbro- 
chen, nicht zu Ende gekommen. Wenn wir hier auch nicht zugeben 
mögen, dass loc. in der Lage und Stimmung sei, den Oedip. zu unter- 
brechen, so halten wir doch im Allgemeinen den Widerwillen der neuem 
Interpreten gegen diese von Brunck häufig mit Glück versuchte Annahme 
für ganz unbegründet, und glauben, dieselbe sei im Allgemeinen bei Wei- 
tem dem schonungslosen und leichtsinnigen Verdammungsurtheilen und 
Verdächtigungsgründen vorzuziehen , mit welchen man so gern gleich bei 
der Hand ist. Hier ist beides unnöthig. Die Uebersetzung kann das 
zeigen: „Weib, meinst du, jener sei, nach dessen Ankunft wir uns eben 
sehnten und von welchem dieser spricht?^' sie verlangt zu h.Btvov das 
Verbum bIvw, zu ergänzen. 



Neuere Schriften über Konig Oedipns. 103 

gen, wenn ihm sein Leben lieb sei; Tergeblich ! auch sie, die ihm 
niet» Liebe gezeigt, muss sich jelzl von Oedipus verkannt sehen, 
wie früher Kreon und Tires., ja , auch der Chor , also alle es mit 
Oedipus wohlmeinenden Gestalten. Mit allen gerath er in Zwie-^ 
Spalt, es steht mit ihm, wie gesagt, in der Beziehung gerade wie 
mit Kreon in der Antigene. Oedipus nämlich meint , loc. verwei- 
gere aus selbstsüchtigen Absichten die Auskunft, sie wünsche 
nicht , dass er als ein Findling dastehe von unedler Geburt (ver- 
dient sie das in den Augen des Zuschauers?); er aber steht jetzt 
wieder da, wo er stand als er von Korinth ging; die Hoffnung, 
seine wirklichen Eltern endlich zu erfahren , drangt Alles Andere 
zurück, diese Aufgabe, deren Lösnng ihm schon lange Schmerzen 
bereitet (v. 1067.), will er mit gleichem Ungestüm, wie damala« 
lösen. Die Aufgabe, Laios Mörder zu suchen, mit welcher The- 
bens Schicksal so eng zusammenhängt, weicht seiner eigensüchti- 
gen Neugierde, von welcher ihn weder loc. plötzliches Weg- 
stürzen ''^), noch des Chores ängstliches Wort abbringt; sein 
letztes Wort noch helsst: ich will meine Abkunft wissen! (v. 1085.). 
So steht er jetzt ganz isolirt: Alle Personen der Bühne übersehen 
den Zusammenhang, nur er, der mit seiner yv(6(iy Alle zu über* 
ragen sich rühmte, bleibt in blinder Selbstsucht befangen. (Ja! 
Tir. hatte Recht , als er ihm oben v« 373. den Vorwurf zurückgab 
tvq>X6g td %'mta xov rs vovv xa zofifiat' $li). Doch auch det 
Chor scheucht noch einmal seinen Zweifel zurück , seinem Könige 
so lange wie möglich und namentlich jetzt , wo ohnehin der König 
auf der Bühne bleibt, anhängend und die Furcht durch ein hoff- 
nungsathmendes Lied zurückdrängend. Die Hoffnung erblüht ihm 
aus der Möglichkeit, dass Oedipus del* Sohn jenes Knechtes seL 
Aber sie bleibt nur auf kurze Zeit, denn der folgende Akt liefert 
die völlige Aufklärung. Das eine Eingestand niss des Dieners, mit 
den entschiedensten, härtesten Drohungen hervorgeholt, dass lo* 
caste ihm das Kind gegeben , ist dem Oedipus genügend ^ er fragt 
gar nicht mehr nach dem , was ursprünglich die Herbeihoiung des 
Boten veranlasst hatte, ob Mehrere oder Giner den Laios gemordet^ 
es steht ihm jetzt endlich Alles vor Augen: ja! wer dem göttliohea 
Orakel entfliehen will mit menschlicher Weisheit, gegen die eiii« 
fache rohige Wahrheit stürmisch ankämpft, der fallt tief! Das ist 
der Schwerpunkt des Stückes, vom Dichter in der Mitte desselben 
durch das oben erwähnte Chorlied ausgesprochen, Und in den letzten 

73) Joe. stirbt« Nun brapcht kein Scboliast sich mit dem Zweifal 
zu plagen, wie loc. 6o etwas habe aberleben können. Das thut der schol. 
Phoen. 61.: i^Tjtiov, on ««aa ywiq n^os ^tivarov dnXotsi^ fuw avS^og^ 
OHVH dl vovv ^xovaa t<f(og. 9cbI yccQ xQis ndqovai danqwus iiMtoisi tö 
&^Xi> zris '^Vxn9 c(v€tßol'qv x^ nd^i. Der muss nicht viele Tragödied 
gelesen haben! — Uebrigens wetsa vpn dem Selbstinoj^de der loc. Diodo^ 
rus nicbta,.n94^1f,i^aqsani^B ai\d Hyginns. 

13* 



XgO^ Griechische Lileratar. 

Worten des Oedipus 1525. mit grossem Gewichte kurz wieder- 
holt^) zugleich eine eindringliche Lelire für die Zustände Athens 
iȊhrend und nach der Pest (ig 6kiy(0Qlccv iiQanovTo naX leg (ov 
xai 6öC(X)v 6(iol(og Thuc. IL 52. und Söa t% ngog tegolg lkb- 
XBVöav Tial (lavtaloig xal rolg xolovto ig Bxgt}oavro 
navza dvaKpskij ^v ^ v%/.BVtd5vTeg rs avtav aiciötTjöav vno 
tov xaxov vixci^tvoi ib. II , 47. und von der dvOfAia ib. 53.) so 
ganz geschaffen; der weiseste Mann ohne demuthsTolie Gottes- 
furcht, ohne fromme Scheu , ohne die echte Lauterkeit entbehrt 
des sittlichen Haltes, stürzt unfehlbar tief in den Abgrund, auch 
wenn er noch so lange beneidet und gross dagestanden , auch wenn 
er noch so lange sei es durch Weisheit und Macht, sei es durch 
Heftigkeit und selbstsüchtige Ungerechtigkeit den Fall zu verhin- 
dern sucht: die "Ati] verwirrt ihn und schleudert ihn hinab! 

Der weitere Verlauf des Stückes gehört nicht weiter zur 
Handlung, wir bleiben deshalb hier stehen; nur das darf nicht un- 
bemerkt bleiben, dass Oedipus keinen Versuch macht,- seine Lage 
als eine über einen Unschuldigen verhängte darzustellen. Wenn 
Soph. im Oed. Gol. derartige Versuche macht, z. B. dass Oedip. 
nur solcher Stimmung im ersten Momente des enthüllten Gräuels 
theilhaftig gewesen, so ist das allein aus der Absicht des Dichters 
Bu erklären, seinem früher gegebenen Oed. tyr. gegenüber die 
Auffassung des Oed. Gol. in einzelnen Beziehungen zu rechtferti- 
gen und dem Zuschauer zu erleichtern. 

. Es würde interessant sein , die Sophokleische Tragödie ein- 
mal nach den Regeln des Aristoteles zu beurtheilen. Bekanntlich 
erwähnt der Stagirit an mehreren Stellen seiner Poetik das Stück. 
Dort rühmt er XVI, 8. die ävayvcigiOig >, XXVI, 5.' die kurze 
übersichtliche Zusammenfassung des gjtv^ogj XV, 7. und XXIV, 
10. dass das aXoyov im Stücke l'go t^g Tgaytpdlag und nicht iv 
rotg ngdy(iaöiv liege (wozu man Ritter p. 191. vergl.) und XIV, 
dass auch das ausserhalb des Stückes Liegende den Zweck der 
Tragödie erfülle. Schon dies Lob , mit welchem er kein anderes 
Stück in reichlicherem Maasse ausgestattet ,* beweist , dass er das- 
selbe für ein vorzügliches gehalten. Man könnte eine interessante 
Darlegung geben , wie dasselbe zu den andern Forderungen des 
Philosophen steht; denn so lange dieselben nicht im speciellen Bezüge 
auf einzelne der uns erhaltenen Stücke geprüft werden, wird über 
die ganze Autorität der Poetik ein zweideutiges Urtheilin Geltung 
bleiben ; man könnte aus Aristot. ausdrücklichen Worten den Be- 
weis führen , dass derselbe den Oed. tyr. weder für eine Schick- 
salstragödie wirklich gehalten, noch nach seinen eigenen Vor- 
•ohriften habe halten können. Indess in Rücksicht auf die Aus- 
dehnung, welche diese Arbeit wider unsern Willen bereits genommen 
hat, müssen wir die Behandlang dieses interessanten Themas einer 
andern Zeit und Gelegenheit vorbehalten. 

Wiesbaden. C. O. Fimhaber. 



Horatii opera, edid.. Sopfle et Jahn. *^ 197 



1) Q. Horatii Flacci opera. Ad optimomm librorum 6deiii 
recognovit, selectam scriptarae Tarietatem echolaram in asum adiecit 
Car. Ferä, Süpfle, Additas est index carminum a Peerlkampio tenta- 
torum. Heidelbergae sumptibus J. Grooeii. 1846. XIV und 315 S. 
8. ' 20 Ngr, 

2) Q. Ho rata Flacci opera omnia. Tertiam ad optimoram 
librorum fidem recognovit et in uswm scholarum edidit Joh, Chritt, 
Jahn. Lipsiae sumptibus et typis B. G. |Teubneri. (1846.) XII und 
262 S. gr. 12. 9 Ngr. 

Es sollen hier zwei Schulausgaben des Horaz^zur^Besprechung 
gebracht werden, welche beide im Wesentlichen nichts welter 
bieten , als einen blossen Textesabdruck , und deren Herausgeber 
im Allgemeinen auch beide in den Grundsätzen übereinstimmen, 
welche in der Gegenwart an die Besorgung einer solchen Ausgabe 
gestellt zu werden pflegen. Demnach scheint dem unterzeichne- 
ten Berichterstatter keine andere Aufgabe gestellt zu sein, als 
dass er in kurzer und klarer Uebersicht darlege, was In jeder die- 
ser beiden Ausgaben geleistet ist, und dass er dieses Geleistete 
an den allgemeinen Bedürfnissen einer Schulausgabe messe, welche 
den Schülern eben blos den Text des Schriftstellers darbietet, 
uud durch Vergleichung beider deren etwaige Verschiedenheit be- 
raerkfich mache und die Punkte bezeichne , in denen jede hinter 
dem erkannten Ideal einer solchen Schulausgabe zurückgeblieben 
ist. Indess da die zweite fieser beiden Ausgaben Ton dem Bericht, 
erstatter selbst herausgegef'en ist und da also deren kritische Wür-. 
digung und Vergleichung mit der andern Ausgabe nur einseitig 
und parteiisch ausfallen könnte: so wird der Unterzeichnete sich 
in Bezug auf sie nur in den Grenzen der Berichterstattung halten, 
und von ihrer Vergleichung mit der andern nur die Veranlassung 
hernehmen, ein paar allgemeine Punkte zu erörtern, in welchen 
die gegenwärtige Zeit über die rechte Bearbeitung einer solchen 
Schulausgabe noch nicht vollkommen einig zu sein scheint. 

Es gilt hier natüilich nicht die Beantwortung der Frage, wie 
eine solche Schulausgabe eines alten Classikers beschaffen sein 
müsse, welche durch Anmerkungen und andere besondere Erläu- 
terungen dem Schüler das Verständniss des Schriftstellers er- 
leichtern und in rechtmässiger Weise bequem machen will; son- 
dern es fragt sich nur, was in einer blossen Textesausgabe ge- 
schehen könne, um dieselbe für das, Bcdiirfniss des Schülers 
möglichst brauchbar zu machen und ihm vielleicht doch einzelne 
Eileichterungsmittel zum Lesen und Verstehen des Schriftstellers 
zu bieten Hier kann es nun scheinen, als ob die beiden obenge* 
nannten Herausgeber in ihren Anforderungen an ;ein solches Bucli 
bereits nicht ganz einig wären. Der Herausgeber von Nr. 2. näm» 
lieh will von den Herausgebern blosser Textesausgaben besonders 



198 Rtebche Utermiar. 

folgende drei Ponkte erfüllt wissen: ^^Primom opus est, nt yerba 
scriptoris , qaantam fieri potest , emendatissima exhibeiBt eaque 
i^d optimorara, qni praesto sont, codicom manoscriplonini fidem 
descripta et corroplelanini sordibos par^ta repraesentent ; alte- 
mm at Terborom sciibendomm rationem sequantar, qaae commtini 
eroditorum coosensu et probata et in usum Fecepta sit; tertium, 
nt in yerbis sententiisqne coniongendis distin^endisqae inter- 
pnnctionis modo utantur, qui et constantem certnmqoe si^orum 
usum ostendat et orationis contextum ad paeromai adolescentium- 
qae inteiUgentiam facilem reddat atque expeditam^S Er £rinnert 
dabei, dass die Herausgeber in der praktischen Aasfnhrang dieser 
drei Punkte nicht ganz übereinstimmen, und hat deswegen speciell 
anseindergesetst, was er fnr jeden derselben sn tbun för nöthi^ 
erachtet habe. Znletst aber setzt «r hinsn : ,,Mecum snam ope- 
ram coniunxit bibliopola hoAestissimus atque verba Horaüi maio- 
ribus, quam ante«, typis ita imprimenda curavit, ul etiam externo 
Ubri nitore discipnlorum commoditati consuleret neque oculornm 
adei et sanitati officeret^S Hr. Supfle aber bestimmt die Leistun- 
gen seiner Ausgabe in folgender Weise: ,,Quotquot fere equidem 
DOTi Horatii eiusmodi editiones, quae ad rationes scholasticas ita 
comparatae sunt, ut unum, quem vocant, textum, praeterea nihil, . 
exhibeant: eas, si paucissimas exceperis, vel parum accuratas 
adeoque mendosas, vei legentium ocuiis ingratas ac molestas, vel 
ab omni arte critica, in qua per hosce potissimam annos multi et 
magni viri elaboraverunt, prorsns destitutas, nonnullas denique, 
id quod poetae vel indignissimum est, mancas et mutilas esse per- 
spexi. Quum igitur multos esse mecum perpenderem , non solum 
adolescentulos literarum studiosos, sed etiam Horatii amatores, 
dodum illos quidem e discipliiia scholastica egressos, qui praeter 
textum poetae nihil reqiiirerent^sive quod io Horatii ipsius yerbis 
libenter acquiescerent , sive quod commentariorum usu aliqnantu- 
lum sumptuoso propter aqgustias rei famiiiaris excluderentur: eo- 
mm commodis vel maxime mihi serviendum mihi visum est. Atque 
in eo haec potissimum secutus sum, ut omnium primum textum 
exhiberem emendatum atque optimorum libroram fide comproba- 
tum; deinde ut erroribus typographicis quanta maxima possem 
diligentia occurrerera ; tum ut iibeilus prodiret summo poeta di^nns, 
quippe nitidus atque ita exscriptus, ut non oculorum magis fere 
quam ingenii aciem exerceret atque perstringeret; postremo ut 
esset parabiüs, sed ita dumtaxat parabills, ut eorum clamores non 
audiendi Tiderentar, qui optimos Graecorum et Romanorum li~ 
bros yix ullo alio magis metiri solerent, quam pretii viKtate^'S Aiieia 
Hr. Süpfle verspricht in diesen Worten nur scheinbar theils mehr, 
theiis weniger geleistet zu haben, als Inder anderen Ausgabe gesche- 
^Jraist, indem er uämlich die äussern Vorzüge einer Schulausgabe, 
I^^^Bbidige Ausstattung, grossen Druck, der den Augen nicht scha- 
VMid wohlfeilen Preis, zu den Rücksichten eines Herausgebera 



Horatii opera, edid. Säpfle et Jahn. 199 

rechnet, während Ref. diese Leistungen dem Verleger seines Bii* 
ches zugemuthet, und für sich nur die Besorgung der innern Aus- 
stattung behalten hat. Es ist übrigens zu rühmen , dass sich die 
Süpflie'sche Ausgabe darch Grösse , Schärfe , Nettigkeit und Rein- 
lichkeit des Druckes , wie durch typographische Correctheit sehr 
vortheilhaft empfiehlt. In einem am Ende angehängten Drack- 
fehierverzeichniss sind nur 9 Fehler aufgeführt, und Ref. hat ei- 
nen bedeutenden Fehler, der dort ausgelassen wäre, nicht gefun- 
den. Die Ausgabe des Ref. steht an Grösse des Drucks der 
Süpfleschen nicht gleich , darf aber in allen übrigen Punkten naii 
ihr wetteifern , und hat namentlich für die wenigen und geringen 
Druckfehler, die in ihr stehen geblieben sind und von denen der 
Schreibfehler der Vorrede p. III. optimorum^ quae praesto sufit^ 
codicum der bedeutendste ist, den Vortheil, dass sie stereotypirt 
ist und darum die Fehler verbessert werden können, sobald si« 
bemerkt werden. Für den Textesdruck hat übrigens der Verle- 
ger eine Grösse der Lettern gewählt, wie sie sich in Orelli's Aus- 
gabe findet , und diese dürfte für das Auge der Schüler auch nicht 
schädlich und schon darum recht annehmlich sein, weil der Tes| 
in der Ausgabe des Ref. zwar nur 262 Seiten — in der ersten und 
zweite^ Auflage blos 219 Seiten — und bei Hrn. Süpfle 309 9« 
füllt , aber auch für mehr als die Hälfte billiger verkauft wird. 

Die wissenschaftlichen Leistungen beider Herausgeber geben 
sich zumeist in der Textesgestaltung kund. Hier haben beid^ 
darnach gestrebt, einen Text zu liefern, wie erden gegenwärtigen 
Forderungen der Kritik am vollkommensten entspricht. Hr. Süpfle 
hat diese Vollkommenheit darin gesucht, dass er sich an die neu^ 
sten Forschungen anlehnte. Die Textesworte hat er im Wesent- 
lichen nach Orelli's Ausgabe gegeben und wenn er in einigep 
Stellen abweicht und z. B. Od. I. 1. 35. inseris für inserea ge- 
schrieben hat, so sind das Fälle, wo die Auctorität. der Hand- 
schriften schwankt und wo man den besonderen Grund, der ihn 
zur Aenderung veranlasste, natürlich nur errathen rauss. Ferner 
htft er mit Orelli in den Oden alle Carmina iJLov6czv%a und d/- 
CtQOfpa nach der Meineke-Lachmann'schen Theorie in vierzeilige 
Strophen abgetheiit, und macht in der Brevis metrorum lyrico- 
rum expositio p. XII. noch bemerklich, dass die ebenfalls in vier- 
zeilige Strophen getheiite zwölfte Ode des 3. Buchs von Lach 
mann In der Zeilschr. f. d. Alterthm. 1845 N. 61 f. für ein aus 
Einer Strophe bestehendes Gedicht erklart worden ist. In den 
Epoden hat er mit Orelli und Meineke die monostichische und di- 
strophische Gestaltung beibehalten. Weil aber jener vierzeiligen 
Strophenabtheilung das achte Gedicht des 4. Buchs widerstrebt, 
80 ist er daselbst nicht dem Beispiele Orelli's gefolgt, der naqb 
Vs. 17. zwei Verse ausgefallen sein lässt, sondern erklärt mit Lach- 
mann Vs. 17. und 33. für Interpolationen. Beiläufig sucht er in 
der Vorrede p. VL» wo er über dieses. Gedicht spricht, noch eine 



200 Römische Literatur. 

bisher unbemerkte Interpolation nachzuweisen n. wlUinEpist.1. 18, 
91. die Worte bibuli media de npcte Falerni Oderunt gestrichen, 
wissen, weil sie aus Epist. I. 14. 34. eingesohwärzt sein sollen. 
Uebrigens hat er dem in der jüngsten Zelt herrschend gewordenen 
Streben, in den Oden allerlei Interpolationen zu finden, im Texte 
und in der untergesetzten Yiirietas lectionis keine Beachtung ge- 
schenkt , wohl aber fiir nöthig erachtet , in einem besonderen In- 
dex eorum Horatii carminum, quae a Peerlkampio vei tota Tel ex 
parte tentata sunt (p. 313—315.), die Zahlen derjenigen Gedichte 
und Verse zusammenzustellen, welche Hofman-Peerikamp fnrun- 
icht erklart hat. Die Gründe, warum sie unächt sein sollen, sind 
nicht erwähnt, auch diejenigen. Steilen übergangen, welche Peerl- 
kamp durch Conjectur ändert , und auch diese Conjecturen wlbst 
inderVarietasIectionis nicht verzeichnet. Desgleichen sind auch die 
Stellen nicht bemerklich gemacht, in denen Buitmann, Eichstädt, 
Hermann, Martin u. A. Interpolationen finden wollten. Die in 
den Handschriften vorkommenden Ueberschriften der Oden und Epi- 
steln, welche Orelli weggestrichen hat, sind hier wieder hergestellt, 
aber In [ ] eingeschlossen, um dem Schüler bemerklich zu machen, 
dass sie nicht von Horaz herrühren. — Die Ausgabe Nr. 2 ist die 
dritte Auflage der schon 1824 und 1827 in der.Teubner'schen 
Classikersammlung erschienenen Schulausgabc des Horaz, und will 
als eine neue Bearbeitung in sofern gelten, als die Vorrede der 
beiden ersten Auflagen durch eine neue ersetzt, die früher als 
Anhang gegebenen Anmerkungen weggelassen, der Text einer 
neuen Recognition unterworfen und in etwa 30 Stellen verändert 
worden ist. Besondere kritische oder exegetische Beilagen hat 
die jetzige Ausgabe, abgerechnet die gewöhnlichen Ueberschrif- 
ten der Oden und Briefe, gar nicht erhalten; die weggelas* 
senen früheren. Anmerkungen sind darum durch keine neuen 
ersetzt worden , weil der Herausgeber an einer grössern Schul- 
ausgabe arbeitet. In welcher er die Gedichte des Horaz nach den 
gesteigerten philologischen Forderungen der Zeit und für das 
gegenwärtige Unterrichtsbedürfniss der Gymnasien mit einem voll- 
ständigen Commentar herauszugeben Willens ist. Die Te^&tesre- 
cognition hat der Herausg. ohne Anlehnung an eine bestimmte 
' neuere Ausgabe zwar mit fortwährender Beachtung der neuesten 
Forschungen , aber nach eigenem Ermessen vorgenommen und das 
schon in den beiden ersten Auflagen verfolgte Ziel festgehalten, 
den Text der Gedichte treu auf die Grundlage der Handschriften 
und alten Zeugnisse zu bauen und voii diesen nicht abzuweichen, 
so lange die Lesarten jener Quellen nicht offenbare Verstösse ge- 
gen die Gesetze der Logik und Grammatik und den Vorstcllungs- 
kreis und die Darstellungsform des Horaz und seiner Zeit-ver- 
rathen. Um nun aber für diese handschriftliche Textesgestaitung 
nicht in einen willkürlichen Eklekticismus aus allerlei Handschrif- 
ten zu verfallen, hatte er sich in den beiden ersten Ausgaben an 



Horatii opera, edid. Sapfle et Jahn, 201 

die Fea'schen Handschriften angelehnt, weil die Ton den fr&hem 
Herausgebern nnr qioradisch benutzten Handschriften keine Si- 
cherheit fiir eine diplomatische Grundlage des Textes boten. In 
der gegenwartigen Auflage aber ist der Text auf Oreili's Hand- 
schriften begründet, weil sie älter und werthroller als die Fern- 
sehen sind , und in ihren Lesarten im Allgemeinen mit den besten 
Handschriften Pottier's und der frühern Herausgeber zusammen- 
stimmen. Deshalb ist der Text der gegenwärtigen Ausgabe im 
Wesentlichen mit dem Orelli^schen gleichlautend , weicht aber 
auch noch in einer ziemlichen Anzahl von Stellen ab , in welchen 
liämlich der Herausg. entweder den Werth der Handschriften 
Orelli^s anders abgeschätzt. hat oder durch sprachliche Gründe 
zum Vorziehen anderer Lesarten bewogen worden Ist. So ist z. B. 
im ersten Buch Od. 1. 35. inaieris statt inaer es ^ als handschriftlich, 
begründetere und schwerere Lesart, Od. 12. 31. di sie statt quod 
»ic als poetischere Lesart gewählt ; 12. 57. das von guten Hand- 
schriften bestätigte laetum beibehalten , weil latum zwar einen 
guten Gegensatz zu te minor giebt , aber laetum besser zu reget 
aequua passt und die von Horaz so oft gepriesene Freude der Welt 
über die Regierung des Augustus bezeichnet; 15. 9.. und 35. 33. 
eheu zurückgerufen, well das heu heu doch als eine blosse Schreib- 
form des Mittelalters verdächtig ist; 15: 20. cultus als schwerere 
Lesart dem OrelH'schen crines vorgezogen; 17. 14. hinc statt Ate 
um derHandschrr. willen beibehalten; 18.7. aus gleichem Grunde 
das von Bentley gut gerechtfertigte ^c für At gewählt; 19. 2. statt 
Sefnelea das gewöhnliche Semelae zurückgerufen , weil Horaz kei- 
nen Genitiv der ersten Declination aus es gebildet zu haben scheint; 
25. 2. Jactibus aus den besten Handschriften statt Ictibus gewählt, 
zumal da es dem quatiwit weit besser entspricht. In keiner ein- 
zigen Stelle des Dichters aber hat der Herausgeb. sich veranlasst 
gesehen, eine Conjectur in den Text zu nehmen , indem die hand- 
schriftlichen Lesarten überall fiir Sinn und Sprache auszureichen 
schienen. Allerdings hat sich ihm subjectiv in ein paar Stellen 
die Meinung aufgedrängt, ob sie nicht durch eine leichte Conjec- 
tur schöner gemacht werden dürften, aber erbat dies doch nicht für 
ausreichend erachtet, um die erklärbare Lesart der Handschriften 
zu verdrängen. Namentlich war er sehr geneigt Od. 1. 27. 19. ' 
laboras in Charybdi zu schreiben , weil das Imperfectum labora» 
bas doch etwas seltsam gesagt ist. Weil aber dieselben Hand- 
schriften, welche Orelli für seine Textesrecension gebraucht hat, 
ihn nöthigten , weit öfterer von Orelli's Texte als von dem Texte 
abzuweichen, den er in der ersten und zweiten Auflage aus den 
Fea'schen Handschrr. geschöpft hatte: so ist er dadurch noch mehr 
in der Meinung bestätigt worden ^ dass die Handschriften des Ho- 
raz überhaupt nicht einen wesentlich verdorbenen Text darbieten 
oder verschiedenen Familien und Textesrecensionen angehören. 
Jedoch tritt er auch nicht der Meinung Peerlkamp's bei , daaa alle 



202 Römische Literatur. 

vorhandenen Handschriften aus der angeblich fon Vettiua Agoriua 
Baeilius Mavortius im 6. Jahrh. n. Chr. gemachten Textesrecen- 
ah>n geflossen seien , sondern hat dieselbe in der Vorrede p. vi. f. 
bestritten. Abgesehen davon nämlich , dass sich jene ^vermeint- 
liche Recension des Mavortius nach dem Zeugniss der Haudschrr. 
wahrscheinlich nur auf die Oden und Ars poetica bezogen hat , so 
bat der Herausg, ftberhaupt aus den Angaben, welche sich bei 
Cassiodorus über die von ihm geiibte Verbesserung der Hand- 
achriften vorfinden, und aus der Analogie der Mediceischen Hand- 
ichrift des Virgil folgern zu dürfen gemeint, dass die ganze Ver- 
besserung alter Handschriften im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. 
in nichts weiter, als in der Beseitigung der verwilderten Ortho- 
graphie und in der Einführung einer besseren Interpunction be- 
tlanden habe. Diejenigen Steilen des Dichters, in welchen Hqf- 
ioann Peerlkamp u. A. Interpolationen gefunden haben , sind ins- 
gesammt einer besondern Prüfung unterworfen worden; allein weil 
äe sich nach Sinn und Sprache rechtfertigen lassen und den 
Vorstellungen und Geschmacksrichtungen des Horazischen Zeit- 
alters nicht widerstreiten , wohl aber, wenn man sie mit Peerlkamp 

' während des 1. bis 6. Jahrhunderts n. Chr. von Interpoiatoren eia- 
geschoben sein iässt, mit den Sprach- und Geschmacksrichtungen 
dieser Jahrhunderte in vielfachen Widerspruch treten würden: so 
hat sich der Herausgeber nicht veranlasst gesehen, irgend eine 

' dieser Stellen für unächt zu halten und in gegenwärtiger Textes- 
ausgabe mit den Zeichen der Interpolation zu versehen. Die Ab- 
theilnng der monostichischen und distichischen Gedichte in vier- 
zeilige Strophen war schon in den beiden ersten Auflagen in Od. 
h 13. und III. 9. aufgenommen worden , weil sie in dem ersteren 
Gedicht von selbst durch den mit dem Ende der Strophen zusam- 
menfallenden Schluss der einzelnen Hauptgedanken sich darbietet, 
In dem letzteren durch die dialogische Form geboten Ist. In 
allen andern Gedichten dieser Art aber ist diese Strophenabtheilung 
auch'jetzt unterlassen worden : denn es lässt sich erstens gar kein 
haltbarer Grund denken , warum monostichische und distichische 
Gedichte dem Charakter der HorazischenLyrik widerstreiten sollen, 
und zweitens Ist die vierzeilige Strophenabtheilung aller der liier^ 
bei in Betracht kommenden Oden nur ein kalligraphisches und ty- 
pographisches Spiel, welches den metrischen Bau derselben In 
keiner Beziehung verändert und vervollkommnet, Im Gegentheil 
die Gedankenreihen der Verse durch die am unpassenden Orte ein- 
tretende Strophenabtheilung häufig in ungewöhnlicher und unan- 
genehmer Weise zerreisst und in der achten Ode des vierten 
Buchs zu der Gewaltmaassregel führt, entweder zwei vorhandene 
Verse auszuwerfen oder ein Verlorengegangensein von zwei Ver- 
sen anzunehmen Ref. ist allerdings der Meinung, dass gerade in 
der Horazischen Metrik noch recht viel zu erörtern und aufzuklä- 
ren sei, wenn man das elgenihümliche Wesen und die nationale 



Horatii opera, edid. Süpfle et Jahn. 203 

Bedeutsamkeit derselben zur Erkenntniss bringen will. Allein da« 
wird nur nicht erreicht, dass man neue Stropheneintheilungen 
macht: denn der Strophenbau hängt mit der Musik und dem Ge- 
sänge zusammen, und Horazens Oden sind gar nicht nach einem 
eigenthümlichen und individuellen musikalischen Bewusstsein ge- 
baut, sondern griechischen Metren so nachgebildet, dass nicht das 
musikalischie Element, sondern die Verschiedenheit des Inhaltes 
und .das sprachlich-ästhetische Gepräge derselben die Wahl und 
den Wechsel der Metra bedingt hat. Vielmehr hat man fiir das 
Verständniss der Horazischen Metra nachzuweisen , inwiefern di^ 
sogenannten asclepiadeischen , alcäischen, sapphischen, archilochi- 
sehen u. a. Metra das äussere Merkmal verschiedener lyrischer 
Gedichtsgattungen sind, und verschiedene Gedankenrichtungen 
und Gefühlsschattirangen ausprägen, sowie welcher besondere 
Grund obgewaltet hat, dass Horaz in allen diesen Metris die iam- 
bischen und trocbäischen Versfüsse, in denen.eine Syllaba ancepS 
zulässig war, in entschiedener Consequenz in Spondeen verwan- 
delt hat. Eine Aufklärung über diese Dinge ist auch für den 
Schulunterricht recht nöthig, kann aber in einer blossen Textes- 
ausgabe nicht geboten werden, sondern muss den Erörterungen 
des Lehrers überlassen bleiben. Dnrch das blosse Aufzählen der 
verschiedenen metrischen Schemata wird diese Aufklärung nicht 
gerade gefördert, weil der Schüler, welcher Horaz lesen soll, so- 
viel Kenntniss der antiken Metrik mitbringen muss, dass er sich 
diese Schemata mit Hülfe seiner Grammatik oder eines Gompen- 
diums der Metrik selbst machen kann. Darum ist auch in der 
Ausgabe Nr. 2. ein Conspectus metrorum nicht aufgenommen, 
indem derselbe dem Schüler ohne Hülfe des Lehrers wenig oder 
nichts nützt, und ihn, so lange er keine Ahnung von dem W^rtbe 
der Metrik hat, nicht einmal veranlassen wird, nach dem gebote- 
nen Schema die Verse zu scandiren und den Klang ihres rhyth- 
mischen Tonfalles sich in das Ohr zu bringen. 

Hinsichtlich der Orthographie sind beide Herausgeber der 
herkömmlichen Schreibweise gefolgt, und haben sich auch in "ein- 
zelnen Wörtern keine Neuerungen erlaubt, ausser etwa dass Hr. 
Süpfle die Schreibweisen Salustiua , Karthago und Kalendae auf- 
genommen hat. In der Ausgabe Nr. 2. ist zur Rechtfertigung die- 
ses Verfahrens bemerkt: „In puerorum institutione ea res [d. h. 
das Einführen einer neuen Orthographie in einzelnen Wörtern] 
parum habet momenti, eorumque mentes facile magis tarbantuir 
quam adiuvantur, si quis nonnullorum vocabulorum scripturam 
mutaverit neque omnino consecutus sit , ut certam constanteipque 
scribendi rationem teneret^^ Dasselbe Festhalten an dem her- 
kömmlichen Verfahren werden die Leser jedenfalls auch in Bezug 
auf die Interpunction erwarten : denn sie ist noch mehr, als die 
Orthographie, ein blosses Erleichterungsmittel für das Lesen und 
für das schnelle Ueberschauen der Sachverhältnissie, wd i^\m 



204 Römische Literatur. 

ist das Angewöhnte jedenfalls auch das beste Erlclchterungsmittel. 
Natürlich ist hier nicht die Interpiinction solcher Stellen za ver- 
stehen, wo durch deren Veränderung Sinn und Zusammenhang 
oder das logische und grammatische Satzverhältniss umgestaltet 
werden, indem in solchen Fällen die Erklärung des Ganzen über 
die Stellung des Interpunctionszeichens entscheidet und so lange 
ein herkömmliches Verfahren nicht eintreten kann, bevor nicht 
Eine Erklärung als die allein zulässige ausgcmittelt ist. Glück- 
licher Weise sind im Horaz nur noch wenig solcher Stellen vor- 
handen, wo durch das Schwanken der Erklärung auch die Inter- 
piinction zweifelhaft würde , und sie können in einer blossen Tex- 
tesausgabe natürlich nicht zur Entscheidung gebracht, sondern 
durch die gewählte Interpunction höchstens die individuelle An- 
■leht des Herausgebers angedeutet werden. Es handelt sich hier 
nur um die Interpunction solcher Stellen, in denen die Abtheilung 
der Sitze und Satzglieder nicht zweifelhaft ist, abtr durch, dag 
gewählte Interpunctionszeichen dem Schüler der grammatische 
Deberblick des Satzes erleichtert oder erschwert werden kann. 
Hr. Siipfle hat diesem Gegenstande keine besondere Aufmerksam- 
keit geschenkt, sondern ist dem Herkömmlichen insofern gefolgt, 
als er meistentheils die von Orelli gewählten Interpunctionszeichen 
beibehalten hat. Orelli selbst aber folgt bekanntlich der schwe- 
benden Praxis , welche die Macht- der Interpunctionszeichen nicht 
A'on dem ihnen selbst inwohneuden dynamischen Werthe, sondern 
von dem Verhältniss der einzelnen Sätze, d. h. von der Länge, 
Vielheit und periodischen Verknüpfung derselben abhängig macht, 
und daher zwischen Vorder- und Nachsatz bald ein Komma, bald 
ein Semikolon oder Kolon setzt, umgekehrt aber auch das Kolon 
vor Nebensätzen oder zwischen adversativen Hauptsätzen nicht 
verschmäht, wie z. B. Od. III. 11. 9. Die modos^ Lyde quibus 
appUcet aures: Quae etp., oder 111. 5. 2. Coelo ionantem credi- 
dimus Tovem Regnare: praesens divus habebitur Augustus, Der 
Herausg. von Nr. 2. aber hatte schon in der ersten und zweiten 
Auflage seines Horaz einen geregelteren Gebrauch der Interpun- 
ctionszeichen angestrebt, und auch bereits in der Vorrede zu 
Ovid^sTristien, zum Schulgebrauch herausgegeben 
[Leipzig bei Schwickert. 1829.] S. VII f. darauf hingewiesen, wie 
schwierig und unzureichend es sei , die alten Schriftsteller nach 
dem Interpunctionsverfahren der alten Griechen und Römer selbst 
interpungiren zu wollen. In gegenwärtiger Auflage aber hat er 
mit entschiedener Consequenz eine Interpunctionsweise durchzu- 
führen gesucht , welche zugleich dem logisch-grammatischen Satz- 
baue der alten Sprachen angemessen sein, und auch durch die 
Wahl der Zeichen das Verhältniss und die Bedeutsamkeit der ein- 
zelnen Sätze möglichst klar und deutlich machen soll. „ Solen t 
plerique editores'^, sagt er in der Vorrede p. IX , „in Graecorum 
Romanorumque acriptis antiquum scribendi modum sectari , idque 



Römische Literatur. 205 

recte quidem faciiint, quoacl id consequi Tolunt, ut antiqui sermo^ 
nie indolem nexumqae , h. e. sententiarum coniunctionem enuncia- 
toriimque cohaerentiam , accurate repraesentent. Sed iiii antiqni- 
tatis nirois curio8i atque de nostrorum piierorum adolescentiumque 
perceptione panim solllciti esse v]dentur,.qiiandoqiiidem etiaro in 
si^noriim asu mancam antiqui tatis consuetndinem observare Stu- 
dent. Conseritaneum est, ut in locis interpunctionis inveniendis 
antiqui serraonis naturam dili^entissime consideremus^ ne quid 
eommittaraus, quod sententiarum ordinem orationi$«que dispositio- 
nem obscurare possit; sed inde nulla sequitur ratio ^ cur etiam in 
signis usurpandis Teteruni scriptorum penuria content! nobis ipsi 
subtrahamus auxilia^ quibus eam, quam Germänorum diligentia 
amat, orationis perspicuitatem etiam in externo enunciatoVum ha- 
bitu consequamur.^^ Rein antik ist nnsere Interpunctionsweise ja 
ohnehin nicht mehr, indem wir schon längst in die alten Schrift- 
steller das Semikolon statt des Kolons, das den Alten unbekannte 
Ausrufungszeichen u. A., sowie eine Anhäufung der Kommata ein- 
gefiihrt haben v wie sie bei den Alten nicht stattfand. [He Conse- 
quenz nun, welche der Herausg. angestrebt hat, ist in der Vor- 
rede auf folgende Theorie begründet. Er theilt die vorhandenen 
Interpunctionszeichen zuTÖrderst in grammatische, rhetori- 
sche und kalligraphische, and die grammatischen wieder in 
wesentliche, d. i. solche , welche auf den logischen Werth der 
Satze hinweisen, und in ausserordentliche ein, welche letz- 
teren nur zur Verdeutlichung einer Nebcnmodalität des Satzes 
dienen. Kalligraphisch nennt er dasjenige Punctum , welches 
um der Bequemh'chkeit des Schreibens willen hinter abgekürzten 
oder durch Zahlzeichen ersetzten Wörtern gebraucht wird und 
genau genommen gar kein Interpunctionszcichrn ist. Obgleich 
sein Gebrauch keine Schwierigkeit hat, so ist doch auf dasjenige 
Schwanken seiner Anwendung bei Zahlzeichen hingewiesen, wel- 
ches in den Schriften' der Gegenwart häufig sich findet. Das 
Zahlzeichen ohne Punkt nämlich bezeichnet eine Cardipal-, das 
mit Punkt eine Ordinalzahl. Demnach ist es falsch , wenn man 
die durch Zahlzeichen ausgedrückten Wörter erstens, zwei- 
tens u. s. w nicht 1.2. sondern nur 1 '2 schreibt, oder den 7. Juni 
ohne Punkt lässt und dagegen das Jahr 1B47 mit einem Punkt 
versieht. In der lateinischen Sprache muss natürlich auch jede 
Jahreszahl, welche mit Zahlen geschrieben wird , ein Punkt erhal- 
ten und die Schreibweise der alten Drucke CIO. I3CCC. XL. VIL 
war eigentlich recht verständig ausgedacht, weil sie den Ordinal- 
werth jeder einzelnen Zahl bemerklich machte. Eben so müssen 
in der lateinischen Sprache alle Citate, wie z. B. Horat. Od. IV. 
8. 12. mit Punkten hinter den einzelnen Zahlen versehen werden. 
In der deutschen Sprache kann man darüber in Zweifel sein, indeib 
man in nachlässiger Rede ausspricht: Horaz Buch vier, Ode 
acht, Vers zwölf. Alleio weil es richtig heissen mass: im 



206 Römische Literatar. 

vierten Bach, inider achten Ode, im swolften Verse.» 
so wird auch hier das Hinzosetaen des Punlctes angemessener sein. 
Die bei solchen Citaten hinter den ersten Zahlen dngesetsten 
Kommata Od. IV , 8., 12. sotten snr Andeatnng dienen , dass mt 
jeder Zahl ein anderer SubstantiTbegriff bezeichnet ist; allein man 
sollte weni^eos schreiben Od^ IV., 8., 12., um eben durch die 
Punkte die Zahlen als Ordinalzahlen bemerklich zu machen , mit 
den Kommatis die Upterscheidung Ton Buch, Gedicht und Vers 
hinzuzufügen. Jedenfalls aber haben die Kommata bei diesen 
Zahlen nur dann einen Sinn , wenn man sie in drei aneinanderg^e- 
reihte Ortscasus, im vierten Buch, im achten Gedicht, 
im zwölften Verse, oder libro quarto^ carmine odavo^ versu 
duodecimo , auflost. Wer aber die drei Zahlen in grammatisdier 
Rection von einander abhangig sein lässt und sie übersetzt: libri 
quarti carmima octavi versu duodecimo ^ der hat sich jede Be- 
rechtigung zum Gebrauche dieser Kommata genommen. Rheto- 
rische Interpanctionszeichen sollen das Fragezeichen und das 
Ausrufungszeichen sein , weil Frage und Ausruf selbst bereits zur 
figurirten Rede und also in das Gebiet der Rhetorik gehören. 
Auch haben beide Zeichen nur den Werth, auf die besondere Mo- 
dulation der Stimme hinzuweisen , welche beim Aussprechen eines 
solchen Satzes eintritt. Die Spanier haben die Sitte, dass 
sie diese Zeichen , eben weil sie nur Leseseichen sind , vor den 
Satz stellen, und an dessen Ende iiberdem das Punkt zur Angabe 
seines grammatischen Abschlusses noch liinsnfugen. Falsch ist 
die Anwendung des Fragezeichens hinter indirecten Fragsatzen, 
weil diese durch ihre Abhängigkeit von einem andern Satze den 
Fragton verloren haben. Das Ausrufungszeichen hsben die Grie- 
chen und Römer jedenfalls nicht gekannt ; indess da es immer die 
äussere Deutlichkeit der Rede unterstutzen hilft, so kann man 
auch kein Bedenken haben , dasselbe in ihre Schriften einzuführen. 
Von den grammatischen Interpunctionszeichen ist das d«i 
.Schiuss des Satzes bezeichnende Punkt in allen Sprachen gldch 
und bedarf keiner weitem Erörterung, ausser wenn man etwaau£ 
die kalligraphische Unterscheidung eingehen will , dass bei dem 
Gebrauch der lateinischen und griechischen Schrift dieses Punkt 
eine runde, bei deutscher Schrift eine viereckige Gestalt haben 
soll. Aber die grammatischen Interpunctionszeichen in der Mitte 
des Satzes sind es, welche Schwierigkeit machen, und deren 
Werth nnd Bedeutung in der gewöhnlichen Interpunctionsweise 
auf keine klare Erkenntniss zurückgeführt erscheint. Die Grie- 
chen und Römer hatten in der Mitte der Sätze nur zwei Zeichen, 
das Komma und das Kolon, und sie waren nach Cicero's Zeugniss ' 
(de orat. IlL 46.) nichts weiter als Merkmale für das kürzere od^r • 
längere Anhalten der Stinmie behufs des Athemholens. Demnach 
war ihr Interpunctionsprincip kein anderes, als dass nach kurzem 
Mittelsätzen, d. h. Sätzen in der Mitte eines ganzen Satzes, ein 



Horatii opera, edid^ l^üpfle et Jahn. 207i 

Komma, nach langern ein Kolon gfesetzt wurde, und dasa das Ko^ 
Ion namentlich zwischen Vorder- und Nachsatz und zwischen Yor^ 
und Hintersatz eintrat, weil zwischen diesen allemal ein längerem 
Anhalten der Stimme stattfindel. Die Mehr^hl der Nebensätze^ 
sobald dieselben nämlich nicht Vordersätze waren , mög^en sie eben 
so, wie wir, durch Kommata Ton dem Hauptsatze, zu welchen si^ 
gehörten , abgesondert haben ; aber sie konnten dieses Komma vor 
solchen Nebensätzen nicht brauchen , welche sich so eng an den 
Hauptsatz anschliessen, dass vor ihnen beim mündlichen Vortrag 
ein Anhalten der Stimme nicht ieintritt. Zu Sätzen solcher Art 
gehören namentlich die meisten der mit dem Pronomen relatirum 
beginnenden Nebensätze, sobald sie nichts weiter als die Umschrei^ 
bung des zum Substantiv gehörigen Prädicats enthalten ; allein auch 
^iele LocaU und Temporalsätze mit woher, wohin, wo, wann 
u. s. w. schliessen sich ohne besonderes Anhalten der Stimme beim 
Vortrage ganz eng an den Hanptbegriff an , zu welchem sie als 
Erläuterung gehören. Dergleichen Nebensätze nun durch kein 
Komma von den Hauptsätzen abzutrennen, das haben die Franzo* 
sen wenigstens für ihre mit que beginnenden Nebensätze als Re* 
gel eingeführt , und auch in das Deutsche hat man es hin und wie- 
der verpflanzen wollen, ohne jedoch hierin tn einem consequentea 
Verfahren zu gelangen. Da aber nach dem antiken Interpanctiona^ 
princip das Komma und Kolon nur Maasszeichen für das kürzere 
oder längere Anhalten der Stimme sind und sich blos quantitattf 
von einander unterscheiden: so ist daraus bei uns das Interpune- 
tionsverfahren entstanden , dass man ohne Rücksicht auf das qn«^ 
iitative Verhältniss der Sätze statt des Komma ein Semikolon setzt^ 
wenn dasselbe für die Länge des Satzes zu klein wird oder schon 
für kleinere Unterscheidungen im Satze verwendet ist , und dass 
man umgekehrt vom Semikolon zum Komma zurückkehrt, wenn 
das erstere für den kurzen Satz als zu gross aussieht. Weil wir 
hierbei nicht die für das richtige Lesen nothwendige Pause, soih 
dern blos die Länge oder Kürze des Satzes und die daraus entsteh 
hende grössere oder kleinere Erschöpfung des Athems in Betracht 
ziehen: so sind wir zu dem seltsanMH Schwanken gekommen, dass 
wir z. B. zwischen Vorder- und Nalhsatz bald mit Komma, bald 
mit Semikolon, manchmal wohl auch mit Kolon interpungiren. 
Allein alle modernen Sprachen haben, soviel dem Ref. belaant 
ist, in der Mitte der Sätze drei Interpunctionszeichen, das Komma^ 
Semikolon und Kolon , und diese können schwerlich , wie bei de« 
Alten, nur quantitativ von einander verschieden sein: denn es läset 
sich in der Mitte der Sätze eine dreifache Abstufung des Anhal« 
tens der Stimme nicht gut unterscheiden. Deswegen hat man 
auch in dem herkömmlichen Interpunctionsverfahren nicht recht 
gewusst, was man mit dem dritten Zeich oi anfangen soll, und das 
Kolon ist bei uns entweder zu einem blossen Anführungszeicheii 
herabgedrückt, oder bleibt nur der Nothbehelf -für die wenig«« 



' )08 Römische LiteraUir., 

Fälle der Satzgestaltun^ , in welchen das Semikolon schon ge- 
braucht ist und das Punkt noch nicht eintreten kann , so dass nun 
das Kolon als das zwischen beiden liegende Zeichen nicht eine 
besondere grammatische Gestaltung des Satzes angiebt, sondern 
nur eine kalligraphische Vergrösseraug des Semikolons Ist. Eine 
weit angemessenere und zugleich naturgemässere Bedeutung aber 
erhalten diese drei Interpnnctionszeichen , wenn man Ihnen einen 
qualitativen Werth beilegt und sie mit der qualitativen Elgenthum- 
lichkeit der Sätze In Verbindung bringt. Qualitativ niimlich geben 
die verschiedenen Sätze der Sprache den dreifachen Unterschied, 
dass sie entweder aneinander gereiht sind, oder dass der zweite 
dem vorhergehenden entgegensteht^ oder dass der hintere aus 
dem vorderen hervorgeht. Darnach aber stufen sich auch die drei 
Interpunctionszeichen qualitativ so ab, dass das Komma die coor- 
dlnirten und subordinirten Sätze, das Semikolon die adversativen 
Sätze von einander trennt, und das Kolon vor einem consecutiven 
oder explicativen Satze seinen Platz erhält. Auf diese qualitative 
Bedeutung der Zeichen nun hat der Herausg. seine Interpunction 
surüokgeführt, und für die deutsche Sprache als Interpunctions- 
gesetz aufgestellt, dass alle coordinirten Sätze durch Kommata von 
einander geschieden werden und dasselbe Komma auch jeden Me* 
bensatz von dem Hauptsatze trennt, sobald derselbe entweder liin- 
ter dem Hauptsatze oder In der Mitte desselben steht; dass da* 
gegen ulle Adversativsätze mit aber, jedoch, indess, allein 
n. s. w. durch Semikolon von einander geschieden werden , und 
dass endlich die Folgerungssätze mit daher, deshalb, darum^ 
also, folglich, und die Erkiärungssätze mit denn und näm- 
lich durch ein davorstehendes Kolon eingeführt werden. Bei 
coordinirten Sätzen, die durch und verbunden sind, kann das 
Komma wegbleiben und wird sogar mit Recht weggtelassen^ wenn 
diese Copulativsätze ein gemeinschaftliches Subject haben und bioa 
im Verbal- und Objectsbegriff auseinandergehen Ebenso inusaeii 
Folgcrungs- und Erklärungssätze, wenn sie zur logischen SeibBt-* 
ständigkeit aufsteigen, von dem vorhergehenden Satze durch ein 
Funkt getrennt werden* .Dangen tritt vor den sogenannten Hin- 
tersätzen allemal ein Semikoldh oder Kplon ein, je nacjhdem sie 
nämlich Adversative oder consecutive Bedeutung haben. Die 
. Unterscheidung der Vorder- und Nachsätze soll überall durch ein 
Kolon gemacht werden, sobald sich der Nachsatz mit so anfängt, 
weil dieses so eben das Zeichen ist, dass er als Folgerung aus 
dem Vordersatze hervorgeht. Dagegen erhalten Nachsätze, die sich 
mit doch, jedoch und dennoch anfangen, ein Semikolon, In- 
dem sie dem Vordersätze adversativ entgegentreten. Dieses In- 
lerpunctionsverfahren gehört allerdings nnr der deutschen , oder 
überhaupt den modernen Sprachen an, und es konnte überhaupt 
erst zur Erkenntniss kommen, als man anfing, die Sätze nicht bloa 
nach ihrem quantitativen Umfange, sondern auch nach ihrem 



Horatii opera y^edid. Sapfle et Jahn. 209 

qualitaihen Werthe zu betrachten, — eine Betrachtungsweise, 
die den alten Grammatikern im Ganzen fremd geblieben ist. Allein 
da der grammatische Satzbau aller Sprachen in seiner Formge- 
ataltung auf den qualitativen Werth der Sätze begründet ist, und 
da es für den Innern Bau der Satze nicht störend wird , wenn man 
auch den Interpunctionszeichen eine qualitatire Bedeutung bei- 
legt : so hat der Herausgeber kein Bedenken gehabt, dieses mo- 
derne Interpunctionsgesetz auch in den Schriften der Alten anzu- 
wenden , und er hofft vielmehr durch dasselbe eine Erleichterung 
des Verständnisses bereitet zu haben, weil nun die Interpunctions- 
zeichen zugleich ein äusseres Merkmal für den qualitativen Werth 
der Salze sind. Da aber in den römischen Schriftstellern bei ihrer 
rhetorischen Periodologie öfters ein Satzban eintritt, in welchem 
die längere u4id ausgedehntere Verkettung und Verbindung vieler 
Einzelsätze unter einander einen so häufigen Gebrauch des Kom- 
mas und Semikolons nöthig macht, dass dieses Zeichen zuletzt 
nicht mehr ausreichen will, und da namentlich bei Eintheilungs- 
aätzen und bei dem Gebrauch der Anapher Satzfügungen vorkom- 
men , für welche man verschiedene Kommata oder Semikola nö- 
thig haben würde : so ist für solche Fälle als zweite Interpunctions- 
regel das antike Interpunctionsprincip beibehalten, d. h. das Komma 
mit dem Semikolon ^ dieses mit dem Kolon und das Kolon mit dem 
Punkt vertauscht, sobald das kleinere Zeichen zu gering wurde. 
Es durfte dies um so leichter geschehen^ da es ja auch in den 
modernen Sprachen ein Interpunctionsgesetz ist, dass, obgleich 
adversative und consecutive Sätze ein Semikolon und Kolon bean- 
spruchen , doch die adversativen und consecutiven Satztheile nur 
durch Kommata, also durch das kleinere Zeichen, von den jhnen 
entgegenstehenden Satztheilen unterschieden werden« Uebrigens 
ist dieses%zweite Interpunctionsprincip nur subsidiarisch gebraucht 
und als dem ersten untergeordnet blos da angewendet, wo entwe- 
der gleichförmige Haupt- und Nebensätze wegen längerer Aus- 
dehnung und gehäufter Einwebung von Nebeubestimmungen eine 
grössere Erschöpfung des Athems und also eine grössere Pause 
nöthig machen , oder wo die granunatisch - gleichförmigen SStze 
doch in ihrer logischen Bedeutung von einander verschieden sind 
und demnach die Betrachtung xard övviöiv über den grammatischen 
Bau treten muss, wie z. B. wenn vor einem relativen Qui ein Se- 
mikolon oder Kolon steht , weil dieses Relativum dynamisch statt 
eines Demonstrativs oder Determinativs steht und nur äusserlich 
dem Satze .den Schein eines Relativsatzes giebt. Noch seltener 
ist der Interpunctionsgrundsatz angewendet, dass z B. bei der Zu- 
sammenstellung kleinerer Sätze, die sich in ihrer Gesammtheit 
schnell übersehen lassen, der mit so eingeleitete Nachsatz nur 
durch ein Semikolon oder Komma, der Adversativsatz nur durch 
ein Komma unterschieden Ist^ weil das gewählte kleinere Zeichen 
hier keine Beeinträchtigung der Klarheit erzeugen kann. Wie 

iV. Jahrb, f, PkU, u. Päd, od, KrU. ßibl, Dd. L. »ft, 2. \4 



810 Romuche LitermUir, 

weit DOD aber die Interpunction des Henosgelien naeh dem gege- 
benen Princip consequenter uod deutlicher geworden sei , da in 
andern Ausgaben, das mögen diejenigen beurUieilen, welche der 
Uebeneugung sind, dass durch ein solches Zurückfuhren des Inter« 
punctionswesens auf Regelmässigkeii das Verstandniss der Schrifl- 
aleller selbst erleichtert werde. Um übrigens hier noch derjeni- 
gen grammatischen Interpunctionsseichen su gedenken, welche 
nach der Theorie des Herausgebers kein besonderes Gepräge dea 
Satzbaues anaeigen, sondern nur zur höhern Yerdeotlichnng die- 
nen : so sind dahin gerechnet das Kolon , wenn es als AnfubraogS' 
leichen dient , und ebenso die für denselben Gebrauch verwendeten 
Gänsefusschen (99 '^); desgleichen das Parenthesenseichen, wel- 
ches übrigens in der Ausgabe nicht durch die gewöhnlichen Haken 
( ), sondern durch kurze Pausenstriche (- -) gemacht ist; end- 
Hch die langen Pausenstriche ( — ), welche.ein Unterbrechen der 
Gedankenreihe, ein plötzliches Uebcrgehcn zu einer andern Vor- 
stellung, oder überhaupt einen anffalienden Wechsel der Rede 
anzeigen. 

Aus dem bisher Mitgetheilten wird wohl hinlänglich klar 
sein, wie weit in beiden Ausgaben die nothwendigen Forderungen, 
die man an einen für denSchaigebraach bestimmten Textesabdruck 
machen darf, erfüllt sind. Und da dieAusgabe Nr. 2. ausser der Vor- 
rede keine weiteren Zugaben enthält, so ist deren Eigenthümlich- 
keit im Obigen vollständig beschrieben. Hinsichtlich der Ausgabe 
des Hrn. Süpfle aber Ist noch der beigegebenen Varietas iectio-. 
nis zu gedanken, zumal da er derselben einen besondern Werth. 
beizulegen scheint, und sich darüber in der Vorrede also aus- 
spricht: „Si verum est, orationem cuiuslibet scriptoris, si proba^ 
ai vera, si recte interpuncta exhibetur, pro optimo ipsam esse 
commentario: non minus Terum ilhid videri debet, lectionis varie- 
totem y quam dicunt, magno huic ipsi rei esse subsidio et quaai 
adminicuio. Quum enim vix ullus inveniatur scriptor, in quo non 
multa sint dubia et impedita: illa, quam dixi, lectionis Tarietaa 
non solum, id quod per se magnum est, locum fliquem difficüio- 
rem esse indicat, sed etiam, eae difficultates quemadmodum sa- 
perari possint , non raro viam quasi commonstrat. Gerte id quidem 
nemo rerum scholasticarum intelligentior negabit, In eiusmodi 
acriptore, qualis Horatius est, scripturae varietatem, at selectam 
et iusto certoque modo inatitutam^ quam unam scholis deberi 
equidem existimo , discentibus et utilem et vero etiam gratam fore. 
Sed quid dicam, ii optime intelligent , qui, quod Tolui, ipsi dudum 
in scholis factitarunt.^^ Da hier der Hr. Herausg. einen doppelten 
Nutzen, nämlich die Förderung eines bessern Verständnisses 
schwieriger Stellen und Gebrauch für die Jugendbildnng, Ton 
einer solchen Variantenauswahl erwartet, aber den Weg, wie sie 
dafür benutzt werden soll, nicht weiter angiebt, sondern als einen 
durch die Praxis längst bekannten bezeichnet : so muss Ref., da er 



Horatii opera, edid. Supfle et Jahn. 211 

für seine Person das Betreiben der Wortkritik bei dem Unterrichte 
für ziemlich unnütz und fruchtlos. hält, wohl zuvörderst die Ein-» 
richtung der mitgetheilten Variaotenauswahl beschreiben. Diese 
Einrichtung besteht darin, dass zu den einzelnen Gedichten eilt- 
zeine Varianten undConjecturen ohne die Namen der Handschriften ^ 
und ohne die Namen der Geiehrteil, von welchen die Gonjecturen 
herrühren, sowie ohne Angabe der Gründe, warum sie gemacht 
sind, einfach aufgezählt werden, wie dies am besten klar werden 
wird, wenn wir zu^en ersten Oden des ersten Buchs diese Va- 
rietas lectionis vollständig abschreiben. Zu Ode 1. ist folgende 
Auswahl gegeben: Vs. 3. Olympium (im Text Olympicum). 7. «o- 
bilinm (i. T. mohüium). 13. demoveas (i. T. dimoveas), 17. tutä^ 
de coniectura (i. T. rurd). 29. Te, de conieciura (!• T. Me). 35* 
inseres (i. T. inseris), 36. Sublimis (i. T. Sublimi). Od. 2. 2, 
rubenii (i. T. rubente). 10. palumbis (i. T. columbü), 31. caft» 
denti (i. T. candentes). 39. Morst ^ de coniectura (i. T. Maurt), 
46. Quirino (i. T. QuiriniX Od. 3. 8. Ut (i. T. Ei). 18. rectis^ 
de coniectura (i. T. siccis), 19. turbidum (i. T. turgidum). 20; 
aUa Ceraunia (i. T« Acroceraunia). 22. dissociabiies ^ de coni. 
(i. T. diasociabili), 37. .arduum (i. T. ardui est). Od. 4. 8. vi" 

ait (i. T. urit). 12. agnam haedum (i. T, o^/id u. haedo), 

19. Lycidam (i. T. Lycidan). Od. 5. 8. U^ mirabitur; demi- 
tabitur , rfe com. (i. T. Emirabitur'). 14, humida (i. T. ^uvidä). 
Od. 6. 2. fl/f7i (i. T. a^iVe). 3. Qi/fl^ rem cunque (i. T. Qwdm rewi 
cunque). 7. duplices (i. T. duplicis), 14. Troio (i. T. Troico). 
15. Merionem (i. T. Merionen), In gleicher Weise geht die Auf- 
zählung der Varianten auch in den übrigen Gedichten fort, nur 
dass die Auswahl bald reichlicher bald sparsamer Ist, manchmat 
auch Verschiedenheiten der luterpunction bemerkt, an ander« 
Stellen aber übergangen sind. Ausgewählt sind namentlich solche 
Varianten und Gonjecturen, welche entweder in den gangbarsten 
Ausgaben im Texte stehen , oder in der neusten Zeit Vertheidiger 
gefunden haben; jedoch herrscht darin keine Consequenz, und es 
fehlen nicht wenige Varianten , welche um beider Eigenschaften 
willen Aufnahme verdient hätten. Was man aber mit den aufge^ 
zählten Lesarten machen soll, das ist dem Ref. nicht hinlänglieb 
klar, und er kann daher kein entschiedenes Urtheii darüber abge-» 
ben. Für die Ausübung der sogenannten diplomatischen Kritik 
sind sie natürlich^ nicht zii brauchen, weil die Angaben der Namen 
und des Werthes der Handschriften gänzlich fehlen. 'Uebrigens 
gehört auch diese diplomatische Kritik gar nicht in die Schule, 
weil sie der Schüler nicht versteht nnd weil für dessen Geistes- 
bildung wenig oder nichts daraus zu gewinnen ist. Höchstens 
kann man etwa in einer gelegentlichen Auseinandersetzung den 
Schillern der obern Glassen erzählen, wie sich die Handschriften 
der alte)i Schriftsteller zu den Texten der Ausgaben verhalten, 
Mrje sie der Kritiker für di^ Teiitesverbesserung henutzt, wie weit 

14* 



212 Römische Literatar. 

vtid unter welcheo Einschränkungen er daraus den Originaltext 
des Schriftstellers herstellen zu können hoffen darf, wo er sich 
für berechtigt hält von ihnen abzuweichen, und in wiefern deren 
Benutzung in der neuern Zeit eine vollkommnere und gewisseu-r 
baftere geworden ist als früher. Eine solche Mittheilung nämlich 
wird einerseits den Schülern eine relative Einsicht in das wichtige 
und schwierige Geschäft der Kritik gewähren und sie zur Anschau-^ 
ung des allgemeinen Wesens und Zweckes derselben fuhren , an- 
dererseits sie darauf aufmerksam machen , warum es für sie wich* 
tig sei, dass sie sich von den alten Schriftstellern immer solche 
Ausgaben anschaffen, deren Text mit der höchsten und sorgfältig- 
sten kritischen Genauigkeit berichtigt ist. Im Horaz kann man, 
wenn mau etwa Gelegenheit nimmt, dergleichen Stellen zu be^ 
sprechen, die von den Krilikern für Interpolationen angesehen 
worden sind , auch noch Veranlassung haben , den Schülern übet 
Peerlkamp's Hypothese Einiges zu sagen , nach welcher alle vor-^ 
handeuen Handschriften des Dichters durch die Textesrecension 
des Mavortitts entstellt sein sollen. Doch keuneii alle solche Mit- 
theilungen nur in der Form positiver Belehrung gegeben werden^ 
und ein beurtheilendes und discutirendes Eingehen auf die Sache 
ist zum allerwenigsten Verschwendung von Zeit und Mühe. Ob 
aber in der Schule eine Auswahl von Variauteu für das bessere 
Verständniss des Schriftstellers oder für gewisse sprachliche, lo- 
gische und ästhetische Erörterungen brauchbar sei, das ist eine 
Fra^e, die nur unter grosser Einschräuknng mit Ja beantwortet 
werden darf. Zuvörderst muss Ref. hier verneinen, dass der 
Schüler für sich im Stande sei, dergleichen Varianten, wenn sie 
ohne alle Specialerörterung mitgetheilt sind , zu solchem Zwecke 
mit Erfolg zu benutzen , weil er bei den meisten gar nicht wissen 
wird, was sie bedeuten sollen, und bei den wenigen, wo er dies 
erräth, durch bessere uud einfachere Mittel aufmerksam gemacht 
werden kaun, über das sprachliche uud sachliche Verhältuiss der 
Stelle nachzudenken oder die ihm zu Gebote stehenden Hülfs- 
mittel zu befragen. Deshalb ist in Schulausgaben für den Scha- 
lergebrauch die Anführung von Varianten entweder jederzeit etwa». 
IJeberflüssiges,'Oder sie haben nur für den einzigen Fall einen 
Zweck, dass mau alle diejenigen Lesarten zusammenstellt, welche* 
in dem Texte solcher Ausgaben stehen, die gewöhnlich in den 
Händen der Schüler sind. Diese letztere Zusammenstellung näm- 
lich kann den Schüler und Lehrer veranlassen, sich um Sinn und 
Bedeutung solcher Textesabweichungen zu kümmern, welche beim 
Dliterricht vielleicht in Betracht kommen müssen , weil sie sich 
in den Ausgaben der einzelnen Schüler vorfinden. Indess ist auch 
qine solche Zusammei>stellung mehr für den Lehrer, als für den 
Schüler von Wichtigkeit. Wenn nun aber blos der Lehrer von 
Varianten beim Unterriebt Gebrauch machen kann: so gehören 
dieselben auch nur iu solche Ausgaben y welche specleli für deu 



Horatii opera, edid. Sopfle et Jahn. 21 S . 

Handgebrauch des Lehrers bestimmt sind, und dann muss auch 
ihre Auswahl und Gestaltung anders sein , als sie in der Ausgabe 
des Hrn. Siipfle ist. Um zunächst den Lehrer auf Torhaudene 
Schwierigkeiten der Texteserklarung aufmerksam zu machen, dazu 
reicht eine gegebene Yariantenauswahl gar nicht, aus, entweder 
weil die Schwierigkeit gar nicht in der Wortverderbniss , sondern 
in der schwankenden Deutung der Worte liegt , oder weil aus der 
blossen Variante das Wesen der Schwierigkeit nicht ersichtlich 
ist, und darum kann hierfür nur ein Commentar, oder eine solche 
Varietas lectioniä nützh'ch sein, in welcher zugleich angegeben ist, 
worin man die Schwierigkeit zu suchen und wie man sie etwa sa 
beseitigen habe. So ist es z. B. in der ersten Ode des Horaz eine 
grosse Schwierigkeit, dass man die Worte terrarum dominos rich- 
tig deute ; allein durch welche Variante soll denn dies klar ge* 
macht werden? Die Anfuhrung der Variante Olympium in Od. 
1. 3. kann den Lehrer etwa veranlassen, dass er über den Bedeu- 
tungsunterschied des pulvis Olympicus und des pulvis 0lympiu9 
[vgl. Jahn z. Virg. Aen. I 119.] nachdenke; allein woher soll er 
denn ohne Commentar errathen , dass er über die Richtigkeit des 
Ol t/mpicum un& Olympium nur erst entscheiden kann, wenn er 
darüber imKlaren ist, ob dort das Wohlgefallen an den Olympischen 
Spielen von den Griechen oder von den Römern zu verstehen sei, 
und ob er die terrarum dominos als Apposition zu ad deos oder 
zu quos beziehen müsse? In gleicher Rathlosigkeit wird er wahr^ 
scheinlich auch bei dem mobilium und nobilium in Vs. 7. bleiben, 
so lange er nicht über den Sinn und Zusammenhang der ganzen 
Stelle eine anderweite Aufklärung erlangt'hat. In streng kritischen 
Ausgaben, wo dergleichen Varianten durch die beigesetzten Na<» 
mcn der Handschrr. eine diplomatische Geltung erhalten , da m^ 
gen sie Immerhin ohne andere Erläuterung bleiben, weil dort eben 
durch die Namen der Handschriften die äussere Auetori tat be- 
zeichnet ist, velche den Lesarten beigelegt werden soll. AUeiQ 
wenn jemand Varianten für irgend einen exegetischen und sprach- 
lichen Gebrauch anführen will: so muss er nothwendig auch Merk« 
male hinzufügen, woraus deren exegetische und sprachliche Ver- 
wendung ersichtlich ist. Jede Variante, welche den Sinn des 
Textes verändert, regt zwar die Frage an, ob nun die eine oder 
die andere Gedankenausprägung besser zum Zusammenhange des 
Ganzen passe; allein da so viele Varianten nur dadurch erst exe^ 
getische Wichtigkeit erhalten, weil irgend ein Erklärer eine be- 
sondere 'subjective Ansicht an sie angelehnt hat : so kann man 
deren Bedeutsamkeit und Werth nicht eher beurtheilen , als bis 
man die individuelle Meinung kennt, wodurch eine solche Variante 
zu einer wesentlichen wird. Dies gilt namentlich von fast allen 
Conjecturen, sobald dieselben um eines andern Zweckes willen 
gemacht sind, als um einen in die Augen fallenden Sprachfehler sn 
verbessern. Wer soll denn z. B. wissen , was er Od. L 1. 17. und 



S14 Rtebdie Literatar. 

89. mit deo Conjectnrea iuia nml Te anfaBgen soll, wenn er nicht 
die Grunde kennt, warom sie gemaclit aindt Was gellen Od. I. 
5. 8. die Varianten Ul mirabitur und Demirabiiur^ wenn nidit 
binxu^eaetat iat, daaa Bentley das a%al^ dQtiiiivav Emirahüur' 
nicht dulden wollte und nicht au erküren woaate? Waa soll die 
Angabe, data Peerlkamp in Od. 1. die Verse 3—5. 9. 10. 30. 35., 
in Od. 2. Vs. 5—12. 17—24. 26—29. 34. 38—40. für nnicht er- 
klärt hat, woin man nicht weiss, warum er das thst? Seine 
Grunde beruhen ja meistentheils so sehr auf subjecti?er Meinung^, 
dass man sie nicht errathen kann. Somit moss denn Ref. durch- 
aus Terueiuen , dass eine Variantenauswahl, wie die Ton Hm. Supfle 
gegebene, für den Lehrer ein Hulfsmittel zum bessern Versland- 
niss des Dichters werden könne. Dabei will er noch gar nicbt 
erwihnen , dass die Auswahl für diesen Zweck höchst nn?oflstlii- 
dig ist, und dass sich Hr. S. oft selbst nicht klar gemacht in haben 
acheint, welches die wahrhaft schwierigen Stellen im Horasslnd» 
Wenn in Od. 1. 29. das Ton Wolf in Schutz genommene te nodi 
dner Beachtung werth war: so durfte in Vs. 35. das angefochtene 
fuodsi nicht mit Stillschweigen übergangen werden; und wenn in 
Vs. 17. Bentle/s /tf/a , dessen Widersinnigkeit Peerlkamp nach- 
gewiesen hat, zur Prüfung Torgefuhrt wird: so verdient in Vs. 9* 
das von Peerlkamp gegen proprio horreo erhobene Bedenken weit 
grössere Beachtung. In Od. I. 7. 6. ist es eine Kleinigkeit, dasa 
fnr celebrare et Undique ancji celebrare Indeque gelesen wird ; 
aber der durchaus seltsame Singular plurimus dicit fnr Pturhni 
dibunt in Vs. 8. ist ein wahrer Stein des Anstosses. In Od. I. 11. 
1. ist neben der Texteslesart quaesieris^ scire nefas^ quem mihi 
etc. die Interpunctionsvariante quaesieris scire ^ nefas^ quem 
mihi angeführt ; aber wesentlich war dort aliein die Bemerkung, 
dass es sich darum handelt, ob die Worte scire nefas nur 
eine eingeschobene Intcrjection sind , oder ob sie das Object sh 
quaeaieria bilden, zu welchem dann die Worte qu^m mihi, • .ß" 
nem di dederint als Epexegese hinzutreten. Und da Hr. 8. in 
dieser Stelle auf die Verschiedenheit der Interpunction hingewie- 
sen hat: so war es gewiss noch weit wichtiger, zu Od. I. 3. 6. an* 
anmerken , dass die Dativen finibus Aiiicia von vielen Erklärern 
nicht mit Reddas^ sondern mit Debes verbunden werden. Doch 
wenn die Süpfle'sche Variantenauswahl nicht dazu taugt, dem 
Lehrer das bessere Verständniss schwieriger Stellen zu crleich- 
lern: nun so taugt sie doch vielleicht dazu, ihn auf allerlei nütz- 
tiche Spracherörterungen aufmerksam zu machen. Nun ja, Va- 
rianten , wie rubenti und rubente Od. I. 2. 2. , Lycidam und Ly- 
eidan I. 4. 19., candenti und candentes I. 2. 31., sublimis und 
eublimi I. 1. 36., arduum und ardui I. 3. 37., Quirino und Qui- 
tini I. 2. 46., agnam und agna I. 4. 12., inseria und inaer es I. 1. 
95., dimoveaa und demoveaa I. 1. 13. , turgidum und turbidum 
L 8. 19., Columbia vaA palumbia L 2. 10., können lu allerlei 



Horatii opera , edid. Süpfle et Jahn. 215 

sprachlichen Erörterungen Veranlassung geben, -t- und wenn 
diese Erörterungen auch von der Art sind, dass jeder nureinigcr- 
maassen gewandte Lehrer sie auch ohne den äussern Anstoss einer 
. dastehenden Variante machen wird : so bleibt es doch immer be- 
quem, auch durch solche äussere Merkmale zu ihnen veranlasst 
zu werden. Allein alle sprachh'chen und sachlichen , grammati- 
schen, logischen und ästhetischen Erörterungen , welche der Leh- 
rer neben der nothwendigen Erklärung des Schriftstellers in den 
Unterricht einwebt, sind nur dann angemessen und fruchtbar, 
wenn sie in angemessener Stufenfolge vorgenommen , nicht aber 
bunt unter einander gemengt werden, so dass etwa jedesmal er- 
läutert werden soll, wozu der Text eben Veranlassung giebt. 
Wie nun jene Stufenfolge gerade sein müsse, das hängt zwar in sehr 
vielen Punkten von dem individuellen Lehrgänge des Lehrers und 
von dem intellectuellen Zustande der Schüler ab , und der Heraus- 
geber einer Schulausgabe alter Classiker kann seine exegetischen 
und kritischen Mittheilungen nicht immer so aneinanderreihen, 
dass er in ihnen auch eine gleichindividuelle Stufenfolge beobach- 
tete. Indess gewisse allgemein gültige Rücksichten und Bezie- 
hungen auf jene Abstufung hat er allerdings festzuhalten, und 
namentlich soll er seine. kritischen und exegetischen Zugaben nach 
dem Standpunkte und Bedürfnisse der Classe messen, in welcher 
der herauszugebende Schriftsteller gewöhnlich gelesen wird. 
Diesen Umstand aber scheint Hr. S. bei seiner Variantenauswahl 
gar nicht bedacht zu haben. Horaz wird in der Prima der Gym- 
nasien gelesen , und da wird der Lehrer doch wohl nicht mehr 
über Casusformen , wie ruhente und ruhenii^ Lycidam und Ly- 
cidan^ Merionem und Merionen^ Epjieaüm und Epheson^ über 
Terapusverschiedenhelten , me inseris und ifiseres, recinit und 
recinet fl. 12. 3.), oder über Moduswechsel , wie reget und regat 
(I. 12. 57.), oder gar über Schreibweisen, wie tum und tunc um- 
ständlich verhandeln sollen. Freilich soll er auch den Primanern 
gelegentlich sagen, wie es Horaz mit dem Gebrauche griechischer 
Wortformen hält, wie weit derselbe den determinativen oder de- 
monstrativen Gebrauch der Partikel tum und tunc vorzieht ; allein 
dergleichen Bemerkungen sind als kurzes positives Resultat ge- 
machter Beobachtungen mitzutheilen, und diese Beobachtungen 
gewinnt Niemand, wenn er an einzehien Stellen angemerkt findet, 
dass die Handschriften zwischen Casus- und Wortformen schwan- 
ken, ohne dass er zugleich auch über den Werth der Handschriften 
und über die Genauigkeit ihrer Vergleichung belehrt wird. Und 
wenn der Unterschied zwischen Ablativen auf e und f bei Horaat 
so wichtig sein soll ; warum ist denn da nicht auch das Schwanken 
der Handschriften zwischen den Accusativformen auf es und is 
beachtet worden? Ob ferner Od. L 1. 35. inseres oder inserisy 
I. 12, 3. recinet oder recinit j L 4. 12. agnam oder agna die besr 
sere Lesart sei, das kann nur die diplomatische Kritik entscheiden. 



216 Mathematik. 

und was darüber mit Schülern verhandelt werden soll, das ist nldit 
recht abzusehen. Derselbe Tadel trifft noch viele andere Varian- 
ten, welche Hr. S. aufgenommen hat: sie weisen auf Dinge hfo, 
die der Primaner schon weiss oder welche noch nicht in den Kreis 
seiner Beurtheilung fallen. Das Letztere gilt vor Allem von der 
Zusammenstellung der Peerlkampischen Verdächtigungen, mit 
welchen in dieser Gestalt nicht einmal der Lehrer etwas anfan- 
gen kann. 

Es würde leicht sein, gegen diese selecla varietas leeiiorHs^ 
wie sie Hr. Süpfle gegeben hat, noch weitere Bedenken zji erhe- 
ben und namentlich die Bezeichnung, dass sie iusto certoque 
modo inslituta sei, in Zweifel zu ziehen. Allein es ist nicht de0 
Ref. Absicht, über diese kleine Zugabe, welche den übrigen 
Werlh des Buches weder verringert noch vermehrt, mit dem Yt 
weiter zu rechten. Die gemachten Aussteilungen sind nur erho- 
ben worden, um die Principfrage ihrer Entscheidung etwas niber 
SU bringen , ob und wie weit überhaupt eine sogenannte aeleeta 
lectionis varietas in eine Schulausgabe aufzunehmen sei. Dass 
sie Ref in den meisten Fällen für überflüssig ansieht, und ihr nnr 
einen Platz In solchen Ausgaben zugesteht, wo sie mit eriän- 
terudem Commeutar begleitet und zugleich mit aller Sorgfalt nach 
dem Bedürfniss und nach der Fassungskraft berechnet ist: dies 
nur sollte, hier als subjective Meinung hingestellt werden; aber 
die Leser mögen entscheiden , wie weit diese Meinung auch ob- 
jective Geltung hat. Jahn* 



Handbuch der Differenzial- und Integralrechnung 

von Dr. O. SchlömÜch, ausserord. Prof. an der Univ. zu Jena. Erster 
Theil. Differenzialrechnung. Mit 2 Kiipfertafeln. Greifswald, Otte. 
1847. 8. 

Unter allen Theilen der höhern Mathematik hat sich vielleicht 
keiner in so vielen rein idealen oder empirischen , ungeordnet^i 
oder scheinbar systematischen , inhaltsvolleil und leeren Formen 
dem prüfenden Blick des Analytikers dargestellt, als die Dlfferen- 
zial - und Integralrechnung in den 16 Decennien ihrer Entwicke- 
lung. Die Uranfänge dieser Theorie waren in der Form , welche 
ein Leibuitz und Newton ihnen gab , mit der Korvenlehre und 
Mechanik noch eng verbunden; d'AIembert zeichnete, an Newton 
anknüpfend, die Grundzüge der Grenzmethode; Euler suchte den 
Calcul von seinen Anwendungen zu abstrahiren und Lagrange, auf 
Euler's Schultern stehend, erhob ihn zu einer reinen Funktionea- 
theorie, wie er überhaupt allen analytischen Untersuchungen, in- 
dem er sie von jeder Abhängigkeit su befreien suchte , eine ab- 
strakte Form zu geben verstand. Dass aber gerade in den Formen, 
weiche das Wesen der Differentialrechnungen in sich aufnehmen 



Schlomilch : Handbach der Differenzialrecbnang, 317 

sollten., sich bald so überaus ^osse Verschiedenheiten seines, 
ist wohl erklärlich ; so leicht sich die Vergleichung und Verbin- 
dung des nur quantitativ Verschiedenen in eine systematische Fora 
fügt , so schwierig erscheint hier die richtige Auffassung des qiM* 
litativ Verschiedenen und die Vereinigung desselben unter einem 
höhern Gesichtspunkt. Mit der Idee des Unendlichen war anf 
einmal der beschrankte Zirkel einer einfach empirischen Methode 
durchbrochen und aus den Versuchen einiger berühmten Mathe- 
matiker, mittelst indirekter, oft sehr verwickelter Verfahrungs- 
welsen sich wo möglich von dieser Idee zu befreien, entsprang 
eine Mannigfaltigkeit der Form, welche einerseits wohl manchen 
Weg zu dem innersten Ileiligthume gebahnt hat, andererseits aber 
das einfache Wesen dieser Rechnung mehr und mehr zu v'er- 
schieiern droht. Man ist daher geneigt, ein neues Handbuch 
dieser höhern Rechnungsarten mit der Besorgniss zur Hand lu 
nehmen, dass ein wirklich oder scheiilbar neues System dieschod 
übergrosse Anzahl der bereits bekannten vermehrt, die etwas dun- 
keln Vorhallen des Lehrgebäudes aber doch nicht heller als früher 
beleuchtet haben möchte. Wir sind in der Mathematik, wie in 
der Philosophie zu einem Abschnitte gekommen, wo wir überhaupt 
weniger geneigt sind, uns einem individuellen Systeme der Gegen- 
wart anzu^chiiessen, als vielmehr die ganze Errungenschaft der 
Vergangenheit zu überschauen und aus diesem Ganzen specielie 
Re8ultate herzuleiten. Auch der Verf. hat in dem vorliegenden 
Buche, einige Einzelheiten abgerechnet, keine wesentlich neue 
Darstellung der Differenzialrechnung , kein originelles System ge- 
geben; er verdammt vielmehr von vorn herein die dem Deutschen 
angeborene, selbstgefällige Systematisirsucht; die aus eben dieser 
Sucht hervorgegangene Ableitungsrechnung wird wie das Spiel 
eines müssigen Kopfes über Bord geworfen, da sie allein keine 
Entwickelungsstufe in der fortlaufenden Ausbildung der Grössen- 
wissenschaft bilde. Als eine solche Stufe bezeichnet er aber die 
analytische Gestaltung des Stetigen nach einerden frühem 
Regeln der Rechnung mit discreten Grössen analogen Form und 
ohne Erforschung der Innern Natur desselben. Die Schwierigkeit 
dieser Betrachtung des Stetigen liegt darin, dass sich das, so zn 
sagen , im Fluss befindliche Wesen der stetigen Grössen nicht 
leicht in einer Form festhalten lässt , welche den Rechnungen mit 
discreten Grössen analog wäre, und dass es überhaupt auch vom 
philosophischen Standpunkte aus nicht leicht ist, das Stetige voll- 
kommen zu begreifen. Wenn aber der Geometer auch über den 
letztern Punkt gleichgültig hinwegsehen dürfte , so muss er dage^ 
gen mit dem grössten Interesse jedes Hülfsmittel benutzen, durcb 
welches einfache und sichere Üebergänge aus dem Gebiete des 
Discreten In das des Stetigen gewonnen werden können. Ali 
solch eine Vermittelung betrachtet der Verf. die Grenze, ^wel- 
cher sich^lie allgemeinen Funktionen einer veränderlichen Grösse, 



Si8 

vcaigiieMUiTicleBnUai^Mlieni, mtmm 4i€ VarnteLi wmum- 
geseUt waciiseB oder abacfameo. Mit doi^eo Bebpieiea sa die- 
«er OpeniioD des Greosabergaages, eineoi HaBpIfBomcote des 
liöbeni Calculs, bebl die Einleituo^ an. Die BesUmmiuig der 

swiicheo 2 und 3 Ifegendeo Grenze ron (1 +-) gi^bt dem Ver£. 

sogleich Gelegenheit, das Binomialtheorem für po»itirgaaxe Expo- 
nenloi originell, aber unter der etwas auffallenden Voräuaaetsnng^i 

daas man die Reihe 1+^ . i+^(^Ili2_.x*+ . . . ndion kenne 

«nd also Ton derselben ausgehe , sn beweisen. Jene Form lioi 

(1+-)"^) fuhrt aber zu der gewohnlich niit> bezeichneten Zahl; 

und die Grenzbe«timmung lässt also einen Uebergang gewioaen 
¥on dem Bereiche der einen Funktion in das einer andern; gerade 
In diesen Uebergängen liegt aber das Wesen der Differennal- 
rechnung, welche sich ungern in einzelne Stationen fugt; ein. ge- 
wandtes Erfassen der aus der stetigen Veränderung der Fnnkdo* 
neu neu herrorgehenden Formen derselben und der Beziehungen 
dieser Formen ist daher hier Tor Allem nothwendig. Erschien 
nun soeben die Potenz als die gemeinschaftliche Quelle der fixpo- 
nentialgrössen und Logarithmen, so deckt die unmögliche Zahl 
^—1 zugleich den Zusammenhang auf, welcher zwischen der E«x- 
ponentialgrösse (von der Form e') und den goniometrischen Fun- 
ktionen andererseits stattfindet. 

Dec Verf. stellt diesen Betrachtungen das Moiire'sche Theo- . 
rem nebst einigen Anwendungen desselben voran und giebt bei 
dieser Gelegenheit einen netten Beweis der Behauptung, dass 
A = a und Br=b sei, wenn A + Bi = a+ bi ist. Nachdem dann 
jedes aus einem reellen und imaginären Theile bestehende Binom 
in Form einer Exponentialgrösse dargestellt und zugleich der 
Uebergang vom Logarithmus zur cjclometrischen Funktion ge- 
wonnen Ist , stellt der Verf. in einem Schema nochmals die Haupt* 
beziehungen der Potenz und die aus ihr entwickelten, sich theils 
entsprechenden, theils widersprechenden Funktionen dar, ver- 
schmäht es aber mit Recht, sich hier in Details, welche in das 
Gebiet der algebraischen Analysis gehören, einzulassen. Ergeht 
vielmehr zu einer zweiten speciellern Einleitung über, welche sich 
gewjgsermaassen an Newton's'Principia anlehnt und demnach die* 
jenigen Probleme der angewandten Mathematik , In welchen sich 
Grössen nach dem Gesetze der Stetigkeit in Raum und Zeit biU 
den, scharf beleuchtet, zugleich aber auch die der reinen Geo- 
metrie angeliörigen Curven-Quadraturen und Rectificationen, Fiä- 
4^encomplanationeu etc. in's Auge fasst. Von dem oben angedeu- 
teten Standpunkte aus muss der Verf. natürlich vor Allem die 

*) Der Verf. sagt einigemal: „die vorgeschriebene Syib« Liin/' 



Schlömilch : Handbuch der Differenzialrechnang. 219 

Entstehungsweise der Raumgrössen untersuchen y die Za> 
sammensetzung derselben aus gleichartigen Theilen durchi^eg ia 
das algebraische Gebiet *) verweisen und überhaupt jede weiter 
entwickelte Grössenform durch die stetige Bewegung der einfa* 
cheren, ihr ungleichartigen, also z. B. die Fläche aus der stetig 
bewegten und zugleich nach einem bestimmten Gesetze stetig ver- 
änderten Geraden entstehen lassen. . Die Quadratur einer Curve 
.wird hier als ^^allgemeiner Typus^^ dieser Aufgaben, als das Haupt- 
problem der Integralrechnung an die Spitze gestellt. In dem 
hierzu gegebenen einfachen Beispiel ist in der Abscissenachse die 
längere Strecke OB mit b, die kürzere OA»niit a bezeichnet und 
AB (also b — a^ die Basis der Fläche) in n Theile {d^ , d^ u. s.w.), 
getheilt. Der vom Verf. hingestellten Gleichung Ä^ + dg + • • • 
+ ^n-i =^h — a fehlt mithin das letzte Glied d^. Die über dj , ö^^ 
• . . leicht construirten Rechtecke werden nun von der Gesammt- 
fläche subtrahirt und nachgewiesen, dass die Untersuchung der 
Grösse der übrigbleibenden Stückchen, gewissermaassen des ager 
subsecivus der ganzen Vermessung , auf die analytische Feststel«- 
lung der Grenzen führt, zwischen denen der begangene Fehler 
liegen tnuss. ' Zii dem Ende wird das Maximum der Ordluateor 
differenzcn =k eingeführt und dieses k durch Einschaltung immer 
neuer Ordinaten dem Grenzwerthe, welchem alle einer unbegrenz- 
ten Verringerung fähigen Grössen zueilen, der O, genähert. Durch 
diese Operation eines Grenzüberganges soll es nun möglich wer- 
- den , die zwei möglichen Entstehungsweisen einer Raumgrösse 
z. B. einer Fläche , die unorganische Anhäufung und den organi- 
schen Process, wie Hr. Schi, sagt, mit einander zu verbinden und 
die zweite auf die erste zurückzuführen **). Mit Recht wählt 
Prof. S. zur Veranschaulichung ganz einfache Beispiele z. B. f(x) 
=gx (zugleich einer physikalischen Deutung fähig), oder f(x).= 
gx^, wodurch wir zur Archimedischen Quadratur der Parabel ge« 



*) Hr. Scbl. sagt: „die algebraische Analysis beschäftige sich vor^ 
zuglich mit Beziehungen zwischen gleichartigen Grössen. '^ Es ist wohl 
geradezu zu behaupten, dass alle Ausdrücke in der Algebra homogen sind 
oder doch ihre Homogenität mittelst einfacher Umformungen hergestellt 
werden kann , wenn auch ungleichartige Ausdrucke z. B. in der Trigono- 
metrie vorzukommen s c h e i n e n. 

**) Wir sagten lieber die diskrete Häufung von Grössen einer nie- 
drigeren Klasse (hier trapezoidischer oder rektangutärer Streifen) zu 
einer stetig zusammenhängenden, sich allerdings einem gegebenen Bil- 
dungsgesetze nach, gewissermaassen organisch gestaltenden Grösse einer 
höhern Klasse (hier einem krummlinig begrenzten Flächenraum) zu er- 
heben. Die auf diesem Wege gewonnenen Integrale sind dann allerdings 
analytische Formen für die Probleme der sogenannten organischen 
Geometrie. 



S20 ' \ Matlieauitik. 

fiUirt werden. Man komte ebeoM y oder f(x)=gx* MsCsen. ' Dkt 
des Panbekchenkeln etwas ahnelodeD Arme der Corre ^hen in 
diesem Falle oaeh verschiedeDeo Seiten in*8 Unendliclie und mn 
findet F(x) (Flache &ber dem zwischen ond x liegenden Theil 

der Absdssenachse) = Um 1^^1(0) +f(^)+...+f^!lLlil?)l^ 
^ Um jg. ^ . A»+2»+ . . +(n^l)»^ [ . Da aber die kier 

entstandene Progression der 3. Ordnung bekanntlich l , * o j 
-^^^^^^^±5!. lst,8oerhaltmanF(x)^Um[gx*^ 

= ^. Schreibt man dafilr 'Lllil!), so stellt sich di» Fische 

4 , 4 - 

F(x) als ein Viertel des Rechtecks x • y daf, a. s. w. Auch w!krde 

furf(x) = gx°, F(x)^^^-^ werden, eine Formel , welche bo- 

n+1 

natzt werden kann ., um einen beliebigen aliquoten Theil von einenoi 
Rechtecke mittelst einer zwei diogoual gegeniiberliegende Ecken 
verbindenden Gurve abzuschneiden. — Aehnliche Rechnungen 
fuhren aber, obgleich sie möglich scheinen, oft auf Reihen, sa 
deren Summirung die Htilfsmittel der gewöhnlichen algebraischen 
Analysis nicht ausreichen *). Der Verf. zeigt, dass, nachdem man 
die ganze Beziehung umgekehrt hat, durch die Natur des F(x) 
eher f(x) , als umgekehrt F(x) aus f(x) zu bestimmen sei. Statt 
der Summirung einer Reihe haben wir hier blos eine Differens 
F(x-|-d;— F(x; zu entwickeln, dieselbe mit d zu vergleichen und 
auf diesen Quotienten den Grenzübergang anzuwenden. Obgleich 
nun dieses Problem offenbar indirect ist und es seltsam scheinen 
könnte, mit einer gewissermaassen negativen Operation zu begin- 
nen, so ist es doch das leichtere und führt unmittelbar in die 
Differeuzialrechnung ein, welche, so zu sagen, von den Wirkungen 
auf die Ursachen, von dem Gewordenen auf den Process des 
Werdens zurückgeht. 

Wir haben diesen einleitenden Bemerkungen absichtlich eine 
ziemliche Ausdehnung gegeben, weil wir durch dieselben die 
„kritische Methode ^^'''^) des Verf. und somit sein interessantes 



'*') Schon Euler hat, um die nicht summirbaren Reihen zu vermeiden, 
gezeigt, wie die Differenzialrechnung zur Herieitung summirbarer Reihen 
benutzt werden könne. 

**) Criterium ist eben deswegen ein vielgebrauchtes Lieblingswort 
unseres Verf., und allerdings muss man vor Allem nach Methoden suchen, 
die ihr Criterium in sich tragen und aliein zur mathematischen Gewissheit 
und Wahrheit fuhren. 



Schlorailch : Handbacb der Differenzialrecbnang. 22i ' 

Buch ebensogut 2u charakleriairen glaubten , als durch eine Tief 
Raum veriangende genauere Prüfung einer andern Eigenthümlich- 
keit desselben , nämlich einer besondern Virtuosität In der Bnt- 
Wickelung^ Beiirtheilung und Umwandlung der unendlichen Rei- 
hen. — An wesentlich neuen Resultaten bringt das Buch übrigens 
nur wenig. Die erste verhältnissmässig kurze Abtheilung ist der 
Theorie, die 2. vielfältigen Anwendungen derselben gewidmet. 
Jede Abtheilung zerfällt in 5 Kapitel. Das erste gieht die bekann- 
ten allgemeinen Begriffe und Fundamentalsätze, zunächst die nicht" 
geringe Anzahl von Bezeichuungs weisen. Das nach wie vor be- 
nutzte Gleichheitszeichen kann also hier bei Verschiedenheit der 
Form nicht die Identität des Werthes bezeichnen; es verbindet 
vielmehr Grössen , von denen die eine aus der andern sich ent- 
wickelt, Grössen, von denen die eine unter gewissen Voraussetiun- 

-^F(x) ^^ 
gen der andern gleich wird. Insofern ist f(x)-^Lim —^ 

^W = F'(x), wo jede Form eine neue Ansicht enthalt. Das 

2. Kapitel giebt Differenzialformeln für die einfachen Funktionen. 
Mit Hülfe einer sehr geschickten Elimination wird hier die für 

jedes beliebige \i gültige Formel Lim *i = ft bewiesen 

und aus dieser zugleich die Differenzialformel für die Potenz her- 
geleitet. In. dem 3. Kapitel geht der Hr. Verf. zu der Differen- 
ziation zusammengesetzter Ausdrücke, der Funktionen mehrerer' 
(abhängigen) Variabein und der unentwickelten Funktionen über 
und giebt besonders zu den letztern Theoremen mehrere Bei- v 
spiele *), aus denen wir hervorheben : f(x , y) — - x^ — y* =r 0, eine 
diophantische Gleichung in transscendenter Form. Danach wer- 
den die Differenzialformeln imaginärer Funktionen besonders des- 
halb genauer entwickelt, um mittelst derselben die Differenzial- 
formeln ganz verschieden gestalteter Funktionen unter einem 
Gesichtspunkt zu vereinigen, so wie sich auch in der analytischen 
Geometrie mittelst der keineswegs bedeutungslosen Imaginären 
Zahlen ein Fortgang von eüier oder zwei Diniensionen zu einer 
zweiten oder dritten gewinnen lässt. Die derivirten Funktioaen 
und Differenzialquotienten höherer Ordnungen , welche im 4 Ka- 
pitel behandelt und mit der schon in den Elementen vorkommen- 
den Wiederholung ein und derselben Operation verglichen werden, 
sind zunächst in ihrer freilich beschränkten geometrischen Be- 
deutung hingestellt "^"^^ In der Entwickelung der höhern Diffe- 

^) Die sorgsamste Wahl solcher Beispiele, an welc(ien sich die 
Hanptmometite der jedesmaiigea Betrachtung klar herausstellen, zeichnet 
überhaupt das vorliegende Bach aus. 

' **) Mit 'jeder Derivation ändert sich bekanntlich der Grad der 




Die iB^cpcs^catcB Bcstiai 

tmtrtUcutUm.i' 
Aertimi 

tm9f€aMe Falle u4 TnMfOTwtiMca ^c 
mmd, irt ^ordi ikrca Zmummruhni, hi 4cr Ealcr^ 
■•4 dem hikerm Düfercanalfsotkalca 4er 
FsaktMM» Will— ifjge»ettte« A— di i ck c bc4i^^ m «le auch 
irf(ls) iludiebe Betnchtu^eB enleitcC Dem ScUhb des 
4^Kap. Wdca die hohen Differeunl^oeCic^cs der Fa^kÜDBea 
■lehrercr OBabhiapf ea Variabela. Habca eich dcawach die vier 
entea Kaf Itel f anagvweiie aül der Koft der Methodik umi ele- 
gantea GesUltaag des hoben Calcob beachifti^ osd sidk dabei 
ansehe Di^eaaioB erlaobt , so aocht sich das fäalite, mm die Bm- 
leiluaf aakoopfend, m einer geaaueni UatersBchongder swiseheB 
einer Fooklioo oad ihren Derinrten stattfindenden Besiehon^en 
{r^tü einer Metaphysik des hoben Calciils''') zo erhchca. Yon 

der Gleichung F(x)= 

aosgehend, gewinnt der Vert' die allgemein^e 1 



,=M.|{r<o,+,(i)+..+,(=^)]} 

it der Verl die allgemein^e F(b)— F(a)^=JAi Ö 



Fanctjon ; e§ wäre aI«o pausend gewesen , Ton der dritten DimensioD bis 
2ü der j^nollten'^ fortznschreiten ; diese ielzte Fanction (F"', .), erscheiot 

f(x+a) — f(x) 

non hier, wenn man beachtet, das« Lim = tan w wird 

o 

(wo w den Winkel bezeichnet, welchen die an den der Ordinate f(x) rage- 
hörigen Punkt der Curve gezogene Tangente mit der Abscisseaachae 
bildet) ali Jeder räumlichen Ausdehnung beraubt; sie wird ein Punkt; 
tun w deutet nur noch an , welche Richtung jenes zwischen den Absds- 
•cn X und x-f-^ liegende Stückchen Curve annahm , ehe es zu dem für ein 
df welches wird, sich ergebenden Grenzwerthe überging. 

^) Der Verf. scheint uns überhaupt in dem Streben nach Eleganz der 
Form, welche vor Allem durch Gewandtheit in der Rechnung selbst and 
in Ihrer &usserlichen Beziehung , dann aber auch durch passende Substi- 
tutionen neuer und einfacherer Zeichen erreicht wird , Öfters zu weit zu 
gehen. Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, dass uns in vielen neuem 
l^ehrbüchern der Geometrie der entgegengesetzte Fehler unangenehm 
nufgefullcn Ist. Hier wird z. B. auf eine consequente Bezeichnung der 
IVoJnctioiiun auf die durch den Gegensatz der Richtungen gegebenen Vor- 
Kslohon + oder — u. s. w, noch nicht gehörig geachtet. " 



Scfalömilch : Handbach der Differenzialrechnung. ' !^$ 

jF'fa) + F'(a + «)+..+ F'(a + S=i .-d) ) , wo d = -^" 

deren geometrische Deutung leicht *) („fast triWal") ist. 

Aus ihr lässt sich der wichtige Satz herleiten, dass eine be- 
liebige iB'unktion während eines bestimmten Intervalles (von a bis b) 
beständig ab oder zunimmt, je nachdem ihre DeriVirte während 
des nämlichen Intervalies positiv oder negativ bleibt. Eine Er- 
weiterung in der Auffassung dieser Relationen ist durch die Glei-^ 
a>(a + h) — (a) _ a>Xa)+ ^^a + d ) + . > Hr 

chung ^3 ^ ,^) _ ^(^) —Lim -^^^^^ ^ ^/^^ + j) + . . 4. 

^'(a + n~.d) 

. -r = — vv angebahnt , indem der Satz benutzt wird, dass 

der Quotient zweier Summen seinem absoluten Werthe nach zwi- 
schen dem grössten und kleinsten der partiellen Quotienten liegt. 
Setzt man ferner voraus, dass die Funktionen 0(x) und ^(x) 
nebst ihren ersten Djflferenzialquotienten innerhalb des Intervalies 
von x=^a bis x=a +h stetig bleiben, und nimmt ^(x) innerhalb 

0(a + h)— ^a) 
desselben Intervalies blos zu oder blos ab. so ist -==7 — rx\ — ss^ 

' *F(a + nj — ^(ä) 

0'(a + Ah) , > > 
= «^Y Jiru\ ? 1 A__ 0, ein fruchtbarer Proportionssatz, der 

sich geometrisch construiren , beliebig erweitern und vielfach an- 
wenden lässt. Eine wichtige Anwendung giebt auch Hr. Schi, in 
der 2. Abtheilung. Ehe wir indessen zu derselben übergehn, 
können wir nicht umhin, uns über die grosse Zahl von verdruckten 
oder ganz fehlenden Wörtern und Operationszeichen zu beschwe- 
ren, welche meistentheils den Sinn völlig entstellen und das 
Buch besonders für den Anfänger zu einer schwierigen Lefctiire . 
machen dürften Wenn Correkturen nicht sehr viel Raum verr 
langten , würden wir über 60 bedeutendere anführen **). 

Die zweite Abtheilung zerfällt ebenfalls In fünf Kapitel , von 
denen wir das letzte, welches die wichtigsten Anwendungen' 
auf die Geometrie enthält, etwas kurz finden. Doch ist nicht zu' 
läugnen, dass der Verf. jede Gelegenheit benutzt hat, die analy- 
tischen Formen schon früher durch geometrische Gonstructionen 
zu veranschaulichen. Das 6. Kapitel betrachtet die unbestimmt^^ 

00 
scheinenden Werthe mancher Funktionen, als-g, -- , . 00, 0«, 

X — sin X 
oqO u. dgl. Dass 3 für x=0 den Werth J erhält, liess 



*) Die subjectiven Ausdrucke „sehr leicht , zu leicht , sehr einfach" 
kommen, überhaupt sehr oft vor. 

**) Auch in den Figuren 5 und 6 sind die Buchstaben Y und Y', 
T und T^ beziehlich zu vertauschen. Uebrigens sind die Figuren sehr 
gut gezeichnet. 



SS4 Mathenatik. 

•idi auch nomlttelbar aus der Sinasreihe hertdieo;. ebenso wird 

— j5 — ,furx=0, = 4; —^ ,furx=0,= — J u. «. w. 

g>(x) oo 
Da die Qaotienlfomi ~7-v^=- naher betrachtet ist, ao konnte 

anch der wahre Wcrth von g)(x) — ^(x)a=oo — oo anf^eaucht 
werden. Man findet s. B., wenn man statt g){x) ^zi^ ^^^ ^(') 

p gesetzt nnd für x den Werth 1 wählt, den Werth der Diffe- 
renz .== — 4. 

In dem 7. Kapitel werden die Maxima und Minima der Fun- 
ktionen einer Variabehi mit Benutzung des oben erwähnten Pro-^ 
portionssatses betrachtet. Zu den geometrischen Beispielen he- 
meriien wir nur, dass wir auch den negativen Werth, welcher eine 
Gleichung z. B. für die haib.e Höhe des aus einer Kugel heraus-* 
inaehneidenden Gyiinders u. dgi. giebt , in Betracht ziehen. Mms^ 
man die Höhe vom Mittelpunkt aus, so muss man auch beide 
Werthe , den positiven und negativen , geometrisch gelten lassen« 
Bei der Construction einer Seite jeder beliebigen algebraisebea 
Gleichung ist durch das Vorzeichen stets die Lage bestimmt*). 
Die Höhe des aus der Kugel geschnittenen Kegels von gröaster 

21 
'Oberflache, '1 + x = 1 + 7 4, /IT '* berechnet sich nicht 

= 1 (1 + 0,1798063 . . ), sondern = 1 . (1 + 0,1798058984 . . ). 
— Auch zu denMaximis und Minimis der Funktionen mehrerer 
von einander abhängiger Variabein sind interessante Beispiele ge- 
geben, z. B. die nicht vollständig lösbare Aufgabe, einen Punkt O 
in der Ebene eines Dreiecks ABC so zu bestimmen , dass die fiteo 
Potenzen vonAO,BOund CO zusammen ein Minimum geben. We 
Aufgabe, das grösste mit 4 gegebenen Seiten a, /3, y und d be- 
schriebene Viereck zu bestimmen , könnte auch auf die Aufsachnng 
des Minimums ausgedehnt werden. Hr. Schi, findet durch Diffe- 
renziation die Bedingungsgleichung sin (x + y) = 0, (wenn x und 
y einander gegenüberliegen), also x + yz:=:0<>, 180^, 360o, 540o 
(nicht 2700, wie es p. 171. heisst) und das Maximum ist also das 
^9 ßt y^ S construirte SehoenTiereck **). 

*) Bezeichnet man z. B. die Diagonalen eine^ Rhombas mit d und e, 
80 ist der absolute Worth der 4 Je^ io welche derselbe zerfällt, allerdings 
de 
-^ , von den einzelnen , in ihrer relativen Stellung zum Mittelpunkt des 

Rhombus betrachteten ^en sind aber je zwei Scheitel ^e mit gleicher. 
Je zwei neben einander liegende mit ungleichen Vorzeichen zu schreiben, 
also ontv^eder + ^de oder — ^ de. 

'*'*) Bei der Aufsuchung des Minimums konnte man erstens voraus- 



Schlomilch : Handbuch der Differenzialrechnnng, 

In den 8.^ Kapitel, dfcbi reicMiakf^steM de» fBnzeilr Bii€]ie8.,i 
stellt der Verf. die wichtigsten Theoreme des Taylor nnd Mae 
Latirin einnml als Anwendungen zweier schon oben erwähnten 
Sätxe des 5. Kap , danach aber in hetiristischer Entwickelung hii» 
und sucht — nach Lagning^'s Vorgang — ^- die Grenzen für de« 
Betrag des Restes d. i. des yernachlässtgten Theiles der Reihe zu 
bestimmen. Hierzu bemttzt er sogleich die Reihen für Potenz;, 
Logarithmus, Exponentialgrösse, Cosinus und Sinus selbst und 
forscht zugleich nach einem allgemeinen Kennzeichen, mit Hülfe 
dessen man dem F(x) gleich Im Voraus ansehen könnte, unter 
welchen Bedingnngen sich das ans demselben abgeleitete R^ *) der 
Null als Grenze nähert oder nicht. Der nothwendigen AHgemein- 
heit wegen werden aber zuerst die -Beziehungen zwischen f(8) 
und f '(z) bei imaginären Variabein antersacht und daravs der Be- 
griff einer Mittel grenze Tonf(z)furr als Modulus hergeleitet^ 
8« das« M. { f (z) I := Lim f(r) + f(r») + f(r»«)+ . . +£(,»-1), 

also ein arithittetlsches Mittel der «einzelnen Functionen wird. 
(Dabei mnss r so gewählt sein, dass, wenn man z =^ re *^ setzt, 
wo t beliebig ist, die Functionen f(z) und f^(z) stetig bleiben. 
Nachdem diese Mitteigrenze für einige Ftinetionen bestimmt ist, 
zeigt «ich ihre wichtigste Anwendung in dem Satze: „Wenn eine; 
Function Ffz) so beschaffen ist, dass sich f&r z = r (cos t+i sin t) 
ein Intervall (von) r:=0 bis r = r**) angeben lasst, innerhalb 
dessen bei beliebigen t und r, ^ r ^0 die genannte Function 
nebst allen ihren Differenzialquotienten ins Unendliche hinab ste> 
tig und endlich bleibt, so lässt sich dieselbe für alle diejenigen 
Werthe x=p (cos t + 1 sin t) in eine Reihe von der Form A+Bx 
+ Ci^ + . . . verwandeln , deren Modulüs g innerhalb jenes In- 
tervalls (von) bis r liegt und deren Argument t beliebig ist 
u. S; w.^^ — ein allgemeines Criterlum füfr den Mac Laurin'schen 
Satz , welches sich , wie der Verf. sehr richtig bemerkt , leichter 
vermuthen als beweisen, leichter als ein Aggregat von Bedin- 
gungen, welche zur, Functionsentwickelung nothwcndig sind, 
schwerer als Inbegriff aller zu dieser Entwickelung vollkommeit 
hinreichenden Bedingungen hinstellen lässt. Der folgende §. (42 
nach 40!) enthält nun Beispiele, unter andern eine elegante Um- 



setzen, dass nie 3 Eckpunkte des Viisrecks in eine Gerade fallen dürfen, 
ood man fände dann- ein sogenanntes uberschiagenes Viereck y dessen Be- 
trachtung uns indessen hier zu weit fuhren würde. 

♦) R„ = F(x) - [A^ + A, X + Ä.xa + . . + A„^i x-i]. 
♦♦) Anderemal sagt der Verf. von x = 0, bis x = x u. dgl., eine Be- 
zeichnungsform , welche demselben Zeichen x in derselben Gleichung ganz, 
verschiedene Bedeutungen giebt. Das obiga Theoren könnte übrigeps 
in eine gedrängtere Form gebracht werde». 

N. Jahrb. f. PML «. Päd, od. Krit. Bibt, Bd, L. Bft, 3. 1^ 




ifir 
Iwidkell vcffdcB. 
MkumAmakpm wm^{ 

BcnonlfTtclica ZaUca, 
Md.ldektaUcitcB.; 

Die Eiüwickeliui^ 4cr Beihai lir Me 

dic«e Betndaao^ ab. Bnt i 
iMhea aa 4as Mac Laoria'adie Thcatcoigeka&pftcB Di 
fca koBMBi 4cr Vcif . aof ibs ^e^caUenldiCBde Pirofclc 
9mmanrmm§ ^tgthemer RcihcB aiid BiiUiia aal dk Coarerg 
Diver^eos Jer aas dem Faactiaaea caUtaadcaca Krihra 
aprecben. Mit Recht iit ia 4ea aeoeni Dantellaagea der AaaljA 
iHcacr Paakt gaax bcaeadeft herro^cbobea wordea uai Hr. ScfaL 
hat ia aeiaer in vori^ea Jabre erscbieaeaea aad ebeafaUaia T 
Jabrbacbera betprocheaea algebraiacbea Aaalyaia die ~ 
aMate dieser Betracbtoagea gegebea. Mehrere BrackCeUer atft* 
wpu aoch hier dea Zotaauaeahaag. ***) AaaMr dca bciraaalra 
VergleichoB^ea der Reibea aiit geoaietriacbea Pro^resMaca bria^ 
Hr. Schi, aoch einige andere iatereaaaate Reihearcr^eMiaagea 



*) Zaiaflunengecetztere Faoktionen, wie Hr, Scbl. scbreibt. 
**) Bei dieser Gelegenheit gedenkeo wir eines der Blegaos des CA- 
cols forderlichen Vorschlags , welchen der Hr. Verf. macht, ooi d«a Tan- 
geAen^ nnd Sekantenreihen eine einfache Form za geben. Setst auui 

nSmlich tan x =^ T~ r~2~3 12345 + " ""^ *** xz=l + 

Gj X* J. ^4 ** 

1' 2~ ' ' .234 i • •» ^° ^^^ Buchstabe G, etwa wie e oder i, 
aine specifische Bedeutung erhalt, so werden die Bernoalli'schen ZaUea 
•ntbehrlich. Die ntc BernouUi'sche Zahl B^.., wird nämlich 
2n 



22B. (2*" 1) * 2n-l* 

♦♦*) Zweimal (p. 232, 4. u. 254, 12.) heisst es unendlich statt end- 

lieh. p. 259. ist Lim (für die Reihe x + 2x* + Sx» + . . ) nicht 

ts=z 1, sondern -.-= xj p. 260. ist nicht zu lesen T~7r^ < ^ /^ \n <Z 

*■ i.z.o..n \V ^) 

/ x \n x° ^ x" ^ / x \n 

V7;; -«"<J«''" ür:-;i<{/^y ^- ^- < (,7^; • ^uch war nns 
hier der Ausdruck Termenzahl auffaltond. 



^ Schul- uodUaiT«rdai8iiaairichi«ielc 297 

M, welche «nter Aadereio xor Beredmanf der Zahl x f&hren. 
Die Biitwlckelaog der Terschiedenen impliciteti Fanclioncn in 
Reihen, einer expliciten I^unctlon von einer impliciten und end- 
lich die durch das Theorem des Lagrange eingeleitete CJmkehrunf 
der Reihen Wird im 9. Kap. dargestellt. Anf die Aufgabe, aus 
x = a^y + ai y^ + SaJ' + .-.y «« entwickeln und iwar in 
einer nach Potenzen von x fortschreitenden Reihe, iässt sich daa 
Biuomiai- oder Polynomialtheorem anwenden und man leitet ae 
aus der Formel des Lagrange (eigentlich in der durch Laplace ver- 
allgemeinerten Form) die Polynomialeoefficienten her — eine 
Reihe von Untersuchungen , mit welchen sich besonders die com- 
biuaturische Schule vielfach beschäftigt hat. Mit Recht spricht 
der Hr. Verf. der i an sich eleganten Bntwickelung der Reihen 
durch Umkehrong schon bekannter einen praktischen Werth fast 
ganz ab. Die independente Angabe der allgemeinen Form der 
Coefficienten ist oft unmöglich oder doch mit überaus grossen 
WeitlSuftigkelten verknüpft. 

Am Schlnss dieser allgemeinen Uebersicht können wir nicht 
nmhin, eine nicht geringe Anzahl sowohl fremder als auch son- 
derbarer Ausdrücke zu missbilligen «für die der Verf. eine gewisie 
Vorliebe gefasst zu haben scheint. Ule ersteren konnten zum gros- 
sen Thell durch deutsche ersetzt werden *) und es war dies um 
so Wünschenswerther, da der Gegenstand des Buches selbst den 
Gebrauch einiger Fremdwörter nothig macht; von den letzteren 
schienen uns einige zu der bereits gerühmten Nettigkeit und Fein- 
heit der Rechnung nicht recht zu passen *'^). 

Druck — die schon erwähnten reichlich vorhandenen Fehler 
abgerechnet — und Papier sind sehr gut. 

Rudoistadt. Dr. Böttger. 



Schill - und Universitätsnachrichten^ Beförderungen 
und Ehrenbezeigungen. 

^YERN. Die Lyceeu, Gymnasien und lateinischen Schulen am- 
fassen als Gesammt- Studienanstalten einen LehrcnrsuQ von 10 Jahren, 
wofür auch 10 verschiedene Lehrstafen l^estehen, and davon fallen je 



*) z. B. Increment, Marke ^ prasentiren, expeditiv, Problem etc. 
**) Z, B. Zwei Formeln , so zu sagen , unter einen Hut bringen , eine 
reelle oder imaginäre Gegend, zwei schöne Sätze« ., das Spiel fort- 
setzen n. 8. w. 

V5^^ 



Scknl- OBd UaiTcniliUnacluriclitM, 



4 Jahn auf die fier Claaaen der lateioiacheB Schale md'des Cjm 
and 3 Jahre anf den philosophbchen Cnrao« des Lycemi ^ iaden das^btt 
die allgemeinen Wistfenschafien gelehrt werden, nach deren VoUeodong 
die Zöglinge anf die UniTersitaten tum Erlernen der- sogenanntes Brod* 
Stadien fibergehen. Die katholischen Lyceen haben aasserdem nodi eine 
höhere Lehrabtheilnng für da/ Stadium der Theologie. Die allgeoieine 
LehrTerfassnng hat in den Jahren 1845 und 1846 keine Verandemng err 
tttten; aber die besondern Znstande der einzelnen Anstalten und derea 
Programme soll folgender Bericht Aufschluss geben , soweit dies nämlich 
ans den nicht TolUtandig Torliegendeo Jahresberichten möglich ist. Der 
Besuch der gesammten gelehrten Anstalten war in den beiden lettten 
Studienjahren folgender: 









im Jahre 1845. 


im 


Jahre 1846. 










theol. 


Gym- 


lat 




theoL 


Gyn- 


lat 




Lycenm, 


Curs., 


nas., 


Schul., 


Lyc, 


Curs., 


nas^. 


oco« 


Amberg 
Anshadi 




58 


21 


135 


250 


44 


16 


146 


264 









78 


133 










Anweiler 




__ 








40 


_ 


.... 


, 


» 


Aichaffenbnrg 




26 


— 


87 


158 


28 


— 


9ö 


160 


Aogsbnrg kathol. 


69 


3 


301 


426 


67 


. — 


310 


467 


.„ Protest. 





. 


54 


118 


— 


— 


. 49 


122 


Bamberg 
Bayreuth 




94 


44 


198 


234 


94 


41 


9f» 


22S 









114 


205 






m 


931 


Borghaasea 




.^ 





— 


58 





_ 


... 


52 


Dillingen 




158 


121 


120 


144 


183 




123 


146 


BichsOidt 










115 


173 





._ 


\n 


171 


iCrlangeti 




— 


— 


39 


83 


— 


— 


49 


95 


Granstadt 







— 





102 





— 


.i... 


114 


Germersheim 







_ 


— 


40 


-_ 


... 


- __ 


48 


Haramelburg 




■ i- 


— 


' — 


26 


— 


. — 


-^ 


40 


Hof 




— 


-^ 


54 


97 


— 


— 


54 


93 


Ingolstadt 




— 


— 


— 


59 


— 


— 





60 


Kempten 




— 


— 


119 


149 





— 


115 


138 


Kitzingen 




— 


— 


— 


43 





— 




50 


Landau 




— 


— 


— 


66 


— 








68' 


Landshnt 










94 


150 


_ 


^_ 


105 


143 


Lohr 













72 









80 


Metten 




.^ 








__ 


__ 


- 


^^ 


164 


Miltenberg 




, 


— 





34 


__ 


___ 


__ 


40. 


Manchen alt. Gymn 


, — 


— 


423 


568 


._ 


_ 


403 




„ neu. 


9) 


— 


— 


170 


162 


_ 





230 


178 


Mnnnerstadt 







.1. 


75 


120 


_^ 


___ 


71 


117 


Neuburg 
Neustadt a. d. 










105 


139 








100 


150 


A. 











45 


_ 








36 


„ Haardt — 


-_ 





64 


— 


— 


— 


70 


Nordlingen 













49 


— 


— 


— 


49 


Nürnberg 










102 


301 










Passau 




87 


47 


163 


330 


112 


44 


169 


343 


Pirmasens 










53 


— 


— 





51 


Regensbnrg 




120 


65 


216 


369 










Aul. 


scboj 


.— 


..« 


— 


133' 










Rothenburg 




„^ 





— 


35 


* — 


-^ 





.39 


Schweinfurt 







-^ 


41 


74 





.>-. 


35 


78 


Straubing 







— 


109 


240 


— 


— 


136 


258 


Speyer 




39* 


— 


146 


182 


31 


— 


158 


194 



Befordefnngen aad Ehrenbezeiglnieeti. 229 



\ 




im Jahre 1845. 


im Jahre 1846. 








theoL Gym- lat 


theol. Gym- 


lat. 




Lyceuoi, 


Cara., nas., Schul. 


Lyc, Curs., nas., 


Soh. 


.Würzburg 


— 


— 204 321 


— ^ 209 


334 


Wunsiedel 


— 


— — 49 


— — 


50 


Zweibrocken 





— 85 132 


— — 98 


129 


Müncheo Univ. 


1410 


-^ ^- — 


1462 




Wurzbiirg' „ 


450 


— — — 


521 




Erlangen „ 


320 


— — 


338 





Die Stodienanstalt id Amb£b.g hatte in den genannten beiden Stu- 
dienjahren zu Lehrern: ftir die zwei theologischen Lycealcurae die Pro- 
fessoren Dr. Sportr fnr Kirchenrecht, Kirchengeschichte mit Patrologie 
und Exegese, Dr. Lach fiir Mo ral theol ogie , Archäologie und bibl. Ein- 
leitung , und Dr. Rekehl für Encyclopädie und Methodologie , Dogmatik, 
Hermeneutik und hebr. Sprache ; für die zwei philosoph. Cursen die Pro- 
fessoren Furtmtur (zugleich Rector der ganzen Stüdienanstalt) ffir Philo- 
sophie und Pädagogik , Dr. Hubmann für aligemeine und vaterlandische 
-Geschichte, Archäologie und Philologie, Mainz für Physik mit Chemie, 
Mathematik und mathem. physikal. Geographie, und Pflaum für Nat&r-> 
beschichte mit angewandter Chemie; am Gymnasium als Ciassenordina- 
rien die Preff. Mer/:, üschold^ Mcu/er und Trieb, dazu Prof. Schmidt 
für Religion, Dr. ß»cAo/ für Mathematik, Lyc.-Prof. Loch für Hebräisch, 
ßelfirich für Französisch, Schöniverth für Zeichnen. Vgl. NJbb. 43. 336, 
und 44. 93. An der lateinischen Schule starb 1846 der Studienlehrer 
lur IV. Sölbler und der Studienlehrer fiir 111. TäOlliisch wurde an das Ly- 
ceum in Regensbdro versetzt. In Folge davon wurde ffifting als Std- 
dienlehrer für IV. angestellt, Huber und Heile ruckten in die beiden fei- 
genden Stellen, auf , und der Candid. S^z von Aschaffenburg wifrde zum 
Studieol. iar I. ernannt. Im Programm von 1846 hat der Prof. M^yer 
unter dem Titel: lieber Leben und Schriften des Bischof s Jeronimo Osario, 
-eine kurze Lebensbeschreibung des Mannes und eine Charakteristik sei- 
ner Schriften über den Ruhm, de nobüitäte civili, de nobilitate christiana^ 
de iustitia coelesti ,* und vor Allem seiner Geschichte des Königs Emanuel 
gegeben, weil er durch das letztere Werk sich als tüchtiger Geschicht- 
schreiber hervorgethan hat und selbst mit Thukydides und Livius ver- 
glichen worden ist. Auch wird der in allen seinen Schriften herrschende 
religiöse Charakter gebührend hiervorgehoben. Im Programm von 1846 
hat der Lyc.-Prof. Hainz in Folge eines in der Augsburger Abendzeitung 
vom 17. und 19. Oct. 1844 angeregten Streites, ob das Osterfest für 
1845 mit Recht auf den 23. März gesetzt werde , lieber die Berechnung 
der christlichen Ostern geschrieben , and darin für angehende Geistliche 
und andere Beobachter dieses Gegenstandes in klarer und fasslicher Weise 
auseinandergesetzt, wie die beweglichen christlichen Feste und nament- 
lich das Osterfest in einfacher Weise zu berechnen sind. Die synodische 
Umlaufszeit des Mondes geschieht in -29,53 Tagen und zwölf Mondenum- 
läufe geben also 354,367 Tage, was 10,883, oder in runder Zahl 11 Tage 
weniger beträgt als das auf 365,25 Tage berechnete julianiscfae Jahr. 
Um null die Zahl der sogenannten Epakten oder Schalttag voi ^^^^^ 



880 Schal- and Universitatiaaebriehten, 

welche die Zeit zvHschen dem letzten Nenmpnd and dem Neojahrstage 
Jedes Jahres ausfüllen und wovon eben die Berecbnang dea Osterfestes 
abbangt, wird die bekannte Berechnung mitgetheilt, dais man das gege- 
bene Jahr mit II multiplicire und dann durch 30 diviäire, wo dann der 
bei der Division bleibende Rest die Bpakte des Jahres anzeigt oder, weoa 
kein Rest bleibt, zudem Brgebniss fuhrt, dass der Neumond mit dem 
Neujahrstage zusammenfalle. Um aber die sogenannte güldene Zahl n 
finden, d. h. zu suchen, das wievielste ein gegebenes Jahr in dem Mooj- 
cyklus sei , soll man dieses gegebene Jahr mit 1 addiren and die Somme 
mit 19 dividiren, wo dann der entstehende Rest jene Zahl sei. Dmrdk 
eine mitgetbeilte Tabelle ist klar gemacht, wie man die Epakte far alle 
güldenen Zahlen sucht, und zwei andere Tabellen stellen das Verhaitnisi 
der Epakten und Neumonde, und der güldenen Zahl und Ostergrenze 
dar, woraus die jedesmalige Berechnung leicht zu finden ist* Ffir die 
höhere Theorie ist auch die von Gauss entworfene Formel der Osterbe- 
rechnnng mitgetheilt und ihre Anwendung beschrieben, aber freilich nicht 
mathematisch entwickelt und abgeleitet. — Am Gymnasium und der 
latein. 8chule in Ansbach ist im LehrercoUeginm während der letztes 
Schuljahre keine Veränderung vorgekommen. Vgl. NJbjb* 40. 337. Das 
Programm von 1845 enthalt eine geschichtliche Abhandlung 'I7e6er ii§ 
Bergveste Rosenberg von dem Prof. Fuchs, worin der Verf. deren Schick- 
sale von ihrer wahrscheinlichen Entstehung gegen das 12. Jahrb. an bis 
zum Jahr 1809 , wo sie von einer österreichischen Heeresabtheilang be- 
droht wurde, beschrieben hat. Da diese in der Nahe von Namberg ge- 
legene kleine Bergveste keine eigentlich geschichtliche Bedeotang bat 
and nach einer konigl. Verordnung vom 23. Juni 1839 dem Verfall Preis 
gegeben ist : so hat die Abhandlung nur ein locales Interesse. Im Pro- 
gramm von 1846 bat der Rector Dr. Bombard eine Commentatio de lan- 
guore scholastico [16 S. 4 ] geliefert , und versteht unter diesem hmguor 
nicht die Trägheit wirklich fauler Schuler, sondern die häufige Ermat- 
tung und Erschlaffung derjenigen, welchen der Schulzwang und das Sta- 
dium zum Ekel wird, weil sie nicht den rechten Fleiss und Eifer far 
Wissenschaft und Bildung in sich tragen. „Cum duplex distingui debeat 
genus diligentiae , altertfm calidae , quae e sincero literarum amore hone- 
stoque rerum laudabilium studio sponte veniat, frigidae alterum, quam 
vel lentae consuetudinis vel imperiosae vis necessitatis propellat: utra 
utri sit praeferenda facile apparet. lila enim facit strenuos vel literarum 
vel vitae communis adiutores, qui plus ultra tendant ac semina spargant 
profutura aequalibus et posteris; haec tardos rerum provisores, ut vqI. 
garibus fortasse ministeriis non inutiles, ita inhabiles intentioni ac sta- 
diis acrioribus, tenaces veterum et obsoletorum, metuentes meliorum 
prorsus ut, quidquid negotii curant, non in architectorum , sed in baiulo- 
rum et operariorum numero habeas. Hi autem vcreor, ne plures, quam 
par et opus est, in scholis nobis succrescant.^' Da nun namentlich diese 
zuletzt geschilderte Classe von Schülern in jene Schlaffheit versinkt und 
durch ihre grosse Zahl den Schulen gefahrlich wird : so sucht der Verf. 
die Ursachen und Förderangsmittel davon festzustellen. Der Schaler an 



Be£ojrdei:aogeii and EhrenbezeigongeQ. 231 

sich nämlich , meint er^ lerne immer gern , so lange ihm eine Sache nütz- 
lich erscheine und die Hoffnang zum Gewinn aus dem Studium ihn an- 
treibe ; aber das Knabenalter könne freilich noch nicht wissen , was ihm 
nach und nach nutzlich werde. Als das vorzuglichste Förderungsmittel 
4er Erschlaffung werden die Scriptiones pro loco hervorgehoben, d. h. 
diejenigen schriftlichen Arbeiten, weichein den bayerischen Schulen all- 
jährlich zwei- und mehrmals über alle Gegenstände des öffentlichen Un- 
terrichts, mit Ausnahme des Religionsunterrichts [vgl. NJbb. 38. S. 8$. f.], 
anter den Augen des Schulers angefertigt werden müssen , um darnach 
die Fortschritte derselben zu messen und den Fortgangsplatz jedes EKn- 
zelnen arithmetisch zu berechnen. Sie sollen ein Sporn für den jugend- 
lichen Wetteifer sein , werden aber eine bittere Plage für alle diejenigen 
Schäler, welche um ihrer schwächeren Geisteskraft willen mit den be- 
gabteren nicht gleichen Schritt halten können und doch auch nicht wissen, 
,dass ihnen die Kraft zu besseren Fortschritten fehlt. Nicht genug also, 
dass ein grosser Theil von ihnen durch Betrug der Strafe der Herab- 
setzung zu entgehen sucht, so gewöhnen sie sich überhaupt, nur für die 
Schule und nur so lange zu lernen , als sie getrieben vVerden , verlieren 
die Liebe zur Sache und den eigenen Antrieb zur geistigen Ausbildung, 
und unterlassen jede Anstrengung , sobald sie dem Kreise der zwingenden 
Verhältnisse entwachsen sind. Ueberfaaupt aber wird der jugendliche 
Geist dadurch zu kleinlichen Sorgen herabgedröckt , gewöhnt sich an ein 
quälendes Auswendiglernen des vorgetragenen Lehrstoffes, verirrt sich zum 
betrügerischen Abschreiben , zumal da es ohnehin für die Lehrer noch 
aus andern Gründen unmöglich wird, aus jenen Seriptionen die Fort- 
schritte der Schüler und ihren Platz in der Classe jedesmal mit Sicher- 
heit zu bestimmen, und kann sich nie zum Grossen, erheben und zum 
zwanglosen Fleisse entflammen. „ Constringitur ac vincitur mens , cui 
per tot annos desudandum est in grammaticis neque unquam libere licet^ 
spirarc. Quid quod sie ne Latina quidem discitur lingua? Evplvite. 
modo bis speciminum consarcinatoribus locum aliquem scriptoris non ad- 
modum facilem, quem subito jmparati vertant: statim apparebit, non illis 
suppetere nee verborum copiam, nee facultatem cito perspiciendi perio- 
dorum structuram. Hinc non mirum, quod post annos sqholasticos nemo 
fere invenitur, qui librum latinum in manum sumat. Verum aliud insuper 
habent bae concertationes , quod non modo incidere nervös virtutis , sed 
etiam continuo detorquere mores possit ad pravitatem: discunt plerique 

fraudare, mentiri, dolo malisque adsuescere artibus Vix Argus, 

cui centum lukinibus cinctum caput , satis accurate invigilet , ubi mens 
dolosa mille movet machinas, neque ullam fraudis viam intentatam relin- 
quit; nedum praeceptor, cuius. plerumque hebetati sunt oculi lucubrando.*' 
— An der lateinischen Schule zu Annweiler in der Pfalz , welche zu- 
gleich mit einem Realcursus verbunden ist, ist in dem Lehrerpersonale 
keine Veränderung vorgekommen und natürlich auch ein Programm nicht 
erschienen , weil diesen Schulen eine Verpflichtung dazu nicht obliegt. — 
An der Studienanstalt in Aschaffenburg lehrten am Lyceum , wie frü- 
her [s. NJbb. 40. 338.] die Professoren Hofrath Dr. Hoffmann (zu^UiaVs. 



SS2 . Schal- and UniTenitainutchrkliteii, 

.Reotor de« Lycejaou), Dr. MerM^ Dr. SeAfieidooiiicI, Dr. JTffreliind Dr. 
BolBners am Gyainasiani die ClaMcniebrer für IV — IL Dr. Mitlerma^er 
^sogleich Rector des Gymnas.), Hoeheder ond Sey^erHngf der Professor 
der Mathematik und Geogr. Reuter^ der protestantische Religionslelirer 
.Pfarrer Sto^äus und der franz. Sprachlehrer Jessel, an der latein. Schale, 
deren Subrectorat der Lycealprof. Dr.\ Holzner fuhrt, die Stndienlehrer 
Burkhard t Schmitt f Moritz und Hartmann, Dagegen wurde im Jahre 
1846 der kathoL Rcügionslehrer des Gymnasiums Prof. Dr. HuUer in eia 
Pfarramt befordert, und am 6. Joni 1846 starb der Classenlehrer der 
untersten Gymnasialciasse Dr. HeiUnaier *), An Heilmaier's Stelle worde 



'*') Hetlmaier war am 9. Mai 1797 in Landshut geboren, wurde anf 
den dortigen Schulen, dann von ]8r4 — 17 auf dem Gymnasium in Mao- 
eben und 1817 — 21 auf der UniTersitat in Landsbut gebildet, wo er sich 
besonders den philologischen , geschichtlichen und geographischen Studien 
widmete und dann I82i — 22 im philologischen Seminar zb München nnter 
Thiersch and Kopp seine Studien vollendete. Im Nov§mb6r 1822 an 
der untersten Progymnasialclasse in Aschaffenburg angestellt, ruckte er 
schon 1824 in eine Gymnasialprofessur auf, und wirkte seitdem als alter- 
nirender Classenlehrer von I. ' und IL Ein frühzeitig hervortretender 
krankhafter Zustand, der sich in den letzten Jahren zu einem Lungen- 
leiden ausbildete , wirkte wesentlich ein , dass er ein stilles und suräck- 
gezogenes Leben fährte, an dem Geräusche der materiellen Welt wenig 
Antheil nahm, und sich nur seinen Studien und dem stillen Familienleben 
Eingab. Mit regem Interesse und lebendigem Eifer verfolgte er die ver* 
schiedensten Gebiete des Wissens ond strebte überall nach Bereicherung 
seiner Kenntnisse. Vorherrschend waren Sprach- und Geschicbtsstudien, 
und in beiden hatte er es zu einer bedeutenden Höbe gebracht ond na- 
mentlich in der Geschichte eine sehr gründliche Richtung genommen, ohne 
jedoch vielleicht in beiden zu einem allseitigen Ganzen zu gelangen. Da- 
neben beschäftigte er sich in den letztern Jahren viel mit Geographie und 
Mathematik, weil ihm klar geworden war, welche Stutze er darin fir 
philosophische und historische Studien finden werde. Vor allem aber wmr 
er ein sehr eifriger Botaniker, kam nicht leicht von einem Spaziergange 
ohne Pflanzen zurück, hatte sich eine sehr schone Pflajizensammlnng an- 
gelegt und widmete zu Hause seine freien Stunden am liebsten seinen 
schonen Gewächsen. Als Lehrer war er sehr eifrig und gewissenhaft; 
seine Kenntnisse reichten weit über den Kreis der Schule hinaus, imd 
er strebte nicht nur in seinen Lehrfächern nach wissenschaftlicher Gründ- 
lichkeit, sondern suchte auch die auf andern Gebieten erlangte Erkennt- 
aiss für seinen Beruf zu benutzen. Weit entfernt , seinen Schulern nur 
ein stoffreiches Gedächtnisswissen einzuprägen, strebte er vielmehr über- 
all dahin, das zu Erlernende aus ihnen herauszuentwickeln , ihre Denk- 
kraft zu bilden und ihre Wissbegierde und Individualität mogiicbst zu 
Sflegen. Wenn er hierbei nicht immer den Erfolg erreichte, welchen man 
ei solchem Verfahren hätte erwarten sollen: so lag dies darin, dass ihm 
theilwelse die richtige Gewandtheit des Mittheilens fehlte und dass ihm 
die Geduld und Geschicklichkeit abging, auf die ganze Schälerzahl eine 
gleicbmässige und umsichtsvolle Einwirkung auszuüben. Seinen ausge- 
breiteten iCenntnissen nach wurde seine Thätigkeit an einem Lyceum oder 
an einer Universität weit geeigneter und erfolgreicher gewesen sein. 
Bei alledem war auch sein V^irken an der Schule ein höchst wohlthätigea 
und naroentUcb war er ein wahrer und väterlicher Freund seiner Schüler 
und opferte sola Leben dem Lehramte bis zur volHgen Zerstörung seiaer 



BeCorderungen nnd Khrenbeseigunfen. ' S33 

ipk Herbst desselben Jahres der Privatgelehrte Dr* Brand angestellt and 
die Professor der kathoU Religionslehre und hebräischen Sprache am 
Gymnasium erhielt der bisherige Präfect des Knabenseminar« J^fcircA. Zam 
Regens des Knabenseminars, dessen Zöglinge den Classen der latein. 
Schule und des Gymn. eingereiht sind , wurde an Huller s Stelle der Ly- 
cealf rof. Dr. Holzner ^ zum Prafect der Cand. Hoffmann ernannt, und der 
letztere übernahm auch an Karch's Stelle den hebräischen Unterricht im 
Lyceum und den ReligioQsunterricht in der latein. Schule« Das Pro- 
gramm vom Jahr 1845 bringt als Fortsetzung des im J. 1843 erschienenen 
Programmes die zweite Abtheilung des Beitrags ^ur Erklärung ei- 
niger Stellen in der zweiten phiUppischen Rede des Cicero Yon dem Rector 
und Professor Dr. Jos. Mittermayer [Aschaffenb, gedr. bei Waüandt's 
/Wittib. 32 S. gr. 4.] und liefert einen umfassenden Commentar zu $• 3. 
bis 5. dieser Rede, worin der Verf. mit derselben Allseitigkeit u. Gründ- 
lichkeit die grammatische, sprachliche, rhetorische, kritische und histo- 
rische Erklärung der Stelle zu fördern sucht, die Erörterungen anderer 
Erklärer und Uebersetzer reichlich benutzt und geläutert hat (was gerade 
in dieser Rede ein Haupterforderniss für eine neue Bearbeitung ist) und 
namentlich für die grammatische and lexikalische Erörterung so reiches 
Material geboten hat, dass eher zuviel als zuwenig geleistet ist, zumal 
da die Erläuterungen vorherrschend in der Begründung des allgemeinen 
Sprachgebrauchs gehalten sind und das Individuelle der Rede oder den 
rationalen Grund der Spracherscheinung nicht genug hervorheben. Vgl. 
NJbb. 40. 340. ff. Im Programn^ von 1846 hat der Regens und .Prof. 
Dr. Joseph Holzner eine philosophische Abhandlung Hier die Beweise vom 
Dasein Gottes {40 S. gr. 4.] herausgegeben und darin die Beweisführung 
der bedeutendsten Denker von Aristoteles und Anseimus an bis auf Hegel 
herab geprüft und in ihrer Haltbarkeit zu laotern und zu rechtfertigen 
gesucht. — An der katholischen Studienanstalt zu St. Stephan in Augs- 
burg sind im Studienjahre 1845 — 46 von den Lehrern der Stiftsprior 
und Lycealprofessor iSTäZin und die Gymnasialprofessorea ^irÄcer und Diseh 
ausgeschieden [vgl. NJbb. 44. 93.] nnd gegenwärtig lehren am Lyceum 
der Rector Schumacher Geschichte und Archäologie, der Stiftsdecfaant 
Gangauf Moralphilosophie , Naturrecht , Encyclopädie, Logik und Meta- 
physik , der Vorsteher des Instituts für höhere Stfinde Della Torre Reii- 
gionsphilosophie^ der Prof. Preissinger Naturrecht, Mathematik, Phyisik, 
Chemie und Geographie und der Prof. Flor Archäologie , Anthropologie, 
Psychologie, Aesthetik und Philologie; am Gymnasium sind Felder ^ 



Gesundheit. Literariscb hat er sich nur durch einige Programme und 
Recensionen bekannt gemacht, und bei d.en letztern hat er sich auch 
einig« Mal durch eine gewisse Uebereiiung des Urtheils mannigfadfen 
Yerdruss zugezogen, weil er sich hier, wie auch im Leben, einer ge- 
wissen gutmüthigen Plauderhaftigkeit nicht immer zu enthalten verstand, 
welche ihm dann Verlegenheiten brachte. Für unsere Jahrbücher hat er 
in den früheren Jahren einfge kurze Beurtheilungen und Mittheilungen 
«ber das Schulwesen geliefert, die aber später durch seine Kränklichkeit 
[iMUerbrochen wurden. 



SS4 Schal- and Uoivenitätsnachriditany 

, Z0Mer , Rodin , Rauch , BoU and Zenetti Classenlehrer and Krämer Prof. 

'd«r Mathematik; an der Latein. Schule »ind neben den bisherigen Lehrera 
Krtmss, fF^er, Loe^ Sdkur und Mertl noch Huftier, Wiedenauer and 
WkihtAer nen angestellt worden. Die Zöglinge des mit der Anstalt Ter- 
bandenen Seminars an St. Joseph and des Insiitats für Söhne höherer 
Stande sind in die Ciassen far den Unterricht eingereiht und haben ia 

^er Erziehungsanstalt Kost, Verpflegung, Beaufisichtigang , Repetition o. 
dergl. Das Programm der Stndienanstak von 1846 beschreibt in pane- 
gyristitfcher Darstellung die ersten zehn Jahre des BenedietmerHifta S$, 
iSlephan in den Wirkungen für Schule, Kirche und Staat, um den aas 
Oesterreich nach Augsburg gerufenen Benedictinem einen Act der Dank- 
barkeit für die Opfer zu veröffentlichen , dass sie auf den ehrenden Raf 
des Königs Ludwig aus ihren vaterländischen Gauen nach Bayern 
zogen, um daselbst für diö Jugenderziehung zu wirken. Bei der Ver- 
legung der Universität Landshut nach Mönchen sagte der Monarch zum 
Senate; „Ich will die Religion, aber ich will sie in den Herzen, in. den 
Gesinnungen und Handlungen. *' Thaten verwirklichen diese Worte, 
indem Unterricht und Erziehung auf religiösem Grunde ruhen masaen, 
wenn sie gelingen sollen, — also religiös- gesinnten Männern anzuver- 
trauen sind. Nachdem 1834 die Benedictiner-Abtei gegründet and Huber 
als Abt infulirt war, fehlten ihm Milbrüder, weswegen er mit Biscboff 
von Riegg eine Reise nach Oesterreich machte und im höchsten Auftrage 

■ans dortigen Stiftern geeignete Männer für Bayern gewann. Aach aas 
der Schweiz erhielt die Abtei* einige Glieder, worauf am 5, Nov. 1835 
denselben die Lehranstalt feierlich fiberwiesen wurde. Der König wies 
aas seiner Privatcasse eine Schenkung von 40,000 Fl. und dann zur Er- 
werbung eines Hauses und Gartens eine weitere von 10,000 Fl. an. Die 
Eröffnungsrede des Ministers v. fFallerstein war kräftig ermunternd und er- 
hebend. Ebenso das Handschreiben des Königs an den Bischoff Riegg, au 
dessen Scjiluss es heisst : „Sie, der Sie über des theuren, ewig unvergess- 
liehen Vaters Lebensabend so reichen Trost und eine so unverkennbare' 
Segensfnlie zu ergiessen wüssten , der Sie den Sohn seit Seiner Thronbe- 
steigung schon in so mancher wichtigen Aufgabe treu mitwirkend anter- 
stützten , Sie bedürfen nicht erst der wiederholten Versicherung des Kon. 
Wohlwollens , um zu wissen , wie werth Sie Mir sind und wie gern Ich 
mich nenne Ihr wohlgewogener K. Ludwig." Hoffnungsreiche Keime des 
Wissens in allen Fächern, die an der Anstalt gesetzlich gelehrt werden, 
sind ausgestreut worden, erfreuliche Biüthen ans Licht getreten und 
manche lohnende Frucht ist jetzt schon zur Reife gediehen. Mit diesea 
and ähnlichen Aeusserungen hat der Verf. seine Schilderung der Anstalt 
eröffnet und knüpft daran eine Charal(teristik der drei Rectoren Richter^ 
Seckham und Schumacher y welche die Anstalt seit ihrem zehnjährigen 
Bestehen geleitet haben. Richter leitete sie von 1835 bis 1841 , wo er, 
geschmückt mit der goldenen Medaille des Civiiverdienstordens , nach 
Oesterreich zurückkehrte , am daselbst eine Lehrkanzel zu übernehmen. 
In seine Fusstapfen trat der von ihm selbst aasersehene Neckham von ^ 
1841 — 1843 und behielt namentlich auch das wirkliche Leben , dessen 



BefordennigeB nnd Ehrenbeiefgwigen. * iBI5 

Vernacfalässignng für die Jagend man der Anstalt Torwarf ^ stets 'im A.age^ 
bb er, mit gleichem Ordenszeichen geschmäckt, im Mai 1843 für eine 
Seelsorge nach Oesterreich zurucliging. Der jetzige Rector Schumadtm' 
war schon 1839 von Augsburg nach Salzburg zurnckgerolen worden, 
aber 1843 wieder für die Abtei St. Stephan gewonnen , erhielt er das 
schwierige Amt eines Novizenmeisters in dem mit jener Torbandenen 
Priorate Ottobeuren, übernahm das Rectorat der Stodienanstali «ad 
wirkte seit 3 Jahren znr vollen Zafriedenheit aller Betbeiligten. Weil 
in der Ständeversammlnng Bemerkungen über Anstellung von solchen Ja- 
lÜTiduen als Lehrer gemacht worden waren, welche die gesetzliche Pri^ 
fung nicht bestanden hätten: so wurde den betreffenden Lehrern aufge- 
geben , vor einer Special Commission dieselbe zu besteben. Ob dies 
wirklich geschehen sei, ist nicht angegeben. Im Programm TOn 1845 
hat der Prof. Gangauf die Fortsetzung der schon im Programm von 1841 
begonnenen Abhandlung von der metaphifsiachen Psychologie des heU» Ah- 
gu8tinu8 geliefert , und darin nach vorausgeschickten weitern Beispielen 
über den schonen Einklang, in welchem die Philosophie und Offenbarung 
bei den Vätern mit einander stehen , die Untersuchung der Frage begon- 
nen , welches die Ansicht des Augustinus über Seele und Geist gewesen 
sei. Die Seele habe sich derselbe als das Lebensprincip für den 
Körper gedacht, den Geist aber als das, wodurch die Substanz über der 
Thierseele stehe und was ihre Vernünftigkeit sei. Durch den Geist 
werde der Mensch erst dasjenige Wesen, in welchem der Zweck der 
Weltschopfung sich vollziehe. Zu diesem Befaufe habe derselbe Intelli- 
genz und Willen, damit jene Verherrlichung Gottes, welche in den Na- 
turdingen eine nngewusste* nnd ungewollte sei , in ihm eine gewusste und 
gewollte werde, und von ihm selbst auf Grund der Erkenntniss durch 
freie Selbi^tbestimmnng ausgehe. Durch die Freiheit als Wahl vermögen 
wurde der Mensch gut und hose. In dem Gutsein liegt für ihn die Friei- 
heit als Zustand und als wahres Freisein : der Urmensch also war von 
Gott vollkommen gut geschaffen und besasa. objectiv die Freiheit als Zu- 
stand und als Vermögen sich selbst zu bestimmen , neben diesem Wahl- 
vermögen aber auch den unterstützenden göttlichen Beistand. Neben 
dieser Lehre Augustinus sind die Abweichungen Calvin^ Luther's, Strans- 
sens u. A. erörtert , und darauf ist Augustinus Ansicht vom Sündenfalle 
und dessen Folgen auseinander gesetzt. Durch den Fall habe der Mensch 
nicht das Wahlvermögen verloren , weil dies wesentlich zum Willen gebore 
und dieser ja auch nicht verloren gegangen sei , wohl aber sei er durch 
denselben aus der Gnadenströmung getreten nnd sein arbitrium sei in 
Bezug auf Gott und das ewige Heil nicht mehr wie ursprünglich liberum, 
sondern er könne nur durch Gottes Hülfe wieder in die rechte Freiheit 
zurückversetzt werden. Diesen Zustand habe sich der erste Mensch 
durch Missbrauch seiner Freiheit zugezogen und zugleich auch seine Nach- 
kommen darein versetzt. Wie nun neben und mit der Wirksamkeit der 
göttlichen Gnade nach Augustin noch die Freiheit des Willens bestehe, 
das will der Verf. zu anderer Zeit in einer besondern Schrift auseinander 
. setzen. — An der ans Gymnasium und lateinischer Sohale ■ hestahAodftax 



296 * Schal- «nd UoiTersitatmadiriciiten^ 

proteatantisdMn Stadienanstalt in Augsbdro «ind dem damit V^bandenen 
•Gotiegian bei St. Anna, dessen Zöglinge an dem 'Unterrichte der Stadien«- 
■nnatalt theilnehmen , ist das Lehrera>liegiam noch dasselbe , wie es in den 
NJlbb. 40. 343. verzeichnet ist Im Programm Von 1645 steht eine von 
4em Professor Schmidt geschriebene CommentaUe de tdSqua cfuÜH oe 
Mententimrum cognathne, quam tres S9phoeii8 tragoediae Oedipus ' Tgr^j 
OMpua CoL et Antigene cum certis qMutdam religionis ehrktianae de^ 
äß^Hh hdbeant [35 S. 4.]. Die Erörterung hebt von dem Gedanken an, 
dass unter den alten Völkern die Jaden , Griechen und Römer für die Bil* 
dong der Menschen yiel beigetragen haben, und nachdem dies durch etaige 
«Ugemeine Bemerkungen über die Schriften der beiden letztern Völker 
4argethan ist, so wird dann die- besondere Nachweisung versucht, inwie- 
feni in den drei erwähnten Tragödien des Sophokles sich Vorstellungen 
kaid Ideen vorfinden , welche an spätere christliche anklingen and deren 
V¥rlaofer sind. In dem Oedipus Tyr. nämlich soll Sophokles erne Bar^ 
iegung von der Schwäche des menschlichen Geschlechts und von dem 
Blende gegeben haben , das sich der Mensch selbst bereite , indem er -sei- 
nen schlechten Begierden nachhänge. „Vel in ea voluit Sophocles osten- 
^ere, homines a parentibus facinorosis atque impiis ortos, etiamsi ingenii 
bonitate non carerent, tarnen vi natnrae ad vitia , quorum semina iam ab 
ineunte aetate excepissent, trahi, et, praesertim si animi eorum non ad 
Terecnndiam deoram omnemque rerum bonarum scientiam satis eraditi et 
dectrinis expoliti essent, quum non haberent regulam, qua Vera et falsa, 
bona et mala iudicarent, in iis, quae,agerent, saepissime ruere atque in 
-fraudem incurrere, et ita fieri, ut scientes et inscientes gravissimos do- 
lones atqoe aerumnas sibi adferrent. Atque ut esset, in quo eiusmodi 
mores et simui, cuiusque generis mala et merita et non merita conspice- 
rentur, Oedipum, cuius nomen a moribos nsnrpatum esse sciebat, nt 
adpareret, qui generis humani vitiis deformatt personam sustineret, in 
scenam produxit.'' Zur weitern Begründung dieser aufgespürten christ- 
lichen allgemeinen Moralidee sind dann die Stellen der Tragödie znsaro- 
mengereiht, woraus die weitern Beweise für die Behauptung sich ergeben 
sollen. Richtung und Inhalt der ganzen Betrachtung ergiebt sich an» 
folgendem Schlusssatze: „Itaqoe idem deus, qui Oedipo roganti multa 
auditu gravia et perpessu aspera responderat, hoc ei quoque pollicitus 
est, se in Enmenidum luco aliquando ex diutinis laboribus vitaeque aerum- 
nis quietem esse capturum. Sed de hac re alio tempore plura dicemus.^^ 
Die Erörterung ist also noch nicht vollendet, und far deren Fortsetzung 
wird sich der Verf. vielleicht auch einer weniger steifen und ermfidenden 
Darstellungsform befleissigen, sowie die Haupt- uiid Nebenideen der Be- 
trachtung bestimmter auseinander halten. Im Programm für 1846 hat 
der Rector Mezger unter dem Titel; De operibus antiquis ad vkum Nor- 
deudotf e 8olo erutie , eine Beschreibung und Deutung der alten Gräber 
und der darin gefundenen Gebeine , römischen Waffen und MGnzen und 
weiblichen Schmucksachen gegeben , welche in den Jahren 1843 und 1844 
bei dem Dorfe Nordendorf in der Nähe von Augsburg auf- und ausge- 
graben worden sind. Die Waffen ond Schnacksachen sind zugleich aaf 



Befor4enRif[«B und EhreibeMlgimgeii. S87 

xwei litbographirtea Taumln abfebiMet« 'IMe Besebreibiuii^devMllMny^ 
sowie der ^efaadenen romücheB Möncen Ton Aogtuitos, Trajan^ HadKniii 
und der Fanstina ist deoilich. und Idar, minder die Tersnchte Deatang 
der Zeiten und YöIkerstäauBe , dnrcb weidie jene CJeberreste in die Grä-* 
ber gekommen sind , weil der Verf. au Verschtedenei unter einander ge^ 
mengt und zu sehr in individnelLen Hypotbesen sieb ergangen bat. *— In 
Bamberg sind Lebrer am .Lyceum: in der theologischen Sectieii: die 
Professoren Dr. Mauer für Exegese, biblische Archäologie und bebr; 
iSprache , Dr. Schmitt for Moral und Pastoraitbeologie nebst Didaktik 
und Hoouletik , Dr. Gengier für Encyclopädie und Methodologie und f&9 
Kirchengeschichte und Kirchenrecht nebst geistlichem Geschaftsstil ; in 
der philosophischen Scctlon : Dr« Wies für Natvrgescbicbte und Chemie^ 
Dr. Rudhart far Geschichte und griech. Alterthnmer , Dr. Mmrtinet fiv 
Bncyctopädie , Anthropologie und Moral, Logik und Metaphysik, Aes^ 
tbetik und Religionsphilosophie und hebr. Sprache, und Dr. Rüttinger fuff 
Landwtbschaft, Mathematik, Physik ond Geographie. Aus der theol«^ 
gischen Section wurde 1846 der Dr. Riegler und 1846 der Domdecbant 
Brenner in den Ruhestand Tensetst und das ron dem letztern Tersebene 
Lebrfie^, der Dogmatik ist dem Dr. Mayer übertragen worden. A» GjVk* 
nasium sind die CUssenlehrer Dr. Habereudc, Jrhold, Mender und Ruük 
geblieben, Priester Schaad als Professor der Matbematik eingetreten^ 
und den katholissfaen Religionsunterricht besorgt Regens Engerty den 
protestantischen Pfarrer Bauer. Vgl. NJbb. 40. 34a. und 44. 94. An 
der lateinischen Schule starb 1846 der Studienlehrer Schamberger und ee 
wurde neben den Stndienlehrern Buoheri, Koher, Datimttter « und Stieh 
noch der Lehrer Leitschuh aus Munnerstadt als unterster Studienlehrer 
angestellt. Die im Programme von 1846 von dem Prof. Dr. Mof/e» ge* 
lieferte Abhandlung: Geist und Natur im speeUlativen Systeme Günlker'^s^ 
bebt von dem Ausspruche Schtegel-s an : „Schon werden AnnaberMigeii 
zur Wahrheit überaU gefunden und ich hoffe, die Rückkehr Mli'ganz all^ 
gemein stattfinden und die. deutsche Philosophie eine Gestalt ^gewimien^ 
wo man sie nicht mehr ab eine Zerstwerin der Wahrheit wird su lircb« 
ten haben , sondern, sie als eine Vertheidigerin: und Dolmetseberin dey 
Wahrheit wird betrachten dürfen.'' Die Erkenntnis« der Seele «id de« 
Geistes hält der Verf. für die Blnthe der Wissenschaft , und die Frage 
über das Fortbestehen der Seele nach diesem^ Leben sei allein durch das 
Christenthum gelöst worden. Der Zweifel an diesem Fortbesteben habe 
zur Specttlation gefuhrt, welche frnl|er ihre Grundlage im Glauben ge^ 
habt, später aber diesen Glauben selbst zu begründen versucht habe; 
Cartesius sei der Erste gewesen, welcher sich speculirend über den 
Glauben erging und die Philosophie zur Grundlage desselben madite, 
überhaupt das Ziel der wahren Speculatidn dabin setzte, die Offenbarung 
als Kundgebung des Ewigen in dessen Werken wiederzufinden. Eine 
weitere Behauptung des Vf. ist, dass schon die alten Philojsepben, namentlich 
. Plato und Aristoteles, in der Anschauung de» Menschen' und der Welt 
nbch zwei entgegengesetzten Meinungen auseinander gingen j und dae«-6iii 
ibnlicher Gegensati^ zwischen Augnstin.iuul TheMu» '<v6»>Aq[afia<^t -€af«^ 



2Sd Schul- BBdUniYerliatmftchriditeli,' 

siiii imd Spinota, Lcibnits und Scheliins, Herbart ond Hegel Torhanden 
sei, indem de swar alle Seele ond Korper, Denken und Materie einander 
gegennberstellten , aber die Einen Seele und Körper als Terschiedene We- 
sen , die Andern sie als in der Lebenswurzel eins und nur im Begriff ver- 
schieden betrachteten. An die Nachweisong dieses Gegensatzes nun is€ 
die Charakteristik Günther's angeknüpft, der in seiner Weltansicht das- 
selbe durchgeführt habe, was schon der heil. Anselm gewollt und mehr 
als dieser goahnet habe. Indessen werden auch Gunther's Ideen nnr in 
kurzer Zusammenstellung dargelegt , und blos die eine , ,,dass im Men- 
schen der Geist sich als freies, selbstbewusstes und selbstständig^s We- 
sen einem lebendigen Naturgebilde gegenüberstelle,*' bespricht der VerC 
als nicht auf Begriffen , sondern auf den ersten Thatsachen in uns bei- 
mhend , als erstes reinstes Factum des Selbstbewusstseins , wötoo alle 
Brkenntniss aas- und worauf sie zurückgehe , indem nämlich alles Brken- 
aen und Wissen ein Act des Selbstbewusstseins und dieses daher das FVin* 
dament aller Gewissheit des WiiBsens sei. Durch diese Vorstellung Toni 
Wesen des Geistes und seinem Vierhältniss zum Körper, oder &berba«pt 
dnrch die einfache Idee vom Menschen als Einigung ^on Natur und Geist^ 
soll Günther nicht nur den obenerwähnten Zwiespalt der Philosophen 
aber das rechte Verhältniss zwischen Geist und Korper beseitigi und wi- 
derlegt , Sondern auch überhaupt die Ueberzengung von der Unsterblicb* 
keit des setbstbewassten freien Geistes zur klaren und ünumstosslichen 
Brkenntniss erhoben , folglich die von Cartesius eröffnete Speculation dar- 
über vollständig gelöst haben. Das Programm von 1646 mit einer AIh 
bandlang Van den Logarkhmen ist von dein Professor Schaäd veriasst 
nnd giebt eine Theorie vom Begriff und Gebrauch der Logarithmen, yen 
der Entstehung der lograrithmischen Sjrsteme und deren Gresetzen , tob 
der Art and Weise ihrer Berechnung u. s. w., lehrt aber darüber nnr Abu 
Bekannte ohne besondere Klarheit und Tiefe und ohne den Gegenstand 
wissenschaftlich oder methodisch zu grösserer Aufklarung zu bringen. — 
In Bat&buth ist in dem Lehrerpersonale des Gymnasiums und der latem. 
Schale während der Studienjahre 1846 und 1846 keine Veränderung ror^ 
gekommen. Vgl. NJbb. 44. S. 94. Das Programm v. 1845 : Arktophanes 
m seinem VerhtUtnias zu Sokrates , ein Beitrag zur gerechten Würdigung 
des Dichters von dem königi. Pfarrer ü. Prof. Johannes Zorn [20 S. gr. 4.] 
stellt zwar nicht, wie der Titel sagt, das Verhältniss dar, in welchem 
Artstophanes zum Sokrates gestanden hat, sondern behandelt den Gegen^ 
satz der Charakteristik, welche Aristophanes von Sokrates gegeben hat, 
zu der Ton Pläto und Xenophon gebotenen Charakteristik desselben und 
die Ursachen dieser entgegengesetzten Schilderung , ist aber ein sehr ge- 
diegener und wichtiger Beitrag zur Aufklärung dieses Widerstreites und 
ZOT richtigen Würdigung sowohl des Sokrates als auch des Dichters. Di6 
Abhandlung hebt mit der Behauptung HegcfPs an , dass die Alten zwar in 
der Bildhauerkunst die Lehrer der Nachwelt geworden und der grössten 
Bewunderung würdig seien, dasa aber für die Malerei, als die Darstel- 
lung des IndiTidaeilen, der Boden der alten Welt nicht günstig gewesen, 
' iMid dies« «rst ia MittelaltelC and innerhalb des Christonthnms ihre wahrt 



BelSrdemiieeii ond EkreBVeidgttngM. 339 

Heimaih gehabt und ihre höchsten Triumphe gefeiert habe; und der \U 
gesteht zu, dass die Alten die Kunst der Farben nicht in den JMaasse 
verstanden hätten , wie sie iron den grossen. Meistern des Mittelalters ge- 
bandhabt worden sei, bemerkt aber, daSs man dagegen bei jenen die 
Kunst der Darstellung durch Wort und Rede auf der Stufe der höchsten 
Vollendung ^nde und ihr die herrlichsten Charakteristiken iron Helden 
und Personen verdanke. Ein solches erhabenes Gemälde hatten nament- 
lich Xenophon und Plato vom Sokrates entworfen , und diesem habe Ari- 
stophanes ein gleich vollendetes Schattenbild des Mannes entgegengestellt, 
und man dürfe an der Identität des wirklichen Sokrates mit dem der Ko- 
mödie eben so wenig zweifeln , wie an dessen Identität mit ^er Schilde«. 
' rnng des Plato und Xenophon« Um nun diesen schroffen Gegensatz zo 
yermitteln , hat der Verf. das in den Wolken des Aristopbanes entworfeact 
Bild von Sokrates und seiner Schule in den Hauptzugen zusamnengesteUl 
und daran für die Beantwortung der Frage , wie weit dasselbe der Wahr« 
heit entspreche, eine Darstellung der hauptsächlichsten Lebensverhältnisse 
des Aristopbanes , seiner politischen Ansichten und Stellung und des dar- 
aus hervorgehenden Gegensatzes seiner Persönlichkeit zu der des Sekni- 
tes angereiht. Man dürfe nicht fragen , ob der Sokrates des Aristopbanes 
oder der des Xenophon und Plato der wahre sei : denn beide Schilderun- 
gen seien einseitig und Freund und Feind hätten ihr eigenes Interesse iä 
dessen Persönlichket hineingetragen; auch habe Aristophanes nicht bleis 
die Lächerlichkeiten des Mannes um blosen Scherzes willen hervorgeho- 
ben, sondern alle Vorwürfe, dass Sokrates die Jugend in alTen Beziehungen 
verderbe un.d den Glauben an die vaterländischen Götter beeinträchtige, 
seien wenn auch nicht in der Ahsicht desselben, so doch in den Wirkun-. 
gen seines Lehrens und Handelns begründet gewesen. Und ein solches 
Urtheil habe eben Aristophanes über ihn fallen müssen , weil er aU achter 
und. vollblutiger Athener vermöge seiner vornehmen und funen . Bildong 
an der äussern uxoni« des Sokrates Anstoss nimmt , weil er bei SMnen 
conservativen Streben , durch Rückkehr zur Weise der Väter das Heti 
des Staates zu sichern , es dem Sokrates nicht verzeihen kann , dass er 
an dem alten Götterglauben rättelt, die Einsicht und LebenswMse der 
Jugend umgestalten und andere Staatsmaximen herbeiiahren wül, und 
weil es ihn verletzt, dass die rigida virtus jenes in Lakedämon das Ideal 
eines Staates findet. „ Gerade was Aristophanes dem Sokrates Schuld 
giebt, dass er seines Vaterlandes Götter geleugnet, giebt diesem seine 
weltgeschichtliche Bedeutung. Der Sokrates des Xenophon dagegen 
wurde eine höchst untergeordnete Rolle fin der Weltgeschichte spielen. 
Sokrates hat durch sein yv&%t aavtov die Individualitat. frei gemacht und 
von der Herrschaft der Substanz entbunden , die grossartigste Vorberei- 
tung auf das Christenthum , er hat, wenn auch durch einen abstracten 
todten Monotheismus, die alten Götter verdrängt und den Grund der alten 
Welt untergraben; die Säulen und Mauern sind bald nachgefolgt. Zu 
dem Allen hat er wenigstens die Anregung gegeben, sein Name ist mit 
dem der platonischen Dialoge auf das engste verwebt. Wer will es nun 
dem Dichter verargen, wenn er der Vernichtung de« grieefaiacben Wesens 



240 Schal- ond UnirersItitniadirlclKeii, 

nioht inbig zusieht, wem er sicli sam KanpCe aofaacht oed mit den 
Waffen, die ihm gegeben sind, far des Vaterlandes Gotter , für alle» 
Herrliche und Grosse , was mit dem Gedanken an die Vergangenheit sich 
seiner Seele darstellt, einen Kampf auf Leben und Tod fuhrt. Habet» 
die Sieger bei Marathon , deren Gedächtniss im Liede zu feiern er nie-' 
mals satt wird, für eine grosse Sache gekämpft, so hat es Aristophaee« 
auch gethan. Sokrates bedarf keines Vertheidigers. IXiesen PreoBd- 
Schaftsdienst haben ihm die erwiesen , die es am besten konnten , Vlrnto- 
und Xenophon ; die dankbare Nachwelt hat ron ihm nur jedes Gate be-^ 
wahrt. Das Eine soll man thun und das Andere nicht lassen: iumm 
haben wir uq^, so gut wir gekonnt, denen angereiht, die auf der Mtc 
des Aristophanes stehen." Mit diesen Worten schliesst die Abhandbuiff 
nnd aus ihnen geht hinreichend deren Zweck und Endergebniss bevror* 
In dem Programm von 1846 hat der Stndienlehrer Dr. Hoüe dordi De 
anUqmstknis terrae fuondiam Baruthinae ineolis commentatio eine sehr 
dankenswerthe Untersuchung über die älteste Geschichte von Bayreotk 
und seiner Umgegend geliefert. Nach den spärlichen Nachrichten bei 
Gasar, Tacitus, Dio Cassius, Ptolemäus, Strabo, Veiiejus u. A. hat er die 
Volkerstamme der Markomannen , Bojer , Hermunduren und der zwiaaheo 
Main, Donau und dem Römerwalie wohnenden Sueven besprochen , an* 
denen sich die Alemannen, Burgunder nnd ThSringer allmahlig als m iei | 
tige Völkerschaften entwickelten und der besprochenen Gegend ihre spa- 
teren Bewohner gaben. Auch die Geschichte dieser Völker ist erert|irt 
nnd überhaupt folgendes Ergebniss gewonnen; „Deniqne Danubinm tMt- 
gisse Thuringos eo est manifestum quod anno 451. cum Attila Hnanorui 
rege per mediam Germaniam secundum Danubii ripam ingenti ezerciUt io 
Galliam proficiscente sese coniunxerunt unaque iter fecerunt. Posiea 
Tero , quum finitimam Franciae partem Thnringi crebris rastarent inonr- 
sionibus, Cl6do?icus, rex Francorum, anno 491. bellum ils intalit agri»- 
que eorum depopulatis populum sibi vectigalem fecit , atque qnadragintai 
annis interiectis Thuringi a Theodorico, ClodoTici filio, Saxonibnsqtei 
qui hominum milia novem ei miserant anxilio , duobns proeliis gravibna 
victi Francorum imperio facti snnt prorsns obnoxii.'* — In den Verhalt- 
nissen der latein. Schule zu Burghauseiv [s. NJbb. 44. S. 94.] hat toÄ 
seit dem Studienjahre 1844 nichts verändert. -*- In Dillingen lehren mm 
Lyceum in der theolog. Section die Professoren Moll Kirchengeschichte 
und Kirchenrecht, Dr. Grals Hermeneutik', hebr. Sprache und Exegese^ 
Archäologie und Alterthümer, Wagner specielle Dogmatik und der an des 
verstorbenen Siempfle Stelle angestellte Merkle Moraltheologie, Pastoral- 
theoiogie und Pädagogik, in der pbiloif. Section die Professoren Recto» 
Schratt Geschichte, Philologie, Alterthümer nnd Archäologie, Dr. A^^ 
mold Physik, Chemie und Geographie, Dr. Beckers Encyclopadie , An^ 
thropologie, Psychologie, Logik, Metaphysik, Aesthetik und Philosophie, 
Dr. Poüäck Mathematik und Naturgeschichte ; am Gymnasium die Clas^ 
senpcofessoren Arjt, Beutebreek, Abel und Seibel [letsterer von Ermmenthäl 
hierher versetzt an die Stelle des nach Passan gegangenen Dr. Hüffmatm]^ 
der Pro& Dr. Mmamger fax Mathematik und Geographie, Kräh für &e* 



BefSrdenm^B und' BkrenbeseigaBgen. 241 

ligion , Lycealprof. Dr. Gtato for Hebräische and 8odienlehrer B^tkner 
ilr franz. Sprache f an der latein. Schale die Stodienlehrer Broamer, Heck- 
^fier , Keller and Egger und der Religionslehrer Kräh. Im Programm von 
1845 hat der Prof. Dr. Pollack die Fortsetzang der Beiträge zu, einer 
maihemaiisehphysikalischen Topographie von DiUingen geliefert und darin 
die physische Lage, die relative und absolute Hohe, die Atmosphäre nebst 
Himmelsgewölbe beschrieben and 24 Tabellen über Windverhältnisse 
nach 16jähr. Beobachtungen, über die Windverhaltnisse nach Tageszeiten, 
über Richtung und Stärke der Winde, über Beschaffenheit des Himmelsge- 
wölbes nach Beobachtungen, über mittlere Thermometerstande nach Beob- 
achtongen und Berechnungen, über Unterschiede der jährlichen und monat- 
lichen Mitteltemperbtur , über Dunstdruck 'und dessen Höhen, über 
mittlere Barometerstände nebst Unterschieden, über Mittel wertbe der tag- 
lichen Barometer-, Thermometer- und Psychrometer - Schwaaknugen nebst 
d^en Summen, über Druck höhe der atmosphär. Luft und deren Bestand- 
theile , ubfer jährliche Regentage , über Höhe und Anzahl der Hochwasser 
und über die mittlere Temperatur der Luft im Freien und des Quell- 
wassfirs mitgetheilt. Das von dem Prof. Kräh verfasste Programm des 
J« 1846 behandelt das Reich Gottes unter den Menschen in seiner Idee aus 
dem Standpunkte der praiktischen Vernunft [23 S. gr. 4.] , und der Verf. 
will darin den Abiturienten der Anstalt den Inhalt des im Gymnasium 
ertheilten Religionsunterrichts in gedrängter Recapitulatton nochmals vor^ 
fuhren und gleichsam als Grondriss für ihre fernere Fortbildoug zum 
Zwecke wahrhaft religiöser Ueberzeagnng mitgeben. Die Vorstellong 
des Reiches Gottes hat er nach der Analogie eines irdischen Reiches in 
die drei Stufen der Begründung , Erhaltung und obersten Leitung einge- 
theilt , und fuhrt nun nach jeder dieser drei Richtungen Gottes Wirken 
für dieses sein Reich in der Weise vor, dass er unter diese drei Betracb- 
tungszweige die ganzen Hauptwahrheiten derReÜgionslehrö einwebt, was 
freilich in einer etwas gekünstelten Weise geschehen ist. Gott als Be- 
gründer des Reichs wird als Schöpfer des Universums , der Menschen als 
V^rnunftwesen (mit Rücksicht auf die Freiheit und Unsterblichkeit ihrer^ 
Seele) und der Engel (welche als Mittelglied den grossen Zwischenraum 
zwischen Gottheit nnd Menschheit ausfallen) vorgefahrt. Dass Gott Er- 
hiilter dieses Reiches ist , wird nach physischen und moralischen Bezie- 
hungen begründet, und hierb/si auch von d^m Sündenfalle aus die Er- 
lösüngslehre (oder das Werk der Erneuerung des Gottesreiches) einge- 
webt, und erörtert, warutn die Wohlthat des Christenthums nicht früher 
in die Welt trat, und wie die Vollendung des Gottesreiches bis dahin, 
gelangen müsse, dass alles ein Hirt und eine Heerde weHe.:. Gott als 
Regierer seines Reichs wird als Gesietzgeber, Gnadenspender und Rich- 
ter vorgefahrt und daran die Deutung des Wesens seiner Gesetze, die 
alle auf das eine Gesetz der Liebe zurückgehen, und die Nachweisung 
seines Gnaden- und seines. Richteramtes angeknüpft. Natürlich ist hier- 
bei auch der Verpflichtungen gedacht, die der Mensch gegen das Gottes- 
iteich hat. — Mit dem Gymnasium und der lateinischen Schule in EicH- 
staDt ist wiederum ein bischöfliches Knabenseminar verbanden, und die 
N, Jahrb, f. Phil, n. Paed, od. Krü. Bibl. Bd. L. H(l.1. \S% 



242 Sdinl- and UnWersitatoniMhrleliten 

Zöglinge deMelben machen fast xw^ Dritiheile der gefNunraten 8cb&l«r 
9LÜ8, Der fnlhere Rector der Anstall ProfeMor Sehuiter ist nach Landi- 
hut Tersetst nnd der 8todienlebrer Fältenbacker Pftirrer geworden. Det 
gegenwärtige Rector der Anstalt Prof. Mutzt ist Classenlehper for lY. 
und die übrigen Classenlehrer im Gymnasium sind die Professpren Eng- 
ler, Priester Schauer nnd Fischer, in der latein. Schale die Stadienlebr«T 
Enzenberger, Fuchsbergtr , Dr. Zcmnernnd AfuAI6erg-er, welcher letztoie 
zugleich Religionslehrer in der latein. Hchule ist. Den Unterricht In 
Mathematik , Religion nnd Geographie im Gymnas. besorgt Prof. Riekter^ 
und für hebr. und franz. Sprache sind Hülfslehrer angestellt. Vgl. NJI>b. 
40. S. 345. Der Rector Mutzt hat im Programm von 1845 über die Ver- 
wandtschaft der germanisch- nordieehen und heüenischen Götterwd^ ge- 
schrieben, und will den Beweis fähren, dass diebellenischennddie genii»- 
nisoh-nordische Mythologie in einer eben so nahen Verwandtschaft stehen, 
lyie die Sprache der Hellenen und Germanen. Indem er dafür schon den 
Grund geltend macht, dass beide Völker verbrüderte JaphetfdenstfiDme 
seien , so baut er , nach einer ziemlich allgemein gehaltenen Darzteliag 
der griechischen Mythologie und ihrer Götterculte, den Hanptbewflii 
darauf, dass die Gottergestalten bei Homer und Hesiod hinsichtlich dir 
Klarheit und Bestimmtheit ihrer Persönlichkeit ganz denselben Charakter 
haben, wie die Gotter des Nordens, und dass sie in beiden Religionen 
menschlich heroische Gestalten sind, während die indischen, phrygiacfaen, 
ägyptischen Gotter sich als symbolische kund geben. Daran reiht sich 
eine Vergleichuog einzelner griechischer Mythen und nordischer SageB^ 
und es werden die Äsen nnd Odin mit Adonis und Hermes, Herakles mit 
Thor, Ares mit Thyr, Aegäon mit Aegir, die Kyklopen und Giganten, 
mit den Jetten, Kerberos und Garner, Persephone Und Hei, Aphrodi^ 
nnd Freya, Lato und Hlodyn, Moiren und Nornenu. a. zusammengestellt 
nnd dabei bald die Namens- und Begriffsähnlichkeit, bald die rerwandte 
Vorstellung der Zustände in Betracht gezogen , um den Zusammenhang 
beider Mythologien weiter zu begründen. Doch ist dieses Alles zu sehr 
im Allgemeinen und in oberflächlicher Einseitigkeit gehalten, and hat 
ebenso wenig eine tieferis Begründung , wie die darauf folgenden ge- 
schichtlichen Andeutungen über die frähesten Volker Griedienlands. Die 
beiden Hauptstämme sollen die Javanen und die Derer gewesen sein, 
nnd die Derer sollen in Sitten nnd Charakter wieder eine auffallende 
Aehhlichkeit mit den Germanen haben. Die weiteren Analogien, welehe 
der VerCi aufgesucht hat , sammt den darauf gebauten Hypothesen, mSssen 
in dier Schrift selbst nachgesehen werden. Im Programm für 1846 bat 
der Prof. Kugter statt einer Abhandlung et»^ Bemerkungen über daa 
VerhäUmss zwischen der Famäie und Sehute mitgetheilt und darin in yor- 
herrschend localer Beziehung den Zwiespalt, welcher zwischen der Schule^ 
and Familie und zwischen den Leistungen der ersterea und den Forde- 
rungen der Eltern und des Staates eingetreten ist, in einzelnen Hanpt- 
'ersch einungen besprochen, sowie auf die Ursachen dieses Zwiespaltes 
und die Mittel zur Ausgleichung hingewiesen , ohne sich jedoch über den 
Kreis des schon oft Besprochenen hinaus zu erheben. — Ueber Lehrer- 



BefSSrdenmgeii md BbreRlMtt6{|;Mi|;mi. dl8 

personal und Zustande der 8tudienanstalt in B&laitobn, wetebe 1846 das 
Sacolarfest ihres hundertjährigen Bestehens beging, ist bereits in den 
NJbb. 45. S. 82. bei Gelegenheit der Festbeschreibung Jener Peier be- 
richtet , und dort auch die im Programm för 1645 Ton dem Prof. iücfter 
herausgegebene Gissehiehte des Ch^mnasmms besprochen. Im Schuljahr 
1846 sind keine Veränderungen eingetreten, ausser dass, vrie auch an 
andern 8todienanstalten , der Jahresgehalt der Lehrer in Folge der kon. 
Entschliessung vom 28. 8ept. 1845 durch ständige Alterszulagen, In Gei- 
sammtbetrag von 1000 Fl., und durch Bewilligung fänfmonatlicher Thea- 
rnngszulagen , in Summa von 369 Fl. , verbessert worden ist. Im Pro»- 
gramm von 1846 hat der Studienlehrer Dr. Chtieüan Cron in sehr scharf- 
sinniger und tiefeingehender Weise eine Vergleichung der Redegattungen 
mit den Diehiungaarten [M S. gr. 4.] angestellt und darin eine neue Be- 
antwortung der Frage versucht: Wie ordnen sich der innerlich und änsser- 
lich festbegründeten Reihe der Diditungsarten gegenüber die Gattungeh 
der prosaischen Rede zu einer ebenfalls natnrgemässen , der geschicht- 
lichen Bntwickelung nicht widerstreitenden Aufeinanderfolge. Die Unter- 
suchung ist speciell auf die Dichtungsarten und Redegattungen der GrlO- 
chen eingeschränkt, weil diese in naturgemässer Originalität ihr Konst- 
verraogen entfaltet und die reinen Grandformen für die gemischten 
Brscheinnngen der modernen Kunsterzengnisse ausgeprägt haben , und sie 
will eine theoretische Bintheilnng und Gegenüberstellung derselben nicM 
anders für richtig anerkennen, als wenn dieselbe mit dem geschichtlichen Bat- 
wtckelongsgange der einzelnen Gattungen und Bi:fM:heinungen zusammen- 
stimmt. Ausgehend von Bemhardi's Ansicht, welcher im 2. Theile seiner 
Sprachlehre die Poesie in die lyrische und plastische, als die ele- 
mentaren' Dichtungsarten , zerlegt und das Drama aus der Vereinigung 
beider hervorgehen lässt, verwandelt der Verf. die Ordnung und Benen- 
nimg der beiden ersteren Dichtungsarten in die der epischen und der 
melischen Dichtung, und läugnet, dass das Wesen der melischen aus- 
schliesslich in der reinen Ausprägung der Empfindung beruhe. Vielmehr 
sei der Mythos die gemeinsame Grundlage und der eigentliche Stoff für 
aHe Poesie, und die Verschiedenheit der Dichtungsarten beruhe auf dem 
verschiedenen Verhältnisse des Dichters zu dem Mythos« „Der epische 
Dichter fasst den Mythos geschichtlich auf und bringt ihm kein anderes 
. individuelles Bewusstseln entgegen als das des Verkundigers und Herol- 
des, dem es gegeben, was er zu sagen hat, und der sich's nicht Unter- 
fängt , von dem Seinigen etwas dazu zu thun oder das ihm Geoffenbarte 
nach eigenem Sinne umzugestalten. Er , der Herold , ist um so grosser, 
je grosser der ist, der aus ihm spricht, und Homeros ist darum so un- 
endlich gross und einzig , weil es die Muse ist , die aus seinem Munde 
spricht. Ganz anders verhält sich der lyrische Dichter zu dem Mythos. 
In ihm tritt das individuelle Bewusstsein , die Freiheit der Auftassung mit 
ganier Stärke hervor; Er stellt sich als denkendes und empfindendes 
Snbject dem Stoffe gegenüber und f&hlt in sich das Recht , diesen nach 
seiner Innern Anschauung frei zu gestalten und zu einer individuellen be- -- 
stinmiten Schöpfung auszuprägen. Nach diesen Andentungen kasä& «% 



244 8«hal- and UniTerfitäUnaohricbtea, 

nicht swelfelbaft geio, wie ^ir nni in dem Drama die yerbliidaDf der 
epischen nnd meliscben Poesie denken. Wenn dem epiechen Diditcr 
Alles daran gelegen ist, den mythischen Inhalt in mdglicbster Anscbaa- 
lichkeit TonnCiihren, dem lyrischen Dichter dagegen, seine besonder« 
Auf&ssang des Mythos and damit seine sittlichen oder politiechen , fiber- 
hanpt aber sobjoctiven Zwecke mit möglichstem Nachdrucke hervom- 
wenden: so strebt der dramatische Dichter, der, wenn er wnrdig n 
seinem Volke sprechen will , xar höchsten Stafe des intellectaelleo ud 
sittlichen Bewasstseins gelangt sein mass, dieses in den mythieehen Steff 
einzobilden und denselben gleichsam individaell bereichert ond begeistigt 
mit epischer Anschaulichkeit zu entfalten. Wahrend demnach im Bpes 
der Dichter ganz dem Gegenstande dient und hingegeben ist, in der. me- 
lischen Poesie der mythische Stoff sich den individuellen Zwecken dei 
Dichters unterordnet, geben in dem Drama beide Theile ihre Selbststän- 
digkeit gegen einander auf, um sie i n einander wiederzufinden , indem 
der Dichter mit seiner Persönlichkeit hinter den Stoff zurücktritt, dieser 
aber in seiner Entfaltung die Idee des Dichters in voller Anachaolich- 
keit wiedergiebt« Aus diesem Grunde können wir auch der Aaflkf- 
sung nicht beipflichten , welche in dem griechischen Drama die lyriiahe 
Partie durch den Chor und die epische durch den Dialog Terti^eten dedki, 
da vielmehr dieser letztere selbst auf der Ineinsbildung des lyrisofaen oad 
epischen Elements beruht , während der Chor durchaus nationale Bedeu- 
tung hat und in ästhetischer Form sich zum Dialog etwa so Terhali, ütie 
die chorische Melik zu der ebenfalls lyrischen Form der jambischen -Poe- 
sie.'^ Wenn aber Berhhardi sodann der epischen, lyrischen und 
dramatischen Poesie die historische, philosophische und 
rednerische Darstellung der Prosa als parallele Glieder entgegenstellt: 
so bestreitet der Verfasser diese Biotheiluog schon darum , weil bei der 
epischen Dichtung und der historischen Darstellung der Gesichtspunkt des 
diametralen Gegensatzes, bei den beiden andern aber das Ver- 
hältniss der Aehn lieh keit und Analogie als Bintheilungsprincip ge* 
braucht sei. Namentlich will er die Parallelisirung der Rede und dee 
Dramas nicht gelten lassen, und hat wenigstens die von Berahai^dl 
aufgefassten Vergleichungspunkte beider als unzureichend nachgewiesee. 
Er selbst aber ändert die bisherige Theorie von den Dichtungsarten and 
den prosaischen Redegattongen dahin ab, dass er zwar auch die histo- 
rische Darstellung mit der epischen Dichtung parallel sein läset, 
aber der lyrischen Dichtung die Rede und der dramatischen 
die sogenannte philosophische Darstellung gegenubersetst. Wenn 
man nämlich die lyrische Poesie mit Bemhardl fSr die s ubj ect i v e s t e 
und individuellste und den lyrischen Dichter für den willkürlich- 
sten, heftigsten und hingerissensten erkläre: so könne man 
das Analogen dazu nur in der eigentlichen Redekunst und in dem Redner 
%at iioxriV finden. Letzterer habe ebenfalls die individuellste Subjecti- 
vität zur Charaktereigenthnmiichkeit , und gleichwie der lyrische Dichter 
den mythischen Stoff mit der unbedingtesten Freiheit indiTidueller Ueber- 
zeugung und Absicht behandle, benutze und gestalte, eben so sei ea imm 



BefiMenuigen und Bfarenbeceigiingen. 245 

Redner ■ nicht um die bistorische Erforschung- und Darstellung der ge-- 
scfaichtliohen Thatsachen , Welche er er v? Seinen muss, zu thun^ sondern' 
er brauche sie immer nur für seinen jedesmaligen besondern Zweck und 
mache sie demselben gerecht, sobald sie ihm in ihrer natürlichen Wahr- 
heit nicht entsprechen. „Das Wahre nützt dem Redner nicht, wenn es 
nicht wahrscheinlich gemacht werden kann , und auch das Falsche , wel^ 
cbes die Wahrscheinlichkeit unterstutzt, mnss ihm willkommen sein/' 
Und dass ihm ebenso vornehmlich eine leidenschaftliehe und hinreifisende 
Redeform zukomme , das habe schon Cicero im Oratör c. 37. und 38^ und' 
Quintilian. VI. 2. 7. nachgewiesen. Ferner habe die epische Dichtung 
mit der lyrischen zwar den gemeinsamen Zweck aller Poesie ^ nämlich 
unsere Phantasie durch Bilder zu ergötzen und unsere Empfindung zu er^ 
regen ; aber bei der epischen stehe eben die ErgÖtzung durch Beschafti'- 
gung der Phantasie als Hauptzweck Yoran und sie breite um dieser Er- 
götzung willen vor unserer Phantasie ein reiches Gemälde bewunderungs- 
würdiger Thaten und ausserordentlicher Ereignisse in anschaulicher 
^Schilderung aus; bei der lyrischen herrsche die Erregung des Gemnthes 
zur Begeisterung vor, und darum benutze sie die mythischen Stoffe nur 
als Mittel^ um das Gemuth zu ergreifen, zu rühren und zu erschüttern« 
Weil aber die letztere für ihren subjectiven Zweck doch den Mythos be* 
nutze, der erst von der epischen Poesie kunstreich ausgebildet und zu- 
sammengefügt werden mnsste: so sehe man auch daraus, dass bei den 
Griechen die lyrische Dichtkunst vor der epischen gar nicht entstehen 
konnte. In gleichem Verhältniss, wie epische und lyrische Poesie, stelle 
auch die Geschichte (gleich dem Epos) Thaten , Ereignisse und Zustände 
mit möglichster Klarheit und Anschaulichkeit hin, um dadurch unsern 
Erkenntnisstrieb zu befriedigen ; aber die Beredtsanikeit brauche (nach 
Analogie der lyrischen Dichtung) Ereignisse und geschichtliche Thatsachen 
nur in subjectiver Verwendung und habe ihre Hauptrichtung auf das Be- 
wegen der Affecte und auf die Bestimmung des^Willens. Somit stehe 
denn die in der Epik bezweckte Ergötz ung der Phantasie paral- 
lel mit der in der Geschichte zu erstrebenden Belehrung und Be«^ 
friedigung des Erkenntnissvermögens, und gleichwie die lyrische 
Dichtung Begeisterung des Gemüths erstrebe, so werde in der 
Beredtsamkeit Ueberzeugung oder Ueberreduiig des Willens 
bezweckt. In dieser Parallelisirung dürfe man sich freilich nicht durch 
Quintilian irren lassen, welcher das Wesen der Beredtsamkeit nur in dem 
bene dicere sucht und ihr den Zweck der Ueb er redung abspricht: 
denn schon Cicero habe in dem Orator^ o^ 21. dem Redner das proftöre, 
delectare und fleetere zur Pflicht gemacht , und in dem ersten und letzten 
BegrifTe sei eben die permasio enthalten , die bei dem Redner zumeist ein 
Ueberreden sei, in edlerer Weise das Ueberzeugen erstrebe und 
als vollendeter Zweck sich zur Ueberredung durch Ueberzeu- 
gung gestalten müsse. Hinsichtlich der äussern Redeform (Sprache) 
endlich werde der Beredtsamkeit die höchste Form der prosai- 
schen Rede beigelegt und sie heisse eben deswegen kat' ^£o;^ijy Rede- 
kunst und die elocuUo werde als einer ihrer Haupttbeile an^^MMAm«^. 



240 6cfaiü- and UnWersitiUiiBcbiklitia, 

Die bochfie formelle KvastTollendaag der Poesie wevda siMrar 
▼on Vielen in dem Drama gesucht, alleia richtig betrachtet erhebe rfch 
offenbar nor die lyrische Poesie lor höchsten Knastform der Sprache so- 
wohl in der Wortbildung and Ck)nstracUon, wie in der metrisdi-Biiaikali- 
schea Compositioa , wogegen die dramatische Poesie alierdinga in den 
chorischen und kommatischea Partien an dieser formellen Tiituo^tät par^ 
ticipire, aber in dem dialogischen Theile^ als dem eigentliehen Organe 
der Handlang y sich in sprachlicher nnd metrischer Form der Sprache des 
Lebens nähere. Darum werde auch von den Griechen bei der Unter- 
scheidung der Prosa und Poesie nicht ÖQäfta , sondern ftilog dem ^0709 
entgegengestellt, und loyos sei eben die eigentliche Beseicdbnnng der 
Red Ob yyUnter den Gattungen der prosaischen Rede ist also die Rjede* 
konst im engeren Sinne diejenige , welche auf Styl nnd Rhythmoa den 
höchsten Werth und die aosfobrlichste Sorgfalt legt. Zwar Temach-- 
lassigt auch die historische Composition , wo sie sich zur Kanat erfael»t| 
diese Seite nicht; allein sie ninunt einen ganz andern Charakter an , als 
die Redekunst. Die rhythmische uod stilistische Form in der g:escldcht> 
liehen Darstellung beruht auf einem plastischen Principe, wahreadm 
der Rede auf einem musikalischen, steht also in demselben VeiUÜt* 
niss, wie die epische Darstellung zur lyrischen.^^ Um aber mi- 
schen dem Drama und der philosophischen Darstell« ng efat 
gegenseitiges Verhaltniss zu gewinnen, stellt der Verf. die dialekti- 
sche Methode als das in der griechischen Literatur obwalteade cha- 
rakteristische Merkmal der letzteren auf, d. h. er erkennt in der Dia« 
lektik ebenso den Kunstcharakter der Philosophie, wie in der Rhetorik 
den Kunstdiarakter der Beredtsamkeit. Hinsichtlich der stüistiachen 
Form sei aas jener Dialektik die dialogische Form philosophisdker 
Werke hervorgegangen , und so wenig diese an sich f flr das einzige Oder 
beste Gepräge philosophischer Darstellung gehalten, sondern Tieliiehr 
rein zufällig genannt werden müsse: so dürfe man es doch' von dem Stand- 
punkte geschichUicher Betrachtung der griechischen Literatur nicht fir 
anfällig ansehen, dass deijenigoMeister griechischer Philosophie^ welcher 
die dialektische Methode nicht blos zuerst in Anwendung gebracihl, soi^ 
dem auch wissenschaftlich begründet und als das allein angemesseae Or« 
gan der Philosophie zu ihrer Selbstverwirklichung zu erweisen versadrt 
habe, zugleich den Dialog als die zweckmSssigste Form der Darstellnng 
nnd Gedankenvermittelung erkenne und nicht nur an verschiedenen Stellen 
seinen Werth hervorhebe, sondern auch gegenüber anderen Darstellnnga« 
weisen nachdrücklich auf Anwendung desselben bestehe , ja ihn auch noch 
da beibehalten zu müssen glaube , wo er ihm sichtlich etwas gl^chgülti- 
ger zu werden anfange. Unlaogbar zeige sich in dieser Voriiebe die 
Anlage nnd Neigung des hellenischen Volks überhaupt und insbesondere 
Platott's znr Poesie, nnd merkwürdig sei es auch, das« unter den drd 
Hanptgattungen griechischer Prosa gerade die Philosophie die einzige ist, 
welche den Dialog vertragt and bis zu einer gewissen Virtuosität änsgo- 
bildet bat« Nehme man noch dazu , dass gerade Plato , der sich in seiner 
Jugend der dramatischen Poesie widmete and bei mehreren seiner voUea- 



Belorderangen «id Ellrenbez€)ig1^lg^• 247 

detsten Werke die trilogiscbe Form angewendet hat, der Schöpfer der 
dialektiscben Kunst geworden ist: so werde man veranlasst, die dialogi- 
sche Form für die erste and natürlichste anznseben, in welcher sich die 
dialektische Methode zur änssem . Darstellung / gestaltet hat. Da nun 
auch nach Cicero's Erklärung die philosophische Sprache mehr den Cha> 
rakter des 9ermo als der oratio haben müsse , und in der gewöhnlichen 
Sprache des Umgangs überhaupt die Gesprächsform das Naturlichste sei : 
so trete auf solche Weise die philosop|iische Darstellung zu den übrigen 
Gattungen der Prosa in ein ähnliches Verhältniss , wie die dramatische 
zu den übrigen Dichtungsarten^ In Bezug auf das innere Wesen der 
Philosophie oder Dialektik wird von dem Verf. behauptet , dass sie ebenso 
die Zweckender Historie und Rhetorik in sich vereinige, wie in dem 
Drama die Zwecke des Epos und des Melos vereinigt. seien. Die Be- 
weisführung dafür ist folgende: Der Zweck der Historie ist die Befrie- 
digung des Erkenntnisstriebes, der der Rhetorik die Ueber- 
r edung, wogegen die Poesie auf Phantasie und G emuth zu wir- 
ken hat. Die erste Stufe der Erkenntniss <(der cognHw) ist die Wiss- 
begierde, von welcher Aristoteles die Entstehung der Philosophie ab- 
leitet. Dieser ersten Stufe des Erkenutnisstriebes aber entspricht die 
Historie in der ganz ursprunglichefi , ungestörten Reinheit und Naivetärt, 
wie sie bei den Griechen zuerst auftritt, und Herodot nennt darum sein 
Werk iGtoqiiis cinodsi^igy d. i. Darlegung seiner Kunde oder dessen, was 
er erkundet durch Nachforschung und Erfahrung. Vermittelt nun loif 
solche Weise die .Geschichte die Vergangenheit mit der Gegen- 
wart durch Erhaltung des Bewosstseins jener: 90 ist die f^edekunst ganz 
darauf gerichtet, durch die Gegenwart auf die Zukunft zu wir- 
ken vermittelst der Ueberredung , welche den Willen der Menschen lenkt 
und künftige Thaten und Ereignisse vorbereitet. Es ist der reine Zweck 
von Wissen und Handeln, welcher sich in dem eigentlichen Ziel oder 
Zweek der Historie und Rhetorik ausgeprägt hau Die Philosophie lebt 
HAB. ebenfalls in Erforschung der Dinge und geht, auf ein Wissen und 
auf die höchste und umfassendste Erkenntniss aus, weshalb sie 
eben selbst xar i^oxi^v die Wissenschaft heisst und als &8m^a neben 
die taxoQia tritt. Aber sie hat nicht blos das Erkenntnissvermogen, 
■ ondern auch den Willen der Menschen im Auge; sie will nicht 
blos ein Wissen oder Erkennen, sonderii auch eine Ueberzeu- 
gung oder Gesinnung in dem Menschen begründen, und sie vereinigt 
nicht nur die beiden Zwecke der Historie und Rhetorik in sich , sondern 
fuhrt auch beide zu ihrem höchsten Begriffe, indem sie eine Er- 
kenntniss will, die zugleich Ueberzeugung sei, damit Wille und Gesin- 
nung davon abhängig werde. Die Ueberredung, auf welche der 
Redner ausgeht, ist eine Art Sieg, eine Beweisführung, welche die 
Kraft der eigenen Sache herausstellen und den Widerspruch des Gegners 
zu Boden schlagen soll (eine confirmaUo und eortfutatw). Dem auf 
Ueberzeugung gerichteten Verfahren der Philosophie aber ist es zu 
allermeist um das W i e zu thun , und sie will nicht die entgegenstehende 
Ansicht Zum Schweigen bringen, sondern dieselbe vielmehr nothigen, sich 



248 Schoi- Qiid UniTersitStmachricIiUiiy 

recht grnadlich and erschoiifeud auiiiMpreobeiiv, dandt sie licli aelbit 
kennen lerne und dahin geführt werde, wo die Wahrheit aus ihr aelbat 
hervortritt, so dass der Gegner nicht als besiegt, sondern als Sieger seiner 
selbst erscheint. Diese Kunst der Philosophie ist die Dialektik , and «e 
bietet dÜB höchste und letzte Entwickelungsstufe der Rede , da sie die in 
den beiden andern Arten getrennt erscheinenden Zwecke der proaaisohea. 
Darstellung vereinigt. Ebendeswegen aber ist sie der draaiatis<diea 
Kunst gleichgeordnet : denn auch diese erreicht ihr Ziel nicht auf direlttem 
Wege , sondern spaltet sich gleichsam in widerstreitende PersonlichkeitiBOy 
die nach entgegengesetzten Principien sich vollständig aussprechen und 
enthüllen, um aus diesem Widerstreite die Idee der Dichtung hervortreten 
SU lassen. Dieses indirecte Verfahren hat man als die tragischelro- 
nie bezeichnet, welche mit der philosophischen eng verwandt, ja dem 
Wesen nach gleich ist. Sie ist nämlich eine ernste , noth wendige , nictit 
jene so zu sagen spasshafte und willkürliche, die man im gewöhnlichen 
Leben so zu nennen beliebt. Endlich wird auch noch ein Beweis für das 
gegenseitige Verhältniss zwischen Drama und- Philosophie aus der Aristo- 
telischen Erklärung der Tragödie gewonnen. So wie Furcht nad 
Mitleid ^s die höchsten Wirkungen bezeichnet werden, welche du 
Drama auf die Phantasie der Zuschauer und auf die energische Erregnag 
ihrer Empfindung hervorbringen soll , und so wie Furcht und Mitleid die 
Mittel zur poetischen Reinigung der Phantasie und Empfindang 
sind: eben so betri£ft die philosophische Reinigung den Verstand mid 
den Willen und bedient sich als Mittel dazu der Belehrung na d 
Erziehung, wie dies Plato im Phaed. p. 69. und im Sophist, p. 230. 
weiterentwickelt, und die Ueberfuhrnng (hsyxos) als die vorzüglichste 
and wirksamste Art der Reinigung bezeichnet. Somit üben also die PM- 
losophie und die Tragödie durch die ihnen zukommenden Wirkungen eine 
Art von Kritik oder Gerieht , und wie sich die Philosophie in dem Mei* 
ster der Dialektik eine Kunstform erschaffen konnte , welche dem Drama 
sich nähert, so könnte man auch die eigenthümliche Bewegung der tragi- 
schen Handlung eine dialektische nennen. Nachdem nun aber der 
Verf. in der angegebenen Weise aus dem Wesen der Redegattungda deren 
Verhältniss zu den Dichtungsarten in neuer nnd eigenthümlicher Auffas- 
sung zu begründen versucht hat, so fügt er am Schluss auch noch eine 
geschichtliche Bestätigung aus dem Entwickelungsgange der griech, Lite- 
ratur hinzu. Obgleich nämlich die Gattungen der Prosa nicht in so ge- 
sonderter Aufeinanderfolge, wie die Dichtungsarten , hervorgetreten, son- 
dern vielmehr wie mit einem Schlage zugleich mit der Entstehung der 
Prosa überhaupt entstanden seien , und die Sophlstik in ihrer Ursprung-, 
liehen und edelsten Bedeutung als die gemeinschaftliche Mutter sämmt- 
lieher Redegattungen betrachtet werden müsse ^ so lasse sich doch , sobald 
man nur nicht die ersten Anfange jeder Gattung, sondern eine gewisse 
Blüthe derselben in Betracht ziehe, die geschichtliche Aufeinanderfolge 
der drei Redegattungen klar unterscheiden. Die durch Herodot zu einer 
würdigen 'Darstellung erhobene Gescbichtschreibung habe den 
Vorrang und auch des Thukydides tiefere Kunst gehöre noch der frühesten 
Epoche der gebildeten Prosa an. Um dieselbe Zeit falle der Anfang der 



Beiorderimgen nnd Bhrenbeseigwi^en. 249 

kiinstmassigen Beredtsamkeit, die durch iLysia« eine gewisse 
Hohe in der gerichtlichen Gättang^ durch Isokrates die k-untflreibhätei 
Ausbildung der epideiktiscben Gattung empfing. Die Anfange der Phi-«^ 
iosophie könne man zwar schon anderthalbhundert Jahre vor Her'odot 
in Thaies nachweisen , aber sie habe damals , abgesehen von dem unge- 
nügenden Inhalte,, noch Tollig der Kunst einer adaequaten Darstellung ent^ 
behrt, so dass noch ein Jahrhundert später der Tiefisinn des Heraklitns 
mit der Unfähigkeit zum klaren Ausdrucke seiner Gedanken zu kämpfen 
hatte. Nicht der Sophistik dürfe man die Erfindung der philosophi-«' 
sehen Darstellung beimessen, da diese als Schöpferin der Prosa nur den 
Gegensatz zur Poesie hervorgebracht , und in materieller Hinsicht viel- 
mehr der Rhetorik als der Philosophie förderlich gewesen sei. Durdi 
die Dialektik sei erst die Prosa zur Kunst philosophischer Gedanken- 
ansprägung erhoben worden, und diese Dialektik habe erst Sokrates im 
Kampfe gegen die Sophistik und Rhetorik geschaffen , dann Plato sie aus- 
gebildet und Aristoteles deren Theorie vollendet. So sei denn die Kunst . 
der philosophischen Darstellung wirklich zuletzt zur Reife gekommen ; und 
wenn auch Demosthenes erst nach Plato der Rhetorik zuerst ihre höchste 
Tüchtigkeit nnd Meisterschaft verschafft habe, so hebe das doch die 
firuhere Blüthe derselben vor der Rhetorik nicht auf. Ref. hat für nötbig 
erachtet , den Ideengang der Untersuchung des Dr. Cron in ziemlichei* 
'Ausführlichkeit darzulegen , weil dui'oh dieselbe eben die bestellende Theo<- 
rie der R/edegattnngen umgestaltet werden soll , und w^il seine Theorie, 
auch wenn man sie nicht für richtig anerkennen kann, doch wenigstens 
eine Reihe neuer Betrachtungspunkte über diesen Gegenstand aufschliesst 
und somit fdr denselben mehrfach förderlich sein wird. -— Die lateinische 
Schule in GermBrsheim ist mit Realcursen verbunden und nimmt, über- 
haupt eine vorherrschende Richtung auf die Realien. Das Subrectofat 
fuhrt der, Ober- und Religionslehrer fF. Kubf, nnd Classenlehrer sind 
Bumb und KunkeL Dieselbe Verbindung mit Realcursen besteht auch an 
der lateinischen in Grünstadt, wo der Subrector Dr. Dktmar und die 
Lehrer Märt^er^ Maaaenez und Dr. Stolz Classenlehrer sind. Munker fär 
den Realnnterricht, Knell für Zeichnen nnd Trunk für Gesang angestellt 
ist. Die lateinische Schulein Hammelburg, welche bis 1817 ein Gym- 
nasium gewesen ist, bestand im Jahre 1845 nur noch aus zwei combi- 
nirten Classen , in welchen der Priester Mohr als Studienlehrer unter- 
richtete und der Pfarrer ^ei^Zein das Subrectorat führte; allein im Jahr 
1846 ist sie durch höchste Verfugung zur vollen lateinihchen Schule mit 
2 Cursen, jeden zu zwer Abtheilnngen , unter 2 Lehrern erhoben und 
durch neu hinzugefugten Unterricht in Musik , Singen und Schreiben er- 
weitert worden. Im Jahr 1845 bat der Priester Mohr in einem Programm 
Untersuchungen über den Zustand der römiaehen Gemeinde zur ZeU der 
Abfassung des Romerhriefes herausgegeben , welche gegen den Commentar 
von (Hshausen gerichtet sind. Während nämlich jener zu beweisen ver- 
sucht hatte, dass der Römerbrief nicht zu dem Zwecke geschrieben sei, 
um eingetretenen Zwiespalt zwischen den Juden - und Heidenchristen in 
Rom zu beseitigen und die falschen Ansichten der ersteren zu berichtigen : 
M hat der Verf. Im Gegeatheü die alte Meiaimf^ ^«iVVk<(A.^^^ ^^>» ^^ 



250 flclud- md UtthrenlauiMdirielri»i, 

faifcbeii Auichtea, weldie die Jadaitircttdea Mitglitdsr der (aMrbCeage* 
■einde in Rom geltend machen wollten nnd wednreh sie Parteiaageii er- 
regten , den Apostel lor Abfassung des BrieÜB veHuilasst haben , and^ «r 
hat dafür ans dem Briefe selbst ziemlich schlagende Bewebe Torgebracht. 
— - An der 8tndienanstait in Hop sind im Gymnasinm neben demReetor oikd 
Professor Dr. Leekner noch Classenlehrer die Professoren Dr. Cfebhardtf 
Wurm und Riedel, nnd andere Lehrer der Prof. Sehnihrlem fSr Mathe- 
matik , Dietsch fnr protestantische nnd Neuner für kathol. Religioii imd 
VmUe% fnr BVanzösich; an der latein. Schale lehren die Studienlehrer Be^ 
doefc, R&ss, Gebhart und Schorr. Von der am 26. Aug. 1846 begange- 
nen Säcularfeier der dreihundert] ährigen Elinweihang des Gymnaaianis 
giebt das Programm dieses Jahres eine kurze Beschreibung. Vgl. eben 
den Artikel Hof. Im Programm von 1845 hat der Prof. Wurm ange- 
langen Beiträge zur Bädung einer ^ deutschen Phüolagie heransziigeben» 
aber für diesmal nur den ersten Abschnitt, deutsches Alterthum , geliefert, 
welcher, nach einer sehr hochtrabenden Einleitung über die ausaerordent^ 
Uefa fortgeschrittene Entwickelang unseres Volkes, eine Schilderang de» 
mittelalterigen Ritterthums , dem es far seine Turniere und Feste nur an 
einem Pindar gefehlt habe, des Stadtewesens im 14. Jahrhandert, dm 
Zunft- nnd Innnngswesens , der Reichsacht, des Landfriedens, derl^uida- 
knechte, der Ordalien und dergl. enthält, aber über alle diese Dinge tua 
aphoristische Mittheilnngen macht nnd auch keine nene oder eiganthann- 
tiohe Forschung kund giebt. *-— An der lateinischen Schule in hicioii- 
ITADT, welche bia zum Schuljahr 1845 für seine zwei combinirtenDeppel«- 
ckssen ausser den Hulfslehrern für Französisch, Schonschreiben, Zeicb- 
nen und Gesang nur zwei Classenlehrer, nämlich den Snbreetor Bäumler 
fnr IV. nnd III. nnd den Studienlehrer Fo^ |ar U. nnd I. hatte, ist im 
Schuljahr 1846 noch, der Stndienlehrer Fßieger angestellt worden , damit 
die 11. und I. Classe getrennt unterrichtet werden konnten» — <- Aa der 
Studienanstalt in Kempten, wo im Gymnasium die ProfeasOTeo JVmM 
(zugleich Rector der Anstalt) , Reischle, W^ting und Dr. Wurm aU Clea- 
senlehrer, der Prof. Bundsehue Mathematik, Kopf Hebräisch nnd katboi» 
Religion, Oeyer protestantische Religion und Mündler franz» Spraebi, e« 
der lateinischen Schule die Studienlehrer Mager, TafraÜuihefer , SolUnger 
nnd Slegmüler als Classenlehrer und Hoftf Geschichte Lehren, hat der 
Lehrer K&jJf im Programm von 1845 eine Biographie des 1844 verstor- 
bepeq Rectors Dr. Böhm geliefert und darin nicht nnr dessen- wichtigste 
Lebensverhältnisse erzählt nnd sein Amts- und Privatleben geschildert, 
sondern auch die während seiner Amtszeit eingetretenen Umwandlungen 
des bayerischen Studienwesens (vom Jahr 1804 bis 1843), namentlich den 
ohurpfälz. Stndienplan von 1804 nnd dessen Ergebnisse bis znm Norma- 
tiv von 1606 saromt den folgenden Veränderungen bis zum Plan 1830 
besprochen, ohne darüber andere Anfschlusse z« geben, als welche schon 
dnrch Thiersch u. A. bekannt sind. Im Programm von 1846 stehen Ge- 
danken über das Verhältniss und die Bedeutung der Musik an Studienan:- 
sialten von dem Dr. Wurm, worin der Verf., veranlasst dnrch eine in 
Mayer's Revue erschienene Abhandlung über die Sdinlbildnng des weib- 
liehen Geschlechts , besondera über die Bilduig des Gcemnthslebena und 



B«lordeniiigcii moA Ebrenb«seigiiiigQB» ' 351 

aber Musik , denselben Gegenstand aneb fnr die Gymnasien erörtert nnd 
den masikalbclten Unterriebt als einen wesentlicben Haoptzweig der 
Gymnasialbildang dariuthan versucht. Doch bat er den Gegenstand nicbi 
klar erfasst und yerliert sieb in allerlei sdiwebende Brorterungen. An- 
bebend von der Aufgabe der Gymnasien , dorcb Unterricht und Erziehung 
den Menseben geistig und körperlich cur Humanitas und lur Yirtus her* 
anzubilden, geht er zur Lobpreüsung der musterhaften Erziehung der 
Alten über, welche die Bildung des Individuums klar erfasst und verfolgt 
hatten, während bei uns die Pädagogik erst noch ermitteln müsse, wi^,die 
gleichmässige Bildung der psychischen und physischen Kräfte der mensch- 
lichen Natur durch entsprechende Bildungsmittel herbeizufuhren sei. 
Dann folgen philosophische Betrachtungen über die geistigen und physi- 
schen Grundkräfte des Menschen und über die Wissenschaften und Künste, 
woran sich zuletzt eine Lobpreisung der Musik anscbÜesst , welche nicht 
nur nebst der Malerei und Dichtkunst das menschliche Leben am meisten 
verschönern und über die. Grenzen des Irdischen erbeben, sondern über- 
haupt die Darstellerin des Geroütbslebens , das Gleicbnissbild Gottes, als 
des Einen , unendlichen , unendlich guten , unendlich schonen und unend- 
lich erhabenen Gemüthes sein , mehr als jede andere Kunst das Gefühl 
der Gottheit und des Heiligen lebendig zur Anschauung bringen und 
selbst hoher als die Dichtkunst stehen soll^ zumal da die letztere ohne 
Musik nichts Erhebliches leiste. Warum sie das Alles sei, nnd wie sie 
als Bildnngsmittel gebraucht werden soll, das ist nicht weiter klar gemacht. 
— Die lateinische Schule in Kitzingen besteht in zwei Cursen fort unter 
dem Subrector SeJdtiig und dem Lehrer Kenner , so wie besondern Hülfs- 
lehrern für Gesang , Zeichnen und Musik« — An der lateinischen Schule 
in Landau sind Classenlehrer der Subrector Seka: und die Lehrer ^eti 
nnd Dr. Gosamann; Franzosisch lehrt ColUn^ Zeichnen Brauer^ katholi- 
schen und Protestant* Religionsunterricht die Pfarrer RoUeh und Eeinzß* 
-— Am Gymnasium in Landshut sind Classenlehrer der Rector nnd Prof. 
lAchienaaer und die Professoren Etkatty Schuster und Strohamer [welcher 
im letzten Schuljahr Krankheitshalber in dem Candidaten Reher^ einen 
Stellvertreter erbalten hat] , und Lehrer der Mathematik und Geographie 
Prof. Schuck y während Lichtenauer und Eckart zjDgleich auch den Reli- 
gionsunterricht vertreten. In der lateinischen Schule ist 1846 neben den 
Studienlehrern Ammann , Burger nnd Luber noch der Priester KoM als 
Studienlehrer angestellt worden , nachdem der Studienl. Obemdotfer nach 
Regonsburg versetzt worden war. Religionslebrer ist 4er Stadtpfarrer 
Dr. Neumejier; Musik, Gesang, Zeichnen und franz. Sprache werden von 
Hülfslebrern vertreten. Pur 1846 wurde kein Programm geliefert, 184$ 
aber schrieb der Prof. Schuster eine Abhandlung De CatiÜnaria coniura» 
tione, um darin die Zeit und Reihenfolge der einzelnen Vorkommnisse 
dieser Verschwörung neu zu erörtern, die verschiedenen Meinungen ein!» 
ger Schriftsteller zu einigen, und zu untersuchen, warum Cicero die 
Verschwörung nicht in der Geburt erstickte, sondern bis zur grossten 
Gefahr anwachsen liess , und durch welche Mittel ,und Rathschläge er sie 
anterdrnckte. Die Erzählung hebt von der Geburt, dem Charakt&r, der 
LebMsweise and den Bostrebongen des Catilina an and b«|^3U^ ^^^.N^x- 



^S Sdiol- nnd UniTersitStsnaehricbten, * 

sthwdrang mit der Tergeblich^n Bewerbung nn da« Cönsnlat i wob«! tlio 
wiederholten Versuche zu dessen Erlangung, die dabei beabsichtigten' 
Gewaltthätigkeiten , und die Gegenmittel des Senates sammt dem Senatsy 
beschlusse , so wie die umsichtigen und behutsamen Vorkehrungen Gieero's 
und seiner Freunde genau besprochen sind. Ueber die Abfasson^szeit 
des bekannten Senatsbeschlusses entscheidet sich der Verf. för die Ah-« 
gäbe des Sallust und beseitigt die Yon Muretus gegen Sallust'a Zarer- 
lassigkeit erhobenen Bedenken. Ebenso wird dann der weitere Portgaog 
der Verschwörung erzahlt, und Tornehrolich mit allem Pleisse die Klog^ 
heit und Wachsamkeit Cicero^s hervorgehoben , durch, welche er den Staat 
rettete und sich den Namen eines Vaters des Vaterlandes verdiente. — 
An der latein. Schule in Lohr besorgt der Subrector Priester Back den 
Unterricht in IV. II T. und der Priester Forster in 11. und I. , und an der 
latein. Schule in Miltenberg lehren in gleichem Verhältniss der Sob- 
rector Lehmann und der Studienlehrer Fatter; für Musik, Gesang und 
Zeichnen sind an beiden Anstalten Schullehrer verwendet. Das im Jahr 
1845 errichtete' Benedictinerstift in Metten hat erst im Jahr 1846 seine 
Studienanstalt mit 96 Schulern im Klosterseminar , 65 im bischdfl. Semi- 
nar und 3 in Privathäusem eröffnet und Classenlehrer sind der Pater j4iu» 
Deufl für IV., Pat. JFurm für III., Pat. Haberkorn für II. und Pat. iV«&- 
aer für I., sowie die Patres Lechner und Gerz für Arithmetik, Defjheri für 
Französisch u. Schraudolph für Zeichnen. — Unter dem Benedictinerorden 
steht das neue Gymnasium in München nebst dem Eirziehungsinatitnt. 
Rector des Gymnasiums ist der Pater Dr. Müller nnd zugleich Professor 
fSr IV., sowie V.Hof er Prof. für III., P. Braun für II., P. Aa^. HSfer 
für I., Studienlehrer Ratzinger Assistent , und der Laie Dr. Etiles Prof. 
d^r Mathematik. Den Religionsunterricht und die Geschichte lehrte 1846 
der Pat. Wimmer ^ ging aber 1846 als Missionär nach Pennsylvanien , im' 
im Bisthum Pittsburg eine Pflanzschule des Qrdens zu errichten. An der 
latein. Schule lehrten 1845 die Präfecten des Erzieh ongsinstitotes (dessen 
Director der Pat, Lacense ist), nämlich P. Deufl in IV., P. Haberkorn iri 
IIT.,' P. Buchner in II., P. Fischer in I., und Repetenten waren Sehwmg^ 
hart und Ammer* Von ihnen gingen 1846 Deufl und Haberkom in da» 
Kloster zu Metten zurück, und an ihre Stelle traten Seebauer und Laues» 
Neben den Classenlehrern sind noch besondere Lehrer für franz. , engt, 
nnd hebräische Sprache, für Zeichnen, Musik und körperliche Uebungen 
Torhanden. Das Programm von 1845 enthält eine Disputatio de pristinia 
Benediciinorum scholis mit dem Horazischen Spruche: Quo semel est im- 
buta recens, servabit odorem testa diu, und bringt einen Pänegyrikus der 
Verdienste des Benedictinerordens um Schulwesen und Erziehung. Die 
Erörterung beginnt von den Schulen Benedictes, der 529 durch seine be- 
kannte Ordensregel die allgemeine Grundlage des abendländischen Monchs- 
thnms schuf und vernünftigen Gottesdienst , nützliche Beschäftigung mit 
Ackerbau, Handwerken und Künsten, literarische Thätigkeitj Unterricht 
der Jugend und Vervielfältigung der Schriften zur Grundlage des Ordens 
machte. In seinem Kloster Cassino hatte Benedict eine doppelte Schule, 
eine für Mönche und die andere für Laien, nnd unter seinen Schülern 
treten Simplicius , Faustus , Maorus , Hieronymns n. A« hervor. Aussef 



Beforderaogen and Bhrenbezeignngen. 253 

dem Unterrichte der Knaben lag auch deren Erziehung in seinem plan 
und darauf deutet die Ordensregel mehrfach hin. Der Orden errichtete 
Schulen in England , Schottland und Deutschland , besonders in Bayeirn, 
wo in den Kidstern zu Ober- und Nieder-AIteich , Benedictbeuern , Te- 
gernsee , Osterhofen , Schliersee , Scharnitz , Scheftlarn , St. Emmeran, 
Reichenbach, Mollersdorf , Andechs u. A. solche Schulen bestanden. Ge- 
lehrte Benedictiner besetzten schon yor Karl dem Grossen die bischofl. 
Schulen , und bildeten nicht nur viele Schuler auch aus den hohen Stan- 
den, sondern^ auch beruhrote Lehrer, wie Wilhelm, Othlon, Lambert, 
Ratmund u. A. Der Charakter dieser Schulen , Lehrplan, Lehrweise und 
Disciplin sind geschildert, ohne jedoch auf das von AIcuin eingeführte 
Trivium und Quadrivium Rücksicht zu nehmen. Hauptbeschäftigung war 
in den Schulen d?e latein. Sprache und das Lesen der Classiker. Man 
machte die Schuler zuerst mit der Person und dem Vaterlande der Schrift- 
steller bekannt, nannte Ort und Zeit, wo jeder schrieb, und die Ursachen,^ 
warum er schrieb, suchte Inhalt und Eigenthümlichkeit des Werkes dar- 
zulegen , erklärte mit Beseitigung alles Schmuckes den naturlichen Sinn 
der Schrift, führte erläuternde Muster aus andern Schriften an und tbeilte 
das zur Erläuterung nothige aus Geschichte, Alterthümern und andern 
Wissenschaften mit. Fleissige grammatische Uebungen im Schreiben und 
Sprechen wurden angestellt und Verstand und Geschmack gebildet. Schon 
im 12. Jahrh. hielt man Vorträge über guten Stil , wofür Cicero , Sallnst, 
Terenz und Macroblus als Musterschriftsteller benutzt wurden. Asch 
die deutsche Sprache blieb nicht unbeachtet: denn es wurden von Bene.- 
dictinern deutsche Glossarien über Bibel und Concilienb^schlüsse , über 
Decrete römischer Päpste und Werke der Kirchenväter , über Lectiona- 
rien beim Gottesdienste und Biographien der Heiligen verfasst und'deutr 
sehe grammatische Vorlesebücher geschrieben. Rhabanus Manrus, Abt 
in Tegernsee und Alcuin's Schüler, erhob die Philosophie zur Wiss^nschaijt 
aller Wissenschaften und erweiterte das gesammte Unterrichtswesen. 
Hauptstudium der Benedictiner war die Theologie, und während .Wol|(- 
gang 60 Psalmen und Gebhard die vier Bücher der Konige commentirte, 
so traten Lombarde und Gerloh überhaupt als gelehrte Theologen au^^ 
und Abailard war gleich gross als Philosoph und Theolog , als Kenner der 
griech. Sprache und des Aristoteles und Plato. Er zog viele deutsche 
Benedictiner und andere Lernbegierige nach Frankreich und Italien , und 
war mit Lombarde die grosse theologische Auctorität , nach deren Sy- 
steme sich Alle richteten und zu denen die Benedict! ner-Aebte ihre jungen 
Geistlichen in den Unterricht schickten. In gleicher Weise, wird ferner 
die übrige Wirksamkeit der Benedictiner bis ins 13. und 14. Jahrh. herab, 
ihre Erhaltung der alten Schriften durch Bibliotheken und Handschriften- 
abschreiben , ihre handwerkliche und feldwirthschaftliche Thätigkeit , die 
Pracht ihres Gottesdienstes , ihre Reisen in fremde Länder , ihre Theil- 
nahme an den politischen Verhältnissen n. dgl. geschildert , aber Alles nur 
nach den äussern Erscheinungen und ohne auf das innere Wesen tiefer 
einzugehen. Alles ist zu dem Zwecke dargelegt, dass die Benedictiner, 
80,wie sie, früher stets Bildung nnd Wissenschaft gepflegt und nm Staal 
and Kirche sich hochverdient gem8c;ht^\liabeii , «o «a^ V^f^^ l«v^5ai»^^^ 



NTene 

JAHRBÜCHER 

(nr 

Philologie und Paedag^og^, 

oder 

MritUche Bibiiothete 

far das 

Sclinl- una Viiterriclitswesen. 



In Verbindung mit Einern Vereine von Gelehrten 

herausgegeben 

von 

m. JFohann Christian Jahn 

und 

Prof, ttUinholA Klotw. 




Funfoigster .Ba©d.* Drittes Heft. 



lietpzlfff 

Druck und Verlag von B. G. Tcubner. 
1847. 



356 SobnU and Unirersitatsnachrichteii etc. 

som Räthsel der ScbSpfong und der Weltgeschiobte. 8ein erstes Gesetz 
sei Heiligang durch ethische, rein auf Gott bezogene Kraft, ausgebend von 
Gott, vom Menschen. anfgenonmen und wieder durch freie sittliche Kraft 
foTt^ und eingepflanzt; H^ligfceit und Heiligung sei Grund und Ende der 
christiichen Religion, ohne welche die Vernunft unerleuchtet, und wo 
nicht Yollig blind , so doch in der Dämmerung tappend , die absolute ewige 
Freiheit und den Sieg über das Creatürliche und Natürliche nicht erlange. 
Diesem Grundcharakter des Christenthums trete aber das classiscfae Hei- 
dentbum schroff entgegen. Während das Christenthum ein grosses mo- 
ralisches Verderben erkenne und die Restitution von der Selbstverläng- 
nung anfange , überhaupt in seinem Charakter ernst u. männlich, ethischer 
und heiligender Natur sei: so werde dieses Verderben in seiner innersten 
Tiefe, zerrissenen Kraft und specifischen Gestalt im Hellenismus nicht 
«rkännt und es fehle ihm der ganze Bau der Wiedergeburt. Alles Grosse 
desselben sei vom christlichen Typus himmelweit entfernt ; Eudämonisnuis, 
Genuss und Freude seien in ihm Hauptzweck; Verläugnung, Selbstent> 
jinsserung und Heiligung kenne er nicht. Ihm liege nur Naturvergotte- 
rung, eine aus Phantasie und Plastik hervorgegangene Gotterwelt zu 
Grunde; die Emanationslehre habe keinen ethischen Gehalt, lasse die 
Einheit in der Vielheit untergehen , das Moralische vom Physischen über- 
wunden werden. Ja er trete sogar in directen Gegensatz zur christlichen 
Lehre von dem Willen, von Freiheit, ethischer Kraft und von der Hei- 
ligkeit Gottes , und leiste der modernen Negation den hülfreichsten Vor- 
schub. Die Persönlichkeit Gottes habe in ihm keinen Platz, und seine 
Universalität löse sich in das ungeheure und Alles verschlingende Chaos 
4iuf ; seine Götter hätten mit dem würdevollen ethischen Begriffe eines 
höchst eh Wesens nichts gemein. Durch diese und ähnliche Aeusserungen 
und durch weitere schroffe Gegensätze sucht der Verf. das Gefährliche 
der dassischen Bildung darzuthun und zu beweisen , dass es keine christ- 
liche Erziehung sei, wenn man durch die classischen Studien Einpflan- 
sang classischer Humanität erziele. Weil er nun aber diese classischen 
Studien nicht verktfnnt wissen will, ja in ihnen das Anknüpfungsmittel der 
Vergangenheit an die Gegenwart und einen kräftigen Stützpunkt gegen 
den wachsenden Materialismus erkennt: so- schlägt er das Anskunftsmittel 
vor , dass die classische Bildung in den Gymnasien auf das blosse Erler- 
nen der griech. und latein. Sprache beschränkt, und daneben eine stufen- 
weise tiefere Begründung des Christenthums angestrebt werden müsse, 
wo man sich nicht blos mit zwei wöchentlichen Stunden katechetischen 
Unterrichts in der Religion begnüge, sondern die trefflichen Werke, in 
welchen die tiefera Lehren des Christenthums hinreissend dargestellt seien, 
in den Schulen lese, den Jüngling während seiner christlichen Ausbildung 
Ton den heidnischen Quellen zurückhalte und ihn in dem Hellenismus einen 
Feind erkennen lasSe , den man nur dulde , weil er anderweit zur Waffe 
und zur Vertheidigung diene. Allein dieses Auskunftsmittel verliert sich 
in eine solche Unklarheit, dass man die Grenzen, welche zwischen clas- 
sischer und christlicher Bildung bestehen sollen, durchaus nicht bestimmt tu 
erkennen im Stande ist. [Die-Fortsetzung folgt im nächsten Heft] 



Rrene 

JAHRBÜCHER 

far 

Philologie nnd Paedagog^, 

oder 

MriiiMChe BiMiothek 

für das 

Schnl- «tnd Unter riclil»wesen. 



In Verbindung mit einem Vereine von Gelehrten 

herausgegeben 

VOtt 

m. JTohann Christian Jfahn 

and 

Prof. VLeinholä, Kiotof* 




Funfeigster. Ba4;>d.* Drittes Heft. 



I^elpziff» 

Druck und Verlag von B. 6. Teubner. 
184V. ^ 



Kritische Beurtheilungen. 



C Cor nein Taciii opera quae supersunt ad fidem co- 
dicum Mediceorum ab Jo. Georgio Baitero denuo excussoram cetera» 
rumqae optimorum librorum recensuit atqiie interpretatus est Jo, Gtu* 
par Orelliu8. Vol. 1. Turici sumpt. Orellii, Faesslini et sociorum 
MDCCCXLVr. XXXVF u. 628 S. 

Studio critica in Meäiceoa Taciti Codices scripsit 
Carolua Heraeus Dr. Phil. Pars prior. CasseIHs A. MDCCCXLVI. 
Veneunt in libraria Kriegeriana« VlII u. 181 S. 

Auf dem Umschlage des ersteren Buches ist die Versicherung 
abg€|druckt, dass der zweite Band noch im Laufe des Jahres 1^4(> 
erscheinen sollte. Dass dies nicht errüllt, bedauern wir In sofern, 
als Jedermann etwas Gutes und Werthvolles lieber im Besitz als 
im Versprechen hat , aber doch freuen wir uns auch wieder des 
Aufschubs^ in sofern wir hoffen dürfen, dass das Erscheinen der 
zweiten oben bemerkten Schrift den Verfasser der ersteren bewo- 

fen habe, nach Möglichkeit noch in dem zweiten Theile seines 
'acitus Rucksicht auf ein so gediegenes Buch zu nehmen. Unan- 
genehmer würde dieNichterfüllung jenes Versprechens das wissen- 
schaftliche Publikum berühren, wenn nach so hundertma liger ähn- 
licher Versicherung auch hier der Jlerr Verfasser , wie die Herren 
Verleger Ihr Versprechen übereilt gegeben hätten. Denn gegen 
den enormen Fleiss und *die grosse Ausdauer des Ersteren, wie 
gegen die bedeutenden Kosten und Aufopferungen der Letzteren 
haben wir eine zu grosse Achtung, als dass wir uns diese auf ir- 
gend welche Weise durch sie selber schmälern lassen möchten« 
Die Verlagshandlang hat nämlich laut der Vorrede p, VI. den Hrn. 
Prof. Baiter zweimal auf Ihre Ko««ten nach Florenz reisen lassen^ 
und diesem verdanken wir vermöge der freundlichen Aufnahme 
und Begünstigung durch Francisco del.Furia die neuestct^ bieraoi 
zuTeriässigsten vorliegende Collation der beiden McdiceiaGhen 

17* 



260 Romische Literatar. 

Codices des Tacitiis. Darin ako müssen wir den hauptsächlich- 
sten Vorzug dieser Orelirschen Ausgabe suchen, dass nunmehr die 
Kritik im Stande ist, auf sicherer Grundlage nach einem urspriing- 
liehen Texte hinzuarbeiten. Freilich schon mehrfach war diese 
Vergleichang früher angestellt^ und wenn dadurch schwankende 
oft entgegengesetzte, sogar falsclie Angaben sich fanden, hervor- 
gegangen aus der schwierigen Longobardischen Schrift des zweiten 
Medicens und den Tielen durch Alter verwischten oder durch 
Ausradirung unkenntlich gewordenen Bnclistaben, so entsteht auch 
jetzt noch zunäclist das Bedenlcen, woher denn nun endlicli die 
Sicherheit, dass diese Goliation stets das Richtige gegeben. Und 
doch , wir finden sie in der Offenheit, mit der Hr. Baiter uns selbst 
daa Geringste umständlich und deutlich mitgetheilt hat. Er hat 
sowohl das Unleserliche, wie auch seine etwaigen Zweifel über 
die ursprünglichen Schriftzüge getreu angegeben. Er deutet bei 
fehlerhaften oder verfälschten Worten an, sobald sie, oder wie 
Tiei Sylben, wie vtel Buchstaben am Ende der Zeile stehen, er 
|g;iebt die Bruche und Zeichen neben seiner Erklärung an, so dass 
jedem die Gontrolle bleibt, und da, wo er sie selber nicht gelöst, 
Terschaift er dem Leser die etwaige Möglichkeit; selbst die Pnnkte 
über und unter den Buchstaben (der Punkt über dem Buchstaben 
t kommt nicht in M. vor) hat er gezählt, sogar zu lösen gesocht, 
öh sie ursprünglich, ob später eingetragen; er hat jede Correctur 
des Textes angegeben, ob von derselben Hand des Abschreibers, 
oder eines spätem Bearbeiters, ob mit derselben , ob mit verschie- 
dener Dinte u. s. w ; ob Zwischenräume zwischen verschiedenen 
Worten, wie auch den Buchstaben desselben Wortes, ob Zeichen 
der Lücke im Text und wenn, wie viel Buchstaben ungefähr feh- 
len, ob nicht. Ueberhaupt ist er mit solcher Gewissenhaftigkeit 
verfahren , dass er durchgängig auf die Orthographie die genaueste 
Rücksicht genommen. Dem Hrn. Heransgeber danken wir cs^ 
dass er es (praef. VI.) für Gewissenssache gehalten, auch nicht 
Einen Buchstaben, der von seinem Freunde angemerkt worden, zu 
vernachlässigen. Wenn nun uns noch Hr. Orelli die Versicherung 
giebt, dass Hr. Baiter sehr scharfe Augen habe (p. 35. exterritia 
clare, teste Baitero,^ aytomi^ accerrimis oculis praedito), so 
Scheint sich hier Alles zu vereinigen, um uns zu dem Glauben zu 
Berechtigen , wir besitzen nunmehr von den Annalen des Tacitus 
denjenigen Text , wie er sich überhaupt bei irgend einem alten 
Classiker durch die Handschriften der Wahrheit nähern könne» 
Aber der Wissbegierde, die mit Dank und Freude und Anerken- 
nung das Gebotene aufnimmt, bleibt auch hier noch zu wünschen^ 
Man hat wohl sehr oft das Verfangen gehört , wir möchten die 
Codices durch den Druck vervielfältigt haben, damit Jeder Gele- 
genheit hStte, an der Quelle zu schöpfen: dies wäre bei den Med. 
an sich eine reine Ungereimtheit. Wir würden nun und nimmer- 
tnehr die verschiedenen Schriftzüge verschiedener Bearbeiter^ 



Taciti opera , recens. et interpretatus est Orellias. 901' 

^ - ' 

nMii die Ausradirunged , liicht die unterschiedene Frtache der 
Dinte wieder vorfinden können, und anstatt eine getreue Copie 
der Codices würden wir ein verfeliltes, alle Eigenthumlichkeiten 
verwischendes Afterbild vor uns haben. Randbemerkungen un4 
Correkturen sowohl des ursprünglichen Abschreibers, wie des oder 
gar der spätem CJeberarbeiter, alle würden wir in gleicher Farbe 
erschauen , und jedem Enizelnen der unersetzliche Vortheil ent- 
gehen , der durch eine treue Relation eines sorgsamen und gewis- 
senhaften Gelehrten hervorgeht. Und selbst gesetzt, die Kunst 
könnte (oder würde es dereinst können) auch diese Schwierigkeit 
heben , immer bleiben noch einzelne scheinbar unbedeutende Ne- 
bensachen, deren es aber bei einem Codex gar nicht gi^bt. AUes 
Jst wichtig, selbst die verdorbene Stelle im Pergament des 2. M., 
die Hr. Baiter gewissenhaft angemerkt, und die die Becker^sche 
Kiirze kaum ahnen liess; es kommt darauf an, ist sie etwa durch 
Ausradirung entstanden, sind Buchstaben verschwunden, oder lag 
es am Pergament. Das Letztere erfahren wir p. 585. Post v. ma- 
irinwnio hiatus in M., verum non in rasura, sed propter membra- 
nam ipsam« So genau und ins Einzelnste gehend Hr. Baiter un« 
sere Neu- und Wissbegierde auch befriedigt, so sehr bedauera 
wir jedoch, dass er uns nicht den ganzen Codex, wie er da ist, 
hat darlegen wollen, indem er vorzügliches Augenmerk auf die 
prima manus verwandt, und das später von Beroaldus und Andern 
Hineingetragene und Beigefügte vernachlässigt hat, und zwar, wie 
Hr. Orelli in der Vorrede p. VI. sagt: nam si quid boni praebent, 
iamdudum notae sunt et falsas cumulare nihil prorsus attinebat. 
Doch wir müssen diesem noch sogleich die Einschränkung beifü- 
gen, dass wenigstens im M. 1., also in den ersten 6 Buchern , Hr. 
Baiter oft die Randbemerkungen und des Beroaldus Aenderungen 
und Correkturen angegeben, selbst so genau, dass er im Fall ei- 
nes Zweifels, ob das Zugefügte von Ber. oder einem andern sei, 
dieses ausdrücklich vermerkt. In dem M. 2. gilt freilich , was Hf« 
Orelli p. 459. anführt: plebs M.: plebsque B. Copulam que super- 
scriptara, de qua narrat Jac. Gronovius, Baiterus non notavit, re- 
centiorum interpolationum plerumque incuriosus. 

Wir fragen zunächst, war denn an jenen Stellen eine Aus- 
nahme nothwendig? aber lieber freilich hätten wirs gesehen, wenii 
wir nicht gezwungen wären, über das, was gut und von etwaigem 
Nutzen, die Entscheidung in die jedenfalls ehren werthe, doch« 
weil eines Einzelnen, subjective Ansicht des Vergleichers alt 
vorläufig höchste Instanz gelegt zu sehen. Manches allerdings 
mag sich von vorn herein als falsch , wohl selbst als Unsinn dar- 
legen, doch der menschliche Irrthum ist oft ganz wunderlicher 
Art, und hin und wieder ist es einem Nachfolgenden schon gelun- 
gen, ein Jahrhunderte lang verachtetes Wort oder blosses Zeichei| 
als dennoch rechtmässig zu entziffern. So auch, meinen wir, 
kann immerhin auch jetzt noch nouincher Anfschluss aus deii M. 



idli Römisch« Literatur« 

geschäpft werden, and wenn wfr gleich das grtrase Verdienst itHi. 
Baiter^a gebührend anerkennen, wollen wir uns doch in tihserer 
Freude von jeder blinden Uebertreibung fern halten. Do|^h die 
Kritik miisa bei Tacittis erst allmählig erstarken, und hat für lange 
9Li\ der Bearbeitung des gegebenen reichlichen Stoffes zn thon. 
Einer spätem Zeit wird ohnedies noch so Manches verbleiben. 

Auch einzelne Conjecturen des Hrn. Baiter hat der flerani^ 
geber mitgetheilt, nnd wenn wir schon gleich von vorn herein 
dem Arzte mit Vertrauen entgegenkommen, der durch täglichen 
|]mgang und gründliche Kenntniss unscrs Körpers weiss, wo ei 
ihn drückt, und was ihm heilsam, so haben wir auch gegen Hrn. 
Baiter's Conjecturen einen gleich günstigen Glauben^ und billigen 
es, dass der Herausgeber sie ohne Weiteres in den Text aufge^ 
nommen. VI. 9. obtegatu venas M. et, gemin., obligavit venan 
Beck., obligat venas Bait. — XII, 85. praefectique tribuni M.^ 
praefecligue ac tribuni B., praefectique et tribuni Bait. — XIII, 
29. stimmt die Conjectur Bait. saepe mutala für sepe fmitata M., 
und immutata B. mit der Spir. ü})erein, doch versichert Hr. Orelil; 
sie sei ganz anabhängig davon entstanden (hac non inspecta). -^ 
XIII., 40« uaqve addictuni telis M«, usque ad iactum feti B. , tss" 
que ad ictum teli Bait. — XIV, 54. innere (altero u corr. in Ä) 
pcuratores cum p caudato, omisso per M. , iube rem per proeu^- 
ratores Bait. — XIV., 58. insonles interfic, AI. B, inspntes si 
interßc. Bait. — XVI, 23. picturas seuehere M. , avehere B., 
evehere Bait. unter diesen war Bezzenberger XII, 35. XIV, 58. 
schon auf dasselbe verfallen. An zwei andern Stellen maeht Hr. 
Baiter nur blosse Vorschläge, die er selber nicht als acht dem Ta- 
citus aufdringen möchte, weshalb sie Hr. Orelli denn anch nur 
blos mitgetheilt hat. VI, 31. icifro M., in q^ao Baitero iudice fort, 
tatet primum Cyro, — XVI , 2. auaratoribua M. , a naratoribua 
uncis inc]u8um B. Gorrupti verbi auaratoribus prima sjllaba vU 
detur esse praepositio ab^ ceterae vero dittographia sequeritis vo- 
cis oratoribusm Itaque scripserira ab oratoribusqne^ Bait. 

Nächst der äusseren Genauigkeit , mit der uns jetzt In der 
Orelli'schen Ausgabe die beiden M: vorliegen, und die es jedem 
Forscher erlaubt, auf sicherem Grunde selber vielleicht einige 
Steine zu dem Aufbau eines ursprünglichen Textes zu liefern, 
müssen wir es aber vorzüglich hervorheben, dass an sehr vielen 
Stellen uns jetzt schon andere Lesarten vorliegen, wie sie uns 
durch frühere Collationen irrthümlich bekannt geworden, sowie 
wir jetzt bestimmte Angaben erhalten, wo frühere in iliren Be- 
hauptungen von einander abwichen. Doch da dieses Verdienst 
schon in die Bemühungen des Hrn. Orelli hineinfällt, der durcli 
stete Vergleichung der Baiter'schen Collation mit früheren, und 
fortlaufende Angabe der Abweichungen von den vorhergehenden 
Sditionen jedes Einzelne verfolgt, so werden wir, bevor wir auf 
^ie Frage eingehen, wie Hr. Or. denn das Gebotene benutzt und 



Taciti opera, rccens« «t, interpretatoi eit Orellioi. 2^ 

verarbeitet, erat eine Daratelluof der änaaem Bemiehaof eu vorii«- 
gender Ausgabe geben müssen. 

Sie ist nach der nunmehr schon gewöhnlichen Einrichtung 
verfasst, dass unter dem Texte doppelte Anmerkungen, anerst die 
kritischen, dann die erklärenden gegeben sind, jene durch die 
Zahl der Zeilen , diese nach den Kapiteln (dies Letztere etwas un- 
übersichtlich) abgctheilt. Nach einer kurzen Vorrede des Her- 
ausgebers folgt die äussere Beschreibung der beiden Medicei- 
schen Codices, abgedruckt aus Bandinii Catalog. Codd. Latin; 
BibL Laur. Vol. 11. p. 831. sqq.,, dann eben daher entnommen die 
Darstellung der neueren Handschriften (in zwej derselben hat Hr* 
Baiter die Lücken bist. I. 69— 75. und L86 — II. 2. Terglichen), 
und endlich der Index ceterorum codicum aus Rupert! mitge- 
Iheilt, mit einzelnen Zwischenbemerkungen, Zusätzen und An- 
merkungen Ton HUrn Bait. und Or. begleitet. Beigegeben ist 
der Vorrede noch eine chronologische Uebersicht der Annalen 
nach Zumpt. Den einzelnen Büchern der Annalen folgen theil- 
weise noch besondere Bxcurse, zu IIb. II , 3. 4. aus Visconti Ico- 
nograpliie grecque III. p.305.; zu IIb. IV, 5. aus Bergk*8 und 
Cäsar's Zeitschrift 184 '>, 5. p. 477. ein Auszug aus des Recensenteu 
Commentatio qilot quibnsque numeris insignes legiones inde ab 
Aiignsto usque ad Vespasianum principi|tum in Oriente tetende* 
rint; zu lib. VI, 42. Burnouf über den Namen Surena; zu lib. XI, 
14. in aere pvblicandia plebiacüis per fora ac iempla flxo das 
einzige Plebiscit., das uns noch erhalten; zu demselben Buche cp. 
24. Claudii Imperatoris oratiouis quae supersunt ; zu lib. XII, 58. 
Lipsius ExGurs über die Worte: ut llienaea^ zu Hb. XIII, 27. Lips. 
und Ern. zu den Worten: Paenilentia aut novo beneficio; zu lib. 
XIV, 27. Lips. zu : neque coniußiia suscipiendis mit dem DIploma 
militare Ne^onianum aus Jos. Arneth, Zwölf Römische Militär- 
Diplome, Wien 1843, p. 27., sowie zu cp. 30. Burnouf über die 
Worte : Druidaeqve circum cet., und endlich zu lib. XV, 12. Bur- 
nouf über : si singulis manipularibua cet. 

Wenn wir nun nach dem Innern Werthe der vorliegenden Be- 
arbeitung der Ann. des Tacit. fragen , so liegt es dem Rec. nicht 
ob , der praeco eines Mannes zu sein , der ohnedies in der gelehr- 
ten Welt eines wohlverdienten Ruhmes geniesst; diejenigen, in 
welcher Hände diese Ausgabe ist, werden sich längst von der 
Trefflichkeit derselben überzeugt haben , und die andern , welche 
sich noch nicht beeilt haben Kenntniss davon zu nehmen , werden 
auch schon bei Orelli's Namen nichts Geringes erwarten. Dos 
liegt mehr daran, das Verhältniss näher ins Alige zu fassen, in 
welchem Hr. Or. zu seinen Vorgangern steht , und nicht sein Verw 
dienst überhaupt, das ja keinem Zweifel unterliegt, hervorzuhe- 
ben,, als vielmehr den Grad desselben zu untersuchen , und zn 
forschen, was nun für Tacitus geleistet ist, und anzugeben^waa Ar 
die ^ nächste Ausgabe, die auf Fortschritt mit Recht Anspmcb 



Mi RoniMheLiieraiiur. 

Mf4iAn,Köiii|t^.Ba«h M Iditflii. U«4 deüeatolvw aspirier ••? 
gleich zu bemerken, noch so irie], daM jene untere Umrisse nicht 
nowohl ej^Q alisolule Ausübe ins Auge fasseA könneB, ak ▼idmeiir 
nur das aunächsl Nethwendige, und was mit biliigem Rechte Ter* 
kagt werden muss , hervorheben dürfen. 

Hr. Or. ist mit ungetrübter und frischer Kraft darch die Auf« 
Opferung seines Freundes ans Werk gegangen. Ail die müheeli|rea| 
ermüdenden und langwierigen Arbeilen der Entziffernng der Co* 
dices fielen hier Weg und er durfte nur getrost ins Volle greifen» 
Doch sunächst blieb auch ihm noch die unerfreuliche Arbeit, jede 
einzelne Lesart der M. mit den früheren Collationen und Ausgaben 
BU vergleichen, und er hat jedesmal auch die geringste Abweichung 
der Baiter'schen Angaben von den früheren mit ununterbrochener 
Rücksicht auf Bekicer (B.) in den kritischen Anmerkungen angegc^ 
b^* Eine durchgängige Aenderuiig ist durch die Deutung des 
quo in M. als quoniam entstanden 9 das frühere für quando genom- 
men« €f. If 57. quo cum iineola, quod solitum est v, guoniam 
compcndlum, M., quando cum ceteris Edd. B. — 1, 59. qnae quo- 
niam exu^rint; — U, 26. 56. quo cum lin. M. Recte Faria h. I. 
agnovit quoniam^ cum plernmque eadem nota, ut in Ciceronis epi- 
atolis ad fam.^ male explicata sit quando j quam particulam omni- 
bus iltteris exhibere seiet M., ut mox cp. 57. : si quando adsidm- 
reh H. 1. ante Bekkerum edebant quo. — IV, 6. 16. 31. zweimal, 
32.. 38. Doch iV, 39. und 67. quoniam audiverit und quoniam 
portuosum ist es beidemale, wie Hr. Or. bemerkt, omnIbus litte- 
ria in M. geschrieben. Moch auffallender erscheint es dem Re- 
censenten , dass quoniam sich vom fünften Buche an in den Anna-^ 
len nicht wiederfindet, was aus dem Grunde hier ausdrücklich 
bemerkt werde, weil, wenn es nicht ein Irrthum ist, sich hieraua 
fiir einen Folgenden, der näher darauf eingeht, noch vielleicht 
etwas Genaueres über das quo des M. erforschen lässt. 

Auch giebt M. durchgängig nach Hrn. Or/s Versicherung g^e« 
gen B.'s Schreibweise, tamquam, quamqnam, und weil dies alle 
Augenblicke wiederkehrt, fugt er p. 17. hinzu: in posterum iam 
non enotabimushoov. ettom^uarif^tir/m, qnacconstanter per lit iit 
exhibet M.; p. 121. ut rursus notem M. semper quamquarn^ tarn* 
quam, non quanq,^ tanq.; p. 13."). habet lamquam et quamquam 
M. Auch gleich im Beginn des M. 2. vermerkt Hr. Or. p. 3^7.: 
tamquam (ubiqae) M., aber doch finden wir p. 349. quanquam 
h. 1. M , p. 373. 381. 39-1 quanquam^ und endlich gar p. 391. 
tanquam sowie auch p. 433. tanquam u. s. w. Hiernach haben 
wir wohl Hrn. Oreili*s Versicherung einzuschränken , und dieselbe 
in VL 2. nicht so unbedingt gelten zu lassen. 

Ein ähnlicher Irrthum in Bezug auf die Orthographie der M. 
jiegegnet uns bei dem Namen Hiberus, wie Or. p. 308 sagt: habet 
Hherum \i\c et cp. 33. Hiöeris^ ut B« ubique, sed Üb. XI, 8. et 
^. rectiua /A^ris et Ibero^ quod praetuli. Doch giebt er XI, 8. 



Taciti Opera, recetta. et intttrpretaius est Orellius. S65 

sttbef aU Lesart M. Hiberis an , ungleich teirieä Irrthnm luHkk« 
Dehmend: corrig^enda iffitur, quae dicta sunt ad VI, 32. hbtst 
dennoch läsat er abweichend Ton Jüf . seine frühere Entscbetdnnf 
gelten, die p. 401. Iberos wiederkehrt und bis p. 496. ohne Grund 
besteht: Iberü scripsi ut alibi propter Graecorum consfantem 
scripturam "J/Sf^peg. 

Die Stellen, wo durch Hr.Baiter's Vergleichung nunmehr eine 
gana andere Lesart der M. existirt, als uns die frühem Herausge« 
ber glauben Hessen, sind zu viele, als dass Rec. es durchfuhreo 
konnte, sie alle zu sammeln. Zum Theil betreifen sie, wie die 
eben angeführten Beispiele, die Orthographie, grossentheils sind 
sie aber wichtig zur bessern Auffindung des Ursprünglichen , oft- 
mals schon das bietend , was bisher nur seine Gültigkeit als Gon- 
jectur hatte. Neben dieser Grundlage der M. hat Hr. Or. fort-» 
während die Arbeiten und Bemühungen nicht blos der Editoren, 
sondern auch viele Monographien und gelegentliche Abhandlungen 
in den Zeitschriften benutzt, die darauf ein Recht haben konnten; 
und wenn er gleich hin und wieder auf die somnia interpretuna 
bei Walther verweist, hat er doch meistentheils nicht unterlassen, 
auf jede sich irgend geltend machende Aenderung hinzuweisen, 
wenn er sie auch oft gerade nicht mehr gewürdigt hat. Bisweilen 
hat er sich auf eine kurze Abweisung in den kritischen Anmer-* 
kungen eingelassen , doch bei wichtigerer Veranlassung eine tie- 
fere Besprechung den erklärenden Noten vorbehalten. Immer 
aber ist er bemüht gewesen, im Fall sich der Entscheidungsgrund- 
nicht von selbst darbietet, die nöthige Begründung zu geben. 

Dass es ihm aber nicht möglich gewesen, die Arbeit des Hrn^ 
Dr. Heraeus über die Mediceischen Codices zn Tacitus zu be-^ 
nutzen, ist jedenfalls zu bedauern, und wir können dreist versi- 
chern, dass Hr. Or. an manchen Stellen sich würde durch diesen 
haben bestimmen lasMcn. Und doch sind im Grunde die Studia 
critica in Mediceos Taciti Codices v. Car. Heraeus nichts Neues, 
aber so wie es etwas weit Verschiedenes ist, ob ein Staat nach 
traditionellen Gesetzen, oder nach dem in einem Codex fixirten 
Buchstaben verwaltet wird, so in der Handhabung der Kritik bei 
den Mediceiüchen Codices des Tacitus. Hr. Dr. Heraeus hat end* 
lieh die Arbeit unternommen, ein corpus iuris critici abzufassen, 
und wenn er gleich höchst selten eigene Urthelle über ein Ver- 
gehen der Handschrift giebt , so kann dies hier nüt gelobt werden, 
und dem Buche zu grösserer Empfehlung gereichen , In sofern wir 
von vorn herein mit Vertrauen die Sammlung von kritischen Ur- 
theilssprüchen zur Hand nehmen,, wie sich das kritische Recht 
im langen Laufe der Zeit aus sich selbst entwickelt hat. Aber 
dies in gewisse Gesetze zu fesseln , auf bestimmte Formeln zurück- 
zubringen , ohne der Entwickelung Gewalt zu thun , das eben ist 
das grosse Verdienst des Redactors , der selber ein tüchtiger Krl-^ 
tiker sein muss. Und gerade das Corpus werden wir für da« 



906 Romiscbe Literatar. ^ 

▼oHkoameMte erküren niiMeD, das eben diese bis dahin ' 
losen and doch schon bestimmten Gesetze auf die einfachste and 
ingleich leicht verständliche Form wird sarfickgefnhrt haben. 

Wie Hr. Heraeus diese Aufgabe gelöst , können wir jetzt nofsH 
nicht im ganzen Umfange abschätzen , da er uns nur zuerst die 
Hälfte dargeboten ; doch hat er uns am Schlüsse kurz den InfiaK 
des bald erscheinenden zweiten Theiles sngegeben. Das Ganze 
zerfallt in 23 Abschnitte, deren jeder ein verschiedenes gentis vi- 
tiornm umfasst. 1) die Endungen der Worte haben sich nacli den 
davorstehenden oder folgenden verwandelt z. B. Ann. I^ 44. don«r 
ria militaria anstatt dona milKaria 2) Die Endungen sind jdem 
Gas., Num. u. Gen. nach auf ein falsches zunächst stehendes Wort 
bezogen, z. B. Ann. I, 35. nudant universa corpore, fi'ir universl^ 

III, 43. nobilissimarum Gailiarum subolem für nobilissimaro , VI, 
42. qnotiens concordes agunt, spernüntur Parthas, für spernitiir 
Parthus. 3) Die Ausgänge der Verba sind falsch bezogen , z. B« 

IV, 35. posteritas repeudunt nee deerunt für rependit, VI, 42. 
agnnt spernuntur für spernitur. 4) Einzelne Wörter sind ähnlidi 
klingenden, die etwa eben dagewesen waren, gleich gebildet, s. 
B. II, 2. maioribus statt moribus wegen des kurz vorhergehenden 
maiornm. 5) Der letzte oder erste Buchstabe eines Wortes Ist 
ausgefallen, wenn das folgende mit demselben Buchstaben anfingt, 
oder das vorhergehende Wort sich auf denselben endigt, I, 11. ad 
eos für ad deos, 111, 18. victoria sacrari für victorias sacrari. Oa* 
mit sind die Fälle verbunden , wenn in der Mitte eines Worten 
anstatt eines Doppelconsonanten der einfache steht, z.B. 1,8. 
anteferentur für rr. 6) Die Urokehrung des Vorigen, z. B. I, 9. 
vltae eins für vita eins, II, 8. Amissiam für Amisiam, VI, 35. sa- 
gittas sinerent für sagittas inirent. 7) Buchstaben sind ausgela8-> 
sen oder hinzugesetzt, a. B. I, 13. aput für caput, I, 3. dormires 
fnr domi res. 8) S^^lben sind ausgefallen V a) in der Mitte, z. B« 
I, 72. dictans für dictitans, b) dieselben Sylben oder ähnlich klin- 
gende sind nur einmal gesetzt, z. B. 1, 4. disserc für diüserere^ 
c) Anfangs- oder Endsilben, so wie ein^ylbige Wörter, nament- 
lich Präpositionen sind ausgefallen (nulla manifesta causa. Her.), 
z. B. III, 14. pessimo cui für cuique. 9) Mehrere Sjtben und 
ganze Wörter sind ausgefallen, z. B. II, 21. fehlt Arminio. 
lO) Dittographien, z. B. I, 80. sibi sibi, und zwar a) nahe bei ein- 
ander, b) nach längeren Zwischenräumen, z. B. XII, 46. nee aliud - 
aubsidii guam castellum commeatu egenum; ne dubitaret armi« 
(quam) incnientas condiciones malle. Bisweilen ist durch die Dit- 
tographie das richtige Wort ausgefallen, z. B. XV, 53. aut iiiann 
aut spem für aut inanem al (i. e. ad ) spem. 1 1) Es finden sich überflüa« 
sige Sylben, z. B. I, 17. contilionabundus für contionabundus. 12) 
Verwechselung der Buchstaben, die der Reihe nach aufgezahlt wer- 
den. 13) DieCompendien sind falsch von den Abschreibern gedeutet. 
"T-Hiermitschliesst der vorliegendeTheil, doch fügen wir dleSchluss« 



^ Taciti Opera, reoana. et interpratatoa est Orellins. M7 

Worte hinsu : Coötinentnr quarto decimo genere tranmntat« Terlw^ 
^ninto decimo transpositae literae, sexto decimo literae ayllabae- 
qne divulsae aiit conflatae , septimo decimo yocabula librariia ignota 
.iiotis^ aut similia slmilibus miitata, duodevicesimo loci ex pe^versa 
Terborum structnra ac sententia* male iiitellecta a librariis saopte 
ingenio in peius mntati ^ tindevicesimo corruptelae , quae liide or- 
tae sunt, qiiod librarii aingulas literas ayilabasve in archefypo 
emendandi g^atia super versum «criptas ita in texlum recepemnt, 
ut aimul literas syllabaave liturac signo nötatas male retinerent. 
Vicesimum genas conMat locis per additamenta et glosseraata inter« 
polatis , onum et vicesimum lacunis complurium vocabulorum et 
integrorum versäum, alterum et vicesimum Terbis praepostere 
interpunctis , tertium et vicesimum denique verbis contra ortho- 
"graphiae leges scriptis. 

Wir müssen jetzt umgekehrt in Bezug auf Hrn. Heraeiis ein 
noch grösseres Bedauern aussprechen^ dass ihm nicht mehr di# 
Benutzung der Orelli*schen Ausgabe möglich war. Er hat bei 
der Ausarbeitung von den frühem Collationen der M. «usgehen 
müssen, deren Mangel wir eben schon gerügt, somit hat er nicht 
blos faUche Lesarten gegeben und den M. als Fehler angerechnet^ 
von denen sie nach der nun vorliegenden Vergleichnng frei sind, 
so dass wir also nach Her. ein wenigstens nicht richtiges Bild von 
M. bekommen, sondern er hat auch manche Verbesserungsvor- 
schlage aufgenommen, die nun in ihr Nichts zerfallen, und dem 
Ganzen Schaden bringen. Ueberhaupt hat Hr. Her. sein ganzes 
Gebäude auf unsicherem, wenn gleich nicht ganz falschem Grunde 
gebaut. Es ist Schade , dass Hr. Dr. Her. nicht einige Wochen 
spaterden Druck seines Buches hat beginnen lassen , denn nun 
ist, wenn gleich es immer erst geraume Zeit nach der Orelli'schen 
Ausgabe erschien , auch nicht eine Spur davon zu Bnden, dass ihm 
dieselbe bekannt geworden, und doch hätten wir jedenfalls, da es 
wohl im Texte und in den Anmerkungen nicht mehr möglich war, 
am Schlüsse irgend eine Erklärung darüber verlangt, wozu selber 
der Zufall die Hand bot, da ein ganzes Blatt des letzten Bogens 
überflüssig vorhanden. Dieser Grundmangel der studia critic«, 
den wir jedoch nicht mit Recht dem Hrn. Verf. zum Vorwurf 
machen dürfen, sondern dem unglücklichen Geschick zuschreiben, 
spricht aber In der wichtigsten Beziehung dem Buche das Urtheil: 
es ist der Grundlage nach schon bei seinem Erscheineh antiquirt, 
und verlangt auf dem Grunde der Orelli*schen Ausgabe eine durcb- 
gängige Reform, obschon sehr vieles Einzelne seine Geltung be- 
hält. War es denn aber überhaupt schon an der Zeit, mit diesem 
Buche hervorzutreten? Alle Herausgeber und Bearbeiter des 
Tacitus haben bisher über die Nothwendigkeit einer neuen Ver- 
gleichnng der M. sich ausgesprochen und die Mängel der früheren 
hervorgehoben, und dites hat Hr. Her. so gut und besser noeh 
als jeder Andere gewusst, und wenn wir es ihm auch nicht siun 



268 Römisch« Literator. 

YörwQrf mschen können, dass et lafallig nfchtt Ton:der s^t 
Jahren angestellten Yer^leicbang des itni. Prof. Baiter Terndnn* 
men, so mnsste Ihm doch ans Innern Gründen, die in der Mangel* 
haftigkeit früherer Angaben liegen , sein ganzer Aufbau schon ver« 
dichtig werden, und er konnte wissen, dass, sobald wir neue 
Nachricht Ton M. bekämen, mancher Theil seines neuen Hausea 
baufällig, ja schon zerstört sei. Und dies wollte das Schicksal, 
sollte ihm noch vor der Vollendung widerfahren. Der zweite 
Theil wird In anderer Gestalt nicht mehr dem ersten entsprechen, 
und somit liegt die Noth wendigkeit einerUmarbeitung schon jetzt Tor. 

Und doch haben wir nicht vorschnell den Wunsch ausgespro- 
chen , Hr. Or. hatte diese Studia critica fnögen benutzen können, 
denn sie enthalten sehr ?iel Cxutes und Ausgezeichnetes, in sofern 
wir hier die Aussprüche der kritischen Prätoren In langer Reilie 
rereinigt finden, die man sich sonst mühsam zusammentragen 
moss, und das trotz Flelss und Ausdauer oft nicht einmal möglich 
Ist, wie es Hr. Or. mehrmals widerfahren. Eins beider Bücher 
bitte dem andern vorausgehen müssen, und es wäre auf welch 
einer Seite jedenfalls von Nutzen gewesen; so wie es sich gestaltet 
Hat, war's am unglücklichsten, und der grössere Nachtheii ist auf 
Selten des Hm. Heraeus. 

Auf das Einzelne besonders einzugehen, liegt nicht Im Be^ 
reiche unserer Anzeige, und werden wir auch hernach bei nähe^ 
rer Betrachtung der Orelirschen Ausgabe hinlänglich zur näheren 
Rücksichtnahme Gelegenheit haben. Nur das wollen wir anmer- 
ken, dass die EIntheilung in 23 verschiedene Arten von Verfäl- 
schungen bei Weitem eine übersichtliche Darstellung übd-schreitet, 
wie ja auch ganz einfach die mehrmalige Anführung derselben 
Beispiele in verschiedenen Capiteln auf eine nothwendige Verein- 
ftichung hinweist. Dies war dem Hrn. Verf bekannt, weshalb er 
sich praef. Vlll. so darüber vertheidigt: Subinde etiam factum 
esse profiteor, ut unam eandemque lectlonem ad diversa corrupie- 
larura genera referrem, quonlam natura rei fert, ut nonnumquam 
ambiguum fuerit, quod potissimum vitium librarii admlserint. Dar-* 
ans entsteht überdies noch der Nachtheil für den Verfasser, dasa 
der Leser ihm nicht so ^anz glaubt, wenigstens kann doch nnr 
dieses oder das Andere der Grund des Irrthums bei dem Abschrei- 
ber gewesen sein, und doch soll Verschiedenes, Dreifaches, ja 
.Vierfaches durch dassC'lbe Beispiel bewiesen werden. Diese Art 
der Beweisführung schwächt die Ueberzeugung. Derselbe Uebel* 
stand entsteht dadurch, dass unterden Beispielen, welche-die Re- 
gel erklären und bekräftigen sollen, grossentheils solche gewählt 
sind, die manche Kritiker nicht als Verfälschung anerkannt haben« 
Eb ist etwas Verschiedenes, Hr. Her. kann immerhin noch so sehr 
nach seiner Ueberzeugung solche Steilen für man;;elhaft halten^ 
doch hier musste er Im eigenen , wie im Interesse der Sache , die 
er beweisen will, mehr und nur einzig auf- das Urtheil derjenigen 



Taciti opera , recens. et interpretatas est Orellius. 869 

Rncksicht nehmen, deren Enttchefdiingen er ja überhaupt nal* 
sammeln und dann einzelnes Zweifelhafte nach Analogien Terbcar 
Sern will. Und sollten die Beweisstellen hin und wieder bis auf 
drei herabgesunken sein , drei ganz gewisse beweisen sicherer als 
«c!hn zweifelhafte. Diese letzteren hätte Hr. Her. unter denea 
besprechen müssen , -welche er bei jedem Capitel als Folgerung 
aus den Beweisstellen beifügt. Die gelungenste Partie, die sich 
auch grossenthciis von den gerügten Mängeln freihält, ist jeden- 
falls die zwölfte und dreizehnte Gattung von Corruptelen, die 
Verwechselung von Buchstaben und die Compendien in den Hand.- 
Schriften betreffend, die aber auch über die Hälfte des vorliegen'^ 
den Buches einnehmen, und die der Verf. mit besonderer Vorliebe 
und Gründlichkeit auch in sofern bearbeiten konnte, als die mei^ 
aten Vorarbeiten von Aelteren und Neueren vorliegen. 

Nachdem ^ir uns soweit mit dem Hrn. Her. bekannt gemacht 
haben , können wir unsere unterbrochene Beurtheilung der OreU 
Ifschen Ausgabe des Tacitüs wieder aufnehmen, und die Frage 
untersuchen, wie sich denn beide zu den Mediceis, wie zu einan-? 
der verhalten. Hr. Or. ist conservativ, Hr. Her. reformatorisch« 
Wo es dem Ersteren möglich ist, folgt er den M., doch nicht in 
der Weise von Walther, dass er der Vernunft und Logik des Ter 
citus Gewalt anthut; in diesem Falle entschliesst er sich gern und 
bereitwillig, nach gültigen Gesetzen selber zu ändern oder von 
Andern legitim Geändertes in den Text zu setzen. Findet er sol- 
ches nicht vor, und fällt ihm selber kein Mittel der Heilung» bei, 
so setzt er lieber im Texte das Zeichen der Corruptel, und hier 
mag wohl mancher Leser ihm bisweilen eine zu grosse Bedenk« 
lichkeit vorwerfen, doch lässt sich darüber nicht rechten. Es Ist 
etwas ganz Anderes, Vorschläge gelegentlich zur Verbesserung 
eines alten Glassikers zu machen und eine Ausgabe desselben 
Schriftstellers zu besorgen. Neben der eigenen Beurtheilung ha* 
ben die Codices an sich schon durch ihr Alter und namentlich die 
M. durch ihre offenbare Treue ein gewisses Recht, das man bei 
der Constrnction des Textes geltend anerkennen muss, und wenn 
gleich Hr. Her. in den p. 99. versprochenen Emendationes Taci-> 
tinae gewiss vielfach an dem Orelli'schen Texte ändern wird, so 
sind wir doch der Meinung,, selbst er würde, im Fall er eine Aust 
gäbe des Tacitus besorgte, manche wqhlgemeinte Veriiesserung 
lieber unter dem Texte bemerken, als geradewegs umändern^ 
Selche Verbesserungsvorschläge wolleu erst vielfach geprüft aeiii| 
auch die Censur anderer Gelehrten bestanden haben, bevor sie 
als wirklich bewährt zum Texte erhoben werden; und da soge- 
nannte Emendationes und Beiträge zur Kritik und Erklärung einea 
Schriftstellers an sich nur immer erst Vorschläge enthalten, wenn 
gleich der Name auf etwas Mehr Anspruch zu machen scheint, ao 
finden wir diese Verschiedenheit zwischen den HHrn. Orelli und 
Herliua nach beiden Seiten hin ganz berechtigt und lobenswerlb. 



270 Römische Literatur« 

Sun konint, dass Hr. Her. in seinem reformatoriteHen Sirebei 
keiaeawega leichtgerüstet auftritt, nein, er hall in jedeni FaUe 
Jedenr Widerspruche die Beweiskraft der Analof^ien vor, ond wer 
■ollte da nicht gesteben, dass solche Beweise immer etwas Aw- 
lockendes, oft etwss Ueberieugendes haben. Bei den einfsclisten 
Verfilschungen der M. sind, weil ja auch Hr« Or. ohnedies die«- 
•elhen Beweise längst kannte , beide Gelehrten übereinsUmmead 
in der Heilung and selbst versteckte Unrichtigkeiten in der Yol«- 
gita sind nach Vorgang Anderer von Hrn. Or. bemerkt und auf 
gleiche Weise mit Hrn. Her. verbessert worden. Aber der Leta- 
lere geht weiter, er spiirt förmlich nach Fehlern und berechtigt 
OBS zu derselben Klage, die Tacit. 111,28. über die zur Bewachung 
der leges angestellten custodes ausspricht. Hier muss einge«- 
schritten werden , dass er nicht weiter da Unrichtigkeiten wittere^ 
wo nur Irgend eine äussere Möglichkeit ohne Innere Nothwendlg- 
keil sich darbietet, nach irgend einer aufgestellten Form zu io^ 
dern. .Man muss dem Gedanken auch Raum geben , dass der M. 
ja wohl ganz recht haben könne. Aber gut ist es doch wiedernn, 
dass die orthodoxen Conservativen in Spannung erhalten werden, 
damit sie sich nicht abschliessen gegen vernünftigen Fortschritt, 
imd mit Recht, wie Walther den Tadel verdienen, den Hr. Her« 
?on seinem Standpunkte aas geradezu als solchen ausspricht (man* 
clpium codicis) und Hr. Or. In die Verwunderung einkleidet, wie 
Walther so Etwas' habe nur vertheldigen können. Es ist also nicht 
Wallher's Conservatismus , den wir bei Hrn. Or. vorfinden, sondern 
ein weniger spröder, ein biegsamerer, der jedem Reformatof 
die Hand zu bieten bereit ist, wenn er nur nicht zu viel von ihm 
ferlangt und überhaupt auf die M. etwas giebt, der aber oftmab 
ürchtend, zu viel an einer Stelle nachgegeben zu haben, an einer 
andern es durch grössere Bedenklichkeiten wieder gut machen 
will. Von dem Döderleln'schen änderongssüchtigen Standpunkte 
ist er weit entfernt , und wenn er allerdings mit Reclit auch in 
kritischer Hinsicht Vieles und Manches von diesem Vorgänger auf- 
genommen , so spricht er sich doch überwiegend mehr gegen ihn 
aus, und namentlich stimmt er mit Zumpt p. 504. durchaus gegem 
Döderlein's Vorliebe zu trsnsponiren. So also können wir den 
kritischen Standpunkt Orelli's als den einer besonnenen Reform 
iliclit abgeneigten Conservatismus bestimmen, wie er ungefähf 
zwischen Walther und Döderlein in der Mitte liegt. Heraeus steht 
ganz auf Seiten Döderlein's, nur etwas gerüsteter, dieselbe Sache 
nnd dasselbe Princip siegreich za vertheldigen. 

Und doch hätten wir selbst bei Orelli gewünscht, dass er 
ikh an manchen Stellen nicht darch scheinbare, in Wahrheit aber 
ungültige Gründe zur Aenderung des durch M. gegebenen Textes 
bitte bewogen gefühlt. iSach unserer Meinung sollte ein neraua<: 
geber des Tacitus nur dann den M. ändern, wenn offenbare Vei* 

i stattgefunden, deren Aenderung handgreiflich ist, aber da. 



^ Taciti opera, re^teng. et interpretatus est Örelliiu.. 271 

w»«s sich um weitere^ Be^ründnn^ handelt, simial wenn iet anf 
spitzfindige oder subtile Unterschiede zviischen Wörtern und Ver^ 
bindiingen ankommt, ruhig den Codex abdrucicen und die Bemer* 
kung und den Anstoss den Noten vorbehalten. So hat Hr. Oii 
auch Ann. I, 47. wiederum nur Wolfs Anroerliung zu den Worten« 
ae ne postpositi contumeiia intenderentur (M.) wiederholt und wie 
Alle, ausser Walther, gegen M. incenderentur in den Text gesetzt^ 
und doch hat das intendere hier ausser dem Rechte des Besitzes 
noch den Vorzug, dass es mehr für die geschilderten Urostinde 
passt. Soldaten , die mitten in der Empörung begriflTen sind, wer-^ 
den nicht erst durch irgend eine vermeintliche Zurücksetzung ent- 
brannt (incendere), sondern in der Empörung noch weiter getrie-' 
ben (intendere). Ein ähnliches Verhältniss schwebte doch dem 
Herausgeber vor, als er gegen Lips. und Bekk. das intendebat 
M. Ann. XII, 35. beibehielt. Wohl aber gestehen wir, dass Ann; 
XIV, 45. allerdings das ne mos antiquus per saevitiam intenderetur 
gegen das handschriftliche incenderetur bezeichnender ist, und 
sich trotz Walther^s, Ritter's und Döderlein's Widerspruch als 
richtig erweist. — Ann. I, 12. Rursum Gallus non idcirco inter* 
rogatum alt ut divideret, quae separari nequirent, sed ei sna con-* 
fessione argueretar unum esse reipublicae corpus M . Dafür hat 
Or. des Lips.'s ut in den Text gesetzt, upd doch dient das durch 
Död. vertheidigte et zur Verstärkung des sua. Indem Or« aber in 
seiner Widerlegung es zu argueretur bezieht, zeigt er, dass er 
Död. und dierichtigc Deutung des et nicht verstanden. Ebenso 
giebt Ann. III, 8. das kleine Wörtchen et (M.).einen vlelhübsche- 
ren Sinn, als Lipsius ganz trocknes ef\ und doch hat Ot, dies 
letztere in den Text gesetzt. — III, 5. behält Or. gegen Lipsius 
und Ernesti's Plural das fratrem bei (mit Recht, da Claudius ga# 
nicht in Betracht kommt), und möchte, da seine ganz verfehlte 
Deutung ihm selber missfailt, wohl fratres lieber haben, aber 
doch fugt er hinzu : In re prorsus incerta praestat Isro;^]^. Nach 
diesem an sich richtigen Grundsatze können wir die Texteswort^ 
111, 11. nicht billigen: satin cohiberet ac premeret sensus suos Ti-« 
I/eriu«. [iis] haud alias inten tior populus etc. Denn abgesehen 
iavon, dass er nicht iis, sondern ia M. einklammern rousste, ist 
die Auslassung des zweiten ac premeret na^h Tiberius noch gar 
nicht eine prorsus certa res. Einmal scheint uns Walther's Den«' 
long, wenn gleich lange noch nicht richtig, doch auch nicht so 
incredibilis, wie es Or. glauben machen will, jedenfalls ksnn si(^ 
in Betracht, dass ac premeretis mit weniger Veränderung anderä 
lautet, auf deii richtigen Weg leiten, der uunmehr bei der unter« 
lassenen näheren Untersuchung des Sinnes sicherlieh noch nicht 
betreten ist. Döbner^s von Or. adoptirte Erklärung: kaud alia9 
et ad intentior et ad ptus sibi permisit sfmul referendum, muthel 
dem Leser doch auch zu viel zii. — Ann. 111 , 62. M. regi ntisei 
(das sed gehört amn folgenden). Ups. rege niti von Or. adfgi^ 



272 Römifclie Literatur. 



Stände m in M ., so wfirde keiner nuf nti kenunfft. Ah«r 
dnrefe ati einen Tolislfindig gnten Sinn giebt, und lumal eine 
Abwechselung bietet von dem eben d)igewesenen initifa nitl^ so hnt 
Bach durchaus mit Recht sich gans an M. angeschlossen , und wir 
werden fast irre, ob Or. nicht durch -Versehen rege mVt geachri»» 
ben, da seine Anm. so lautet: Bachius Beroaldum secutua rege uti^ 
quod sane expKcare possis ^''^91^ auctoritate uti;^^ et pauilo ante 
km usus erat v. mVt. — Ann. IV, 7. M. et uitor metnebatur^noo 
occuhus adiis et crebro querens. Daraus hat Lips. mit Billigung 
aller Herausgeber und auch Or. non occultus adii et gemacht 
Herruud Död. sind beide unabhängig von einander (cf. Her. p.4d«) 
auf die sehr einfache Conjectur verfallen : ultor non occultna odfi 
aed crebro querens , wodurch aber der ganze Gedanke verdreht 
wird. Dasselbe geschieht aber auch durch das odii et, wie Or. ab* 
weichend von M. in dem Texte schreibt, und doch will Tacitoa 
occultus odiis et schreiben. So lange nämlich Drusus lebte, mian- 
brauchte Seien nicht seine Macht bei Tiberius, aus dem Eines 
Grunde, weil er den bestimmten Nachfolger als dereinstigen Ri^ 
eher fürchtete , wofern er den Tiberius zu Schlechtigkeiten Ter«» 
mochte, und dass jener ihn dereinst zur Rechenschaft fordern 
werde, ging hervor (non occultus) einmal aus seinen Hand- 
lungen (odiis) und das anderemal aus seinen Worten (et crebro 
querens). So ist odiis als Abi. des Grundes bezeichnender als daa 
occultus odii , wozu Hr. unnöthig Beispiele gesammelt. — Doch 
es ist fast, als wenn Tacit. seinen ärgsten Feinden in. die Hände 
gefallen ist; gerade in das Umgekehrte dreht man seine Worte. 
Ann, iV, 70. sagt er mit Wohlbedacht nach M.: non prudentetn 
TiCerium tantam invidiam adisse. Daraus macht auch kurzweg 
>^r. non impnidentem, well bis jetzt noch keine richtige Deutung 
des non prudentem vorliegt, denn die von Bach kann allerdings 
nicht befriedigen. Wohin solches angemaasste Recht führe , ha-» 
ben wir kürzlich in dem merkwürdigsten Beispiele Ton Hypercritik 
bei Held gesehen , der den ganzen Agricola für schlecht erklärt^ 
weil — er ihn nicht versteht, und um ähnlichen Auswuchsen vor- 
lubeugen, die etwa wie Held auf Welch, so auch auf Orelli pro- 
▼ociren möchten, ist es Pflicht des Rec., mit Ernst und Nachdruck 
solche Nichtachtung der uns durch die anerkannt gute Handschrift 
überlieferten Worte des Tacitus hervorzuheben. Tacitus refe- 
rirt uns die öffentliche Stimmung, wie Tiberius am Neujahrstsge^ 
der doch nur dem Dankgefnhl gegen die Götter geweiht sein soUe^ 
den Sabinus so gewaltmässig ergreifen und zum Tode schleppea 
lässt. „Es sei nicht klug von Tiberius gehandelt, dass er so ab^ 
sichtlich Hass auf sich lade^S — Ann. V, 4. giebt M.: festioqn« 
in Caesarem omnibus, und wenn wir auch gern in die Aenderuag. 
ominibus willigen , möchten wir doch dem Tacit. nicht auch voia 
Or. ein fanstis für das bezeichnendere festis aufgedrungen sehen. 
Or« hat auch hier zu nachgiebig den M. verbissen, wiederaaa 



Taciti opera , rec^na. et interpreUtus esl Orellios. 279 

dondi Död.'s falsche Brklarung des fesii durch laeti dazu vermocht. 
Ba ist Senatssitzang, in der Tiberiua^ Briefe und Klagen gegen 
Agrippina und Mero vorgelesen werden. Man weiss nicht, wie 
man sich dabei verhalten soll, da Tiberius sich nicht weiter er-, 
klärt hat. Das Volk hört von der Gefahr, in welcher sich das 
Blut des Germanicus , ihres Lieblings , befindet , weiss aber auch 
und ahnt, dass Tiberius nur auf Seian's Antrieb geklagt habe; ja 
es geht noch weiter, und wendet den uralten Kunstgrüf an und 
schreit^ die Briefe seien falsch, der Fiirst wisse von alledem 
nichts, wenngleich sie immerhin anders dachten. Diese dreiste 
Behauptung konnte der Fürst, dessen JN amen die Briefe doch tra- 
gen, leicht ahnden, um ihn jedoch, im Fall sie wirklich von ihm 
wären , su versöhnen , verwahrten sie sich durch f estis ominibus, 
durch die ausdruckliche Versicherung , dass sie so Etwas gar nicht 
von Tiberius glauben könnten. Da kann von einer Demonstration 
XU Gunsten desselben (faustis ominibus) nicht die Rede sein. 
Durch faustis ominibus würden sie sich über Tiberius gestellt ha- 
ben, durch festis ominibus wird das entgegengesetzte hier gültige 
Verhältniss der Unterwürfigkeit bezeichnet. — Ann. VI, 5. hat 
Or. anstatt des nun ganz sicheren inceria (cf. Bait.) , incestae 
virilitatis, doch zweifelt er in der Anm. an der Wahrheit: iam si 
Vera est iectio incestae^ aliter explicari nequit etc. Da schreiben 
wir doch lieber,' wenn einmal geändert werden muss, mit M. tn- 
certae virilitatis, und sind nunmehr ganz geneigt zu Freinsheim's 
Conjectur : Caiam. — Ann. XI, 10« M. in cuius transgressum muU 
tum certato würden wir gegen Or. transgressu (in mit dem Acc. 
als Zweck des Kampfes) beibehalten. — Ann. XIV, 36. deutet 
das certus eventu Suetonius M. (Or. certus eventus) nicht den 
Ausgang des bevorstehenden Kampfes an, sondern Suetonius hatte 
durch den Erfolg früherer Schlachten überhaupt Vertrauen für 
alle Zukunft erhsUen. 

Wir haben Stellen gewählt, wo einzelne Worte geändert 
waren, obschon nach des Rec. Ansicht AI. das Richtige enthielt. 
Denselben Tadel müssen wir auch aussprechen wegen der Leich- 
tigkeit, mit der Hr. Or. sich bei grösseren Corruptelen hin und 
wieder zur Aufnahme ganz unsicherer Conjecturen hat bewegen 
lassen. Er selber spricht sich über die Setzung des Corruptel- 
zeichens zu Ann. I, 20. aus. Unter den vielen Conjecturen zu dem 
Worte t»l»« gefallen ihm zwei: attentus von Rhenanus (leicht, weil 
das vorhergehende Wort ^cb auf at endigt), doch weiss er kein 
Beispiel von attentus mit dem Gen. } die andere von Lips.: vetus, 
quod placet. Seilicet scribebant ueiu»^ ivAus antem sine puncto 
qs^ae ad sec. XV. In den erklärenden Anmerkungen beisst es: 
[vetua (si haec vera Iectio) operis] per multos Iam annos industriae 
militari ac laboribus assuetus. Aber doch hat Hr. Or. sie nicht 
in den Text genommen, weil sie nicht g^nz sicher ist. „ Atta- 
men .nuUa adbuc coniectura cum sit prorsus certa, secvavimns 

iV. Jahrb.t. Phil. u. Paed, od. Krit, Bibl, Bd. L, Uft, S. \Ä 



274 Romuche lliteratar. 

ooimptelaiii. Das ist unsere eben ausgesprochene Anaichi, aber 
Abweichungen davon bieten sich ungesucht. Hr. Or. , der aicb 
cp. 54. so vorsichtig benimmt, dass er nicht die nach den Denk- 
gesetzen nothwendige Veränderung coepta statt coeptos M. abge- 
druckt hat, obschon er rebus commotis M., wie auch wir billigen, 
in rebusque motis (rebus c motis) verändert, setzt an der so viel 
besprochenen Stelle I, 59« statt des hominum M., die Gonjectnr 
Horkers und Bezzenberger's hoc unum in den Text. Sie giebt 
einen erträglichen Sinn und ist paiaographisch ganz leicht, ob- 
schon Her. nunmehr Gr. bewiesen , dass auch Sejffert*s : onaiasum 
(cf. wegen der Aspiration M. 1, 76. hostentandam) nicht der ver- 
missten äusseren Wahrscheinlichkeit ermangelt (Her. st. c. p. 140. 
Anm. 130.) ; aber ist denn hbc unum eine prorsus certa coniectural 
Es ist nicht zu vergessen , dass wir erst inl Beginn einer sicheren 
Kritik bei dem M. stehen, und wer will denn schon behaupten, 
dass flicht etwa uns noch dieser und jener ganz einfache Grund 
der Verfälschung verborgen ist. Wenn aber Hr. Or^ nun noch 
hinwirft , dass ihm diese Stelle ein Kinderspiel sei (locus ab inter- 
pretibus mire vexatus mihi quidem facillimns videtur; „nnnquam 
fore, ut Germani sat idoneas causas reperiant, propter quas Igno- 
Bcant Segesti^S so können wir doch versichern, wenn das hoc 
unum nicht eine andere Beziehung als die auf Segest haben könnt^ 
so wäre die Conjectur wahrlich nicht werth, nur erwähnt, viel 
weniger zum Text erhoben zu werden. — Ann. III, 35. hat Or. 
ffir M. : et consensu adulantium haud iustas est, Gron.'s Conjectur .- 
haud iutus est, in den Text gesetzt mit Dübner's Erklärnng: nam 
si adulantium vocibus adiutus esset, vere cum et ex animi senten- 
tia recusasse patuissct ; doch ist dagegen sogleich zu bemerken, 
dass diese Umschreibung das positive et consensu adulantium 
ganz verwischt und umkehrt; aber auch ausserdem werden sich 
die Wenigsten dabei beruhigen. Wir vermissen hier wlederom 
die Zuriickhaltung , die doch cp. 37. den Hrn. Herausgeber mit 
Recht veranlasste, das aedificationibus M. nicht mit Lips. editio^ 
nibus oder Seyff. ludicris factionibus zu vertauschen, obgleich wir 
weder Or.'s Erklärung billigen , noch selber eine aufstellen können. 
— Ann. Xlli, 25. giebt M. : exercebant . T . modum captivitatig 
nox agebatur Julius que Montanus. Ueber das que bemerkt Or.: 
quae nota quidem significare nequit, sed saepe in M. falsae sunt 
notae litterae m, a, e cet. Das Letztere ist etwas unklar, doch 
eine ganz richtige Vertheidigung von Or.'s Conjectur Joliusque 
Montanus, die wir gelten lassen können; aber das et in aus . T • 
ist uns zu viel. Rec. glaubt, in dem ursprünglichen Codex habe 
undeutlich I N gestanden , der Abschreiber entzifferte irrthümlich 
aus dem mittelsten Striche des N ein J und setzte gewissenhafi 
anstatt des ersten Buchstaben I ein Punkt , und da von dem N 
noch der letzte Zug übrig blieb , hielt er auch diesen fiir einen 
besondern Buchstaben, daher das .T., das in heisst« Dann 



Taciti opera , recens. et interpretatas est Orellias. 275 

theilen sich Tacitns' Worte so, dass ubi — pernotuit — angeban- 
tnrque — et quidam exercebant den Vordersalz bilden , dessen 
Machsatz in modum captiTitatis nox agebatur ist ; wenn nun das 
von Hrn. Or. conjicirte que richtig ist, so würden wir zwei Nach- 
sätze haben. Das et darf dem Texte nicht aufgedrängten werden. 
— Ann. XIII, 44. scheint dem Rec. die jedenfalls hübsche €on- 
jectur Or.'s et quasi istinc cessurus statt M. : et quastim census 
-doch zu schnell in den Text gesetzt. — Ann. XV, 37. hat Rhcn. 
misit auspices M., in visi attspices verändert und Hr. Or. hat es 
so abgedruckt, ohne Walther's Bemerkung nnd Oberlin's Einreden 
au beachten« Letzterer macht darauf aufmerksam, dass Sulpic.^ 
Sev. bist. sac. 2, 28. diese Stelle wörtlich aus Tacitus aufgenom- 
men, doch misit anspices ausgelassen habe. Wenn es nun in Hin- 
blick auf Ann. XI, 27. ganz nahe lag , sich hier auch der auspices 
zu erinnern, so ist bei Sulpic. kein anderer Grund der Auslassung 
abzusehen ^ als der , dass sie nicht in seinem Exeinplar des Tacit. 
standen. Daher has Walther vermuthet, das misit auspices sei 
erst später in den Text gerathen. Auch Hr. Or. erkennt hin nnd 
wieder, cf. Ann. XII, 67. delectabili cibo (ho)Ieto (Bait. Conjectur, 
die wir nicht für ein Glossem halten möchten), die Aufnahme un« 
gehöriger Wörter an , die wir aber nicht dem letzten Abschreiber 
zur Last legen können; sie müssen sich schon in den frühem Fland- 
schriften gefunden haben. So finden wir auch in der vorliegenden 
Ausgabe Ann. XVI, 2. das visoribus mit Em. ausgelassen und Cap. 
üi. zu laudes repetitum venerantium die Bemerkung: Id tantam« 
modo Video v. venerantium ortum esse ex superiorc venerantur. 
Jedoch bei dem misit auspices finden wir nicht die Muthmaassnng 
Walth.'s angezeigt, dass es aus der Bemerkung eines früheren 
Ueberarbeiters: omisit auspices falschlich, in den Text gerathen 
sei, und diese Muthmaassung hat in dem Zeugnisse des Sulpic. 
eine viel sichrere Begründung, als des Rhen. Aendemng visi, denn 
wenngleich das m aus dem vorhergehenden flammeum leicht kann 
hinübergezogen sein, so bleibt immer noch die Einsetzung eines 
V und Weglassung des t. Die Herausgeber müssen auch nicht 
blind sein wollen, wenn uns Ann. XVI, 17. ein klarer Hinweis ge-^ 
geben wird , wie solche nicht zum Tezt gehörigen Worte doch in 
denselben gekommen sind. Dort liest nämlich M.: mixta inter 
patrem filiumque coniurationis scientia fiuguntur adsimilatis (statt 
u) Lucani litteris. Wenn nun den jetzigen Herausgebern jene 
solche Randworte so wunderlich erscheinen, dass sie nicht der 
Erwähnung werlh seien, ist's denn hier weniger wunderlich, Dö- 
derlein^s und Oreirfs Erklärung des finguntur zu lesen? Der 
Eine will mixta für das Neutr. Plur. eines Subst. und scientia für 
den Abi. caus.* halten , der Andere legt gar dem Abschreiber des 
M. den Irrthum unter , er habe das viel bekanntere Substantivum 
scientia für das Neutr. Plur. gehalten. Da glauben wir doch im- 
mer noch lieber Ernesti's Annahme, der nach Anleitung dec Ed. 



876 RÖnyUüiie Lit«nitiir. 

Spir.: toieDtit. fiognntar Iltterae astimulatfs Locmf Htterif , dat 
ßnguntur tUterae für eine Inhaltsaii^be , auf dem Rande, wie ite 
aich bisweilen finde , erkürt ; durch diese wäre denn das nraprikiif» 
liehe fing[itnr verdrangt. Wir sind hier nicht gesonnen, gemdc»- 
wegs eine Vertheidigung der Ernesti'sehen Ansicht zu geben, hal- 
ten es aber für Pflicht, wieder auf noch nicht widerlegte Coojee- 
tnren Früherer aufmerlcsam in machen, damit nicht etwa ehi 
folgender Herausgeber auf Grund Orelli's gezwungener ErküroBg 
des Visit und spectata das vlii auspices als gans sichere Wmrla 
des Tac. in den Text setae. Dass übrigens in den Text Ungehi^ 
riges kommen kann , mag es nun durch Randbemerkungen oder 
irgend welchen Zufall geschehen sein , hat Hr. Or. selber bei sieh 
e^ahren, denn die Worte: Dativus autem pendet a v. accreverai 
gehören nimmermehr in die Anmerkung Ann. I, 21. zu si&i flaut. 

Haben wir bis jetzt Stellen aosgewählt, die beinahe im Stande 
aein könnten (so aHein betrachtet und herausgerissen)^ unser ei- 
genes oben ausgesprochenea Urtbeil über den kritischen Stand- 
punkt des Hrn. Heransgebers fast umzustossen, so liegt es ans 
nnn ob, durch eine weitere Resprechnng anderer bei weitem über- 
wiegender Stellen ea näher zu begründen und zugleich das Yer« 
hiitniss zu seinen Yorgingern genauer ins Auge zu fassen. 

Ann. I, 7. hat Or. mit Recht die Randlesart M. tristiores g«- 
gen Död. trist! ore aufgenommen. — Cap. 9. ziehen wir die leich- 
tere und bezeichnendere Aenderung Gronov's vor: multa Antonio 
tunc, interfectores patris tU ulcisceretar , multa Lepido concea- 
aisse. Or. verwandelt nach Mur. und Pich, tunc in dam. Doch 
das ut konnte vor uicisceretur leicht ausfallen, wie ja auch iwel 
Zeilen weiter Or. ein nicht in M. stehendes ut einsetzt: qaam ut 
ab uno regere tur. — Cap. 26. Nunquamne nisi ad se fiiios fami- 
liarum venturos. Diese Worte nennt Or.: locus saue suspeetua. 
Ich dächte, man müsse die Sache einmal anders anfassen, ob dann 
nicht etwa in der Folge die Heilung gelänge. Auch Or. findet 
darin den Sinn, daas die Soldaten verlangten, nicht die Söhne 
der Fürsten sollen furder kommen, sie zu täuschen, sondern 
der Fürst selber, zu bewilligen. Dann aber muss Lips. Im- 
mer mit der Umstellung des niai Recht haben. Aber ea ist je 
nicht nothwendig, dass der Fürst selber konoune^ um zu bewütt- 
gen, er braucht seinen Söhnen nur Vollmacht zu ertheilen. Die 
Soldaten haben auch nicht gefragt: warum Gr gekommen, sondern 
warum er gekommen (cur venisset), wenn nicht mit Vollmacht 
versehen, ihren Resch werden abzuhelfen. Der Fehler läge daiiB 
in ad se, „wurden denn nie die Söhne anders, als ohne Vollmadit 
kommen ?^^ — Cp. 34. CJeber die schöne dramatische Stelle: ale 
melius ^udituros responsum, lohnt es nicht mehr, nachDöderlein'is 
richtigster Auffassung weiter zu sprechen. Dem rein nüchternen 
Verstände ist es allerdings zu viel zogemuthet, über jene Worte 
hinaus zu dem praeferri noch das iubet zu ergänzen. Heraus iat 



Taciti opera, reeaaa. et tattrprelatas eist Orellins. 277 

durch Held ubeneagt wofden (p. 67. 68.), dass sich Alleii wohl 
tuge.^ wenn man liest: Adsistentem concionem, quw permixta vi- 
debatnr, discedere in manipulos iubet: uöi sie melius auditiiros 
responsum , Tcxilla praeferri, ut id saltem discerneret cohorles. 
Tarde obtemperavere. Auch wir haben daran nichts weiter ans- 
susetzen. Hätte Tacit. so ^geschrieben ^ würden wir ein Beispiel 
herrlicher Darstelhings weise weniger haben. Doch bei Her. ist 
diese Entscheidung nicht zn verwundern ^ da er jede scheinbare 
Bestätigung seiner Regeln willkommen heisst. Or. ändert nicht 
an den Worten, erkärt sie jedoch als ans Germanicns Munde ge- 
flossen, so dass respoosum das Hauptwort wäre: Sic clementissime 
significare videtur Germanicns, cur eos in manipulos discedere 
ittbeat. Der Grund , aus dem er die Walther'sche Erklärung ver^ 
wirft : Immo huic explicationi prorsus repugnant verba , tarde olh- 
temperavere; nam si iliud exclamassent milites, promptlssime 
fnisse exsecuturos etiam contumaces consentaneum est, beweist, 
dass er Döderl.'s Erklärung des eic h. e. permixtos uti erant gar 
nicht geahnt. — Cp. 35. hat Or. mit Recht gegen Död. und AL 
«niverse wieder in universi verwandelt. • — Cp« 69. ändert Or. 
ganz einfach das militnm M. in miiitem mit Recht die Einsetzung 
des studia von Död. verwerfend, obschon denselben Sinn darin 
flndend« Wir gehen trota Her.'s p. 68. unbewiesenem Aasruf: 
Quis enim est, quin cernat, ei senteotiae, quam condicio ac mtto 
Joci poscit , verba müitem quaeri parum esse apta ! noch weiter, 
und behaqpten, hier sei gar nicht von studia militum die Rede, 
denn nicht diese, sondern Soldaten sucht man adversus extemos. 
— II, 14. hat Or. : et qaae sapientia praevisa aptaque imminenti 
pugnae disserit, und weist Gronov's Aenderung provisa (die nbri- 
gens Or. Ann. III, 5. zu praepositam toro eine sehr Reichte nennt) 
suriick mit Wolfs Bemerkung, dass in der Rede des Germanicns 
von Providentia gar nicht die Rede sei. Doch hat Her. p. 161. 
jetzt das Gegentheil nachgewiesen. Cf. wegen prae and pro Ann. 
XI, 37., wo Or. praegressus , obschon M« pgressus, das p mit einem 
Strich y der aber von einem Corrector herzurühren scheint. -^ Cp. 
33. M.: antistent. 1 alis quae (nicht taliei quae: Furia). Or. nimmt 
Gron.'s und Grot.'s Conjectur aaf : antistent etaliis quae, doch so, 
dass er abweichend von diesen das vorhergehende ut für ?ye, 
damit, afin que^ scilicet ex voluntate atque consilio maiorum, qai 
reipublicae formam constitaerimt, erklärt. Da wir aber in diesem 
Falle die Construction nicht zu durchschauen vermögen, ziehen 
wir noch die leichte und dem Tacitinischen Sprachgebrauch ganz 
angemessene zweite Conjectur des Lips. vor: non quia diversa 
natura ^8ed(quiA) ut (quemadmodum) locie^ ordinibus ^digJt^ 
ttonibus antistent^ ita qlüs^ quae etc. — Cp. 80. ist M.: ne tela 
quidem agrestia aut subitum usum properata, jedenfalls falsch ; doch 
ziehen wir mit Död. und Her. p. 35. aut subitum ' in nsum vor ge- 
gen Beroald. und Or.: nd sabitum usum. — IV, 5. tadelt Rer.^ 



278 Rondsche Literatvr. 

diis Bacli nicht itatt des {ncertiim fait M« des Ups. Conjectiir 
fiierit aufgenommen , da die Sylbe er durch - oder " oder ' In den 
Manu6cripten bezeichnet, so leicht ausfallen konntie; cf. ff, 62. 
transtulat M. für transtulerat, wie Or. ebenfalls mit Hinweis auf 
die bei Ruperti zn dieser Stelle gesammelten Beispiele ^egen , 
Walther's transtulit entscheidet Doch hat er mitr Recht dieses 
fuit beibehalten und nach Bach*8 und Dnbner^s Vorgang erklärt: 
quia statim intellexi , rem incertam esse , hoc persequi consalto 
omisl. Död.^8 Erklärung war auch nicht zn ertragen. — Cp. 15. 
möchten wir statt Ita quamquam , itaque quanquam lesen, -r- C^. 
20. scheint die Erklärung Or.'s von M.: culpae nescia gcns, als 
wenn die Garamanten nicht gewusst hätten, wie sehr sie sich 
durch Hülfeleistung gegen die Römer vergangen hätten , fern m 
Hegen und den Worten ad satisfaciendnm zu widersprechen. Wenn 
aber Her. p. 148. fk nescia (non nescia cf. cp. 82.) mit Gothe*8 
' Ausspruch :',Jm Auslegen seid frisch und munter, legt ihr's nicht 
aus, so legt was unter^% vertheidigt, so hat er damit auch von 
seinem Standpunkte aus Död.'s Erklärung die Geltung verschaflFt, 
die wir ihr an sich beilegen. — Cp. 35. hat Or. ganz richtig nach 
den von Bach gesammelten Beispielen suum cuique decus poste- 
ritas rependunt M. beibehalten, obschon auch nach Her. p. 21. 
ans rependit leicht wegen des folgenden deerunt der Piur. ent- 
stehen konnte ; cf. VI, 42. quoties concordes agunt, spernnntur 
M . anstatt spernitur. — Cp. 52. hat Or. richtig erklärt, doch den 
geringen Fehler im M. übersehen : sed maglnem veram. Wenn 
man bedenkt, dass ursprünglich set geschrieben wurde, und die 
Verwechselung von i und t (cf. Her. p. 116 sq.) erwffgt, so ge- 
staltet sich ganz einfach se imaginem veram. — Cp. 59. ist jeden- 
falls Or.*s Conjectur (die auch schon Bezzenberger gemacht) Mare 
Amuclanum inter et fundanos montes wahrscheinlicher, als Her.'a 
Vertheidigang des fundanosque. Cf. VI, 33. mare Inter et extre- 
mes Aibanornm montes. XIV, 4. Misenum Inter et Balanuni 
lacum. — VI, 10. behält Or. nach Helns.'s und Walth.'s Vorgang 
das qua M mit der passenden Erklärung i. e. quatenus bei. Her. 
streitet gegen Död.'s zu wortreiche Erklärung qua pro quatenus 
i. e quoniam und vertheldigt quia. Die bei Her. besprochenen 
Stellen sind ungleich von Or. entschieden. Ann. XI, 7. hat M. 
eogitaret plebem , qua toga enitesceret , Or. quae, in sofern er qua 
aus dem folgenden toga entstanden glaubt. XV, 72. hat M. nym- 
phidio quaun^ (wie wir jetzt durch Balt. erfahren), Or. hat jedoch 
die Vulgata beibehalten de quo, quia etc. XIII, 3. stimmen whr 
Or. bei , dass er M. quae deceret principem mit Acidal. in qua än- 
dern möchte. Um so eher hätten wir auch erwartet, dass er XII, 
45. nicht von M abgewichen wäre: qua fraude confici potuerint, 
promta nuntiat, cetera armis exsequenda, wo er quia nach Lips. 
Conjectur aufgenommen. - Cp. 37. verlangt Her. monet Tlrida- 
ten primoresque, hunc Phraatis avi, altoris Caesaris, qnaeqae 



Taciti opera , recens. ei interpretatas est Orellias. 279 

utrobiqoe pulchra roeminerit für M. avi ul altoris C. quae utrob. 
Or. hat mit Recht, wie wir glauben, Rhen/s Verbesaerupg Ton ut 
10 et aufgenommen , und wenn wir nun Phraatia avi et altoris Cae- 
■aris als Eins zusammennehmen, so kann das Asyndeton nicht 
mehr anstössig sein. Ueber die Auslassung der Copuia zwischen 
Namen XI, 33. XII, 2. XIII, 55. Bist. I, 13. II, 95. stellt Her. 
p. 170. die Vdrmuthung auf, dass vielleicht eben so wie bei den 
Zahlen in der Schrift das et ausgelassen, doch gelesen worden 
sei. — XI, 19. führen Her. und Or. beide übeinstimmend das se- 
natum wieder zurück , weil das senatus M. aus dem Gleichklang 
von magistratus entstanden. Von Waltber an waren die Heraus- 
geber zu dem Plur. durch M. bestimmt worden ^ doch nach Her. 
p. 16. war es Sitte der Römer, einem unterjochten Volke nur 
Einen Senat vorzusetzen^ — XII, 44. hat Or. mit Recht iuvenem 
potentiae promptae (M.: prompte) gegen Freinsh.^s von Her. ver- 
theidigtes promptum beibehalten — Cp. 63. M. in meta pontä, 
daraus ist immensa und innumera gleich leicht abzuleiten. Or. 
hat das erstere aufgenommen nach Vorgang Bach's und Död.'s. — 
XIII, 19. Or. und Her. haben beide übereinstimmend das incertas 
M. geändert in incertum. Jener sagt blos , Bach's Erklärung adjj- 
kovs ovöag sei nicht möglich, obschon Petersen und Jacob den 
passiven Sinn von incertas bewiesen haben. Her. erwidert dage- 
gen p. 22. Not. 16., dass in diesem Falle ein Verbum finitum da- 
beistehe, wo nicht, setze Tacit immer incertum, cf. Ann. XIV, 
9. XV, 38. Hist. I, 75. IV, 6. Agr. 7., desshalb hätte es hier prae- 
ter paucas feminas incertas amore an odio agerent heissen müssen. 
Doch wir halten dies fiir einen nur scheinbaren Grund , denn wer 
ergänzte hier nicht unwillkürlich aus dem vorhergehenden nemo 
adire ein adirent? und können desshalb die Lesart M. noch nicht 
aufgeben. — XIV, 16. hat Or. die beiden verdorbenen StelleA 
mit dem Zeichen der Corruptel bezeichnet. Er ist weder mit 
Dübner's Conjectur: facultas nccd um iusignis erat, hi acciti etc., 
noch mit seiner eigepen: facultas, nccdujn insignis et satis nota. 
hi acciti etc.y zufrieden, „sed altera utra Interpretum usui sie sa- 
tis inserviet^^ hinzufügend. Die zweite Corruptel utque contraria 
adseverant tum discordiae rueretur hat Bezzenberger (cf. Her. 
p. 107.) jetzt aufs Ueberzeugendste geheilt, und Or. würde sie 
gewiss in den Text gesetzt haben, da sie eigentlich nichts an den 
Buchstaben ändert, im Fall er sie gekannt hätte: utque contraria 
adseverantium discordia frueretur. Sie bedarf weiter keiner Er- 
klärung oder Vertheidigung, nur möchten wir gegen Bezzenb. und 
Her. das que nach ut, als aus dem folgenden c entstanden (cf. 
Ann. I, 57. rebus c motis. VI, 33. Jat Parthorum [que] copias), 
weglassen , indem uns die von Her. und Död. vertheidigte Bezie- 
hung, dass Nero sich mit den Philosophen abgab, einmal um zu 
verdauen, und dann ferner, um sich an ihrem Streiten zu amysiren, 
doch zu wunderlich erscheint. — Cap. 17. ist schon durch Or. der 



880 RdMliche Lit«ratar. 

WoMch Her. p. 80. erfUlt Mrorden , dass doch midlioh dl« Her- 
ftusgeber des Ernetti Gonjector: sab Idem tempus levi tniüi^ cae- 
des orta est, aofnehlnen möchten. Uebrigens erfahren wir dnrch 
Bait , data M. nitht incentio , sondern intentio hat , was leichter 
aus Initio entstehen konnte. — Cp. 25. ist ebenfalls schon richtig; 
Ton Beisenb. statt des corriimpirten: at praesiditim legerat, wo 
Or. noch das Zeichen der Corrnptei hat, le^erat in Legerda ge- 
findert. — Cap. 34. hat Or. mit Recht das animo adeo fero ^egen 
Död. und Her. (p. 20.) feroci beibehalten: sane differt Neroais 
ferus animus aupra Cp. 4. Hie tarnen sine olfensione Interpretabe- 
ris de Britannfs ira saevientibus. — XV, 50. hat Or. mit Her. 
übereinstimmend aus dem sermonis M., sermone in den Text ge- 
setzt, weil der Gen« aus dem vorhergehenden Ipsius entstanden 
sei. Doch ist die von Walth. aufgenommene Aenderung sermoni- 
bos, Spir. durch Ausfall der Buchstaben bu eben so leicht sa er- 
kläreo. — Cp. 69. haben wiederum beide propter molliorem so- 
num das et mensae M. in e mensa verändert. Wir würden doch 
mit Bekk. das ex als leichter vorziehen. — XVI , 9. hat Held die 
•ich sehr empfehlende Conjectur gemacht audentique venas ab- 
rumpere statt M. suadentique (cf. Her. p. 125. v und a verwech- 
selt), und so scheinen die folgenden Worte leicht verständlich: 
animnm quidem morti destinatum alt, sed non permittere percna- 
•orem gloriam miiiisterii. Wenn Or. sie gekannt , wäre es gut ge- 
wesen sie anzuführen, obschon auch wir bei dem suadenti M. 
bleiben, denn der Rath kann auch schon ein ministeriom genannt 
werden. — Cp. 19. behält Or. novitate M. , obschon Neue^a ond 
Döderlein's novitatem dem Sinne uiid auch der Schrift nach sieb 
empfiehlt. — Cp. 22. lässt Or. bei den als Cormptel bezeichneten 
Worten : huic uni incolumitas tua sine artes sine honore zwischen 
Lips.'s und Gron.'s gegen Död.'s Einwendungeh vertheidigte Con- 
jectur unentschieden: tua sine cnra, artes sine honore und inco- 
Inmitas tua, tuae artes sine honore. Vielleicht muss es heissen: 
huic uni incolumitas tua sine cura, sine honore. 

Wenn wir bisher gesehen, dass die Orelli^sche Ausgabe in 
kritischer Hinsicht als eine neue Grundlage zu betrachten ist, von 
der aus jeder nachfolgende Bearbeiter des Tacitus ausgehen muaa, 
und weiter, dass sie in wenigen Fällen mit Unrecht von M. abge- 
wichen, an mehreren Stellen neue wirkliche Verbesseningen auf- 
genommen, neben einzelnen von Früheren schon besser geheilten, 
und endlich, dass sie bei den sehr vielen Cormptelen des M. gross- 
tentheils die nothwendige Zurückhaltung und Scheu vor Aufnahme 
unsicherer Conjecturen bewahrt hat, so bleibt uns jetzt noch die 
andere Seite , der Commentar , zu betrachten übrig. 

Hr. Or. hat auf Grundlage der älteren bewährten Erklärer 
mit vorzuglicher Benutzung der neueren Döderlein, Diibner, Bar- 
nouf etc. einen sehr reichhaltigen Commentar gegeben, bei dem 
sunäehst nach der äusserlichen Seite das hervortritt, dasa er uns 



i 



Taciti opera, reoens. et Inlarpratatas est Orellios. ,881 

durcbg«liend8 ÄusariBge aa« den Schriflstdllern giebt , anf wekbe 
Frühere nur cor weitern BegHlodung ihrer Brkliningen verwiesen, 
die aber meist und grösstentheils in dieser Form niehts weiter 
als blosser gelehrter Kram sein mussten^ well den Wenigsten 
solche angezogenen Werke sämmtlich zugänglich sind. Anch bei 
Hrn. Or. finden sich freilich viele solcher blossen Cilate, doch hat 
er wohl unterschieden und das Letztere nur dann mit Recht vor- 
gezogen, wenn solche Stellen sich nicht im Auszüge geben Hessen, 
oder nicht sowohl zur unmittelbaren Aufklärung des Textes die- 
nen, als vielmehr nur IlinWeisungen erhalten für die, welche diese 
Ausgabe nicht eben zum Studium desTacitus, sondern zum Naeh- 
achlagen benutzen mögen. Nothwendig sind dadurch auch efne 
Masse Gegenstände und Fragen in diesen Anmerkungen berührt, die 
wir in blossem Bezug anf Tac. auch eben so gut entbehren könnten^ 
die wir aber gern und dankbar mitlesen, zumal wenn der Herans- 
geber wie Hr. Gr. versteht, sie uns in einer so gefälligen Weise 
vorzutragen, und wo möglich noch immer einen Verkn&pfungspunkt 
mit der Erklärung des Schriftstellers herauszufinden weiss. Cf. 
z. B. Hl, 60. öl. 62. Einen grossen Vorzug und eine bedeutende 
Bereichenmg haben aber die vorliegenden Anmerkungen dnrcfa 
die ausgebreitete Inschriftenkenntniss des Hm. Herausgebers er- 
halten, und wenn sonst die Beispiele so häufig sind, wo die Edi- 
toren mit Gewalt ihr Steckenpferd in den Commentar hineinbrin- 
gen , so müssen wir dieses Lob des Maasshaltens durchaus dem 
Hrn. Or. spenden. Ueberall sind die angezogenen Inschriften 
passend und den Text und die Gedanken desTacit. erläuternd und 
nnterstützend , und nur einmal ist es dem Bec. aufgefallen^ zu 
IV, 4. zwei Inschriften von Vaillant und Eckhel erklärt zu finden, 
die sich auf die Eintracht des Germanicus mit dem Drusus bezie- 
hen, obschon Tacit. dort von dem Wohlwollen des Drusus gegen 
die Kinder seines verstorbenen Bruders Germanicns spricht. Sach- 
ond Sinnerklärung ist die vorzuglichste Aufgabe, die sich der Hr. 
Heransgeber gestellt hat, und wenn ihm jene bei weitem besser 
gelungen, -so findet dies seine ganz natürliche Erklärung in den 
Vorarbeiten eines Lipsius und Byck, während er zum wirklichen 
Verständniss der Worte und Verbindungen fast den Weg noch ' 
erst anbahnen musste. Doch kommen wir hierauf noch einmal 
zurück. Lexicalisches wie Grammatisches ist mit Recht grössteii- 
Iheils und absichtlich fern gehalten, da solches schon zn so vielen 
Klagen Veranlassung gegeben und in Wahrheit auch die gewöhn- 
lichen Commentare so dickleibig und ungeniesslich macht , ja die 
Leetüre und den ungetrübten Genuss des Schriftstellers stört und 
verleidet, jedenfalls aber nur in dem Falle seine Berechtigung hat, 
wenn die Erklärung und die tiefere Einsicht der Darstellung es 
nothwendig verlangt, oder etwa in den Lexicis und Grammatiken 
solche Fälle nicht gehörig erwogen und berücksichtigt sind.. Aber 
gerade dieses ist es, was den fekürer des Tacilus fast la einffic 



S82 Ronifche Literaiar. 

gröweren Ausführlichkeit seineg Gommentarg iwingt. Immer nojch 
fehlt jODs eine wirkliche Grammatik des Tacitus, und selbst das 
Lexicoo TOD BöUlcher kann lange nicht den gewöhnlichen Anfor- 
derungen mehr entsprechen und verlässt uns fast jedesmal darin, 
worüber wir uns Auskunft erbitten möchten. Dieser Mangel hat 
denn hin und wieder auch Hrn. Or« bewogen , solche grammatische 
und lexicalische Punkte in den Bereich seiner Besprechung in 
siehen,wo es aber irgend möglich war und er auf irgeqd eine 
Vorarbeit, namentlich auf das Lexicon von Freund verweisen 
konnte, hat er dies jedesmal vorgezogen. Nur VI, 80. vermisaten 
wir bei ultro (Jj^ Hinweisung auf Roth's sorgfältige Untersuchung 
hinten seinem Agricola. Nehmen wir zu alle diesem noch die 
Präcision und Bündigkeit, mit der jedes ohne Kosten der Deutlich- 
keit dargestellt ist und worin der vorliegende Coromentar das 
Muster der Erklärer zu sein verdient, so haben wir in der Aus- 
gabe des Hrn. Or. einen der Form nach unübertroffenen Gomm.en- 
tar; und wenn wir, uns zum Inhalt wendend, manche Ausstellungen 
machen werden , so sprechen wir es hier gleich vorweg aus , dass 
dies nicht geschieht, um etwa an jedem Ausgezeichneten mit Lust 
und Flelss Flecken zu suchen, die gerade bei solcher Intention 
gewöhnlich keine sind, sondern wir wollen ebenfalls, wie bei der 
Betrachtung des kritischen Standpunktes des Hrn. Or. , auch hier 
das Verhältnlss vorzüglich ins Auge fassen, in welchem derselbe 
SU seinen Vorgängern steht, und von wo aus für die Zukunft und 
för fortschreitende Erklärung des Tacitus noch zu wirken und zu 
leisten ist. Und dass gerade dieses Letztere noch so Manches 
und Vieles ist, kann immerhin nach der hohen Meinung und Ach- 
tung bestehen, die wir der Gelehrsamkeit, wie der vielfach ver- 
schiedenen Beschäftigung des Hm« Or. zollen. 

Doch bevor wir auf das Wesen des Commentars eingehen , ist 
noch die auch von Hrn. Or. angenommene Art unä Weise der Be- 
nutzung von Vorgängern zu betrachten. Döderlein hat in seiner 
Ausgabe der Annalen des Tacitus die Sitte eingeführt, in dem 
'Falle die Anmerkungen seiner Vorgänger nicht mit dem Namen 
derselben zu bezeichnen , wenn sie nach seiner Meinung nicht so 
Wichtiges enthielten oder es sich nicht der Hinzufügung lohnte. 
Er nennt solche ein litterarisches Gemeingut, cf Praef. p. IX. und 
X.} doch hat er jedes Einzelne, das von ihm selber kam, mit seinem 
Namen unterschrieben, non gloria, sed ut futuros Taciti editores 
admonerem , ubi inter vetera ac centies excusa aliquid novarum 
opinionum Uteret. Wenn nun nach diesen Grundsätzen Hr. Or. 
s. B. III, 15. ferret. 68. alia. iV, 61. impetu. VI, 10. recens 
Gontinuam. 45. imitando auch Död.'s Anmerkungen benutzt und 
den Namen desselben auslässt, so ist dies ganz consequent. Jeder 
Nachfolger hat das Recht, den Vorgänger nach seinem eignen 
Maasse zu behandeln. Aber doch ist die Frage, ob solches Ver- 
fahren überhaupt lobenswerth und ;gut ist. Abgesehen davon. 



Taciti opera , recciut. et interpretatas est Orellias. 288 

das« hierdurch ao mancher Irrthum veranlaast wird, wie %.B, Hr. 
Heraus p. 104. dem Döderlein die Erklärung von faciles Ann« XVI, 
19. zuschreibt, die doch von Ern. herrührt, oder wie es Hrn. Or. 
«eiber ergangen /da er z B. III, 47. decora, V, 6. mihi pndorem, 
VI, 26, coniunxit Döderlem als Gewährsmann hinzufugt, obsehon 
dieser sich nicht genannt und es ihm deshalb auch nicht zuliommt, 
so ist's schon an sich tadeinswerth ^ und wir müssen diese auch 
bei dem Horaz des Hrn. Or. sich findende Sitte durchaus verwer- 
fen. Es ist weder eine grosse Mühe, noch wird dadurch erheb- 
licher Raum , weggenommen , wenn der Erldärer auch bei der ge- 
ringsten von einem Andern entlehnten Bemerkung den orsprüng- 
lichen Namen hinzufugt. Die Namen thun's freilich nicht, aber 
sie dienen doch jedem Folgenden wie zum nähern Nachschlagen 
and weiteren Prüfen^ so zu grösserer Wahrheit« Das Weglassen 
ist nur die halbe Wahrheit , Icann sogar Täuschung werden. Uebri- 
gens ist bei einem Erklärer des Tacitus die Berufung auf Autori- 
täten nicht zu verwerfen , es giebt eine gewisse Beruhignng und 
grössere Dreistigkeit, die wieder wohlthätig auf'den Schriftatelier 
zurückwirken kann, wenn man mit sieiner Auffassungs- und Er- 
klärungsweise mit einem wohlbewährten Gelehrten übereinstimmt. 
Und wie will denn überhaupt die subjective Entscheidung Döder- 
lein's und Orelli^s als absolute Norm der Wichtigkeit oder Unwlch- 
tigkeit einer vorhandenen Anmerkung gelten! Weichen sie beide' 
doch sehr häufig schnurstracks darin von einander ab, und hat der 
Letztere wieder Grund zu haben geglaubt, die Namen beizufügen, 
wo Död. sie weggelassen , oder corrigirend einem Früheren wie- 
der zu vindiciren, was Död. sich zugeeignet hatte; z. B. II, 33. 73. 
III, 6. Död. zu funditirs amissas, Or. zu nobiles fam. !29. 68. all«, 
wo Död. zum Theli von Walth. entlehnt und sich unterschrieben, 
was Or. auf Walth wieder zurückfuhrt. IV, 42. vel statim« 55. 
templum. Wiederum lässt Or. den Urheber weg, wo er In der 
Döderlein'schen Ausgabe beigefügt war, z. B. 111,27. aliquando 
in maleficos. 67. Pavonius , IV, 58. Curtius. 73. stipendiarii , wo 
Or. zu der Oberlin'schen Anm. noch Weniges hinzufugt , VI, 8. 
novissimi consUii, 83. ad scelus. Solches Schwanken und solche 
verschiedenen Ansichten heben sich ganz einfach durch jedesma- 
lige Hinzufügung der Namen, und müssen wir dieselben bei jedem 
künftigen Bearbeiter des Tacitus wünschen. Noch hängt hiermit 
so manches Einzelne zusammen, das sich dem Rec. wider Willen 
und ohne Suchen zufällig darbietet und sich nicht bei einem Ba- 
che finden sollte, das ausgezeichnet genannt werden muss. Es 
werden auf diese Weise Anmerkungen aus einer Ausgabe in die 
andere übertragen . und am Ende weiss der Herausgeber selber 
nicht mehr, wo sie ursprünglich zu Hausegehören, und doch 
kommt oftmals, wenn auch, und dies um so schlimmer, spät erst 
Nachfrage nach dem Geburtsscheine , und wer soll hier denn bes- 
sere Antwort darauf geben ^ oder wer hat bessere Oelegenhdt 



884 Ronische Literatur. 

oaehsuschlagen, als die Editoren Y Jedweden Aedem feUftn ndlr 
oder minder die HBifvmittel dazu. So v. B. wird U, 32. su ciao- 
aicus einer Sitte der Römer bei Hinrichtungen erwihnt, die äich 
mit denselben Worten bei Dübner findet (statt iäniia nur dooiitt)« 
Hier wünscht doch jeder den so wissen , der diese Sitte soerat 
erklärt Liest mtn sie ohne Weiteres in der Toriiegeoden Ana» 
fabe,80 schreibt man sie doch zuerst dem Herausgeber sa und 
nur die Gleichheit mit Dübner führte den Rec. auf Lips. , den Hr. 
Or. mit Unrecht weggelassen/ zumal derselbe sich etwas darauf 
zu Gute thut: non cuiiibet e plebe doctorum notus mos« lY, 20. 
hat man dem Tacitus einen Grund untergelegt, warum er abwei- 
chend von seiner Gewohnheit im Laufe der Erzählung sich naher 
bei Lepidus rerweilt. Död.'s ziemlich lange Anmerkung ist eb^ 
ao ohne Namen wörtlich ?on Hm. Or. aufgenommen und Rec. g^ 
ateht offen sein Bedauern, hier nicht erfahren zu können, voa 
wem sie herrührt. Eben so cp. 33. ist die nicht durch M . be- . 
«tätigte Lesart re Romana mit den etwas veränderten Worten 
£m.'s ericlärt. Död. hielt es noch für nöthig, Ern. hinznzufpgen, 
doch Hr. Or. hat es unterlassen und doch ist hier Ern.'a Autorital 
ton Wichtigkeit. Auch kommt solche Umschreibung fremder An- 
merkungen , do6h mit völliger Durchsichtigkeit ohne weiteren Hin- 
weis, woher sie entnommen, vor, i. B. iV, 55. zu ^iristonM^ 
Muret'a Anmerkung mit andern Worten. Endlich ist, was bei 
•olcher Behandlung fremder Anmerkungen fast unauableibiich die 
Folge, auch Hr. Or. widerfahren, dass er zu sehr vertrauend ohne 
weitere Controie aufgenommen, und somit zu IV) 5. per duas 
Död.'^s Auszug aus Lips. mit denselben Worten und demselben 
Druckfehler Hist. IV, 23. statt IV, 48. wiedergiebt. Ebenso III, 
55. hat Död. statt IV, 48. blos Cp. 48. zu studio, dies ist in Hrn. 
Or.'s Ausgabe mit hinübergegangen, zugleich mit dem zweiten 
Versehen, dass diese Stelle wohl für den Ersteren eine Beweis- 
kraft hat, doch fiJr Or. wegen verschiedener Auffassung nichts i>e- 
weist. Etwas Aehniiches scheint auch IV, 56. bei deligere nn 
Grunde zu liegen , wo Död. seiner Bemerkung Ex Bach, zufügt. 
Hr. Or. hat dieselben Worte mit dem Zeichen Bach abgedruckt, 
eher doch findet Rec. bei diesem Herausgeber dieses Wort gar 
nicht erklärt, und sollte derselbe es anderawo gethan haben^ musate 
ea wenigstens angegeben werden. 

Doch gehen wir von diesen unerfreulichen Bemerkungen, die 
bei der vorliegenden Ausgal>e des Tacitns zur Vermeidung jed- 
wedea nachfolgenden und vielleicht sich nicht eines so berühmten 
Namens erfreuenden Bearbeiters nicht verschwiegen werden durf- 
ten, zu den wichtigeren Fragen iiber, die den Inhalt des Commeii- 
tara betreffen. Wenn wir oben die Reichhaltigkeit der Oreiii- 
achen Erklärungen hervorhoben, wollen wir im Vorübergehen nur 
bemerken, dass einzelne Bemerkungen in einer Bearbeitung dei 
Tadtoa fehlen sollten, z. B. 1, 18. eo furoria, 25. atrox clamoi. 



TadU opera , recens. et inierpretatas est Oreliius. S85 

Hl, 24. repetan , 53. fiagitfis ond redderc^ 60. libero, IV, 8. mdem, 
21. atrociiis vero, 50. cum libertate ocddere; wodurch bisweilen 
wohl noch eine ganz einfache Sache verwirrt wird, s. B« III, Ö4. 
refert, wd ad senatnm falsch ist, VI, 23. alienationem mentfa. 
Wichtiger als dieses ist die BemericuDg, dass es für den Leser des 
Tacit. bisweilen einen unangenehmen Eindruck macht, hübsche 
Stellen des Schriftstellers, die eben wegen des Schlagenden Im 
Ansdruck, wie in der ganzen Färbung so leicht verstfindlich sind^ 
durch die Bemühung des Explicators in nüchterne Prosa unge^ 
setzt und dadurch ganz verwässert, wie ihres ganzen Schmuckes 
nnd Reizes beraubt zu sehen. So würde Rec. z. B. jedem rathen, 
1, 58. die ganze Rede des Segest ohne Or.'s Comraentar zu lesen, 
o^chon an sich keine einzige Unrichtigkeit darin ist. Ebenso ist 
der frappante Ausdruck 111, 54. familisrum numerum et natianeg 
so klar und gefSIlig, dass man gern weiterliest, ohne sich nach der 
Anmerkung umzusehen« Cf. 111, 60. iura, IV, 46. arma inciperent. 
Wenn wir hierin ein Zuviel der Anmerkungen bezeichneten, 
so bleibt uns jetst die andere Seite, das Zuwenig zu betrachten, 
indem wir in den neuern Ausgaben des Tacitus ganz die alte gnte 
Sitte, namentlich eines Em. vermissen , der so offen seine Bedenr 
ken hekennt und angiebt, wo er den Tacit. nicht verstehe, oder 
die Beziehung einzelner Ausdrücke und Wendungen nicht erfasse. 
Und wahrlich, wir sind auch jetzt noch nicht zu Mannern in der 
ErklirungunsersAutors herangewachsen und gebildet, wenngleidi 
man in manchen nenern Ausgaben solch offenes Gestandniss durch 
gSnzliches Schweigen und Uebergehen umgangen sieht. Solche 
Hinweisungen auf schwierige Verbindungen und Beziehungen ver^ 
missen wir auch bei Hm. Or., ond doch sind sie nothwendig und 
wünschenswerth , sowohl für einen spätem Bearbeiter, damit er 
ungestörter auf solche Stellen sein Augenmerk und seinen Scharf- 
sinn richte, als auch für den blossen Leser, der sich nun gar ofl 
verwundert umsieht, und in naheliegender Folge des vornehmen 
Schweigens seines Führers wohl gar seinem eigenen Verständniss 
misstraot und sich über seine eigene Schwachheit ärgert , nnd 
dann wieder, wenn er in Em. einen Schicksalsgenossen erscbant, 
sich unwillig über die bequemen Neueren auslässt. In kritischer 
Hinsicht hat Hr. Or. hierin , wie wir oben sahen , nicht angestan« 
den, offen die noch stattfindende Unmöglichkeit, das Richtige zn 
treffen, ansznsprecfaen. Auch In dem Commentar kommen B<s 
weise solches redlichen und ehrenhaften Bekenntnisses vor, doch 
nicht in der Beziehung, von der wir hier sprechen. Hr. Or. ent« 
hält sich öfters, wenn er verschiedene Erklärnngsversuche von 
Andern anführt, der Entscheidung, aber wir meinen, er hätte, 
wie er es doch biswellen gethan, auch solche Stellen in den Be- 
reich seiner Untersuchnngcn ziehen oder wenigstens bezeichnen 
sollen , wo Frühere angestossen nnd die doch bisher noch nicht 
ihre Erledigong gefunden, oder auch da, wo die Uebersctmvi^^ 



286 Römische Literatar. 

deuUieh dts Unf ermaßen der Einsiebt verrathcn, aulmerkstni 
machen müssen. Freilich fallt hier und dort dem Einen leichter 
die Besiehung^ und Verliniipfuiig der nnyerständlichen Worte ein^ 
als dem Andern , und somit würde es schwierig sein , dass ein Er- 
klarer Alien genugthue ; aber die Hand einmal aufs Herz , iat dir 
wohl alles und jedes ^«dessen du keine Erwähnung gethan , toQ* 
kommen klar und deutlich? So scheint*8 freilich, wenn man ia 
jeder neu erscheinenden Ausgabe dasselbe oft mit demselbea 
erkUrt findet, und dort;, wo früher keine Anmerkung war /auch 
noch keine autriflPt; aber dennoch werden wir das immer die bes- 
sere Ausgabe nennen, die am meisten und besten Aufschluss liber 
das Verständniss des Autors giebt und den Leser wahrhaft rasch 
und leicht über die Klippen der Auffassung hinweghebt. Dock, 
wiediBr su Hrn. Cr. surücksukehren , er hat dieses Bedürfniss nicht 
ganz übersehen, und in Wahrheit einen Fortschritt angebahnt and 
manche Worte und Wendungen erkiSrt, die von Vorgängern ohne 
Weiteres übergangen waren , und wir können es bei dem jetzigen 
Stande der Sinnerklärüng , da die Kritik fast noch ungetheilt die 
Kräfte in Anspruch nimmt , nicht als Vorwurf fqr ihn aussprechen, 
wenn wir hierin noch ein Mehreres , fast noch Alles wünschen und 
verlangen. Dies eben wird die Zukunft mehr leisten können und 
müssen. Wir wählen zur Begründung unserer Behauptungen 
Stellen aus dem ersten Buche, da uns Tcrstattet ist, in dieser Be- 
ziehung auf die gediegenen Beiträge zur Kritik und Erklärung- der 
Annalen des Tacitus von Halm, Speyer 1846, hinzaweisen, die na- 
mentlich ebenfalls auf die berührte Vernachlässigung aufmerkajam 
machen und das Verdienst überzeugender Erklärung haben. (Cf. 
Hahn I, 9. longinquis amnibus, wozu wir bemerken, dass Hr. Or. 
IV , 27. longinqnos saltus nach Anderer Vorgang richtig erklärt 
late ieitentos , doch an der ersteren Stelle schweigt er. Cp. 39. 
duJL als collectiver Singul. II, 11. haud imperatorium ratus „er 
hielt es in strategischer Beziehung für unrathsam^S ill, 15. maior 
gratia, eoque . . • liceret, wo Or.'s Erklärung weniger zusagt, ak 
Halm's Vermuthung liberet, wie weit er in ihrer Bestrafung gehen 
würde. Cp. 46. nullo ad resurgendum nisu, „da ihnen die Schwung- 
kraft zum Aufstehen fehlte.^^ Cp. 59. Recitatae et Drusi epistu- 
lae, quamquam ad modestiam flexae, pro su^erbissimis habebantur, 
„dass auch einschreiben desDrusus einlief (und vorgelesen wurde), 
ward, wenn es gleich in bescheidener Fassung gehalten war^ ab 
grosser Hochmuth aufgenommen^^ IV, 34. relinquendae vitae 
certus, nicht wie Död. übersetzt: entschlossen zu sterben, son- 
dern : seines Todes gewiss. VI , 24. extrema vitae alimenta, die 
kümmerlichsten Nahrungsmittel. XIV, 4. die Partikel Nam. Cp. 
12. quattuordecim urbis regioncs. Gutmann unrichtig: „an 14 
Orten der Stadt'^, sondern: in den 14 Regionen der Stadt. XV, 
20. nobis opinio decedat, dass wir aber aufhören, zu meinen«) 
Gleichwie Hr. Halm an diesen Stellen eine Besprechimg des Hm. 



Taciü opera, reeens. et interpretatns est Oreliins. .887 

Or. vermisst, hätten wir Auskunft gewünscht über die Bezfebanl; 
des ratio constet I, 6. Einer nach dem Andern spricht hier über 
den Ursprung des Bildes , aber das ist noch keine Sinneresklarung. 
Cp. 8. ex quis maxime insignes visi weist Or. , was Död. unter- 
lassen, die aus Bötticherts deutlicher Uebersetseung hervorgehende 
falsche Beziehung zurück, als hiesse visi so viel als decreti, seil.' 
senatui, und erklärt selber populo. So mancher hat schon darüber 
weggelesen, nun dass einer sich ausgesprochen, kommt der Man- 
gel zum Vorschein. Rec. ergänzt mihi. — In demselben Capitel 
will uns immer noch nicht das num se mandante ganz klar werden. 
Schon Wolf fühlte das Bedurfniss, etwas bei diesen Woi'ten zu be- 
merken: quare, qui id (sacramentum) transferendum censebat in 
novum principem, is primus militaris principatus fundamentis 
iactis libertati funus parabat Doch auch diese Hinweisung genügt 
nicht zur ErkläVung, warum denn Tiberius dem Anschein wenig- 
stens nach trotz seiner sonst so sehr von Tacit. hervorgehobenen 
Verstellungskunst so lappig den Haterius anfuhrt. Dass yerschie* 
dene Ansichten hier stattfinden, wenn sie auch von den Heraus- 
gebern verschwiegen werden, und dass Rec. nicht der Einzige, 
dem diese Stelle unklar, beweist die verschiedene Deutung des 
addebat, das Or. egressus relationem nach Wolf erklärt, doch hat 
dieser noch hinzugefügt : iam ante talia plura immisturi erant se- 
natores. — Cp. 17. hat nur Ruperti das divcrsas in terras erklärt 
und zwar remotas. Wir meinen, diversas stehe im Gegensatze 
zu dem folgenden : sed iisdem in castris praemium. Cp. 24. Ro- 
bora Germanorum, qui tum custodes imperatori aderant. Das 
tum findet weder durch Lipsius* Behauptung: dass die nach 
der Varusschlacht entlassene Leibwache also wieder von Tibe- 
rius angenommen sei, noch durch Or.'s Muthniaassung, es sei dies 
noch von Aug* selber geschehen , seine Erledigung. Sollte es 
wohl ein blosser Hinweis des Historikers sein , dass dies zu seiner 
Zeit etwa nicht mehr so war, oder sollte er seinen römischen Zeit- 
genossen die frühere Einrichtung habe erklären wollen? Es war 
ja aber doch keinem unbekannt! Cp. 61. Omni qui aderat exer-- 
citu. Was bedeutet das qui aderat neben omni? Es muss doch 
/durch die Editoren seine Bedeutung, wenigstens Beachtung finden; 
doch auch Or. schweigt mit den übrigen. 

Wir haben neben diesem mit den Vorgangern gemeinsamen 
Mangel des stillschweigenden Uebergehens mehrerer Schwierig- 
keiten , es schon ausgesprochen , dass dennoch selbst in der gros- 
seren Rücksichtnahme solcher verwaisten Stellen jer Commentar 
des Hrn. Or. einen Vorzug habe ; noch unbedingter können wir 
in der Beziehung einen Fortschritt anerkennen, dass der Hr. Her- 
ausgeber bei verschiedenen Ansichten der Früheren grösstentheils 
die zunächstliegende und natürliche Auffassung vorgezogen und 
sich nur hin und wieder zu einem früheren, unberechtigten Stand« 
punkt hinneigt. Und da wir noch lange nicht bis zu dem Grade 



288 Romifche Literatur. 

des Ventindnisses des Tacitus gdtommeii sind, dast wir etwa die 
Aufifuhrongen der Vorgänger nur zu ergänzen , weiter zu begrün- 
den, im Uebrigen sie biiligend aufzunehmen Ursache hätten , so 
hat auch Hr. Gr. deshaib viele eigene Erklärungen bisweilen swei- 
feihaft fragend hingestellt, zum Theil mit Ueberzeugung der 
Richtigkeit dargestellt. Zur nähern Vergleichung dieses seine* 
Verhältnisses, namentlich zu Döderlein, Dübnef , Balbo und Bur- 
nouff folge hier eine Zusammenstellung von Erklärungsversuchen 
aua den ersten 6 Biichern, die den Leser seihst zur nähern Ent- 
scheidung hinführen können. 

Ann. I, 10. proscriptionem civiam, divisiones sgrorum, ne 
ipsis quidem , qui fecere iaudatas Or. bezieht qui fecere nur auf 
divisiones. Död. richtig auch auf proscriptionem , das sonst nicht 
aliein überflüssig, sondern ganz unverständlich wäre. Auch sind 
qui fecere nicht qui fieri iussenint» sondern sämmtKche Anhänger 
der Triumvirn. — Cp. 24. ist Or. mit Unrecht von Balbo und Bar* 
nonf abgewichen. Seianus . . et ceteris pericuiorum praemiornn- 
qae ostentator. Wie soll man so plötzlich von rector iuveni et 
ceteris etc. unter den Letzteren die Aufrührer in Pannooien ver- 
stehen. Der hochgestellte Seian wurde dem Drusns als Rathge* 
her beigegeben, daraus konnten die ceteri (natürlich die, welche 
ausserdem zur Dämpfung des Aufstandes mitgeschickt wurden) 
schliessen, wie gross die Gefahr (pericuiorum ostentator) und zu- 
gleich auch wie gross die Belohnung (praemiorum ostent.), wenn 
sie den Aufstand dämpften. — Cp. 27. Ante alios bezieht Or. mit 
Wolf auf aetate et gloria belli und meint : Male alii iunxerunt, 
ante alios — — firmare; doch beide übersehen das folgende 
primus, das dem ante alios correspondirt, quod is credebatur 
i)antealios firmare Drusum, 2) primus aspernari flagitiunif — 
Causam discordlae ist richtig von Wolf erklärt.' praetorianos inter 
ac Pannonicos milltes, unrichtig von Or,: Quidni potius inter per- 
vicaces et pauciores illos, qni Drusum revercbantur? — Cp. 49. 
Das haue macnlam ist mit Recht von Burn und Or. auf die Em- 
pörung selber bezogen, gegen Wolf und Död. (cladem Yarianam). 
— Cp. 55. hält uns Or.^s ineptum nicht ab , noch immer gener 
invisus inimici soceri mit Walth. als „ein dem feindselig gesinnten 
Schwiegervater verhasster Schwiegersohn^*' zu deuten.. Beide 
waren schon früher uneinig gewesen und dies (auctom privatim 
odiis) haben Or. und Död. übersehen. — Cp. 61. hat Or. die gans 
einfache Deutung des semiruto vallo als ex dimidia parte collapsui 
glücklich wieder zu Ehren gebracht. Den von ihm aus Liviue 
gegebenen Stellen fugen wir aus Tacit. Ann. IV, 25. hinzu. — Cp. 
73. bezieht Or. mit den neueren Editoren dein richtig auf die Zeit 
des Tiberius; Lips. auf Vcspasian und Titus. Ebenso überzeu- 
gend ist Död.'s Umstellung zurückgewiesen. — Cp. 76. quamquam 
viii sanguine nimis gaudens hat Or. wieder gegen Död. auf Woir« 
einfachste Erklärung gebracht: nimis sanguine gaudens, quamquam 



Taciti opera, recens. et interpretatos est Orellius. 289 

vili servulorum. — II , 33. diversi natura. Or. richtig; senatöreg 
et equites gegen Dubn. divers! a plebe. — Cp. 71. Död. hat nach 
Ern.'s Erklärung parentibua: de sola matre Antonia. Or. richtig: 
Tiberio et Antonia. — C. 46. kann Or.'s Erklärung des Tacuas le- 
giones soviel als duc^ destitutas nicht richtig sein, weil alsdann 
das folgende et ducem fraudis ignaram vorangehen musste. Gern 
hätten wir seine Gründe gehört für die Behauptung : Neque vero 
cum Wopkensio et ioterpretibus Italicis tftque Gallicis exponi po- 
test non plenas , incompi^tes. Bis dahin scheint uns diese Auf- 
fassung die allein richtige, cf. Hist. V, 9. vacuam sedem. — Cp. 
73. Suorum insidiis externas inter gentes occidisse. Or. bezieht 
suorum auf Tiberius und Augusta; doch der Gegensatz externas 
gentes zeigt, dass Alexander und Germanicus fern von der Hei- 
math , doch durch ihre Landsleute (Piso) gefallen seien. — C. 82. 
Es ist oftmals von Tacitus ausgesprochen, die wahre Treue um 
einen Verstorbenen wohne im Gemüth, wenngleich die äussern 
Zeichen derselben deshalb nicht zu verachten seien. Hier, wo er 
von der tiefen Trauer der Romer um Germanicus spricht: quam- 
quam neque insignibus lugentium abstincrent, altius animis mae- 
rebant, will Or. das neque durch ne-quidem erklären. Das wäre 
geradezu ohne Sinn. Es heisst: obschon sie sich durchaus 
nicht der äussern Trauerzeichen enthielten. Or. verweist auf 
HI, 17. patris quippe iussa nee potuisse filium detrectare, doch 
auch hier ist es durchaus niclit. Eine ähnliche Bedeutung, 
doch auch mit dem Nebensinn des gäpziichen Absprechens hat 
adeo non nach einer Negation und adeo nach quoque, wozu Hand 
Turs. I. p. 154. Beispiele aus Yelleius, Curtios und Tacitus ge- 
sammelt hat. Wenn es freilich wohl dem Sinne nach ein tanto 
magis oder tanto minus, oder auch ein nedum in sich schliesst, so 
hätte Hand doch über den blossen relativen Vergleich hinaus das 
absolute Absprechen hervorheben müssen. Man vergleiche Ann. 
III, 34. et pauca feminarum necessitatibus concedi , quae ne con- 
iugum quidem penates , adeo socios non onerent. Hist. III , 39. 
sanctus, inturbidus, nullius repentini honoris, adeo non princi- 
patus appetens. IV, 80. aequalinm quoque, adeo superiorum 
intolerantis. An diesen Stellen will Tacitus nicht ein blosses ver- 
gleichendes Umsoviel weniger ausdrücken, das )a an sich 
noch immer die Möglichkeit des Bestrittenen zaiässt, sondern er 
spricht es absolut ab, selbst die Möglichkeit leugnet er. Cf. Ann. 
Hl, 37. neque luxus in iuvene adeo displicebat: auch der Aufwand 
missfiel nicht im Geringsten bei dem Jünglinge. Auch scheint die 
Formel nee -quidem, welche Or. zu IV, 35. durch XIV, 35. Hist. 
I, 6ö. II, 76. 111, 38. Germ. 7. vertheidigt, sich durch einen stär- 
kern Grad der Versicherung von dem einfachen ne- quidem za 
unterscheiden, und durch diese Bemerkung Hesse sich vielleicht 
Ann. IV, 30. et poenis quidem unquam satis coercitum M., wo Or. 
nach et ein ne mit Bekk. einschiebt , leicht in nee (repertum geht 

iV. Jahrb. f. Phil. u. Päd. od. Krü. Bibl. Bd. L . flft. S. V^ 



290 Römische Literatur. 

vorher) poenis quidem ändern. — Cp. 88. Romanis haud peripde 
celebjria. Or. nimmt aus dem folgenden dam yetera etc. ein ac 
Teteres sc. Pyrrhus und Hannibal, doch bleibt immer noch 
Freinsh.^» einfache Erklärung ac par est die richtigste. — III, 10. 
Die Umschreibung Or.'s bei cognitionem exciperet durch admit- 
teret ist entweder ein Schreibfehler oder unrichtiges Verstandniss. 
Zu den Freunden des Germanicus gesellt sich unabhängig noch 
als Ankliger des Piso Fulcinius Trio und macht, jenen zuvorkom- 
mend, die Klage bei den Consoln anhangig. Sie einigen sich, dasi 
er für das Zugeständnisse des Piso^s früheres Leben zu beschul- 
digen , von der öffentlichen Klage absteht , und nun vereint bitträ 
sie den Fürsten, er möge die Entscheidung über Piso übernehmen. 
Hiermit war der Beschuldigte völlig einverstanden , weil er in dem 
Einen Tiberius einen viel unpartheiischeren Richter haben werde, 
als wenn mehrere darüber entschieden. Wäre nun die Bitte der 
Kläger dahin gerichtet gewesen, Tiberius solle die Klage zulassei 
(admitteret) , so wäre das folgende quod ne reus quidem gam 
sinnlos. — Gp. 15. Or.'s Umschreibung des mediae spes durch 
ambiguae kann leidit irre führen. Es sind Hoffnungen, die eben 
so leicht nach einer wie nach der andern Seite ausfallen können. 
— Gp. 17. super haec ist gegen Em. und Död. richtig von Or. mit 
Wolf und Oberl. als in bis erklärt. — Gp. 28. hat Or. continua 
discordia mit Recht wieder gegen Död. für den Nom. erklärt. -— 
Gp. 31. fasst Or. neque natura in eigentlicher Bedeutung gegea 
Walth. „Gharakter^^ -^ Gp. 41. nehmen Or. and Död. beide die 
semina motus für die Anreizungen des Sacrovir und Fiorus; aber 
doch sind es die magnitudo aeris alieni. cf. G. 40. init. — Aluitque 
dubitatione bellom. Or. neigt sich zu der Erklärung, „Unschlüa- 
sigkeit, irresolution*'^ doch Död. war dem Richtigen näher, panun 
credendo d. h. Niohtglauben , Verwerfen des Zeugnisses, wie es 
durch das vorhergehende aspernatus est indicium angedeutet Ist 
Gp. 46. Or. hat sehr ansprechend das evincite nach Walth. ffar 
„überführen, beweisen^*' erklärt, und die Fassung als debellate, 
^ie den vorhergehenden Worten pudendum ipsis entgegensteht, 
zurückgewiesen. Auch das consulite fugientibus ist richtig ffir 
parcite genommen. Wenii aber Walth. als Grund dieses Be- 
fehls angiebt: Namque inter Sacroviri copias invita erat iuventos 
nobilissimarum familiarum, quam Silins trucidari nolebat, so wi- 
derspricht Or. diesem ganz mit Recht: verum illos adulescentiilos 
Augustoduni sub custodia detentos esse roulto probabilius, atqae 
equidem hoc iussum potins eins humanitati tribuerim. — Cp. hi. 
ad principem distulerant, sie schoben es auf, bis der Fürst dar- 
über entschieden habe. Dabei ist nicht mit Död. und Or. an Ti- 
berius Gegenwart zu denken. — Cp. 54. unius urbis cives eramns. 
Das Nächsfolgende beweist, dass Or.'s at nunc ex omni orbe nilx- 
tio sumus unrichtig ist, und dass jene Worte nur. den geringen 
Umfang des Staates bezeichnen. — Gp. 71. recitavitque decre- 



Taciti Opera recens. ßt ioterpretatus est Orellius.. 201 

ttim pontificum, quotiens valitudo adversa flaminem Dfaletn inceg'^ 
Bisset, ut pontificis maximi arbitrio plus quam binoctiutn abesset, 
dum ne etc. Hier hat Gr. das ut überzeugend gegen Walth.'t Er- 
klärung sicuti und gegen Bach und Död. , die es mit aut vertau- 
schen , als abhängig von decretum erklärt. Weniger gefällt arbl- 
trio so viel als permissione. Es scheint der Sinn darin zu liegen t 
der Flamen konnte länger bei dem Fall einer Krankheit entfernt 
sein , das Wieviel solle aber von der Einsicht , dem Gutdünken, 
arbitrio des Pontif. max. abhangen. — C. 74. Das incessus treft^ 
totidera agmina ist nicht genau von Or. und Burnouf : dans trois dl 
rections et sur trois colonne« erklärt. Incessus steht eben so III, 
33. dem agmen gegenüber. Severus Gaecina tragt darauf an, e« 
möge den Statthaltern der Provinzen nicht erlaubt sein, ihre 
Frauen mitzunehmen, und führt unter den Nachtheilen auf: Inesse^ 
mulierum comitatui , quae pacem luxu, bellum formidine morentuf, 
et Romanum agmen ad similitndinem barbari Incessus convertant. 
Incessus ist somit der weniger geordnete Aufzug im Gegensatze 
zu dem gieordneten Heereszuge (cf. Or.). Demnach will Blaesus^ 
wie Tacit. dies ja auch angiebt , auf gleiche Weise mit Tacfarinas 
kämpfen ; deshalb bildet er ausser 3 wirklichen Heereszngen (ag- 
mina) noch 3 weniger geordnete Haufen (incessus)^ die eben deg^ 
halb bald hier, bald dort, allenthalben sein können. — tV^ 1. So 
lange Seian lebte, war gerade sein Leben ein Unglück für deA 
Staat, da er den Tiberfus zu Schandthaten verleitete, aber auch 
sein Tod war ein öffentliches Unglück , denn nun wurde Tiberina 
erst recht schlecht. In dieser weiteren Beziehung fassen wir 
deum iras in rem Romanam, cuius pari eiitio viguit eeciditqne, 
denn dass, wie Or. erklärt, durch Seian's Tod auch dessen Freunde 
und Verwandte mit untergingen, kann kein Unglück des Staate^ 
genannt werden. — Cp. Id. Or. sagt: Malerpermissum (sc. tero- 
plum) statuere, und erklärt: permissum est, ut statueireilt. Dar« 
über lässt sich jedoch hier gar nichts Bestimmtes sagen , da beide 
Erklärungen grammatisch richtig und von gleichem Sinne sind. — 
€. 52. ist quo initio invidiae nach D&bner's Vorgang richtig ton 
Or. erklärt, doch da beide in ihrer Umschreibung wieder dag id^ 
vidia vorbringen, bleibt der Begriff dieses Wortes unklar. Es 
heisst: hier anknüpfend ergoss sie ihre Galle. — C« 54» tit erant 
adposita heisst einfach: wie sie auf der Tafel standen. Ganz. 
verfehlt ist Död.'s von Or. abgedruckte Erklärung: statim et inte^ 
quam ipse degustarat. Eben so wiederholt Or. C. ÖS. bei parom 
validl Död.'s falsches sc. divitiis. Validi bezieht sich auf die vor-^ 
gebrachten Gründe. *—- G. 58. heisst levaretur nicht obleetaretur, 
sondern Tiberius wollte sich durch die Gespräche von den (Staats- 
geschäften erholen. — C. 62. zieht Or. mit Recht die gewöhn« 
liehe Bedeutung von improvisum I. e. inopinatüm der ^e6uchteli 
Erklärung Döderlein's : improvidentia corttractum Vöt. -^ V^ 4. 
Monere consules. Die Anmerkung: vel brevi coUequio vel <uidi- 



292 Römische Literatar. 

cillis raptim et dam ad eoa misals: palam enim haec efferri doii 
poterant coram Tiberio, aeUt doch wohl Tiberiua Gegenwart im 
Senate voraus 1 Der war weit auf Caprea entfernt cf. IV, O/. — 
VI 3 fiiebt Or. eine nothgcdrungene Erklärung von dem über- 
flüiaiftenimperatoris: Codicis iectio 8ane aliter explanari ncquit, 
Tarn de. Död. noch that so , als sei gar keine Schwierigkeit vor- 
handen. Doch liegt jedenfalls in dem imperatoris ein anderea 
Wort verborgen, oder es möchte etwa ursprünglich imperata ge- 
lautet haben und als Beifügung eines üeberarbeiters des Cod« 
sur Erklärung des dicta bestimnatgeWeäeiKÄejn^-- l^p. ^. wcisi 
Or. aufs Richtigste DöderieiVs auf unbegreiflicfTgS^hte preise 
ausgedachte Erklärung des ingressusest Latinium Latw^™ *"'**®*^ 
(ingressus est i. e. coepit , der Acc. soll von einem aus ct^ ^P*"" 
Vergehenden iudicium zu ergänzenden indicare abhänge n}i^y^^^ 
wir stimmen in demselben Satze auch lieber mit Orelli's natr J" 
eher Erklärung des praebebantur i. e. sese praebebant, als ~ 
Dod.: quasi a diis et Nemesis beneficio. — C. 21. können 1^ 
commoverat nicht mit Död. und Or. als laetitia affecerat auffass^ 
sondern in der nächsten Bedeutung von ,, aufregen, anregen^^ - 
C. 23. musste bei den Worten consultusque Caesar an sepeliri f" 
neret auf das C. 29. erwähnte Recht verwiesen werden. Die f^ 
genden Worte non erubuit permittere ultroque incusare casus e*! 
sind wohl zu förmlich von Or. aufgcfasst. Tacitus selber läi**^ 
sogleich in dem Grunde: scillcet medio triennio defuerat temj: 
subeundi iudicium consulari seni, das permittere fallen. VI 
sollte es auch Tiberius anders bestimmen, als dass er dem AsinS 
Gallus ein Begräbniss zugestand , das dieser ja noch nicht dcj 
Rechte nach verwirkt hatte; darin bestand also nicht die Schaail 
losigkeit, wohl aber darin, dass er drei Jahre lang Zeit gehal 
hatte, jenen seiner Schuld zu überfuhren, und nun, da er todt isl 
das Geschick beklagt, das ihm den Schuldigen entrissen habe. Dal 
her ist jenes permittere wohl mehr als Uebergang aufzufassen J 
permittens non erubuit ultro Incusare etc. — C. 33. die von Orl 
aus Bach aufgenommene Erklärung des auxilia facere für compa- 1 
rare nach Analogie von exercitum facere hätte längst schon we- 1 
nigstens Beachtung verdient. Död. ist schweigend über diese 
Stelle hinweggeeilt. 

Bei den Stellen , die in' grammatischer und lexikalischer Hin- 
sicht Schwierigkeiten bieten, können wir es nicht tadeln, wenn 
Hr. Or. dieselben nur kurz berührt hat, ohne sich auf eine wei- 
tere Untersuchung, die an sich nicht In den Commentar gehört, 
einzulassen. Aber doch hätten wir neben solchen Andeutungen 
gern öfter die blossen Behauptungen durch Belegstellen unter- 
stützt gesehen, z. B. 111, 34. plane für sane, utique, sine dubio. 
VI, 7. repens für recens; wie es doch z. B. I, 19. municiplum lo 
der Bedeutung von oppidum, oder HI, 54. in levi habend um ge- 
schehen i^t. Die einfache Behauptung, zumal wenn aie von so 



Taciti Opera, recens. et interpretatas est Orelllus. 293 

grewichtiger Aatorität, wie die des Hrn. Or., kommt, regt um 80 
mehr den Wunsch des Lesers nach der Möglichkeit eigener Ueber- 
zeiiguug an , and es wird sogar oftmals der Fall eintreten , dass 
wir zweifeln. So z. B. bemerkt Hr. Or. zu Ann. Ifl, 19. is finis 
fuit uiciscenda Germanici morte: Magis solitum foret ulctscendae 
. mortis ut est apud Liv. 2, 30. is finis populationibas fuit, ac sae- 
pius apud eundem. 31it dieser Bezeichnung des Ungewöhnlichen 
so wie auch mit dem unpassenden Beispiel , kann Rec. sich nicht 
begnügen. Jedenfalls, da es dem Tacitus eben so nahe lag, den 
Dat. zu setzen , muss er hier absichtlich den Abi. vorgezogen ha- 
ben , und wir glauben anderswo den Unterschied durchführen zu 
können , dass der Gen. ulciscendae mortis ein wesentliches Ende 
bezeichnen würde und in dem Falle von Tacit. gesetzt worden 
wäre, wenn die Rache sich von selbst nach innerer Noth wendig- 
keit entwickelt hätte. Der Dat. ulciscendae morti wfirde ein ab- 
sichtliches Beendigen andeuten, wenn nämlich die nothwendige 
Entwickelung der Rache, durch den Willen Jemandes,. der sie in- 
hibiren konnte , in ihrem Laufe unterbrochen wäre. Das blos zu- 
fällige Ende schliesst hier der Abi. uiciscenda morte in sich. Der 
Prozess wurde nicht zu einem in der Sache begründeten Ende 
durchgeführt, auch nicht durch Tiber's Willen unterdrückt^ son- 
dern der Angeklagte war todt und der weitern Rache entnommen. 
— Unter den zu Ann. I, 58. gesammelten Fällen der Auslassung 
eines magis halte 111, 17. miseratio quam invidia augebaiur dar- 
auf Rücksicht genommen werden müssen , dass sich diese Auslas- 
sung leicht aus dem comparativen Begriffe augere erklärt, so wie 
C. 32. qui Lepidum mitem magis, quam ignavum^ paternas ei an- 
gustias et nobilitatem sine probro actam honori quam ignominiae 
hab^ndam ducebat, dass das Asyndeton leicht aus dem ersten 
Gllede das dastehende magis nach dem zweiten hinüberziehen 
lässt. — I, 55. hat Or. Beispiele gesammelt, wo der Infinit. Praes. 
statt des Fut. steht, doch hätte wohl hinzugefügt werden müssen, 
dass Tacitus absichtlich den ersteren vorziehe , im Fall er eine 
Gewissheit ausdrücken will , wogegen der Inf. Fut. nur die blosse 
Möglichkeit enthält. — 

Die Interpunction hat Hr. Or. zum Theil deutlicher und sin- 
nesgemässer gestaltet, grösstentheils auf die frühere, gewöhn- 
liche wieder zurückgeführt; und dass hier Manches wieder gut zu 
machen war, geht aus der einfachen Bemerkung Döderlein's M 
Ann. I, 75. hervor, „er habe bei den Worten: aoxilium patrum in*^ 
vocabat resistentibus aerarii praetoribus subvenit Caesar , hinter 
praetoribus aus der Befürchtung ein Punktum gesetzt, es möchte 
Jemand die Ablat. abs. als Dat. von subvenit abhängig auffassen^S 
Hr.Or. hat wieder unbesorgt das Punktum hinter in vocabat gesetzt. 
Das Ann. II, 56. hinter redacti stehende Punktum, zu dessen Ver- 
theidigung Hr. Or. nichts sagt, ist vielleicht ein blosses Versehen, 
da man keinen Grund absieht, die Worte: at Cappadoces In formam 



i^=^ 



294 Römische Literatar. 

provinciae redacUQ. Veranliim le^tiim accepere als zwei getrennte 
Satze zi| fassen. Jedenfalls ist lY, 38. ego me, p. c. mortalem 
esae Qt howinum officio fungi . aatisque habere etc. die Interpunc- 
tion nach fang] ein Druckfehler. Absichtlich , da es auch in der 
Beckec'schen Ausgabe ebenso abgedruckt ist, doch falsch, ist Vi, 
50t das et per speciem officii, durch das Komma zu dem vorher- 
gehenden digrediens gekommen, und doch konnte Hr. Or. aus der 
angeführten Stelle Soet, Tib. 72, Gharicle^i quod commeatu afu- 
lurus.t e CQn?ivio egrediena> manum sibi osculandi causa appr&p 
hendiaBet, schon ersehen, daaa jene Worte zu dem folgenden ma- 
Qum oQmple^na gehören, wie namentlich Dubner ganz deutlich 
bezeichnet. Schwieriger ist die Entscheidung der bei Tacitus so 
banfig vorkommenden Fälle, wq Hauptwörter oder Verba unver- 
bsmAen neben einandeir stehen, die doch verschieden aufgefasst 
i^^mii bezöge« werden anllen, und wo der Sinn nicht gerade so 
scharf hervortritt, dasa dadurch die zweideutige Darstellung auf- 
gehoben wurde. An solchen Stellen haben sich denn auch ge- 
wöhntieh die verschiedenartigsten und nur möglichen Deutungen 
geltend gemacht und gerade hier auch wiederum bedarf es einea 
VOr«<igUchen Augenmerks für den späteren Besorger einer neuen 
AuBgabedca Tacitus, die sich denn aber auch nicht mehr, wie 
Hr, Or. mit dem aubjectiven Belieben , etwa id , quod placet oder 
minua placet begnügen darf, wenn gleich wir auch wiederum nicht 
die genaue Breite der Untersuchang in den Anmerkungen aufge* 
Domnen wünschen. Ann. I, 7(X theilt Dod. ab: Sternuntur flu- 
ctibus, hauriuntur gurgitibus iumenta; sarcinae^ corpora exauima 
interflivmt , oecqrsant. Or. : sternuntur fluctibus , haurirntur gur* 
gitibn$ iunaenta, sarcinae; corpora exanima interfiuuut, occnrsant. 
Es bleibt noch eine dritte Möglichkeit: sternuntur fuctibus, hau- 
riuntur gurgitibus ^ iumenta , sarcinae, corpora exauima interfluunt^ 
oceur9ant> d)e in Waltb. ihren Vertreter gefunden. Or, und Död. 
verweiaen beide auf das folgende manipuli (homines) obruti, wes- 
halb sie ein anderes Subject zu sternuntur und hauriuntur suchten, 
dach siei haben etwas Untergeordnetes aus der ganzen Schilde^ 
rung hervorgehoben. Wir folgen Walth. , da die Unordnung an- 
genschein)i<^r geschildert wird (und dies bezweckt Tacitus), je 
m^aiwiaohen und durcheinander fiiesst. Die Hauptsache bleiben 
die ]Men«?ben , und nacbdeni Tacitus durch das Erstere die Ge- 
ühr und Unordnung im Einzelnen dargestellt, geht er auf den 
Anblick und Zustand des Ganzen über. — iV, 41. haben die 
Worte sed altius metuena tacita snspicionum vulgi rumorem ingru- 
entem invidiani deprecatnr zu, verschiedenen Auffassungen- geiiihrt. 
Död. nimmt altius für das Ofage^t zu metnens und den ersten Acc. 
tacita susplcionum als Appesttion, die beiden folgenden verbindet 
er mit deprecatur. Or. erklärt altio3 füir das Adverb, und sämmt- 
liche Aceusat. von deprecatur abhangig. Rec folgt der klaren 
wd einfachen Erklstnuig OreWs^ ohschon altius immerhin) und 



Taciti opera , reccns. et interpretatas est Orellias, 295 

wohl richtiger, Object zu metuens ist , so dass dasjenige, was Seian 
durch Bitten abwenden will, zugleich auch der Gegenstand seiner 
Furcht ist. In dem rursum liegt der Hinweis, dass Seian ein 
zweites Schreiben des angegebenen Inhalts an den Kaiser ergehen 
Hess, doch' traf er auch sogleich in der That Anstalten, seinen 
Befürchtungen wirklich zuvorzukommen« — Richtig ist auch IV, 
16. quae consulto vitarentur et quoniam exiret e iure patrio von 
Or. als zweiter und dritter Grund aufgefasst, weshalb die con- 
farreationes vermieden wurden, und demnach die von Död. geän- 
derte Interpunction wieder hergestellt. Ebenso ist VI, 30. dag 
roira quamquam gegen Bach als Zwischensatz zu fassen. — II , 8. 
bat Or. die sinnverrückende Interpunction von Ritt, und Död. ge,- 
missbilligt und nach Anleitung von M. : erratumque in eo, quod 
non snbvexit. transposuit militem dextras in terras iturumrita plu- 
res etc. geschrieben ; doch möchte hierdurch immer noch nicht-v 
die Schwierigkeit gehoben sein. Rec. würde vorschlagen, das 
sowohl den Sinn als auch die Verbindung des erratnm in eo mit 
dem folgenden ita plures dies efficiendis pontibus absumpti stö- 
rende transposuit als Glossem des subvexit einzuklammern , wo- 
durch des Tacitus Ansicht einfach und vollkommen klar hervor- 
tritt. — In demselben Buche C. 77. hat Or. die schwierige und 
vielbesprochene Stelle si quid hostile ingruat, quem iustius arma 
oppositurum? qui legati auctbritatem et propria mandata acceperit. 
durch Rupertl's Fragezeichen deutlich zli machen gesucht. Wir 
rechnen diese Stelle zu jenen dramatischen, die auf schöne, von 
den Editoren jedoch verkannte Weise sich über die gewöhnliche 
Erzählung erheben und zu deren Verständniss jeder Leser sich 
der ganzen Situation hingeben muss , um einzusehen , dass Tacitus 
wirklich so geschrieben. Die Stellung des zweimaligen huic in 
huic fasces et ins praetoris, huic legiones datae giebt von selbst 
den Gegenstand des Vergleichs und auf viel hübschere Weise hat 
Tacitus zu iustius das eo oder hoc ausgelassen, als er es in ge- 
wöhnlicher Rede würde hinzugesetzt haben. Celer hält ja gleich- 
sam den Piso, zeigt Ihn den Gegenwärtigen und fragt: wer hat 
mehr Recht die Waffen zu ergreifen? Er zeigt die ganze Perr 
son bei dieser Frage und fügt noch eine Eigenschaft derselben 
hinzu: qui legati auetoritateu etc. In dieser Lebendigkeit konnte 
Celer vorhin auch huic , huic sagen , obschon der blosse Historie 
ker illi hätte wählen müssen und gegen diese Erhebung der Sprache 
erscheint Orelii's an sich richtige Anmerkung ganz trivial und so- 
gar hier falsch : huic ad remotins Plsonis nomen referendnm esse 
patet facile; id quod fit interdum, tibi nuUa inde oriri potest am- 
biguitas. 

Wir haben so eben auf eine Versenkung des Interpreten in« 
den Text des Schriftstellers gedrungen , die mit Verleugnung alier 
Vorurtheiie nur lediglich sich der Darstellung hingiebt. Auf 
diese Weise würden viele derjenigen Stellen uns klar werden. 



S96 Römische Literatar. 

welche von jeher schon den Erklarern zu schaffen machten und 
die fortwährend noch trotz einer Unzahl von Lösungen sich nicht 
als richtig aufgcfasst darstellen. Recensent möchte hier das ein- 
fache Verfahren noch einmal aussprechen ^ das jedoch , wie es 
jetzt nun einmal steht, dem Erklärer des Tacitus viel zumuthet 
und nicht weniger verlangt, als dass er ganz selbstständig, aber 
auch in Wahrheit nicht abhängig von Früheren zur Lectöre und 
zum Verständniss des Tacitus schreite. Mit Einem Worte, er 
soll alles das vergessen , was er etwa von friiheren Erklärungen 
im Gedächtniss behalten hat und das ihn schon nicht mehr fähig 
machen wurde, ungetrübten Sinnes sich dem Autor hinzugeben. 
Wahrlich wir müssen von Neuem beginnen. Jahrhunderte haben 
den Tacitus mit Nebel und Wolken umhüllt, die zu zerstreuen und 
durch die zu einer ungekünstelten, natürlichen Auffassung durch- 
sudringen, mehr als blosse Gelehrsamkeit nöthig ist. Auf dem 
jetzigen Wege wird ewig über das Verständniss der nunmehr wirk- 
lich schwierig gewordenen Stellen hin und her gesprochen werden, 
es häufen sich die möglichen Vorschläge und Ansichten bis ins 
Unendliche und alle, alle soll nach gewöhnlicher Ansicht der Her- 
ausgeber kennen, prüfen, sichten, widerlegen, auch wohl neue 
aufstellen und alles dieses immer ohne erspriessliche Resultate, 
der Eine weiss es noch immer besser zu machen als der Andere. 
So wird es sich doch wenigstens des Versuches lohnen, alles dieses 
liegen zu lassen und von vorn zu beginnen. Und ich dächte , so 
nur zwei oder drei vereint auf diesem Wege zum Tacitus schrit- 
ten, es würde wieder nützlich sein, das Studium desselben auf 
eine natürliche Basis zurückzuführen und von da aus weiter das 
gesunde Verständniss desselben fortzubauen. Später oder früher 
wird sich die Philologie auf jenem jetzigen Wege (wie es sich ja 
in neuester Zeit schon gezeigt) doch einmal festrennen und je 
länger wir .auf ihm bleiben, je länger wir uns besinnen Ihn zu ver- 
lassen, desto schwieriger die Rückkehr. Wir sind nun einmal 
verirrt und der Irrgegangene mag immerhin nicht gleich den rech- 
ten Weg wiederfinden, doch wird er sich darnach mühen. Von 
diesem Gesichtspunkte aus möge hier noch die Besprechung eini- , 
ger schwieriger Stellen des Tacitus folgen , zugleich mit Rück- 
sichtnahme auf die Behandlungsweise derselben durch Hrn. Gr., 
von dem wir es schon hervorgehoben, dass er solche natürliche 
Auffassung des Tacitus hin und wieder mit Glück angebahnt hat. 

Ann. 1, I. Keiner der Interpreten hat auf die verschiedene 
Bezeichnung der Machtfülle durch potentia und potestas verwie- 
sen. Das Regiment der Decemvirn war gesetzlich , daher pote- 
stas, das des Pompeius, Graksus, Caesar ungesetzlich, daher 
potentia« Und da Tacitus zugleich die decemviralls potestas auf 
zwei Jahre beschränkt, obsohon er so gut wie wir wusste, dass sie 
widerrechtlich 7 Monate länger dauerte, so müssen wir hier eine 
Absichtlichkeit in potestas und potentia «uchen. Die Gewalt der 



Taciti opera , recens/ et interpretatns est Orellios. 297 

TriaiDTirn war auf Waffen gegründet, daher arma. Deshalb 
atimmen wir gegen Lips. und Or«. mit Wolf: non ins fuit, aed via, 
abgesehen von der reinen Willkurlichkeit Orelli's , hier ein multo 
zu ergänzen. — G 3. Die von Dübner aufgenommene Anmerkung 
zu subaidia dominationi: sunt successores destinati, ist zu eng. 
Stützen der Herrschaft sind vielmehr alle die, welche aufgenom- 
men in dem Herrscherhause einmal folgen könnten, so wie auch 
die, welche ohne Aussicht auf Nachfolge , dennoch dem Herrscher 
so nahe stehen^ dass ihr Interesse mit dem seinigen verbunden 
ist. Dies deutet Tacitus selber an durch die Bemerkung, dasa 
Augustus schon damals, als für Tiberius and Drusus noch gar 
keine Aussicht auf den Kaiserthron war (integra etiam tum domo 
sua) , sie dennoch als subsidia dominationi erhöhte. — C. 8. Der 
Streit über Augustus Testament betrifft, ausser die Zahlen , vor- 
züglich die Bemerkung, dass Tacitus nicht, wie doch die ulirigen^ 
Schriftsteller, die cohortes urbanae erwähne. Or. hat 'geschickt 
die verschiedenen Erklärungen zusammengestellt und giebt einen 
neuen Versuch von Sauppe. Doch scheint mir jede Aenderung 
der Handschrift hier falsch. Wie, wenn Tacitus uns hier gar 
nicht die einzelnen Posten des Testaments angeben will! wenn er 
es nur gelegentlich und zwar nach einer Beziehung erwähnt, musa 
er dann auch noch den gan?;en Inhalt desselben uns erzählen? 
Suetonius und Dio, die eine Geschichte des Augustus schrieben, 
hatten die Verpflichtung, uns alle einzelnen Legate aufzuführen, 
und dass Tacitus dies nicht wolle, haben alle Interpreten überse- 
hen. Br geht von der Behauptung aus, dass die legata non ultra 
civilem modum gewesen seien, nur die Folgenden haben nach 
seiner Ansicht den modus überschritten. Die cohortes urbanae 
erhielten nach Dio Cass. nur halb so viel, als ^ie Prä torischen, und 
das war doch sicherlich kein Ueberschreiten des Maasses. Des- 
halb kann sie Tacitus hier nicht einmal erwähnen und dennoch 
verrennen sich die Erklärer in die vagsten Muthmaassungen, da sie 
alle das einfache nisi quod übersehen- — In demselben Capitei 
hat noch Niemand bei den Worten remisit Caesar adroganti moder 
rätione an die ganz einfache Auffassung gedacht, dass die Arrogans 
des Tiberius nicht in dem remittere, sondern in der moderatio 
bestand. Er stellte den Senatoren die Ausführung ihres Wun- 
sches frei, überliess es ihrem Belieben (das ist doch keine Arro- 
ganz), aber dass er sich herausnahm, sie an das Maass zu erin- 
nern, ihren wohibegründeten Eifer gegen ihren verstorbenen Im- 
perator zu massigen, das war die von Tacitus bezeichnete An- 
maassung. — C. 11« Tiberius spricht im Senate über die Grösse 
des Reichs und stellt sich so an, als wenn er nicht iahig sei, 
princcps desselben zu sein. Tacitus jedoch geht von der Ansicht 
und Ueberzeugung aus , dass dies Alles nur Verstellung des Ti- 
berius gewesen, er nur mit erheuchelter Bescheidenheit sich gih 
weigert habe. Somit wäre modestia iBua als Abi. mit disserebat an 



208 Römische Literatar. 

verbinden. Das stia hat durch die Stellung den Nachdruck: er 
sprach mit seiner Bescheidenheit, d. h. mit verstellter. Hier- 
durch schwindet auch die C. 12. von Or. aufgenommene Walther^- 
■che Deutung des admonuit Tiberium victoriarum suarum etc.] 
ut caüide refelleret ipsius verba de modestia sua. Denn wenn 
Tiberias gar nicht von seiner Bescheidenheit zu sprechen Gele- 
genheit genommen hat, wird Asinius Gailus auch nicht Veranias- 
aung gehabt haben , dieselbe zu berühren. Diesem Letzteren lag 
auch mehr daran auf glimpfliche Weise sich aus der Verlegenheit 
■u reissen, in die er durch seine Unvorsichtigkeit gerathen war. 
Er behauptet: Einer müsse Herrscher sein, Theilung des Staates 
tei nicht möglich, und dass Augustus in dieser Hinsicht die Herr- 
schaft übernommen hat, hebt er lobend hervor (addidit laudem de 
Augusto); ebenso auch müsse sich Tiberius dazu entschliessen, 
^enn er seine Thaten und Stellung bedenke. Von dieser Auffas- 
sung aus ist Orelli's Anmerkung zu laudem addidit] insolita hac 
constructione , ut opiuor, hoc significare volait exiguam eins ora- 
tionis partem, ut consentaneum erat (7) versatam esse in laude 
Augusti, gar nicht zu verstehen ; es ist nichts Ungewöhnliche^ vor- 
banden und was sollte eine ganz allgemeine Lobeserhebung des 
Augustus in diesem Augenblicke bezweckt haben! — G. 81. Des 
Tadtos einfaclie Darstellung der verschiedenen Weisen, auf wel- 
che Tiberius im Senate die Candidaten des Gonsulats empfahl, 
ist nunmehr schon durch die Erklärer so verwickelt geworden, 
dass Or. seine Znflacht zu Döderlein's willkürlichster Lösung ge- 
nommen hat. Man hat nicht einsehen können, wenn Tiberius 
dem Senate weder die Namen noch die ungefähre Beschreibung 
der Consulatsbewerber gab und er diese audii noch ermahnte, sich 
auf keine Bewerbung einzulassen, wie dann die Wähler wissen 
konnten, welcher von Tiberius ausersehen sei und welchen sie wäh- 
len mussten, Död. meint, per ipsos credo candidatos, qui non 
sibi deessent, quin cnram sibi Caesaris promissam iactarent palani 
8€ divulgarent. Doch Tacitos giebt ja selber an, dass Tiberins 
seine Sorgfalt. für die Bewerbung versprach: suam ad id curam 
poliicitns est, dass er privatim wohl daför sorgen werde, dass sie 
erwählt wiirden. So fasste es auch noch Wolf auf, gab aber za- 
gleidi Veranlassniig zu all den jetzigen Schwierigkeiten , indem er 
dem Tiberius einen falschen Grund unterstellte: in senatn ign»- 
vum egit , simulacrum praebens liberae electionis. Tiberius fand 
' es nicht für nötliig, die Candidaten im Senate näher zu bezeieh- 
Min oder zu nennen; an Vorstellang oder an Vorspiegelung einer 
unabhängigen Wahl ist nicht zu denken. — II, 1. Tacitus erzählt 
von dem Partherköoige Phraates: cuncta venerantium officia ad 
Angustum verterat, partemqne prolis firmandae amicitiae miaerat, 
und beides hatte er nicht sowohl aus Fnrcbt vor den Römern , als 
ans Misstrauen gegen seine eigenen Landslente gethan. Död. und 
Or. erklären die cuncta officia venenintiaffl willkürlich und einseitig 



Tapiti opera , recens. et interprettitus est Orellins. 

?oo der Zurückgabe der sIgna militaria und captivL Jodoch Tm* 
eitus will seinen Lesern das Verhältniss des Phraaies za Augnslnt 
im Allgemeinen schildern, und somit sind cuncta venerantium of-» 
ficia alle die Ehrenbezeugungen, die der Geringere dem Machti- 
geren erzeigt, zumal wenn er Schutz ?on ihm verlangt. — C 5* 
Germanicus überdenkt den bevorstehenden Feldzug gegen die 
Germanen und Tacitus lässt uns Glied vor Glied der Ueberlegung 
desselben folgen; deshalb müsste sidi doch auch wohl das tractare 
praeliorumvias aus dem Folgenden von selber ergeben, und dennoch 
. deuten die Erklärer schon , bevor sie weiter gelesen haben. Die 
Deutschen zur Schlacht zu bringen (Wolf. Dübn.) liegt gar nicht 
in des Germanicus Nachsinnen. Wohl aber standen ihm zwei 
Wege offen den Feldzug zu beginnen, der eine za Lande, der 
andere zu Wasser. Dringe er auf dem Landwege vor, so mii^ 
die Eindringung in das feindliche Land erst durch Schlachten ge^ 
öffnet werden ; in diesen siege er freilich auf offenem Felde, doch 
Wälder und Sümpfe verursachen manche Nachlheile. Dagegen 
auf dem Seewege könne er ohne Weiteres das Land besetzen, ohne 
das zweifelhafte Kriegsglück zu versuchen. — Auf dem Landwege 
gehe geraume Zeit verloren und diese sei an sich schon so kurz; 
auf dem Seewege werde der Krieg eher begonnen und somit Zeit 
erspart. — Auf dem Landwege sei der Ziig zu weit ausgedehnt 
und deshalb leichter angreifbar ; auf dem Seewege sei Alles bei- 
sammen. — Auf dem Landwege werden Soldaten und Pferde leicht 
schon aufgerieben^ ehe es zur Schlacht kommt; auf dem Seew.ege 
sei Reiter und Rosa unversehrt mitten in Deutschland. Demnach 
entscheidet Germanicus sich fiir den Seeweg und giebt den andern 
auf. Diese beiden sind die via praeliorum. — C. 17. Arminius 
hält die Schlacht manu, voce, vulnere aufrecht. Walth. und DöiL 
sind mit ihren verschiedenen Erklärungen richtig von Gr. zurück- 
gewiesen. Doch was sollte wohl, nach seiner Erklärung ^ das 
Zeigen der kleinen Wunde (sane levius), die er empfangen hat, 
um den Zorn der Seinen gegen die Römer zu entflammen. Or. 
findet eine Bestätigung seiner Erklärung in dem Folgenden oblitua 
faciem suo cruore, doch diea that Arminius nicht für die Seinigen, 
Bondem um auf der Flucht nicht von den Römern erkannt zu wer- 
den. Er ermunterte seine Leute zuerst aus der Ferne manu, dann 
als sie anfingen zu weichen voce, endlich schlägt er selber mit 
darein und dabei wird er verwundet vulnere. — G. 36. Tiberius 
ruft den Germanicus aus Deutschland zum Triumphe zurück, doch 
eigentlich, um ihn überhaupt von dort zu entfernen. Dieser ver- 
schmäht solches Anerbieten und bittet noch um ein Jahr. Tibe- 
rius will ihm den wahren Grund nicht sagen, darf ihm natürlich 
den ausgeschlagenen Triumph auch nicht noch einmal vorhalteiiy 
sondern muss etwas Anderes hervorsuchen. Dieses zweite Voi^- 
geben vermochte den Germanicus, sich sogleidd zu fugen. Dodi 
hätte er nicht auch von Geraanicn aua daa Consuht bekkideo 



SOQ Romische Literatnr. 

kdnnen? Demnach liegt nicht in dem blossen Anerbieten des 
Consulats ein sdiarferes Eindringen auf seine Bescheidenheit 
(acrius eius modestiam adgredi(nr), sondern darin, dass Tiberius 
aogleich hinzufügt, er solle diese Wiirde gegenwärtig antreten. 
Hatte Germanicus sich nun noch gieweigert zu kommen , so wäre 
dies finbescheidenheit gewesen. Wir müssen also alterum con- 
Bulatum offerendo, cuius munia praesens obiret, zusammenfassen 
und nicht wie Or. blos das offerendo hervorheben. — C. 77. Do- 
mitius Celer will den Piso zur Riickkehr nach Syrien bewegea 
und ihn von der Fortsetzung der Reise nach Rom abhalten. Er 
stellt ihm vor: wenn er jetzt zugleich mit der Agrippina In Rom 
erscheine, so werde er dem mitfühlenden Schmerze des Volkes 
znm Opfer fallen. Dagegen konnte Piso anführen: das wird nicht 
geschehen, denn Augusts weiss um die That und Tiberius hat sie 
begünstigt, beide werden mich demnach gegen die Volkswuth 
schützen. Diesen selbstgemachten Einwurf weist Celer sogleich 
zurück. Es werde ihm deren Afitwissen nichts nützen, einmal 
das Volk weiss nichts davon und du kannst fallen, bevor dir 
deine Gönner zu Hülfe eilen (sed favor et conscientia est in oc- 
culto); aber auch das anderemal werden beide dich gar nicht 
schützen wollen und dem Volke ihr Mitwissen verrathen; sie wer- 
den beide um so eifriger öffentliche Trauer zeigen , als sie Inner- 
lich die grösste Freude empfinden. — Somit muss das sed in oc 
calto von dem Vorhergehenden getrennt und mit dem Folgenden 
verbunden werden , und Orelli's Erklärung des iactantius: ita ut 
omnes eorum simulatum ac prope nimium maerorem animadvertant, 
ist weit von dem Sinne des Celer entfernt. — C. 79. Den frühe- 
ren Streit über die Art und Weise des Spottes in der Antwort des 
Piso haben Död. und Or« durch RItter's Anmerkung umgangen, die 
Falsches enthält. Dass eigene Richter de veneficiis noch zu Ti- 
berius Zeiten vorhanden waren, geht aus Ann. III, 11. klar hervor: 
quod in curla potius, quam in foro, apud senatum, quam apud 
iudices, und dass ein eigener Prätor dieses Geschäft hatte, ent- 
nehmen wir aus Piso's Worten, die er ganz ernstlich, ohne irgend 
einen Spott meinte. Diese falsche Unterstellung giebt zu fort- 
währender Verwirrung Anlass. Und doch hat Or. selber Ann. II, 
52. eludere durch callide evitare erklärt, wie es auch III, 16. 34. 
rV, 25. ohne den Nebenbegriff des Spottes vorkommt. Piso geht 
jener Aufforderung des Vibius scheu aus dem Wege, er parlrt sie 
ab. — In demselben Capitel hat die magnitndo Imperatoris den 
Interpreten viel za schaffen gemacht. Piso ging nach Syrien zu- 
rück, weil er der vom Imperator bestellte Statthalter war. Ihm 
stellte sich Sentias als der nur von den Freunden des Germanicus 
und den anwesenden Senatoren ernannte entgegen. Auf wessen 
Seite war nun das Recht? Beide rüsten sich, mit den Waffen ihre 
Ansprüche geltend zumachen, zugleich die Rechte des Gegners 
durch günstige Darstellung für sich zu entkräften suchend. So 



Taciti opera , recens. et interpretatas est Oreiliu«. 301 

lange aber Sentiiis sein Recht nicht anders als durch die Liebe zn 
dem gestorbenen Germanicus stützen konnte , war ihm Plso durch 
die Vorhaltung kaiserlicher Bestätigung überlegen: Caesaris se le- 
gatum testabatnr, Caesar provinciam dedisset, arceri a Sentio 
privatum odium faisis criminibus tegente« Alles kam darauf an, 
wer ist rechtmässiger Legat? Und dies konnte Sentius nur bean- 
spruchen, sobald er auch die magnitudo Imperatoris, die Macht« 
fülle des Kaisers, kraft welcher Plso zurückgekehrt war, für sich 
geltend machte. Dies that er, und nun erst konnte er mit Recht 
behaupten: rempoblicam armis peti. Hätte er jenes unterlassen., 
so stand er selbst vielmehr als Feind dem Vaterlande gegenüber. 
— III, 55. Die Aed?len hatten bei dem Senate liber die Nichtbe- 
folgung der Luxusgesetze geklagt. Die Senatoren überliessen dem 
Kaiser das Weitere. Tiberius tadelt schriftlich die Aedilen, dass 
sie einen wunden Fleck berührt hätten, zu dessen Heilung es 
schwerlich ein Mittel gebe. Wollten sie einmal ihre Sorgfalt dar- 
auf richten, hätten sie auch zugleich ein Gegenmittel angeben 
sollen; diese, blosse unberathene Sorgfalt nütze zu Nichts, und 
häufe sogar auf ihn die Vorwurfe. Nach Vorlesung dieses Briefes 
wurden die Aedilen von einer solchen eben geschilderten Sorg- 
falt entbunden. Tacitus sagt ausdrücklich talis cura^ aber die 
Interpreten sehen vor all den Bäumen den Wald nicht. — VI , 7< 
Tiberius lässt Minutius Thermus und Servaeus durch C. Cestius 
beim Senate anklagen und verurtheilen. Beide zeigen sich so 
schlecht , dass sie nach ihrer Verurtheilung , wo es nicht einmal 
ihnen mehr von Nutzen sein konnte, durch nachträgliche Geständ- 
nisse auch den Jul. Africanus und Seins Quadratus Ins Verderben 
ziehn« Darin liegt nicht Orelli's Behauptung: servati sunt, quia 
ipsi quoqne iudicium professi. Im Gegentheil, die Schlechtigkeit 
ist noch grösser, sie stürzen, ohne ihr Leben zu retten, Andere 
mit sich Ins Verderben. Ob sie für ihre Familien dadurch, wie 
Bach behauptet, ihre Güter retteten, ist nicht bewiesen. 

Nach herkömmlichem Recensentenbrauch müsste nun zum 
Schluss noch Einiges über das Aeussere und über die vorkommen- 
den Druckfehler bemerkt werden. Doch wir hatten des Wichti- 
geren genug zu besprechen , als dass dies von grossem Belang sein 
konnte. Der Druckfehler und sonstiger Versehen finden sich aller- 
dings mehrere, doch im Verhältnisse nur wenige vor, die jedoch 
die Benutzer dieser Ausgabe leicht selber herausfinden und ver- 
bessern können. Nur was den Text anbetrifilt, ändere man p. 440. 
T. 12. derogarent In derogent. Das Uebrige wird der Hr. Heraus- 
geber in dem zweiten Theile seines Tacitus anmerken. Es ist 
vorauszusehen und bedarf keines Scharfsinns , dass dieser Orelli^- 
schen Ausgabe des Tacitus bald mehre folgen werden. Denn sie 
ist Epochemachend, doch nicht in dem Sinne, dass sie der Schluss- 
stein einer vergangenen Periode sei, sondern in der höheren Ber 
deutung, sie ist der Anfang und die Grundlage einer neuen Zeit. 



302 Mathematik. 

Auf lange yiclleicht ist jetzt nicht eine so umfassende CollectiV' 
ausgäbe des Tacitus möglich, wenigstens so lange nicht alle ver- 
schiedenen Seiten gleich weit gefördert sind. Die Sächerklarung 
Ist weit vorausgeeilt, hier hat Orelli Vörziigliches geleistet. Kritik 
und Sinnerklärung müssen erst nachgeholt werden. Gut wäre es, 
wenn sie sich zunächst, so viel als es möglich ist, theilten. Jene 
bedarf eines besonnenen , nüchternen , scharfen Verstandes, diese 
eines begeisterten , leidenschaftlichen , sich ganz in den Tacitus 
▼ersenkenden Gemüths. Möge das durch Hrn. Baiter und Hrn. 
Orelli Gebotene in berufene Hände kommen. 

Neustrelitz , März 1847. W. Pfitwner. 



Lehrbuch der Arithmetik fär höhere Bildongsanstalten. Aus 
historischen und psychologischen Grundlagen für die Zwecke des 
Unterrichts neu entwickelt von Dr. Thcod, JFittstein. 2. Abtheii. 
Die Operationen an znsam mengesetzten Zahlen. Han- 
nover in der Hahn'schen Hof-Buchh. 1846. VI u. 137 S. gr. 8. 

In der Vorrede zur 1. Abtheil, entwickelt der Verf. den Plan 
und Zweck dieses Lehrbuches wohl näher, allein er legt beide in 
dem Vorworte zu dieser 2. Abth. doch mittelbar nochmals so ziem- 
lich weitläufig dadurch dar, dass er als den eigentlichen Kern der 
Arithmetik den von den absoluten ganzen Zahlen und den daran 
sicii lehnenden Begriffen der drei Grundoperationen, deren es 
jedoch nur zwei, jede dreifach modificirt, giebt, "ausgehenden, 
durch einen stufenmässigen Fortgang zu den algebraischen ganzen 
Zahlen , den Briichen , den irrationalen und imaginären Zahlen ge- 
langenden Entwickelungsgang betrachtet, dass es aber viele Par- 
tien gebe , welche auf jenem geraden Fortgange nicht erreicht 
wurden , weil sie entweder besonderen Gesichtspuncten oder sol- 
chen Begriffen ihr Dasein verdankten und daher als Aeste und 
Zweige zu betrachten sein , welche man als Auslaufer der Haupt^ 
disciplinen betrachten ntusste. Die Materien, bestehend in Sum- 
men und Prodacten, Potenzen und Logarithmen, in der Theorie 
der Gleichungen und Zahlensysteme, in der Theilbarkeit der 
dekatischen Zahlen und der Theorie der logarithmischen Systeme, 
machen den Inhalt der vorliegenden 2. Abth. aus und beziehen 
sich meistens auf das in der ersten Abth. Entwickelte. Obgleich 
Ree. mit dem Verf. darin einstimmig ist, dass das Gebiet des Ver^ 
inderns ganzer Zahlen nach den jedesmaligen drei Vermehrungs- 
nnd Verminderungsarten umfassend und vollständig, gründlich und 
klar in ununterbrochenem Fortgange entwickelt, dann zu den ge- 
brochenen Zahlen übergegangen und zuletzt die Lehre von den 
aus dem Potenziren und Radiziren hervorgehenden Potenzgrössen, 
reellen und imaginSren Zahlen genan dargelegt werde, so billigt 



wittstein : Lehrbach der Arithmetik. 303 

er doch ein solches stiickweises Behandeln der Disciplinen der Zah* 
lenlehre keineswegs und erwartet er aus einem nach diesem Yer« 
fahren betliätigten Unterrichte diejenigen Früchte nicht, wozu die 
wissenscliaftliche Consequenc berechtigt, weil der Zusammenhang 
unterbrochen und das wichtigste Mittel zur Ableitung der Gesetie 
aus eigener Kraft des Geistes der Lernenden vermisst wird. 

Der Verf. betrachtet selbst jeden zusammengesetzten Zahlen- 
ausdruck wieder als eine Zahl , aber freilich nicht als formelles 
Ganze, als eine blos durch die Form rooditicirte Grösse, daher 
muss es wirklich auffallen, an diesen modificirten Formen die frü* 
heren Untersuchungen zu wiederholen und gleichsam die als reine 
Folgerung sich darstellenden Gesetze in einem Vortrage wieder 
zu geben, ii?eicher sagt, man könne dieses oder jenes thun, wo« 
gegen die Wissenschaft streng fordert, dass es geschehen müsse 
.und dass das erhaltene Resultat unbedingt auf diejenige Form 
zurückzuführen sei, woraus es abgeleitet wurde. Ein Beispiel 
mag diese Bemerkung genauer verständigen. In §. 8. sagt der 
Veif.: Um Potenzen von einerlei Pasis zu multipliciren , kann man 
ihre Exponenten addiren und diese Summe als Exponenten zu der 
gegebenen Basis ansehen, z. B. a** . a'' = a^'*''' und §. 9. heisst es: 
Als Umkehrung folgt hieraus, dass man eine Potenz, deren Ex-* 
ponent eine Summe ist, stets in ein Product von Potenzen um- 
wandeln kann, deren Basis der gegebenen gleich ist, deren Ex« 
ponenten aber die Theile jener Summe sind, nämlich a!*'*^^=z=af'.h'^ 
Die Lehre von den Potenzen beweist absolut, dass man für die 
Muitiplication gleichartiger Potenzen die Exponenten addiren 
müsse und aus der Natur der Sache folgt, dass, wenn z. B. a'^.a*' 
= a*»+* ist, auch a*»+« = a^ . a*^ ist , mithin jede andere Wortmache- 
rei völlig überflüssig ist. Was von einfachen Zahlen gilt, gilt 
auch als einfache Folgerung vl)n zusammengesetzten, indem aus 
8 . a=a . 8 auch (b + c) 8:= ab + ac folgt, da das unter s ver- 
standene in Theilen zerlegte b + c gemäss des Charakters , der 
Hauptbedingung der Klammer d. h. sowohl b als c mit a zu mul- 
tipliciren ist. Solche einfache Gesetze müssen als Folgerungen 
den 'Hauptlehrsätzen beigefügt und von den Lernenden blos im 
Schema erkannt und wörtlich selbst ausgesprochen werden. Alle 
Darstellungen von Ausdrücken in einfacheren Gestalten, alle Um* 
Wandlungen und Ableitungen von Resultaten beruhen auf Anwen* 
dfingen der sechs möglichen Veränderungsarten der Zahlen mittelst 
analytischer Gleichungen, veranschaulichen die Gesetze noch mehr 
und dürfen von den Hauptsätzen durchaus nicht getrennt werden, 
was aber in der 2. Abth. des Lehrboches des Verf. der Fall ist, 
weswegen seine Ansicht weder im Interesse der Wissenschaft und 
Schule, noch in dem der Pädagogik und Lernenden Billigung ver^ 
dient. Zugleich geht das Verfahren gegen das Wesen der histo- 
rischen und psychologischen Grundlage und entspricht es dem 
Zwecke des Unterriditea darum nicht, weil der innereZusammea* 



804 Mathematik. 

bang unterbrochen and den Lernenden die Möglichkeit genommen 
ist, die Disciplinen in ihrer scharfen Consequenz mittelst scharfer 
und genauer Erlclarungen , mittelst bestimmter und umfassender 
Grundsätze, mittelst gründlicher und allgemeiner Lehrsätze zu 
entwickeln und aus eigener Kraft den Aufbau der Gesetze zu be- 
thätigen. 

Nebstdem ist in dieser 2. Abtheil, dem Grundcharakter der 
Arithmetik nicht entsprechend verfahren, da die Theorie der Zah- 
lensysteme zum Bilden der Zahlen gehört und diese den Verän- 
derungen der Zahlen, ganz vorzüglich der zusammengesetzten 
Torausgehen muss und da nur eine Seite des Veränderns, nämlich 
das Vermehren untersucht, die andere aber, das Vermindern, unter 
der nicht haltbaren Ansicht, dass Differenzen, Quotienten undWur- 
aeln, wobei der formolle Charakter dieser Grössen übersehen ist. 
Stets in Summen, Producte und Potenzen verwandelt werden 
könnten , unberührt gelassen ist. Ebenso wie jene drei Vermeh- 
rnngsmodiGcationen müssen auch die drei Verminderungsmodifi- 
cationen sclbstständig und gründlich betrachtet werden , wenn in 
der theoretischen Entwickelung keine Lücke oder Inconsequenz 
entstehen soll. Man kann durch erzwungene Verfahrungsweise 
dem Geiste der Zahlenlehre zuwiderhandein und Disciplinen die 
Selbstständigkeit entziehen , aber im Wesen jener und im conse- 
quenten Aufbau der Gesetze jene nicht begründen. Daher kann 
jeder Verfasser nach seiner individuellen Meinung verfahren und 
Inconsequenzen durch mancherlei Auswege begegnen, allein an 
der reinen , einfachen und absoluten Idee und den bestimmten 
Nebenideen der Zahlenlehre scheitert jene und geräth dieselbe 
auf Umschweife und Irrwege. 

Was der Verf. im 1. Abschn. (S. 3— -17.) über Rechnungen 
mit Summen und Producten, Potenzen und Logarithmen sagt, be- 
steht entweder in einzelnen Grundsätzen oder Folgerungen der 
Gesetze für diese Operationen, wobei Rec. bestimmt erklärt, dass 
die logarithmischen Gesetze keine Operation des Veränderns sta- 
tuiren und dass dieselben zu dem letzten Gesichtspunkte der Zah- 
lenlehre, zu dem auf dem Vergleichen der Zahlen beruhenden 
Beziehen derselben gehören, dass also der Verf. nicht consequent 
verfährt, obgleich er die Wahrheit für sich hat, dass die Expo- 
nenten der Potenzen in der entfernteren Bedeutung als Logarith- 
men der eigentlichen Potenzgrössen erscheinen, sonach mit den 
Exponenten in einigem Zusammenhange stehen. Da es sich aber 
in diesem Abschnitte von dem Verändern , dem eigentlichen Ver- 
mehren, handelt und bei den Logarithmen dieses durchaus nicht 
der Fall ist, die logarithmischen Grössen also nicht verändert 
werden, so ermangelt des Verf. Ansicht des logischen Grundes. 
Zugleich operirt der Verf. auch in Differenzen , Quotienten und 
Wurzeln, wie die Beispiele §. 4. 6. und 10. beweisen, mithin wird 
er seiner oben berührten Ansicht selbst untreu. Für die Multipli- 



Wiitstein: Lehrbuch der Arithmetik. 305 

cation einer Suiiime mit meiner einfachen Zahl , sagt er, koone man 
jeden Theil jener mit dieser muitipUciren und sodann die Pro- 
dukte in eine Summe vereinigen (wobei ,^u^^ überfliissig ist)« 
Wozu soll diese und die weitschweifige Nachweisung: der Richtig- 
keit des Resultates (welches keine Umwandlung ist, wie d^r Yerip. 
unpassend sagt) dienen, das die Wissenschaft aus dem Charakter 
der Klammer und Multlplication als absolqt erweist? Noch un- 
passender ist die Umkehrung des Ausdruckes (a + b) . c=ac-|-bc 
in ac + hc = (a + h)*G, da sie in der ersten Veranschanlichung 
absolut liegt und der Charakter der analytischen Gleichung den 
2. Gleichungstheil als Resultat der formellen Operation im 1 ab- 
solut enthalten muss, also keiner ohne den andern möglich ist. 
Aehnlich verhält es sich mit allen anderen formellen Operationen 
und der durch analytische Gleichungen abgeleiteten Resultate. --. 
Eine Potenz kann auch mit einer zusammengesetzten Zahl 
z. B. a^ mit m+^n multiplicirt werden, dann ist m +n der Coeffi- 
ctient, mithin ist dieser nicht immer eine einfache Zahl, wie das 
Beispiel §. 7. nämlich ma** -|- na**=(m + B)a** beweist. Zugleich 
spricht man dieses Gesetz kurz also aus: Für die Addition (und 
Subtraktion) gleichartig - gleichnamiger Potenzen addirt (oder sub- 
trahirt) man ihre Coefficienten. Das Beisetzen der gemeinsamen 
Potenz zur Summe beider Coefficienten versteht sich von selbst. 
Aehnlich verhält es sich mit allen anderen Gesetzen , sie lassen 
sich sowohl einfacher und kürzer., als bestimmter und verstand- 
licher aussprechen, worauf der Verf. hätte Rücksicht nehmen 

i 1 a 
sollen. Da a^ + a^^^a^ = ai= a ist, so ist kein Grund vorhan- 
den, warum bei Bruch-Exponenten mit geraden Nennern stets das 
doppelte Vorzeichen + vorgesetzt werden muss. Dieses wird erst 
dann erforderlich, wenn man die Bruchpotenzen in Wurzelgrössen 

9 6 4 4 4 

verwandelt, wonach also a^ + a*^ =:rr ^ a^ + / a* -= y/^ a® =r:= ■+ 
a^ wird. Behandelt man aber die Ausdrucke als wirkliche Potenz- 
grössen , so ist für das doppelte Zeichen kein Grund vorhanden. 

Umgekehrt ist nun auch /a+ /a:::=a^ +a^:^a und es sind 
die doppelten Einklammerungeu überflüssig. - 

Für die Potenzirung eines Polynomiums ist es weit passender 
und eigentlich psychologisch gründlich, die letzteren Theile unter 
einer Grösse zu begreifen und daraas für die Quadrirung zwei, für 
die Cubirung 4 Gesetze u. s. w abzuleiten, wodurch mittelst Ord-- 
nen der Glieder (a + b + c)« ==:^ a* + b« + c* + 2ab + 2ac + 2bc ; 
also (a + b -h c + d + • . )^ = a^ + b* + c^ + d^ + . . + 2ab -h 
2ac + 2ad + . . + 2bc -f- 2bd -H . . + 2cd u. s. w. entsteht, was za 
den einfachen Gesetzen führt. Für die Quadrirung eines Poly- 
nomiums erhält man die Quadrate der einzelnen Theile und das 
doppelte Produkt jedes Theiles mit den ihm folgenden. Für 
die Cubirung findet man für (a -f- b -f- c -|- d )» r - a» + b» + c» -|- d» 

iV. Jahrb. t Phil. u. Päd, od. Krü. BibL Bd. L. UfU 3. 20 



306 Mathematik. 

+ . . + Sa'b + Sa'c + 3a«d + . . 3b«c + 3b«d + . . 3cH + ..+ 
3ab« + 3ac« + 3ad2 + . . 3bc« + Sbd« + . . + 3cd2 + . . + 6abc+ 
6abd 4- . . + 6acd + . . 6bcd, wonach die Lernenden die Tier Ge- 
setze, leicht von selbst ableiten. Dieses Verfahren fordert die 
Pädagogik wie die Wissenschaft, daher auch die historische und 
psychologische Grundlage. So wie der Ausdruck (a + b)° sich 
entwickeln lässt , so ist es auch mit (a + b)~° der Fall, ohne die- 
sen Ausdruck vorerst in eine Brachform zu verwandeln. Die Um- 
wandlungen mittelst logarithroischer Gesetze gehören eigentlich 
nicht hierher , well sie den Charakter der bisherigen Umwandlun- 
gen nicht an sich tragen. 

, Im 2. Abschn. (S. 17 — 55.) versucht der Verf. eine Theorie 
der Gleichungen im Gegensatze von den Ungleichungen , worüber 
wenig za sagen ist. Was anter der Ueberschrift : ,, Rechnungen 
mit Gleichungen^^ mitgetheilt wird, besteht fast^ausschliessend 
aus Grundsätzen der verschiedenen Operationen des Vermehrens, 
worin ein grosser Mangel bei nutzloser Wiederholung liegt. Ist 
' a:=b und G=d, so folgt einfach a+c==:b + d; atc = btdu. s. 
w.; allein aus den Gesetzen für die Summen, Produkte u. s. w. 
folgen nicht unmittelbar die Differenzen , Quotienten a. s. w., son- 
dern sie ergeben sich aus den genauen Erklärungen der Begriffe 
und Charaktere ihrer Merkmale. Die Ueberschrift ,, Auflösung 
der Gleichongen^^ beginnt mit den analytischen Gleichungen, 
weiche der Verf. darum unpassend identische nennt, weil dieser 
Begriff nicht angiebt, dass der zweite Gleichungstheii aus dem 
ersten direkt abgeleitet und im strengen Sinne jede Gleichung eine 
identische ist, indem der eine Ausdruck stets dieselbe Grösse 
geben muss, wie der andere. Die anderen Gleichungen, worin 
Unbekannte zu bestimmen sind, nennt er Bestimmungs- oder Be- 
dingungsgleichungen, Rec. tienntsie synthetische, im Gegensatze 
von den analytischen und erklärt sich darum gegen jenen Begriff, 
weil auch in den analytischen Gleichungen ein Gesetz bestimmt 
wird und er keinem der gewählten Begriffe entspricht. Auch 
verwirft er den Ausdruck „algebraische Gleichung'% weil der Be- 
griff „ Algebra^^ keine bestimmte wörtliche und sachliche Bedeu- 
tung hat und von jedem Verf. fast anders erklärt wird. 

Was der Verf. dem Begriffe ,, Ordnen der Gleichung" bei- 
legt, ist unhaltbar, weil damit nur bezeichnet wird, dass man ent- 
weder die unbekannten Glieder auf die eine, die bekannten aber , 
auf die andere Seite bringt oder die höheren Gleichungen nach 
den Potenzen der Unbekannten ordnet, wogegen das, was der 
Verf. darunter verstehen will, mit den Begriffen „Reduciren und 
Einrichten" bezeichnet wird. Um Theile, besser gesagt, Glie- 
der, von der einen in die andere Seite zu bringen, also im Sinne 
des Verf. Transpositionen vorzunehmen , kann man nicht immer 
addiren, sondern mass man auch oft subtrahiren; ähnlich verhält 
es sich mit Dividiren als Gegensatz vom Multipliciren und mit 



Wittstein: Lehrbuch der Arithmetik; 307 

dem aus dem Potenziren und Radiciren sich ^rgiebenden Gegen- 
sätze, deren jeder anschaulicher dargelegt sein sollte. 

Die Gleichungen vom zweiten Grade sind entweder reine oder 
unreine und letztere wieder vollständig, wenn der erste Glei- 
chungstheil drei Glieder enthält, welche das Quadrat eines Bino- 
miums bilden, oder unvollständige, wenn dieses nicht der Fall 
ist. Das Bild der ersteren ist x^ -f ex + c2 = N, das der letzteren 

4 

aber x* + cx= N. Auf diese Formen muss jede unrein - quadra- 
tische Gleichung gebracht werden, wenn sie aufgelöst werden 
soll. Da nun für sie die Quadratwurzel auszuziehen und dieses 
für eine zweitheilige Wurzel nur möglich ist, wenn der Ausdruck 
drei Glieder, im ersten und dritten Gliede reine Quadrate und im 
zweiten Gliede die doppelte Wurzel aus dem dritten'Gliede n)ui- 
tiplicirt mit der Wurzel aus dem ersten Gliede hat, so ergieBt^ 
sich hieraus die weitere Behandlung von selbst. Da der Verf. mit 
den Differenzen hier nichts zu thun haben will , so sollte er den 
Ausdruck a^ — 2ab -f* h^= p^ an und für sich nicht beachten. 
Die verschiedenen Werthe der Unbekannten ergeben sich den 
Lernenden aus den verschiedenen Formen der Gleichung x^ + ax 
==+p. Die Ableitung jener aus diesen kann man dem geiibten 
Schüler füglich überlassen. 

Für die Gleichungen mit mehr Unbekannten und ihre ver^ 
schiedenen Auflösungsmethoden sollten einfachere Goefficienten 
der Unbekannten gewählt und letztere nach ihren Grundprinciplen 
und näheren Zwecken gründlicher behandelt seinj Besondere 
Aufmerksamkeit verdiente die indirekte Methode, weil sie einen 
rein wissenschaftlichen Charakter hat, während die Comparations- 
methode mit einem gewissen Mechanismus verbunden ist. Auch 
für die unbestimmten Aufgaben wünschte Rec. mehr Gründlichkeit 
und Bestimmtheit, um die Anfanger leichter in die Disciplin ein- 
zuführenund einen gewissen Grad von Liebe zurSache zu erzeugen. 

Der 3. Abschn. (S. 55 — 99.) handelt von den Zahlensystemen, 
welche darum einfach dargelegt werden können , weil die Gesetze 
von den Potenzen vorausgehen , jedoch iibder znm Grunde geleg- 
ten Weise nicht nothwendig sind, wenn man den Grundgedanken 
eines Zahlensystemes nicht auch auf Brüche anwenden will, wie 
es vom Verf. unter besonderem Bezüge auf die Decimalbrüche 
geschieht. Die ausführlichen Betrachtungen der sechs Verände- 
rungsarten , welche allerdings in dem psychologischen Bedürfnisse 
ihre erste Begründung finden und ausschliesslich auf dem Gebiete 
der rationalen Zahlen selbst bewegen, so lange die Potenzgesetze 
zum Grunde liegen, konnten wohl mehrfach abgekürzt w^den, 
wenn man nicht der Ansicht des Verf. huldigt, den Gebrauch der 
logarithmischen Gesetze für die Vereinfachung der vier letzten 
Rechnungsarten durch Rechnungen mit dekadischen Zahlen zu er- 
setzen, weswegen er auf die angenäherten und abgekürzten Rech- 

20* 



308 Mathematik. 

nungen grosse« Gewidit legte , die Divisionsroethode von Four i er 
neben der älteren von Oughtred und die neue Methode der 
QnadratwuTzeiauszieliung aufmerksam behandelte und die Theorie 
der periodischen Decünalbrüche umfassend darlegte. Er theilt 
den dem Beweise von Gauss nachgebildeten Beweis des Ferma- 
tischen Lehrsatzes mit und berührt manche damit zusammenhän« 
gende interessante Sätze, welche in anderen ähnlichen Lehr- 
biichern nicht gefunden werden. Die besondere Klarheit, welcher 
sich der Verf. befleisset, empfiehlt diese Darstellungen besonders 
dem Unterrichte an höheren Lehranstalten und ihren Lehrern, 
wenn sie ihre Schüler mit denselben bekannt machen wollen. 

Für das Ausziehen der Wurzeln zieht man übrigens kdine so 
grossen Vortheile aus den Angaben , als bemerklich gemacht wer- 
den wollen. Die Formen für das Annähern der Wurzeln, ent« 
wickelt nach dem binomischen Lehrsatze, bieten mehr Gelegen- 
heit ZQ geistiger CJebni]^ dar und dürften den Anforderungen des 
Schulunterrichtes mehr entsprechen, wenn man die Eleganz und 
die consequente Durchfährung abrechnet. 

Im 4. Abschn. (S. 99— 116.) verbreitet sich der Verf. über 
die Kennzeichen der Theiibarkeit ganzer Zahlen und über die Bnt> 
stehung geschlossener und periodischer Decimalbrüche. Er ver- 
föhrt recht allgemein, versinnllcht aber die gewonnenen Resultate 
durch besondere Beispiele und bemüht sich besonders die Deci- 
malbrüche zu erweitern, welche seine Lieblingssache zu sein schei- 
nen , aber doch nicht weiter gefördert werden , als sie in andern 
guten Lehrbüchern sich finden. Die vorzugsweise abstrakte Be- 
handlungsweise sagt dem jugendlichen Geiste nicht sehr zu, was 
der Verf. selbst gefühlt zu haben scheint, da er In besonderen 
Beispielen die meisten E^enschaften veranschaulicht. 

Der 5. Abschn. (S. U7— 137.) erweitert die Theorie der 
logarithmischen Systeme. Für die Berechnung der Logarithmen 
entwickelt der Verf mittelst einer Hüifsgleichung eine allgemeine 
Formel^ welche zu einer Methode führt, die in allen Fällen im 
Geiste irgend eines gegebenen Zahlensystems ausreicht , und er- 
Ifiirtert dieselbe an einem Beispiele , indem er für das dekadische 
System von der Zahl 256 den Logarithmen sucht. Die zur Be- 
rechnung der Logarithmen für die Grundzahl 10 mitgetheilte 
Hülfe tafel erleichtert den Schülern das Geschäft sehr und die 
Entwickelung findet endlich 2,408240 als Logarithme von 256, 
womit die Rechnung selbst geschlossen ist. 

Die Gonstruction und den Gebrauch der Logarithmischen 
Tafeln kennte der Verf. darum übergehen , da diese Sache ge- 
wl^hntich in den Einleitungen zu solchen Tafeln sich findet. 
UebrfgenS ist sowohl die entwickelte Methode der Logarithmen- 
Berechnung als auch die für jede gegebene Grundzahl erforder- 
liche Entwerfung einer Hülfstafel för die Anwendung mit so gros- 
sen Weitläufigkeiten verbunden, dass man sichkaum eotschliessen 



Wittstein : Lehrbuch der Arithmetik. 309 

dürfte, sie für einen isolirtcn Fall anzuwenden, woraus die Zweck- 
raässig^keit der log^arithmischeu Tafeln hervorgeht und ihre Con- 
straction für den Schüler voa mehrfachem Interesse ist. Der 
Verf. hat dabei die von Kühler deutsch bearbeiteten Tafeln von 
Laiandeim Auge, weil sie für den praktischen Rechner viele 
Vorzüge haben. Da sie aber für den Schulg^brauch manches 
Ueberflüssige enthalten , dagegen wieder Verschiedenes vermissen 
lassen, so sieht Ree. nicht ein, warum man sich nicht an die Ve- 
ga'schen Tafeln hält, welcbe doch bis sieben Decimaleu gehen, 
mithin in den letzten Werthen genauer skid. Das Aufsuchen der 
Logarithmen mit den dafür erforderlichen Manipulationen mag die 
Theorie der Praxis überlassen , weswegen Rec. die Angaben hier- 
über, wenigstens die grosse Umständlichkeit, nicht ganz billigt. 
Für das Aufsuchen der Logarithmen von Decimalbrüchen reichte 
in einem theoretischen Werke ein Beispiel vollkommen hin, nach 
ihm sollen die Schüler andere Beispiele entwickeln und das etwa 
aliiigesprochene Gesetz nicht sowohl prüfen, als gleichsam selbst 
zur Entwickelung bringen Die obigen Tafein enthalten nur die 
Logarithmen aller ganzen Zahlen bis 10,000; bei mehrzifferigen 
Zahlen oder bei Mangel der gegebenen Mantissen in der Tafel 
wird eine Interpolirung dori für die zu/:i;ehörige Mantisse, hier für 
die Bestimmung der fehlenden Ziffern der zugehörigen Zahl er- 
fordert; wie dieses zu geschehen hat, zeigt der Verf. mittelt^t 
einer allgemeinen Gleichung , welche er an einem Beispiele ver 
anschaulicht. 

Zum Schlüsse folgen die vier logarithroischen Gesetze, jedoch 
ohne specielle Begründung und die Manipulationen, die Logarith- 
men von Summen oder Differenzen zwischen zwei Zahlen nach 
dem. Gauss'scben Verfahren zu bestimmen; zwei Gleichungen, 
welche in einer Form sich darstellen lassen , führen zu den er- 
wünschten Zwecken und eine letzte Gleichung löst die Aufgabe, 
den Logarithmus einer gegebenen Zahl für eine gegebene von 10 
verschiedene Grundzahl zu finden. Papier und Druck sind gut; 
die Darstellongsweise ist im Ganzen verständlich und klar. 

Reuter. 



Handbuch der Elementar- Arithmetik^ bearbeitet von 
jiugust Lttdißig Heibel , Lehrer an der Schallehrer-BildungMnstait de« 
Waisenhauses in Weingarten. Reutlingen bei Bnflslin u« Ladblin. 
1816. XXII u. 476 8. gr. 8. 

Der Mangel einer den arithmetischen Stoff mit besonderer 
Rücksicht aaf das Bednrfniss der oberen Glassen gehobener Volks-, 
Real- uhd lateinischen Schulen, sowie namentlich der Schullehrer- 
Seminarien behandelnden Schrift gab die imchste Veranlassung 
zur Abfassung dieser Schrift , welche Schüler im ^\sl%<& ^^^^ ^^&!^ 



310 Mathematik. 

an eio richtiges und geordnetes Denken gewöhnt, mit den vier 
Species in ganzen und gebrochenen Zahlen bekannt und in der 
Lösung nicht ganz leichter Aufgaben geübt sind, was der Verf. 
bei Beurtheilung seiner Schrift beachtet wissen will. Jener Man- 
gel ist ersonnen und völlig ungegrundet, die mathematische Lite- 
ratur beweist dieses. Richtig ist die Ansicht des Verf , dass die 
formeil bildende Seite der Hauptwerth der Arithmetik mit der 
materiellen zu verbinden und zur Erreichung beider Zwecke die 
entwickelnde Methode die zweckmässigste sei, wobei sich aus 
einzelnen gleichartigen Beispielen stets das ihnen zum Grunde 
liegende allgemeine Gesetz aufGnden und als möglichst einfachen 
Satz feststellen lässt. In wie weit der Verf. den wissenschaftlichen 
und pädagogischen Anforderungen entsprach und ein so viele vor- 
sügliche Lehrbücher der Arithmetik übertreffendes oder doch 
ihnen gleichwerthes Buch bearbeitet hat, soll diese Beurtheilung 
kurz darthun. 

Die Schrift zerfällt in 3 Abtheilungen , deren 1. in 11 Ab- 
schnitten die 4 Species in ganzen Zahlen Decimal und gemeinen 
Brüchen, entgegengesetzten Grössen und benannten Zahlen (S. 
1 — 190.); die 2. in 6 Abschnitten ;die Rechnungsformen des 
Schlusses, der Gleichungen und Proportionen nebst Anwendungen 
auf die wichtigsten Rechnungsarten (S. 194—358.) und endlich 
die 3. in 5 Abschn. die Potenzen, Wurzeln und Logarithmen, die 
quadratischen Gleichungen und Progressionen behandelt (S. 361. 
bis 476.). Sieht man auf das wissenschaftliche Wesen der Arith- 
metik, ihren elementaren und höheren Charakter, so entspricht 
weder der Inhalt der Ueberschrift, noch die Anordnung des Stoffes 
der wissenschaftlichen Idee und der pädagogischen Bearbeitung 
der Zahlenlehre; für jenen giebt sie zu viel und für diese fehlt 
ihr der consequente Aufbau des in dem Bilden, Verändern, Ver- 
gleichen und Beziehen der Zahlen bestehenden Systems der Arith- 
metik, indem der Idee und ihrer wissenschaftliahen Durchführung 
ganz entgegengehandelt und hierdurch ein durch die eigene Kraft 
der Schüler zu bethätigendes Ableiten der Gesetze unmöglich 
gemacht ist, also ein wesentliches Mittel für die Bethätigung der 
formellen Bildung verloren geht. Keine Abtheilung, ja kein Ab- 
schnitt ist frei von Versehen gegen den inneren Zusammenhang 
der Disciplinen und die consequente Anfügung der Gesetze an ein- 
ander. So sind die einfachen Gleichungen von den quadratischen, 
die Proportionen von den Progressionen, sogar die Gesetze des 
Potenzirens und Radicirens von den vier anderen Veränderungs- 
arten, die Logarithmen von den Progressionen getrennt, die Pro- 
portionen vor den Potenzen und Wurzeln behandelt und doch fin- 
den letztere bei etsteren Anwendung, z. B. bei Bestimmung des 
geometrischen Mittelgliedes. Auch bilden die Gesetze des Ver- 
änderns ein abgeschlossenes Ganze, welches der Verf. völlig zer- 
splittert und daher in der Uebersicht seiner Gesetze und ihres 



Pleibel: Lehrbuch der Elemenlararithmetik. 311 

Zusammenhanges erschwert, hängen die des Vergleichens auf 
fsynthetiscliem Wege eng zusammen und ergänzen sich die des 
Beziehens mitteist der Verhältnisse und Proportionen , Logarith- 
men und Progressionen auf eine so schöne Weise, dass unbegreif- 
lich erscheinen mus8,sieso sehr zu trennen und stiiclc weise zu 
behandeln. 

Ein anderes Hauptmittel zur Förderung der formellen Bil- 
dung besteht in der mathematischen Methode und in dem Ver- 
wirklichen derselben mittelst genauer und umfassender Erklä- 
rungen der in diesem liegenden allgemeinen, absoluten Wahrheiten, 
Grundsätze, der wichtigeren Lehrsätze jeder Disciplin, der aus 
diesen sich ergebenden sicheren Folgesätze, der Hauptaufgaben 
und der mit diesen verbundenen Zusätze, um in den Lernenden 
neben dem Anbahnen des richtigen und conseqnenten Denkenseine 
gewisse Liebe und Selbstständigkeit für das Entwickeln und An>^ . 
wenden der Gesetze zu erzeugen, ohne welche kein wahres Fort- 
schreiten im Erkennen , kein fruchtbarer Erfolg im Unterrichten 
möglich ist. Zar Erreichung jener Zwecke, zur Bethätigung 
dieses methodischen, einflussreichen Vortrages bedürfen dieSchii- 
ler keines wortreichen , weitschweifigen and meistens kleinlichen 
oder eigentlich piauderhaften Darsteliens, sondern einer kurzen 
und bestimmten , einfachen und klaren Sprache, welche die Er- 
klärungen zum lebendigen Bewusstsein erhebt und die mittelst 
ihrer Wahrheiten zu Gesetzen erhobenen Sätze zur deutlichen 
Erkenntniss bringt. Beide Bedingungen eines erfolgreichen Unter- 
richtes erfüllt die Arbeit des Verf. in den wenigsten Entwicke- 
lungen, vielmehr gefällt er sich in höchst umschweifenden und 
wortreichen Erörterungen , welche so in da^s Kleinliche und in ein 
solches wichtigthuendes Wesen übergehen , dass die Lernenden 
wegen der vielen Nebensachen meistens die Hauptsachen nicht 
wahrnehmen oder mit diesen verwechseln und dass man glauben 
sollte, der Verf. setze stets nur ganz unentwickelte Kinder voraus, 
und doch fordert er. von seinen Schülern ein Gewöhntsein an ein 
richtiges und geordnetes Denken, ein Bekanntsein mit den vier 
ersten Veränderungsarten in ganzen Zahlen und gemeinen Brüchen 
und ein Geübtsein im Lösen nicht ganz leichter Aufgaben , da sein 
Buch den Bedürfnissen gehobener Volks-, der Real- und lateini- 
schen Schulen, namentlich derSchuliehrer-Bildungsanstalten, also 
Individuen von 10 bis 20 Jahren genügen soll. Diese bedürfen 
doch wohl keiner Versinnlichungen und Andeutungen zur Behand- 
lung folgender Art. Lehrer: Zählt einmal die Scheiben dieses 
Fensters! Schüler: Es sind zehn. L.: Richtig, es sind 10 Schei- 
ben, ihr hättet auch sagen können, es sind lOmal eine Scheibe 
vorhanden. Hier habt ihr nun eine Zahl gefunden. Zählt nun 
auch die auf diesem Tische liegenden Bücher u. s. w. Solche 
Veranschaulichungen gehören in kein Lehrbuch, welches auf 
wissenschaftlichen Gehalt Ansprach machen will. Anders verhält 



312 Mathematik. 

es sich beiio mündlichen CJiiterrichle von Kindern, denen man auf 
ähnlichen Wegen beiziikommeu sucht. 

Einen Vorzug findet Reo. darin, dass der Verf. die Lehre 
von den einfachen Gleichungen in die Volksschulen einzuführen 
versucht und einem allgemeinen Uebelstande zu begegnen bemüht 
ist. In dem Entfernthalten dieser Disciplin von den Volksschulen 
liegt eben so viel Nachtheiliges, als in dem CJebergehen des so- 
genannten Potenzirens und Radicirens nach dem Dividiren. Diese 
beiden Veränderungsarten bilden mit den vier anderen ein abjge- 
flchlossenes Ganzes, ergänzen siph gegenseitig, wie jedes Paar der 
anderen und bilden die Grundlage des synthetischen Vergleichens 
und Beziehens der Zahlen. Rec. hält den Unterricht in Volks- 
schulen und jeder andern Anstalt, deren Schüler die Arithmetik 
kennen und ihre Gesetze im praktischen Leben oder in wissen- 
fithaftlichen Fächern anwenden sollen, so lange für eine mecha- 
nische Abrichterei, für ein mechanisches Dressurgeschäft und für 
eine unerfreuliche-, daher mit geringem Erfolge begleitete Be- 
sebäfttgnng der Jugend , welche das mühsam und sauer Erlernte 
in der kürzesten Zeit wieder vergisst , als man nicht auf einem rein 
entwickelnden, analytischen Wege die sechs Veränderungsarten 
Bach ihrem inneren Zusammenhange die Lernenden meistens selbst 
ableiten, das cinfaebe Vergleichen auf jene bauen und das ver-« 
schiedenartige Beziehen der Zahlen in seinen Elementen darstei- 
len lässC, worauf erst die Anwendungen folgen und jenen armseli- 
gen Recepienkram der Schlussrechnung mittelst des Rensischen 
Satzes, des Dreisatzes u. dgl. beseitigen sollten. Nur suf diesem 
Wege gehen die arithmetischen Gesetze in Fleisch und Blut der 
Lernenden ein^ werden sie geistiges und unverbrüchliches Eigen- 
thum derselben und vermögen diese zu allen Zeiten und allen Ver- 
hältnissen sich ihrer zu bedienen. Das sogenannte Kopfrechnen, 
womit in den Schulen ein unerhörter Unfug getrieben und die 
Jugend auf eine unverzeihliche Weise gemartert wird, ergiebt »ich 
dem denkenden, an ein gesundes und consequentes Analysiren 
gewöhntes Kind von selbst, wovon sich leicht jeder Lehrer unbe- 
fangen überzeugen kann. Rec. hat dieses auf Privatwegen an 
Mädchen von 6 — 8 Jahren versucht und gefunden , dass die Kinder 
die einfachen Gleichungen spielend behandeln und sich mit den 
Proporttönen auf die angenehmste Welse vertraut machen. 

Ganz unrecht hält auch der Verf. das Ausziehen der Wnrzeln 
für ziemlich schwierig und behütidelt es auf eine so diffuse Weise, 
dass die Lernenden sicher nur ungern damit sich befassen« Wozu 
bedarf es denn des Zeichnens des Qnadrates einer mehrtheiligen 
Linie, da die Operation doch in dem Zerlegen der Zahl in die- 
jenigen Theile, Zahlglieder, besteht'^ aus welchen sie mittelst des 
Potenzirens zusammengesetzt Wurde 1 Man vermengt hier hete- 
rogene Gegenstände mft einander und fuhrt die Lernenden im 
Dunkeln herum , lässt sie nirgends den wahren Grund , sondern 



Pleibel: Lehrbuch der Elementararithmctik. 313 

nur erborgte Dinge sehen , welche jene mechanisch ansehen und 
gleich einem Gängelbande benutzen, bei dessen Mangel sie gleich 
einem Blinden sich selten zurechtfinden Icönnen, weswegen siedle 
Sache , sobald sie einige Zeit lang mit ihr sich nicht beschäftigten, 
wieder vergessen. In diesen und ähnlichen Gebrechen liegen die 
Hauptgründe, warum in den Volksschulen der Unterricht im Rech- 
nen so unerfreuliche Früchte bringt und über dieselben von alleii 
Seiten so sehr und mit vollem Rechte geklagt wird. Man bethä- 
tigt eine fürchterliche Zerlegungssucht, analysirt aber in den 
seltensten Fällen auf eine dem jugendlichen Geiste zusagende 
Welse. An der Beachtung dieses pädagogischen Gesichtspunktes 
gebricht es dem Handbuche des Verf, in den meisten Disciplincn^ 
so diffus dieselben auch behandelt sind , wie der unbefangene, aber 
aufmerksame Beobachter überall wahrnehmen kann , wenn er sich 
die Mühe nehmen will , eine oder die andere Disciplin mit Rück- 
sicht auf die Eigenthümlichkeiten des jugendlichen Geistes nach- 
denkend durchzulesen und mit der Sache selbst zu vergleichen. 

Wollte Rec. in das Einzelne des Buches eingehen, so würde 
er eine zu umfangreiche Beurtheilung fertigen müssen , welche bei 
der grossen Masse von Schriften aller Art des Unterrichtes an hö- 
heren Lehranstalten in diesen Jahrbb. keinen Platz finden kann : 
daher beschränkt er sich nur auf allgemeine Gesichtspunkte mit 
der Bereitwilligkeit, etwaige kurze Bei'ührungen und Ausstellun- 
gen in ihrem ganzen Umfange darlegen und begründen zu wollen, 
wenn es vom Verf. verlangt und der Raum dargeboten werden 
sollte. Da Zahl als Menge von gleichartigen Dingen dargestellt 
ist, so muss dem Lernenden vorher erklärt sein, was gleichartige 
Dinge sind und wie sie in einem Begriff „Zahl^^ vereinigt werden, 
woraus die Lehre von den Zahlen, die Zahlenlehre, Arithmetik, 
erwächst; das umgekehrte Verfahren des Verf. ist nicht conseqoent 
und seine Angaben über das Bilden der Zahlen sind viel zu diffus, 
als dass sie Billigung verdienten. In einer Einleitung sollten die 
Arten, das Bilden, Verändern und Beziehen der Zahlen ^ur deut- 
lichen Uebersicht des arithmetischen Gebietes erklärt sein. Das 
Addiren geschieht nicht blos mit 2, sondern auch mit mehr Zahlen, 
mithin ist dieses auf die Erklärung jenes Begriffes auszudehnen 
und ^ind die Zahlen nicht Posten, weil dieser Begriff keine wissen- 
schaftliche Bedeutung hat, sondern „Zuzählungszahlen^% zu nen- 
nen , wenn man die fremden Begriffe x\dditionszahlen oder Sum- 
manden für die der lat. Sprache Kundigen vermeiden will. Die 
3. Vermehrungsart besteht in dem wiederholten VervielfÜltlgen 
derselben Zahl, dem Potenziren, und die 3. Verminderungsart itt 
dem Aufsuchen einer Zahl, woraus eine andere entstanden ist; 
beide Veränderungsarten sind hier übergangen, daher ist der 
Unterricht mangelhaft. Subtrahiren heisst eigentlich nicht, eiae 
Zahl von einer andern abziehen, sondern blos jene aafhöben. 
Jede Rechnungsart ist -entweder formell oder reell, weswegen Jede 



314 Mathematik. 

formelle Siimme^ Differenz, solches Produkt u. s. w. von den 
reellen Grössen wohl zu unterscheiden ist. Auch heisst Dlvidiren 
streng genommen nur eine Zahl theileri, aber nicht sehen, wie oft 
eine Zahl in einer andern enthalten ist, diese Bedeutung wird aus 
ersterer erst durch Uebertragung abgeleitet. Was oberflächlich 
vom Potenziren und Radiciren gesagt ist, ersetzt das nicht, was 
Rec. von diesen Disciplinen als eigentliche Veränderangsarten for- 
dert. Beim Potenziren wird nicht die Einheit muitiplicirt, son- 
dern die zu potenzirende Zahl so oft als Factor gesetzt als eine 
andere Zahl , der Exponent , anzeigt. Auch erscheint das Wurzel- 
ausziehen keineswegs als eine besondere Art des Dividirens, son- ^ 
dern als eine Subtraktion der einzelnen Glieder, woraus jede Zahl 
ausammengesetzt wird, wobei die Division nur als Hiilfsmittel 
dient, einen neuen Theil der Zahl zu finden. Falsch ist die An- 
nahme , dass aus den Anordnungen der logarithmischen Gesetze 
eine Veränderungsart hervorgehe, da hierbei weder vermehrt, 
noch vermindert, also durchaus nichts verändert wird, mithin giebt 
es nur sechs Yerä'nderungsarten. Da diese von letzteren Opera- 
tionen in ihren Grundgesetzen hier nicht entwickelt werden, so 
ist der Zusammenhang unterbrochen und mangelhaft. 

Das in dem dritten Abschn. unter der Ueberschrift „Zusam- 
menstellung der allgemeinen Gesetze ^^ Gesagte enthält Grund- 
und Lehrsätze, Aufgaben und Zusätze, anch Folgesätze in ge- 
mischtem Vortrage, was gegen alle logische Anordnung und 
Gesetzlichkeit spricht und in seiner planlosen Weitschweifigkeit 
die einfacheren Hauptgesetze nicht herausfinden lehrt. Nicht 
viel besser ergeht es den Decimalbrüchen , welche vom Verf. ganz 
oberflächlich behandelt werden, aus dem falschen Wahne, sie 
unterschieden sich durch nichts von ganzen Zahlen. Könnte mau 
die Einheit selbst als ein Mehrfaches ansehen , so müsste sie eine 
Zahl sein; nun geht aber dem Verf. erst daraus, dass ein bestimm- 
tes Mehrfache der Einheit genommen werde, die „Zahl" hervor, 
mithin geräth er mit seiner eigenen Erklärung in theilweisen Wi- 
derspruch. So weitläufig auch die Entstehung des Bruches ent- 
wickelt ist, so wenig entspricht sie den Forderungen der Klarheit 
und Bestimmtheit, zwei Eigenschaften, welche dem Vortrage der 
ganzen Bruchlehre abgehen, was nur ein Beispiel belegen*soll. 
Für die Entwickelung des Gesetzes der Division einer ganzen Zahl 
durch einen Bruch verwendet der Verf. fast volle zwei Seiten, 
was mittelst vier bis sechs Zeilen also geschieht. Es kann nur 

Gleichartiges durch einander dividirt werden , also ist a : ^-=— 

. m m 

b am : b am ^ • ^ ■ i b , m am 

: — = — 5 — = T- ; ©8 ist aber auch a:— = a+-- = — mit- 
m 1 b m b b 

bin liegt das Gesetz einfach vor und kann es selbst der wenig be- 
gabte Schüler auffinden. Zugleich liegt in dem Vortrage in soweit 



Pleibel: Lehrbuch der Elementararithmetik. 315 

eineloconsequenz, als die wissenschaftliche Entwickelung die Dar- 
legung des Gesetzes für die Division eines Bruches durch einen 
Bruch als Hauptsatz voranstellt und die übrigen Gesetze aas ihm 
als einfache Folgesätze ableitet, wogegen der Verf. umgekehrt, 
daher nutzlos weitschweifig und nichts weniger als wissenschaft- 
lich verfährt. Ohne allen Werth ist die Verwandlung der gemei- 
nen Brüche in Decimalbrüche , da ein oder das andere Beispiel 
alles versinnlicht, was erforderlich ist. Aach für die Kettenbrüche 
ist wegen ihrer Entstehung aus gemeinen Brüchen, wegen Be- 
stimmung der Partial- und Einschaltbrüche meistens das Wesent- 
lichste übersehen und oft Unbedeutendes mitgetheilt, worüber 
jede Berührung Belege darbietet. 

Auf eine wahrhaft kleinliche, ja lächerliche Weise will der 
Verf. die Schüler zu den positiven und negativen , in seinem SinnC) 
„entgegengesetzten^^ Grössen führen; fast drei Seiten füllen seiner^ 
planlosen und weitschweifigen Angaben , wofür er durch einfaches 
Zählen über die Null zu positiven, additiven und durch Zählen 
unter die Null zu negativen, sabtraktiven Zahlen gelangt, was 
jedes Kind sogleich erkennt, wenn es beide Zählarten vornimmt. 
Seine Entwickelungs weise der Veränderungsarten in diesen Zahlen 
macht weder auf Einfachheit und Bestimmtheit, noch auf Kürze 
und Klarheit Anspruch, was besonders an der Subtraktion und 
Multiplication schlagend nachzuweisen wäre, wenn es gefordert 
würde. Die Division ist hier ganz übergangen , indem die Rech- 
nungen mit benannten Zahlen folgen, was gegen alle Forderungen 
eines consequenten Vortrags ist und die Erfolge des Unterrichts 
sehr behindert. Noch weniger Werth haben die Angaben über 
die sogenannte Schlussrechnung, weil es ganz am unrechten Orte 
sich findet, alles wissenschaftlichen Grundes entbehrt und die 
Sache selbst nur nach einer mechanischen Dressur behandelt ist. 
Es fehlt Ihr die Beziehung gleichartiger Grössen und hiermit die 
wahre Grundlage des gesamroten Schlussrechnens. 

Der Verf. scheint den Begriff der analytischen Vergleichung 
nicht richtig aufgefasst zu haben , da er ihr Wesen , also den In- 
halt jenes nicht erklärt und die synthetischen Gleichungen mit 
ihm verwechselt. Viele Hunderte von analytischen Gleichungen 
hat er in den bisherigen Darstellungen gebildet und jetzt kommt 
er und will ihren Charakter erklären. Wer kann hierin eine wis- 
senschaftliche und consequente Behandlungsweise erkennen; die 
analytische Gleichung fällt ganz ausser allen Bereich der Glei- 
chuugslehre , sie ist Grundlage des Veränderns der Zahlen , weil 
aus ihm stets die Resultate hervorgehen ; dagegen bei der synthe- 
tischen Gleichung muss aus den Verbindungen der unbekannten 
Grösse mit bekannten erstere gesucht, also die Gleichung gelöst 
und nicht erst gebildet werden. Zu dem kann dieCIrÖsse, welche 
bestimmt werden soll, nicht die gesuchte, sondern die zu suchende 
heissen, weil, wenn sie gesucht wäre, man sie schon hätte, also 



816 Mathematik. 

nicht erst bestimmen müsste. Ans den Verblndnn^gesetzen er- 
geben sich die Auflösnngs^esetze , welche in drei Gegensätzen 
bestehen, die ihre Begründung' in den Charakteren der bekannten 
sechs Veränderungsarten haben und nicht an analytischen, sondern 
synthetischen Gleichungen zn entwickein sind, wenn sie wisaen*- 
schaftlich behandelt werden sollen. Sie führen fiir das Auflösea 
aller einfachen Gleichungen zu drei Gesichtspunkten; dem Elin- 
richten. Ordnen und Reduciren; kennt der Schüler das Wesen 
der von diesen Begriffen bezeichneten Geschäfte, so bedarf er 
keiner weiteren Angaben und ist ihm namentlich jede mechanische 
Dressur ein Ekel, Die Auflösung der Gleichungen mit zwei oder 
mehr Unbekannten ist entweder eine directe durch Gomparatioa 
nnd Substitution oder indirecte durch Addition und Subtraktion je 
zweier Gleichimgen Für jede Methode bezweckt man das Weg- 
schaffen derselben Unbekannten aus zwei Gleichungen, was eigent^ 
lieh „ Eliminiren^^ heisst , mithin ist des Verf. Meinung, dass jene» 
Verfahre», wonach man durch Addiren oder Subtrahiren zweier 
Gleichungen eine Unbekannte wegschafft, „EUmlniren^^ heisse^ 
imrichtig. Das Grundgesetz, worauf jede Methode beruht, uui^ 
die Gesichtspunkte, wonach sie bethätigt wird, werden entweder 
gar nicht oder nur oberflächlich berührt, weswegen Rec. der 
ganzen Darstellungsweise keine wissenschaftliche Bedeutiing zu- 
erkennen kann. Mehr Werth haben die Aufgaben für die An- 
wendnngen der Gleichungsgesetze, wiewohl die Schüler durch 
jene theoretische Entwickelungen noch nicht in den Stand gesetzt 
•md, alle Gleichungen ohne fremde Hülfe zn behandeln. 

Was der Verf. von den Bedeutungen des Begriffes „Verhält- 
nisse^ sagt, hat keinen Werth und ist ganz am unrechten Orte; 
für ihn bezeichnet er die Beantwortung der Frage, um wie viele 
Einheiten die eine von 2 Zahlen grösser oder kleiner, oder wie 
viel mal dieses der Fall ist, woraus ein zählendes oder messendes 
Verhalten jener hervorgeht, ohne dass dafür seitenlange Dedu- 
ctionen und wortreiche Erörterungen nothwendig sind. Der Vf. 
versinnlicht weder das allgemeine Bild des Verhältnisses, noch 
das ikr Proportionen; daher ist sein Vortrag nicht gehaltvoll, geht 
ibm Einfachheit nnd Gründlichkeit ab und lässt er in Bezug auf 
Klarheit und Vollständigkeit vieles zu wünschen übrig* Bevor 
von Bestimmung eines fehlenden Gliedes die Rede seim kann, ist 
für jede Proportionsart das Hauptgesetz, für die arithmetische 
die Gleichheit der Summen und für die geometrische die der Pro- 
dttkte der äussern und innern Glieder zu erweisen und das Gesetz 
dort auf gleiche Summanden, hier 8<if gleiche Faktoren zurück- 
znfibren , damit die behauptete Gleichheit aus einem Grundsatze 
erkannt wird» Rec. hätte ndch viele andere Partien der Proper- 
lionslehre zn verbessern, wenn er specielle Belege für seine mehr- 
fndi abweichenden Ansichten anzuführen für nothwendig hielte. 
Er deiitet blo» auf die Bestimranng des geometrischen Mittelgliedes 



Pleibel: Lehrbuch der Eieinentararithnietik. 317 

und auf die aus dea Potenzen tmd Wurzeln der ▼erhältnissmSsijfen 
Glieder hin. Erstere kann, obgleich sie der Verf. in einem 6e- 
getse ausspricht, nicht erfdgen, da weder das Wurzelausziehen 
gezeigt, noch das Gesetz begründet ist, eine QuadratverUi|idung 
durch das Quadratwurzelausziehen z« lösen« Es ist nkht einaial 
auf den zwischen beiden Operationen herrschenden Gegensatz ««f- 
merksam gemacht. Bei Verstellung der Glieder einer Proportiaii 
wird diese manchmal verändert, manchmal nicht, was näher lu 
bezeichnen ist. Das Unterlassen dieser Angabe gehört nicht zun 
wissenschaftlichen Vorzuge. . Für die Anwendungen der geome- 
trischen Proportionslehre in directen und indirecten Verhäknisseo 
Termisst der praktische Rechner nicht viel , aber der Theoretiker 
für den letzten Fall die Angabe, wie bei jedem indirecten Ver- 
hältnisse zwei Grössen zu einer im Verhältnisse stehen , diese zwei 
Verhältnisse zwischen zwei Brüchen das indirecte Verhältnis« 
bilden und darnach jede indirecte Proportiousaufgabe zu behau* 
dein ist. Die ganze Materie besteht in Aufgaben und ihren Be-, 
rechnungen , welche mit den Bestimmungen der Zinsen etc. fort- 
gesetzt, aber in den wenigsten Fällen für die Einheit auf einfache 
Formeln zurückgeführt werdeh; umständliche Rechnungsfalle, 
Aufgaben und einzelne Formeln , die selten zweckmässig gestaltet 
sind^ füllen den Raum aus. 

Am wenigsten gelungen erscheint die Zinseszinsrechnung, 
wovon der Verf. freilich nur den einfachen Fall berührt; übrigens 
theiit er die Hauptformel und daraus sogar die logarithmische 
Gleichung für die Anzahl der Jahre mit, ohne damit von den Schü- 
lern verstanden zu werden, da sie die logarithmischen Gesetze 
nicht kennen, wenigstens aus dem Vortrage des Verf. Für die 
gesellschaftliche Theilrechnung unterscheidet er die einfache und 
Zusammengesetze, wodurch die Materie völlig erschöpft wird und 
allen Anfordenmgen genügt, wenn man blos die praktische Seite 
im Auge hat. Aehnlich verhält es sich mit der Vermischunga- 
rechoung , welche durch die einfachen, aber meistens unbestimm- 
ten Gleichungen ihre bessere Erledigung findet 

Weuig gründlichen und wissenschaftlichen Gehalt hat das 
Behandeln des Potenzirens und seiner Gesetze , welche in seltne- 
ren Fällen bewjesen und wofür nutzloser Weise die Einheit in die 
Darstellung gezogen ist. Die Potenzen sind nach ihren Dignanden 
und Exponenten einzntheilen , bevor von Rechnungen mit ihnen 
geredet werden kann. Es fehlt überall die kurze und bestimmle 
Angabe des Gesetzes , statt in vielen Worten dasselbe mitzntheUen 
nnd sein einfaches Verständniss zu erschweren. Das Potenzircn 
eines Binomiums oder Polynomiums ist ganz übergangen , obgleich 
es die Grundlage f iir das Wurzeiausziehen bildet. Der Verf. «r- 
kennt die Npthweudigkeit der Kenntniss der verschiedenen Theäe 
des Quadrates einer mehrtheiiigen Wurzel selbst an „ nimmt daAr 
«ine Figur, ein Quadrat, zu Hülfe, kann aber für eine dm* #der 



318 Mathematik. 

iBehrtheili^e Warzel keine Versinnlichung finden. Ueberhaupt 
ist diese Aushülfe ganz ungeeignet und kaum ein hölzerner Noth- 
behelf , da die Quadrirung jeder zwei- oder mehrtheiligen Zahl 
den Weg zur Bildung der Quadratzahlen, so wie den zur Zerle- 
gung der letzteren in die Glieder , woraus sie gebildet wurde , ge- 
nau versinnlicht, und jenen weitläufigen an und für sich fremdar- 
tigen Nothbehelf beseitigt. Die Einmischung des einen oder 
anderen Gesetzes in Anmerkungen oder als Ergänzungen kann den 
theoretischen Mangel nicht ersetzen , wovon der Vecf. sich selbst 
überzeugt, wenn er die wissenschaftlichen Forderungen im Auge 
hat und dabei die Gesetze berücksichtigt, welche die Potenzen 
der Binomien und Polynomien darbieten. 

Die Verbindung der Logarithmen mit den Potenzen hat nur 
in sofern einen Grund für sich , als sie in ihrer abgeleiteten Be- 
deutung auf Exponenten hinzielen und die Exponenten der Po- 
tenzgrössen zu eigentlichen Logarithmen dieser werden. Die Tier 
Grundgesetze derselben sind übrigens umfassend und gründlich 
zu entwickein , speciell für sich zu beweisen und einfach und be- 
stimmt auszusprechen, was nur theilweis geschehen ist. Die 

Schreibart (log . a) : m statt — ^ — ist umständlich und nicht zu 

m 

empfehlen. Für die Auflösung der rein-quadratischen Gleichun- 
gen ist das Gesetz eben so zu entwickeln , wie das für die unreinen, 
welches er sehr umständlich darlegt, obgleich es einfach und kurz 
geschehen kann. Der Verf. theilt überhaupt für diese und andere 
Höhere arithmetische Disciplinen nur Einzelnes mit, was nach 
seiner Ansicht Hauptsachen, an und für sich aber nur Nebensachen 
sind , wodurch dem Vortrage der wissenschaftliche Charakter ent- 
zogen wird. 

Für die Erklärung der Progressionen ist die Zuhiilfnahme 
der stetigen Proportionen nicht nöthig; sie besteht in einer Reihe 
von Zahlen, die nach einem festen Gesetze zu- oder abnimmt; 
nun ist dieses entweder ein zählendes oder messendes, mithin 
sind die Reihen^ entweder arithmethische oder geometrische, je 
nachdem jedes folgende Glied uin gleich viel Einheiten oder gleich- 
vielmal grösser oder kleiner ist als das vorhergehende, woraus 
sich das Bild einer jeden Art von Reihen einfach ergiebt. Die 
Grundformel für das letzte Glied erfolgt alsdann von selbst und 
die zweite Grundformel für die Summe aller Glieder lässt sich 
mittelst des Gesetzes, dass in jeder arithmetischen Reihe die 
Summe zwischen dem ersten und letzten oder je zwei vom ersten 
und letzten gleich weit abstehenden Gliedern stets dieselbe ist, 
einfach entwickeln. Die umständliche Ableitung der übrigen For- 
meln ist gar nicht am rechten Orte; sie .beruht auf einfachen oder 
quadratischen Gleichungen und ist blos andeutungsweise zu be- 
handeln, damit der Schüler Gelegenheit zur Uebung erhält. Die 



Pleibel: Lehrbuch der Elementararithmetik» 319 

Entwickelung der Formeln far die Summiriing der naturlicheo, 
der g^eradeii und ungeraden von 1 und 2 oder nicht tiiervon an- 
fangenden Zalilen solltiB den Formeln der arltlimetischen Reihen 
immitteibar folgen ^ damit die Theorie jener zusammenhängend 
erscheine ! Aehnlich verhält es sich mit den geometrischen Reihen, 
ihre zwei Grundformeln sind klar und vollständig zu entwickeln; 
für die übrigen Gesetze genügen kurze Andeutungen zur Vermei- 
dung aller Weitschweifigkeiten, weil die Schüler die Gleichungs- 
gesetze kennen. 

In einem Anhange wird von den sogenannten Rechnnngsproben 
und andern praktischen Kunstgriffen gesprochen, was bei jeder 
einzeiligen Rechnungsart geschehen konnte und auch sollte, damit 
keine Zerstückelungen erfolgten , wie dieses in dem Buche freilich 
sehr oft der Fall ist. 

Ein Blick auf die wissenschaftliche und pädagogische Seite 
des Buches giebt weniger Befriedigung als der praktische Theil, 
womit wohl dem mechanischen Rechnen , aber nicht der Gründ- 
lichkeit gedient ist, weil die Schüler alle Gesetze vorerst gründ- 
lich und umfassend kennen müssen, bevor sie dieselben anwenden 
sollen. Fehlt das klare Bewusstsein^ die lebendige Durchschau- 
ung, die selbstständige Beherrschung des Stoffes, so helfen alle 
Abrichtereien nicht viel, werden höchstens einzelne Paradebei- 
spiele behandelt und lernen die' Schüler niemals aus eigener Kraft 
sich bewegen. Die Zahl der Aufgaben ist sehr gross , weswegen 
der Verf. nicht zu bedauern hat, dieselbe nicht haben vergrössern 
. zu können. Die Verweisung auf Sammlungen von M. Hirsch, 
Stubba u. A. war darum unnöthig, weil die Schüler vom Lehrer 
CJebungsbeispiele erhalten werden und diese mit jenen bekannt sind. 

Rec. bemerkt schliesslich, dass die Schrift auch manche gute 
Seite hat und namentlich den Lehrern, welche Uebungen suchen, 
gute Dienste leisten wird, wenn sie Ausdauer genug haben, dem 
oft langweiligen und umständlichen Vortrage des Verf. zu folgen, 
und gewandt genug sind , die Hauptsachen von den weniger wich- 
tigen Gegenständen zu unterscheiden. Papier und Druck sind 
gut. Die Sprache und Correktur könnten sorgfältiger sein. 

Reuter, 



Mathematische Uebungsaufgaben und deren Auf- 
lösungen zum Gebrauche für Lehrer und Lernende von Joh. And. 
Schubert, Prof. der Mathematik und Mechanik an der technischen 
Bildungsanstalt zu Dresden. 1. fid. Zahlenlehre 1. Abth. Auf- 
gaben. 3. Aufl., 2. Abth. Auflösungen 2. Ausgabe. Dresden o. 
Leipzig in der Arnoid'schen Buchh. 1846. 486 S. gr. 8. 

Dass die Lösung geeigneter Uebungsaufgaben zur Förderung 
des mathematischen Unterrichtes zur Befriedigung der Erwartungen 



820 Mathematik. 

über Fortschritte 4er Lernenden «ehr viel beitragea, prektisehe 
Fertigkeit im Rechnen Tergchaffen und die Lehrsätse auf die man- 
nigfach in einander verflcichtenen Gegenstände des bürgerlichen 
Lebens anwenden lehren, unterliegt keinem Zweifei. Sie ge- 
währen aber noch den Vortheit , aus ihnen , wenn sie systematisch 
und logisch geordnet sind, einen consequenten Aufbau der theo- 
retischen Gesetze möglich und zugleich mit der Theorie vertraut 
zu machen. Der geübte Lehrer kommt nicht in Verlegenheit, den 
vorgetragenen Lehren solche Uebungen folgen zu lassen und mit 
gehöriger Aufmerksamkeit auszuwählen. Der Verf. lässt jeder 
Rechnungsart solche Fragen vorangehen , welche sich auf die Lehr- 
sätze (Jedoch auch auf die Eigenthümlichkeiten und Begriffsbe« 
Stimmungen der einzelnen Operationen) und auf das praktische 
Verfahren für die Ausrechnung selbst beziehen nnd dazu dienen, 
die Schüler zum Wiedergeben des Erlernten mit eigenen Worten 
und zum Aneignen einer CJebersicht vom Einzelnen sowohl als 
vom Ganzen zu veranlassen. Das Erscheinen dieser Uebungen in 
der 3. Aufl. deutet auf ihre theoretische und praktische Zweck- 
mässigkeit hin, ohne jedoch überzeugt zu sein, dass sie der Theo- 
rie und Praxis gleich gut entsprechen. 

Rec. glaubt, dass fiir solche Uebungen zwei Hanptgesichta- 
puiikte. Einmal eine systematische Anordnung derselben nach den 
streng sich begründenden Disciplinen , das Anderemal eine zweck- 
mässige Auswahl der Uebungen aus dem Gebiete der das prakti- 
sche Leben beherrschenden wissenschaftlichen Zweige. Die 
Frage, ob diese Aufgaben mit oder ohne besondere Anleitung der 
Auflösungen den grösseren Nutzen gewähren , entscheidet der Vf. 
schnell mit der Bemerkung, dass jeiie den Schülern denjenigen 
Nutzen nicht gewährten ohne Auflösungen ; es sei in die Augen 
fallend und durch die Erfahrung bestätigt , dass sie nur mit gehö- 
rig erläuterten Auflösungen nützlich wären. Ge^en diese Ansicht 
erklärt sich Rec. aus pädagogischen und wissenschaftlichen , ans 
praktischen und wirthschaftlichen Rücksichten. Die Aufgaben 
sollen zur Uebung dienen, das Denken wecken und schärfen, die 
Aufmerksamkeit beleben und fördern, den Scharfsinn anregen und 
erkräftigen, die Consequenz im Denken, Urtheilen und Schliessen 
der. Jugend zur andern Natur machen und den Fleiss zweckmässig 
. anspornen uiid lebendig erhalten ; sie sollen dem systematischen 
Unterrichte zu Hülfe kommen und die Gesetze aus ihnen ableiten 
helfen, können also nur seibstständige Behandlung erfordern. 
Giebt man dem Schüler die Anleitung zur Auflösung in die Hand, 
80 arbeitet er sie mechanisch nach, denkt wenig dabei, ist in den 
wenigsten Fällen thätig und zieht hieraus nur geringen Nutzen. 
Den Verf. kann nur eine irrige Ansicht von der Sache oder ge- 
whinsüchtiges Bestreben verleiten, die Meinung zu bethätigen, 
solche erläuterte Auflösungen seien unentbehrlich für öfi'entlichen. 
Privat- und Selbstunterricht. Noch mehr ist er im brtbume, das 



Schubert: Mathematische Uebungsaufgaben. 321 

FehIeD solcher Aufgraben mit erläuterten Auflösungen sowohl für 
einzelne Theile der Mathematik , als für verschiedene.Disciplinen 
derselben in ihrer gehörigen Reihenfolge als wahr anzunehmen. 
Möge er sich nur in der mathematischen Literatur umsehen , um 
Belege für seinen Irrthum daraus zu entnehmen. 

Er hielt es für räthlich, bei der Aufeinanderfolge der Rech- 
nungsarten kein Lehrbuch ausschliesslich zum Grunde zu legen, 
sondern nur eine möglichst mathematische Ordnung zu befolgen 
und den Aufgaben eine solche Form zu geben , dass er durch sie 
in den Auflösungen die vorzüglichsten Fälle jeder Rechnungsart 
kurz angeben könnte , um für den Lernenden die vorzüglichsten 
Sätze herauszuheben und es demselben leicht zu machen, die 
zwischen jenen liegenden zu merken und sich so des ganzen Zu-^ 
sammenhanges zu versichern. Dass für die Erreichung dieser 
Zwecke eine einfache und doch streng wissenschaftliche Anord- 
nung der Aufgaben eine absolute Bedingung ist, leuchtet sowohl 
dem Vf., als auch jedem Sachkenner völlig ein; dass aber jener die- 
sem Erfordernisse nicht entsprochen hat, geht aus dem unpar- 
theiischen Vergleiche dessen^ was der Verf. mittheilte, mit den 
Prlncipien des Veränderns , Vergleichens und Beziehens der Zah- 
len und mit den Forderungen , die einzelnen Disciplinen genetisch 
und consequent auseinander abzuleiten, deutlich hervor. Die In^ 
haltsanzeige der Bearbeitungen giebt hierfür die Grundlage an die 
Hand , weswegen sie kurz folgt. 

Nach der Einleitimg (S. 1—7.) über Mathematik, Theile, 
Aufgaben, Auflösen und Numeriren theilt der Verf. den StoflF in 
zwei Abschnitte; im ersten (S. 8 — 144.) handelt er durch Beant- 
wortung der in der 1. Abth. angegebenen Fragen und mittelst Auf- 
lösung der Aufgaben nebst Erläuterungen hierzu von den ganzen 
Zahlen nach den bekannten vier Species , von der Eintheilung der 
Zahlen und Folgerungen aus jenen, von denselben in fremden 
Zahlensystemen und von der Theilbarkeit der Zahlen , worauf er 
zu den gebrochenen Zahlen und deren Veränderungen übergeht, 
zuerst die gemeinen Brüche überhaupt, dann die Decimaibrüchf) 
nach den 4 Species entwickelt, hierauf wieder von den gemeinen 
Brüchen hinsichtlich ihrer Eintheilung und Umformung, ihres 
Aufhebens (wohl gewiss passender gesagt : ihres Reducirens) und 
Gieichnamigmachens nebst den 4 Species handelt. Dann folgen 
die Kettenbrüche, Verwandlungen der gemeinen in sie, in Deci- 
malbrüche und dieser in jene , die 4 Species in periodischen De- 
cimalbrüchen nebst gemeinen Brüchen. .Diesem wahrhaften €haos 
von Erörterungen folgen die Verhältnisse und Proportionen nach 
allen erforderlichen Beziehungen, selbst nach Getsetzen der Po- 
tenzen und Wurzeln, obgleich diese beiden Operationen als sol- 
che gar nicht betrachtet, sondern nur anmerkungsweise berührt sind 

Diese Disciplinen sollen gleichsam die Theorie der besonde«^ 
ren Zahlenlehre bilden, enthalten jedoch so viele Widersprüche 

(V. Jahrb. f, PhiL u. Päd, od. Krit. lixbl. Bd, L. Hft, 3. ' 21 



322 Mathematik. 

gegen da8 Wesen und die consequente Eniwickelung jener, dass 
man nicht erltenneu Itann, wie der Verf. behaupten mag, die vor- 
züglichsten Sätze herausgehoben und es den Lernenden Leiclit ge- 
maclit zu haben , des inneren Zusammenhanges sich zu versichern. 
Bedenict man^ dass die möglichen Veränderungsarten in ganzen 
Zahlen nur stückweise und die Gesetze der Brüche sehr chaotisch 
behandelt und überhaupt alle Disciplinen nicht durch einander be- 
gründet sind, so erhält man keinen haltbaren Grund für beson- 
dere Vorzüge. Die in den Noten hier und da eingeschobenen 
Angaben sollen einige neue Ansichten erhalten , bilden aber höch- 
stens bunte- Lappen auf alte Röcke , indem sie beweisen sollen, 
dass die Zahlenrechnung erst mit Zuziehung einiger Sätze der 
Buchstabenrechnung als ein Ganzes auftrete , weswegen er , ge- 
nöthigt von der Existenz, einige Beweise durch allgemeine Grössen 
gegeben habe. Hierin liegt ein Mangel an Kenntniss von der Be- 
deutung des Begriffes „Zahl^^ und eine irrige Ansicht vom Wesen 
der besonder^eu und allgemeinen Zahlenlehre 

Die Sammlang der Uebungen und Aufgaben sollte , nach der 
allgemeinen Einleitung in das mathematische Gebiet über Ent- 
stehung der Mathematik durch Betrachtungen an Grössen in Zeit 
und Raum, an Zahlen- und Raumgrössen , über Eintheilung u. s. 
w., unter besonderem Bezüge auf die besondere Zahlenlehre, 
welche der Verf. in diesem 1. Bande theoretisch und praktisch 
fördern will , zuerst das Bilden der Zahlen mittelst des Nenn- und 
Stellenwerthes , das Numeriren und die Zahlensysteme kurz be- 
trachten und alsdaun zu dem sechsfach modificirten Verändern der 
in ganze und gebrochene , einfache and zasammengesetzte , posi- 
tive und negative Zahlen eingetheilten Zahlengrössen übergehen, 
um aus den Betrachtungen an rein ganzen Zahlen in den verschie- 
denen Arten die Gesetze für die gemeinen und besondern Brüche, 
Decimal- und Kettenbrüche abzuleiten. Ein umfassendes und 
gründliches Durchführen der Gesichtspunkte für ganze Zahlen in 
Fragen und Uebungen verschaffte den Schülern oder Selbstler- 
nenden eine klare Uebersicht von Gesetzen und ihrem Zusammen- 
hange, lehrte die aus der Division hervorgehenden Brüche, die^ 
aus dem Potenziren und Radiciren sich ergebenden Potenz- und' 
Wurzelgrössen genau kennen und machte mit dem organischen 
Zusammenhange dieser Disciplinen innigst vertraut, weil die Fra- 
gen und Uebungen darnach eingerichtet sein und eben den innern 
Organismus veranschaulichen mussten. Ohne diese consequente 
Durchführung der Veränderungen an den verschiedenen Arten von 
Zahlengrössen ist kein erfolgreicher Unterricht zu erwarten und 
werden diejenigen Mängel und Gebrechen in der Arithmetik nicht 
beseitigt, welche für den Vortrag in pädagogischer und wissen- 
schaftlicher Hinsicht noch allgemeinere Ursachen zu Klagen und 
vielfach unerfreuliche Früchte zur Folge haben. 

Auf den Gesetzen des Veränderns beruhen die des Verglei- 



Schubert: Mathematische Uebungsaufgaben. 323 

chens der Zahlen in synthetischen] Sinne (dessen Hauptcharakler 
mit dem des analytischen Vergleichens als Grundlage alier Ver- 
ändernngsgesetze und als unbedingtes Erforderniss für die 6e* 
winnung letzterer in der Einleitung yoUständig dargelegt ist, um 
schon da eine klare Uebersicht yom Gebiete der Zahlenlehre zu 
erhalten). Die einfachen Gesetze desselben müssen dicf Fragen zum 
theoretischen Ganzen erheben und die Hebungen den Schülern die 
Gelegenheit darbieten, gleichsam aus der Praxis die einfache Giei- 
chungslehre zu entwickein und jene mit dieser während der Behand- 
lung der Gleichungen oder der zuihnenführenden Aufgaben zu ver- 
Tollständigen. Es handelt sich hier blos Ton dem synthetischen 
Vergleichen der Zahlen im einfachen Sinne zur Begründung des 
Beziehens der Zahlen mitteist Verhältnisse, Proportionen, Loga- 
rithmen und Progressionen, damit dieses in seiner ganzen Eleganz 
und Bestimmtheit entwickelt und zum klaren Bewusstsein gebracht 
werden kann, nicht aber abgerissen und unvollständig betrachtet 
wird , wie ziemlich allgemein geschieht. Dieser ganze Cyclus tod 
Entwickelungen findet einzig und allein an besonderen Zahlen 
statt, bedarf zur Allgemeinheit und Evidenz der allgemeinen Zah- 
len, Buchstaben, gar nicht und führt ebenso gut zu allgemein gül- 
tigen Gesetzen zur vollen Evidenz, als die Annahme von allge- 
meinen Zahlzeichen, wenn man jene in ihrer Allgemeinheit 
betrachtet und von dem irrigen Gedanken sich entfernt hält, durch 
die Zifferzeichen nicht ebenso gut allgemeine Entwickelungen be- 
thätigen zu können , als durch die Buchstabenzeichen , womit man 
bekanntlich das algebraische Unwesen treibt. 

Diese sogenannte Buchstabenrechnung will der Verfasser in 
gleicher Form , wie die Zifferrechnung in dem 1 , in einem 2. 
Bande behandeln , wobei eine solche Einrichtung getroffen werde, 
dass sowohl durch diese, als durch eine, wie ihm diinke, prakti- 
sche und leicht fassliche Einleitung in die allgemeine Grössenlehre 
und durch An Wendungen selbst der ersten Lehren die Darstellungen 
mit anderen beliebten Sammlungen allgemeiner Aufgaben sich par- 
allel stellen könnten« Hierüber kann Rec. noch kein Urtheil ab- 
geben, jedoch erlaubt er sich die Bemerkung, dass er von der 
Sammlung , wenn sie in ähnlichem Sinne wie die vorliegende ge- 
ordnet wird, für die pädagogisch-wissenschafiliche Seite sich keine 
grossen Vortheile verspricht. Im Interesse der Schule und Schü- 
ler, der Wissenschaft und des praktischen Lebens möge der Vf. 
daher die im Bilden, Verändern, Vergleichen und Beziehen zu 
entwickelnde Idee der Zahlenlehre vor Augen haben und verwirk- 
lichen, um manche mit Lob genannte Sammlungen zu ergänzen 
und zu übertreffen. 

In Bezug auf die Fragen und ihre Anordnung wäre auch ohne 
Beachtung des kurz berührten, vom Verf. und jedem unbefangenen 
Leser ruhig zu prüfenden Ideenganges viel zu erwähnen , wenn 
das Einzelne zur Sprache gebracht und der streng wissenschaftliche 



324 Mathematik. 

Blaassstab der Beartheilung angewendet werden sollte. Aliein 
Rec begnügt sich mit einigen Beispielen und überlässt es dem 
sachlcundigeii Leser, nach den berührten Gesichtspunkten die ein- 
zelnen Fragen und ihre Stellung zu prüfen. Die Mathematik be- 
schäftigt sich mit den in Zeit und Raum vorhandenen d. h. mit 
Zahl- und Raumgrössen, mithin ist die erste Frage: was ist eine 
Grösse (welche der Verf. erst unter der Ueberschrift „Von der 
Arithmetik^^ aufstellt, gleich als wenn nur in dieser Grössen vor- 
k&meu) und wie vielerlei sind die den Betrachtungen unterworfenen 
Grössen, woraus die Grössenlehre, Mathematik, au sich erwächst, 
der Gegenstand bezeichnet und ihre Eintheilung Tcranschau licht 
ist. Auf solche genetische Entwickelungen sieht der Verf. nir- 
gends, weswegen seinen Fragen und Antworten neben dem wissen- 
adaftlichen noch vorzüglich der pädagogische Werth abgeht. Jede 
Kahl ist entweder eine besondere oder allgemeine, mithin ist die 
Frage, was versteht man unter allgemeiner Grösseniehre, gana 
ungeeignet und die Antwort „die Veränderungen und Verwand- 
lungen der symbolisch dargestellten Mengen von Grössen^^ unver- 
ständlich und theilweise falsch, weil Linien, Winkel; Flächen und 
Körper ebenfalls Grössen, aber keine Mengen, keine Zahlen* 
grossen sind, wovon der Verf. hier nur sprechen kann. Die Menge 
gleichartiger Grössen (Zahlengrössen) wird durch ein Zeichen und 
nicht durch eine Zahl vorgestellt , letztere erwächst erst aus der 
mittelst des Zeichens dargestellten besonderen oder allgemeinen 
Menge von Dingen derselben Art, woraus folgt, dass der Verf. 
den Begriff „Zahl^^ zu eng nimmt, wobei noch zu bemerken ist, 
dass der Begriff „symbolische^ nicht erklärt und ebenso gut auf 
die Ziffern als allgemeine Zahlen anwendbar ist. Den Begriff 
„Grösse" erklärt er völlig falsch, weil er blos die Zahlen im Auge 
hat, die Ranmgrössen aber ganz übersieht. Die Ziffer hat an und 
für sich den Nennwerth, wozu der Stellenwerth kömmt, und hat 
w<Al schwerlich seine Entstehung aus dem Quadrate , wie der Vf. 
SU meinen scheint« 

Für die ganzen Zahlen sollte die erste Frage nach ihrem Bil- 
den sein , was man mit ihnen vornehmen könne; die Antwort deutet 
auf das Verandern , Vergleichen und Beziehen, führt zur Frage 
nach den Arten des Verändems u. s. w. Die Vermehrung cha* 
rakterisirt sidi nach einer dreifachen Modification, ebenso das 
Vermindern, woraus das Irrige der Ansicht des Verf. wegen vier 
Veränderungsarten sich ergiebt. Das Ausführen der formell an- 
gedeuteten Operationen heisst rechnen , wozu der Verf. das Po- 
tenziren und Radiciren nicht zu rechnen scheint, weil er blos von 
4 Species spricht Das Rechnen geht aus den reellen Operationen 
hervor, aber nicht umgekehrt, wie der Verf. durch seine Fragen 
annehmen will. Addiren heisst mdirere gegebene Zahlen nach 
und nach in eine Zahl vereinigen oder dieses Verfahren durch 
das Operatiottszeicben verbinden , weswegen der Vf. die formelle 



Schubert: Mathematische Uebungsaufgaben. 325 

Addition von der wirklichen , die formelle Summe von der reeMe« 
unterscheiden sollte. Ganz verfehlt ist es daher, die Frage nach 
dem Additions- und Gleichheitszeichen am Ende der Addition su stei* 
len, da erst mittelst des Zeichens das formelle oder reelle Re- 
sultat erscheint und dieses aus jenem mittelst der VergldchuDg 
hervorgeht. Der Grundsatz für die Addition heisst ^^^Gleiches zn 
Gleichem addirt giebt Gleiches, oder gleiche Summanden geben 
gleiche Summen.^^ Für jede andere Operation lassen sidi ahd^ 
liehe Verbesserungen berühren; manche Fragen enthalten das» 
selbe, z. B. für die Subtraction die 3, und 14., die 11. und 16. 
u. s. w. Nebstdem wird der Anfänger nicht in den Stand gesetzt^ 
eine grössere Zahl von einer kleinern zu subtrahiren und die Ver- 
änderung der Zeichen bei einem zu subtrahirenden Ausdrucke 
{einer zusammengesetzten Grösse) einzusehen, womit der ein- 
fache Beweis geliefert ist, dass es der Vf. weder mit der strengen 
Wissenschaftlichkeit imd Consequenz , noch mit der möglichsten 
Klarheit und Gründlichkeit sehr genau nimmt« 

Der Bruch ist nicht blos ein Theil, sondern auch mehrere 
Thcile des Ganzen, und fragt man vor seinen Grössen nach der Ent- 
stehung, um den Anfänger einfach zu veranschaulichen, wie der 
Dividend zum Zähler und der Divisor zum Nenner wird und jede 
formelle Division, jeder formelle Quotient ein Bruch ist, der Nen- 
ner sagt, in wie viel gleiche Theile das Ganze zu theilcn ist. Die 
Brüche sind entweder gemeine oder besondere ; zu letzteren ge- 
hören alle Brüche, welche besondere Nenner, gewöhnliche Po- 
tenzen derselben Zahl oder bestimmte Ganze und Quotienten haben. 
Gegen die Theorie geht das Verfahren, die Decimalbruche vor 
den allgemeinen Brüchen zu behandeln , da jene aus diesen ent- 
stehen und in mehreren Operationen aus ihnen begründet werden. 
Sollte die wissenschaftliche Behandlung der Bruchlehre beurtheilt 
werden , so würde zu viel Raum erforderlich sein , weswegen Rec. 
das Einzelne der Fragen und Antworten unberührt lasst. Die 
vielen eingeschobenen Noten enthalten wohl oft sehr weitläufige 
Erörterungen, aber weder Klares und Bestimmtes, noch Verständ- 
liches und Begründetes, da z. B. für die Subtraction allgemeiner 
Brüche dem Anfanger dunkel ist, warum er die Buchstabengrössen 
blos nebencuiander setzt und die beiden Zähler nach gleichen 
Nennern formell subtrahirt. Der Verf hat von einer formellen 
Subtraction nicht einmal das Nöthige gesagt und wendet sie doch 
an, was für den Anfangsunterricht keine Billigung verdienen kann. 
Noch mehr Bemerkungen lassen sich hinsichtlich der chaotischen 
Behandlungsweise der verschiedenen Brucharten machen, um das- 
jenige zu erzielen, was der Verf. durch Versprechungen beab- 
sichtigt, aber nicht verwirklicht. 

Verhältniss ist die Beziehung zweier Zahlen hinsichtlich ihrer 
Di£Pereuz oder ihres Quotienten und nicht die Vergleichung zweier 
gleichartiger Grössen, M^eil die Vergleichung selbst erst durch 



826 Mathemaük. 

die Beantwortung der lum Grande liegenden Fragen stattfindet; 
der Verf. verwechselt die Bexiehnng mit der Vergleichung. Für 
jedes arithmetische VerhSltniss vom Kleinen zum Grossen ist die 
Differenz negativ und f&r ein solches geometrische der Exponent 
ein wirklicher Bruch. Das Bild eines arithmetischen Verhält- 
nisses wird erst dann klar in a— (a+d) erkannt, wenn dargethan 
ist, woraus das 1. oder 2. Glied besteht. Zweckmassiger ergiebt 
sich dieses Bild, wenn man das 2. Glied ~ -a, die Differenz =:d, 
also das 1. Glied ^=a + d setzt und den Aasdruck (a + d) — a 
erhält. Aehnlich wird für das geometrische Verhaltniss, wenn 
das 2. Glied a, der Exponent =e, also das 1. Glied a.e, die 
Form ae : a das allgemeine Bild. Auch sind die Verhältnisse und 
Proportionen noch rationale und irrationale. Mit ihnen sollten die 
Progressionen verbunden, aber jenen und diesen die Vergleichnng 
der Zahlen , das Wesentlichste der synthetischen Gleichungen vor- 
ansgescliickt sein ^ weil die Beziehungen der Zahlen auf diesen 
beruhen, wie schon des Verf Erklärungen zu erkennen geben. 
Dann wäre sowohl consequeut als grundlich verfahren. 

Benannte Zahlen nennt der Verf. solche, deren Einheiten 
Dinge des gemeinen Lebens bezeichnen, statt zu sagen, welche den 
Mengen bestimmte Namen geben. Für ihre Veränderungen sind 
die Reductionszahlen za kennen nothig, mithin die Fragen nach 
diesen und ihre Erklärungen voran zu stellen. Jene unterliegen 
den früher entwickelten Gesetzen, konnten also kurz behandelt 
werden; des Verf Weitschweifigkeit in Fragen und Antworten 
ist daher nicht am rechten Orte ; vieles muss der gesunde Ver- 
stand thun , für welchen die sogenannte wälsche oder italienische 
Praktik mit den vielen Uebungsaufgaben, die verschiedenen Re- 
cepte für die einfache und zusammengesetzte Proportionsrechnun^ 
u. dergK nur einer kurzen Berührung bedürfen , um durchschaut 
9U werden. Besondere Umständlichkeit macht man mit den In- 
directen Verhältnissen, weil man nicht zu beachten scheint, dasa 
für jede solcher Aufgaben eine bestimmte Grösse vorhanden ist, 
au welcher zwei andere Verhältnissgrössen im Verhältnisse stehen, 
welche beiden Verhältnisse man in ihren Bruchformen ausdrückt ; 
diese beiden Brüche bilden das erste Verhältniss zu dem mit der 
bekannten und zu suchenden gebildeten 2. Verhältnisse. Z. B. 
Sechs Arbeiter liefern 50 Eilen in 7 Tagen , wann liefern diese 4 
Arbeiter 1 6 und 4 Arbeiter stehen zu den 50 Ellen im gemein- 
samen Verhältnisse, d. h. 50 1 6 =^ und 50 : 4=^ also ^-^'^ 

6 4 6 4 

42 
^7 : X oder 4 : 6 .^ 7 : x oder x= !!^=^ 10^ Tage. Mittelst die- 
ser Bruchformen ergiebt sich der indirecte Ansatz stets ganz ein- 
fach und leicht. Auf den bekannten Reesischen Satz legt der 
Verfasser das grosste Gewicht, weswegen er eine grosse Anzahl 



Birnbaum: Die astronomische Geographie. 327 

vou Uebungsaufgabeu darnach auflöst, welche dem Lernenden die 
Angaben nach und nach verständlichen. . 

Auch die Rabbatt-, gesellschaftliche Theil- und andere Rech- 
nungen, die Vermischungs- und Alligationsrechnung wird sorg- 
fältig gepflegt, um den praktischen Fällen nichts zu vergeben und 
dieselben nach ihrem ganzen Umfange zu behandeln. Die Anzahl 
der Aufgaben ist sehr gross, so dass der Anfönger durch sie eine 
gewisse Fertigkeit im Auflösen erhalten muss , welche Ihn in den 
Stand setzt , jeden Torkommenden Fall einfach und leicht erörtern 
zu können. 

Die Zweckmässigkeit der Auswahl von Aufgaben unterliegt 
ebenfalls manchen billigen Wünschen, welche sich auf die vor- 
züglicheren materiellen Zweige des öffentlichen Lebens beziehen, 
da diese nicht überall glelchmässig und nach Erfordernlss berück* 
sichtigt sind. Das Papier der 1. Abth. ist viel schöner und dauer- 
hafter als das der 2. Die Sprache selbst könnte sowohl bei den 
Antworten, als bei den Auflösungen und einzelnen nähern Erläu- 
terungen kürzer und genauer , klarer und bestimmter sein* 

Reuter. 



Die astronomische Geographie. Beiträge zur Methodik, 
richtigen Würdigang, Hebung und Sicherstellung der populären 
Uimmelskunde und mathematischen Geographie in Schule und Haus. 
£in kritischer Versuch von Dr. Heinrich Birnbaum, Oberlehrer. 
Braunschweig , Westermann. 1846. 223 S. gr. 8. 

Das, was der Herr Verfasser auf dem Titel angegeben, hat 
derselbe auf die grundlichste Welse durchgeführt. Sein Werk ist 
eine gediegene Arbeit, die jedwede Beachtung verdient und in die 
Hände aller derjenigen kommen sollte, die sich mit der mathema- 
tischen Geographie beschäftigen. Ich habe das Buch mit grosser 
Belehrung studirt und bin überzeugt, dass kein Leser dasselbe 
unbefriedigt aus den Händen legt. Hr. B. hat sich durch die Her- 
ausgabe seiner Schrift ein wahres Verdienst um die astronomische 
Geographie erworben und darin Gegenstände berührt, die eine 
recht sorgfältige Erörterung verdienen. 

In der Einleitung wird gesagt, dass in unserer Zeit ein 
immer grösser werdendes Interesse für das Studium der Natur- 
wissenschaften sich regt und dass namentlich durch DIesterweg's 
Wort und That die mathematische und astronomische Seite der 
Erdkunde den Schulen und dem Volke zugängllchei* geworden ist. 

Nr. I. des ersten Abschnittes zeigt in einer würdigen Sprache, 
dass schon das Kind im frühesten Alter bei der Entfattung seines 
Bewusstseins mit Staunen auf die Millionen Lichter am abend- • 
liehen Himmel blickt , dass seine Aufmerksamkeit dadurch lebhaft 
angeregt und dauernd gefesselt wird und dass hierdurch Gedanken 



S28 Physik. 

und Empfindungen in ihm sich r^en, die ohne Fragen nie vor- 
fibergehen können. Auch sagt hier der Verf., dass dem Erwach- 
senen jedes Alters und jedes Standes der Himmel eine unerschöpf- 
lich reiche Quelle des Denkens und Empfindens giebt, das« 
hierdurch sowohl dem Verstände als dem Herzen neue Gelegen- 
heiten zur Aufklärung, Erhebung und Veredlung dargeboten wer- 
den; und bemerkt am Schlut$se dieser Nummer, dass Dlesterweg's 
grösstes und erhabenstes Werk in seinem jetzigen Streben be- 
gründet sei, Schule und Haus^ Jung und Alt, Hoch und 
Niedrig, überhaupt Alle, dieGott anbeten können^ 
für den Himmel zu begeistern, d. h. das Wissen über 
die Erscheinungen und Ereignisse des Firmamentes 
zum Gemeingut aller denkenden und fühlenden M en- 
sehen zu machen. 

Mr. II. w^ist nach, dass das Einfuhren der Himmelskunde als 
Unterrichtszweig in Schulen dringend nöthig sei, dass man jedoch 
nicht zu viel geben dürfe und den für die Schule passenden und 
wunschenswerthen Lehrstoff der Astronomie mit der mathema- 
tischen Geographie zusammenfallen lassen müsse. Dies könnte 
auch, nach des Rec Meinung, unbedenklich geschehen, wenn die 
mathematische Geographie sich nur in den Händen solcher Män- 
ner befände , welche das Studium der Mathematik und Naturwis- 
senschaften zu ihrer Hauptsache gemacht. Wie oft wird aber noch 
die mathematische Geographie von Lehrern vorgetragen, welche 
sich in der Astronomie gar nicht umgesehen und selbst von der 
mathematischen Geographie kaum alle Thatsachen genau wissen. 
Der Schüler lernt hier auswendig, wie viele Meilen die Erde im 
Durchmesser hat, wie viele Meilen einen Grad ausmachen u. s. w., 
ohne auch nur die leiseste Andeutung der Gründe zu erhalten, 
ans denen diese Thatsachen abgeleitet worden sind. Auf solche 
Weise gelehrt muss aber die Astronomie eher Ueberdruss als Be- 
geisterung erregen. 

Nr. III. Wir erklären uns mit dem Hrn. Verf. darin vollkom- 
men einverstanden , dass von der Gesammtgeographie auf Schulen 
der mathematische Theil bisher immer der am wenigsten ange- 
nehme und mithin auch der am meisten vernachlässigte war. Auch 
billigen wir die in dieser Beziehung auf S. Ij. angegebenen Gründe 
und bemerken, dass in einigen uns bekannten Schulen die mathe- 
matische Geographie in Quarta vorgetragen und dann weiter nicht 
mehr beachtet worden ist. Dann ist es wohl natürlich , dass man 
in Prima die Fragen über Durchmesser, Umfang, Abplattung u. 
8. w. der Erde vergeblich thut! Das Urtheil, dass der von Berg- 
haus bearbeitete Grundriss der Geographie in 5 Büchern unsern 
jetzigen deutschen Schulen viel zu hoch liegt , ist vollkommen 
richtig; auch ist es begründet, dass C. v. Raum er in seinem 
Lehrbuche der allgemeinen Geographie das rein Mathematische 
mit mehr Sicherheit und Gründlichkeit hätte geben können. Dass 



Birnbaum : Die astronomische Geographie. 329 

MädleT^s Leitfaden der mathematischen und allgemeinen physi- 
schen Geographie kein Schulbuch und überhaupt nicht das ist, 
wofür es genommen sein wili^ beweist Hr. B. aufs Sorgfaltigste, 
obgleich er sonst flrn. Mädler alle Gerechtigkeit widerfahren 
lässt. Die nun folgenden Angaben mehrerer Werke > welche den 
Anforderungen der Schulen besser als die erstgenannten genügen^ 
hätten noch durch einige gehaltvolle Schriften vollständiger ge- 
macht werden können. 

Nr. IV. beantwortet die Frage: Worin gesteht das ei* 
gentliche Wesen der mathematischen Erdkunde, 
wenn sie den Bedürfnissen und Anforderungen der 
Schule und der Volksbildung genügen soll? dadurch, 
dass die mathematische Erdkunde auf Schulen unsere Erde. als 
ein Ganzes, als einen Weltkörper zu betrachten habe; dass hier 
die Erde zunächst für sich allein zu behandeln und folglich das 
Wesentlichste über ihre Gestalt, Grösse und Oberflächeneinthei- 
lung in Untersuchung zu bringen sei; dass dann später die Bezie- 
hungen der Erde zur Sonne, Mond und den andern Welten, also 
die Lehren von der Lage, Erleuchtung und den Bewegungen der 
Erde nachfolgen müssten. Auf diese Weise verwandelt sich, nach 
des Verf. Ansicht, die mathematische Geographie in eine populäre 
Astronomie, welcher er den neuen Namen: astronomische 
Geographie statt des alten: mathematische Geographie 
beilegt. Unserer Meinung nach kann aber der frühere Name ma- 
thematische Geographie immer fortbestehen, weil es nicht mög- 
lich ist , hier etwas ohne alle Mathematik (wenn dieselbe auch nur 
versteckt vorkommt) zu leisten. 

Nr. V. Die so wichtige Frage: Wann muss der Unterricht 
in der mathematischen Erdkunde gegeben werden? — oder: wel-* 
eher Platz ist demselben in der Reihenfolge der Gesammtgeogra- 
phie am passendsten anzuweisen? wird sehr richtig so beantwortet, 
dass der astronomischen Geographie am zweckraässigsten der spä- 
teste Platz des Gesammtunterrichts in der Erdkunde anzuweisen 
sei und dass ein solcher Unterriclit, wenn er wissenschaftlich bil- 
dend für den Geist der Jugend werden soll , der übrigen Erdkunde 
nicht untergeordnet, sondern übergeordnet werden müsse. Dies 
ist auch unsere Meinung, und wir niissbilligen ebenfalls den 
Grundsatz der meisten Geographen, nach welchen die mathemati- 
sche Geographie den Anfang der gesammten Erdkunde bilden soll. 
Wer einmal mathematische Geographie erfolgreich gelehrt und 
nicht blosse Daten und Zahlen gegeben, der wird sich überzeugt 
haben, dass erst in spätem Jahren der mathematisch -geographi- 
* sehe Unterricht begonnen werden muss« 

Nr. VI. Sehr ausführlich und gründlich wird hier die Frage 
erörtert: Wessen Händen kann der Unterricht in der 
astronomis c hcn Geographie auf Schulen am zweck- 
mässigsten anvertraut werden? Einem Fachlehrer der 



330 Physik. 

Geographie, so meint nämlich der Verf., welcher das Studium der 
Geographie mit Einschhiss aller dazu gehörigen Hülfswissenschaf- 
teo sich zur Hauptaufgabe fürs ganze Leben gestellt, und d«r 
sich namentlich zu diesem Zwecke einen gründlichen Fonds von 
mathematischen und physikalischen Kenntnissen zu eigen gemacht 
bat. Da es aber an solchen Fachlehrern an der Schule noch ganz* 
lieh fehlt, 80 räth Hr. Birnbaum, den mathematisch-geographischen 
Unterricht dem Lehrer. der Mathematik und Physik zu übergeben« 
Und dies ist auch unsere Meinung; hat sich doch dieselbe schon 
in so vielen Fallen als die richtige bewährt. Doch was (S. 49 f.) 
Tom Mathematiker gesagt wird , ist alizawahr und ein Punkt , der 
wohl beherzigt zu werden verdient. 

, Nr. VIL Mit der Frage: Wie muss ein Buch über 
astronomische Geographie abgefasst sein, damit es 
sich ebenso gut für den Schüler, wie für den Lehrer 
zum Handgebrauche eigne? beschäftigt sich hier der Hr. 
Verfasser sehr ausführlich und empfiehlt dabei Diesterweg^s 
Lehrbuch aufs Wärmste. Wir sind mit den hier dargelegten 
Ansichten im Allgemeinen einverstanden, glauben jedoch, dass ein 
wohl eingerichteter Grundriss in der Hand eines geschick- 
ten und für seinen Gegenstand begeisterten Lehrers Nutzen stiften 
kann , und dass es sehr zweckmässig sein würde , die Physik mit 
der astronomischen Geographie in demselben Buche zu vereinigen, 
wie dies von Vieth und Andern geschah. 

Nr. VIIL Hier werden neue Bedenken über die würdige 
Einführung der astronomischen Geographie in Schulen beseitigt, 
nnd es wird namentlich sehr richtig bemerkt, dass der Lehrer der 
Mathematik und Physik, ohne die geringste Vermehrung der 
Stunden- oder Lectionenzahl des einmal für gut befundenen Schul- 
pians, die Lection über astronomische Geographie mit in seinen 
physikalischen Unterricht hineinziehen kann. Dies wurde bei 
uns in Prima schon seit Jahren sb gemacht und geschieht, wenn 
ich mich nicht irre , auch an den Gymnasien in Zerbst und Rudoi- 
stadt, woselbst tüchtige Männer, die Oberlehrer Mette und Dr. 
Böttcher, den mathematischen und physikalischen Unterricht 
ertheiien. Die altern Schüler studiren hier mit Liebe die mathe- 
matische Geographie, wozu sie in Tertia durch den um den geo- 
graphischen and geschichtlichen Unterricht so hoch verdienten 
Conrcctor Brunn er den besten Grund gelegt. Sie sehen den 
Nutzen des Unterrichts ein und werden in ihrem künftigen Berufe 
als Lehrer des Volkes den jugendlichen Seelen die Grösse und 
Güte Gottes aus seinen Werken erklären. Der Aberglaube wird 
Immer mehr verschwinden und ein mildes Licht wird Gegenden 
erhellen , die leider noch jetzt tiefes Dunkel umgiebt. 

Nr. IX. Die wahrscheinlichen Ursachen der 
Schwierigkeiten, weiche dem Einführen und Ver- 
breiten der mathematischen Geographie und popu- 



Birnbaam: Die astronomische Geographie. 331 

läreii Astronomie in Schule und Haus entgegentre- 
ten, werden hier aufs Sorgfältigste angegeben. Der Verf. be- 
merkt auf S« 81. sehr treffend: ,,Man fürchtet, dass die 
Mathematik, welche sich heut zu. Tage schon viel 
mehr Beachtung errungen hat, als es ihren Gefähr- 
tinnen auf Schulen lieb sein mag — in Verbindung 
mit ihrem ganzen Familienanhange zu übermüthig 
werden und am Ende nach Oberherrschaft oder gar 
Alleinherrschaft streben könnte'^ u s. w., und bemerkt 
alsdann , dass Diesterweg den Grundsiatz: „Alles zu geben, was 
für Volksaufklärung zur richtigen Auffassung der täglichen und 
jährlichen Erscheinungen des Himmek, welche mit anbewaffneten 
Augen wahrgenommen werden, nothwendig ist^^ bei Abfassung 
seines astronomischen Werkes selten oder nie aus den Augen ver- 
loren hat. Ich erinnere mich dabei der sogenannten Kalender- 
stunde, welche der für die Welt allzufrüh verstorbene Director 
Hausmann in Zerbst den Schülerinnen der dasigen höhern 
Töchterschule ertheilte. Das war eine Stunde, welche Rec. einige 
Mal besuchte und die ihm nie aus dem Gedächtniss kommen wird. 
Ein Lehrer, im wahrsten Sinne des Wortes, lehrte mit Klarheit 
und Würde die astronomische Geographie. Die Schülerinnen 
nahmen ihm jedes Wort vom Munde und bemerkten sich das Wich- 
tigste in einem Hefte, das dem Drucke übergeben zu werden ver- 
dient. Die Töchterschule in Zerbst war weit berühmt und haupt- 
sächlich aus dem Grande, weil ihr würdiger Director seine Schü- 
lerinnen für den Himmel durch den Himmel zu bilden sich bemühte! 
Und welche Früchte haben seine Saaten bis heute getragen? Die 
besten und edelsten , welche von den Muttern auf die Kinder sich 
vererbten. 

Nr. X. Die Fragen: Wie kann die Benutzung des 
Fernrohrs auch der populären Erdkunde von Nutzen 
Bein? Und in wiefern sind überhaupt bei diesem' Un- 
terrichte auf Schulen noch Hülfsapparate wün- 
schenswerth und nothwendig? beantwortet der Hr. Verf. 
dahin, dass er die Benutzung des Fernrohrs nicht für nothwendig, 
wohl aber für wünschenswerth hält. Wir theilen nicht ganz diese 
Meinung nnd haben in der Praxis gefunden , dass die Erklärung 
mancher Erscheinungen am Himmel ohne ein Fernrohr durchaus 
unverständlich bleibt. Ebenso sind wir der Meinung , dass Him- 
melskugel, Planetarium, Tellurium, Lunarium und andere hiermit 
verwandten Lehrapparate zur astronomischen Geographie nicht 
blos zum Schlüsse eines in sich vollendeten Unterrichts , sondern 
schon früher gebraucht werden müssen. 

Der zweite Abschnitt umfasst die astronomische Geographie 
in einzelnen Theilen und zerfällt in mehrere Abtheilungen , die 
jetzt einzeln besprochen werden sollen. Nr. 1. Das Verhält- 
niss der Astrognosie zur astronomischen Geographie wird 



332 Physik. 

von Hrn. B. so migegeben, das» Astrognosie einen Thell der astro- 
nomischen Geographie ausmachen muss und zwar einen von gross- 
ter Wichtigkeit, da dieselbe zum gründlichen Entstehen und wis- 
senschaftlichen Gedeihen der letztern sogar unentbehrlich ist. 
Auch bemerkt der Verf. ganz richtig , dass ihr nicht dieser Noth- 
wendigkeit und Wichtigkeit wegen der erste Platz gebührt ; son- 
dern deswegeil, weil sie zu den gesammten Wohnungen des grossen 
Gebäudes aller Astronomie den Eingang, die Stützpunkte und 
Verbindungsweise abgiebt, weil nach einer naturgetreuen Metho- 
dik der astronomischen Geographie dies gar nicht anders denkbar 
ist u. s. w. Die auf S. 102. ausgesprochene Meinung, dass die 
astronomische Geographie kein Theil der Astronomie, sondern 
eine Art Astronomie sei , während sie von der Gesammtgeographie 
als Theil und zwar als der Theil sich zeige , worin die Erde nach 
ihrer Weitsteliung, nach ihrem kosmographischen Verhältnisse 
der Betrachtung unterworfen wird , ist ebenso klar als umfassend« 
Sie tnuss beherzigt werden, damit sie uns dafür bewahre, nicht zu 
viel und zu wenig vorzutragen. 

: Nr. IL Obgleich die astronomische Geographie ohne Astro- 
gnosie nicht bestehen kann und dieselbe namentlich jenem Unter- 
richte auf Schulen nicht entzogen werden darf, so geschieht^ nach 
des Vf. Meinung, dasselbe doch, und darin hat ervollkommen Recht. 
Die Gründe, weshalb ein solches Verfahren stattfindet, werden 
mit vielem Geschick entwickelt; auch ist das über Roon's: 
„Grundzüge der Erd-, Völker- und Staatenkunde^^ 
gefällte [Jrtheil als wohlbegriindet anzusehen. 

NjT. in Wie Recht hat der Verf., wenn er aqf S. 116. be- 
merkt , dass für die Schule die Nacht nicht passt, wenigstens nicht 
für die erste Unterweisung in der Fixsternkunde. Ausnahmsweise 
kann dies, jedoch nur mit einigen Schülern, geschehen , während 
eine festgesetzte Lehrstunde , mit mehrern Schülern abgehalten, 
gerade das Umgekehrte bewirken würde , was hier beabsichtigt 
wird. Der Lehrer hat schon beim hellen Tageslichte viel Auf- 
merksamkeit darauf zu verwenden , dass ihm nicht die kleinste 
Unart u. s. w. entgehe. Wie wollte er dies aber unter dem Ster- 
nenhimmel am Abend anstellen, da es nicht denkbar ist, dass sich 
alle Schiller schon in den ersten Stunden für die Sternenwelt so 
interessiren , dass jugendlicher Muthwille u. s. w. sich nicht stö- 
rend äussern sollte? Da aber nun die Astrognosie and überhaupt 
die astronomische oder mathematische Geographie auf Schulen am 
Tage in der ordnungsmässigen gewöhnlichen Schulzeit gegeben 
werden muss, so sind zunächst Sternkarten ebenso nothwendig, 
wie bei dem übrigen geographischen Unterricht Landkarten. Und 
Rec« bedauert es mit dem Hrn. Verf. , dass es bis jetzt noch an 
brauchbaren Sternkarten für den wirklichen Schulgebrauch fehlt. 

Nr. IV. Mit ganz besonderer Ausführlichkeit und Gründ- 
lichkeit behandelt unser Verf. hier folgende Fragen: Welches 



Birnbaam: Die astronomische Geographie. 333 

sind äie Quellen, aus denen das Bessere für den Un- 
terricht in derAstrognosie mitZuv ersieht g^eschöpft 
werden kanni Worin besteht das Un zweckmässige 
vondem, was wir schon haben? Welche Vorschläge 
lassen sich machen und welche Wiinschesind in Be- 
treff des Neuen zu erfüllen? Die erste Frage wird mit 
vieler Umsicht auf Seite 121 — 127. beantwortet, und in Bezug 
auf die zweite müssen wir es leider zageben, dass die bis jetzt 
bekannt gewordenen Sternkarten den Bedürfnissen der Schule nur 
wenig genügen , dass alle diese Werke fast ohne Ausnahme mit 
einer solchen Fülle von Namen, Bachstaben und Zahlen, von Bil- 
dern, Kreisen, Grad-, Grenz- und Hülfslinien übersäet sind, dass 
es selbst den im Denken gereiften Erwachsenen noch schwer fällt, 
die Configurationen der Sterngrnppen herauszufinden und diesel- 
ben mit dem wirklichen Himmel in Vergleich zu bringen. Auch 
ist die getadelte Ueberfülle an Namen und Linien nicht der ein* 
zige Punkt der Unzweckmässigkeit der Sternkarten in Bezug auf 
den Schulunterricht; nein, es liegt auch darin, dass sie die Wirk- 
lichkeit nicht so ab))ilden , wie sie uns vor Augen steht. Hat man 
Dicht'auf allen diesen Karten das Licht in Finsterniss und Finster- 
nis8 in Licht verkehrt. Sieht man nicht den nächtlichen Himmel 
in weisser Finsterniss 7 während aus ihm die Sterne in schwarzem 
Lichte strahlen? Da man aber nun bei dem naturhistorischen 
Unterrichte auf Schulen so sorgfältig sich bemüht, der Jugend 
immer nur möglichst naturgetreue Abbildungen in die Hand zn 
geben , da man^ferner in den Abbildungen von unserer Erdober- 
fläche die Wirklichkeit so viel wie möglich zur lebendigen In- 
nern Anschauung zu bringen sucht, so ist es doch wohl natürlich, 
in der Abbildung/ des Himmels, welche der Schule vor Augen 
gestellt werden soll, ebenfalls der Natur getreu zn bleiben^ 
Man lasse daher auf Schulsternkartcn die Sterne weisse Licht- 
punkte auf dunkelm Grunde sein, indem auf diese Weise der 
Schüler die Hauptsache, d. h. die Sterne, auch als Hauptsache 
aus dem Dunkel der Karten hervorleuchten sieht. So unumwun- 
den der Hr. Verf. die Mängel der für den ersten Unterricht in 
der Sternkunde auf Schulen vorhandenen Karten zur Sprache 
bringt, ebenso bescheiden sind die Vorschläge, welche er zum 
vermeinten Verbessern ausspricht. Sie sollen dazu dienen , von 
Vielen geprüft und praktisch ansgeführt zu werden, damit einst 
das wahrhaft Bessere bei diesem Zweige des Unterrichts klar sich 
herausstelle. 

Sehr ansprechend ond belehrend ist die letzte Abthethmg 
des Baches (S. 151 — 223.)^ welche in 5 Nummern über die Un^ 
zttgänglichkeit und Unzweckmässigkeit der gebräuchlichsten söge* 
nannten Beweise für die Kugelgestalt der Erde, soweit dieselbe 
der mathematisdien Geographie auf Schulen angehören , sich verr 
bf eitet. Nr. I. enthält eui anregendes allgemeines Wort in Betreff 



334 Physik. 

der Beweise für die Kugelgestalt der Erde, und fuhrt den Leser 
▼orbereiteod zum richtigen Standpunkte bin. Nr. II. Ein Be- 
weis, dass die Erde eine kugelförmige Gestalt be- 
sitze, wird gewöhnlich auf folgende Weise'geführt. 
Wie kann die Erde wohl anders als kugelförmig rund sein, da sie 
▼on jedem freien Standpunkte aus gesehen uns nie anders als kreis- 
förmig rund begrenzt erscheint und da uns diese Begrenzung Im- 
mer grösser und grösser erscheint, je höher wir den Standpunkt 
der Beobachtung wählen 1 Dieser Beweis wird nun von dem Hm. 
Verf. aufs Sorgfältigste beleuchtet und seine Unhaltbarkeit aufs 
Entschiedenste dargethan. Wir müssen es zugeben , dass es kein 
Beweis im Sinne der Mathematik, wohl aber ein Mittel ist, sich 
die Kugelförmigkeit der Erde zu Tersinnlichen. Nr. III. Ein 
zweiter Beweis für die Kugelgestalt der Erde besteht 
darin , dass, wenn man sich zur See oder auf einer grossen freien 
Ebene der Erde entfernten hohen Gegenständen nähert, oder von 
nahen entfernt, man im ersten Falle anfangs blos ihre Spitzen sieht 
und dann nach und nach die mittleren und zuletzt die untern Theile 
davon zum Vorschein kommen — und im andern verschwinden dem 
beobachtenden Auge zuerst die untern, dann die mittlem und 
zuletzt die obersten Theile der hohen Gegenstände. — Dieser 
BjBweis unterliegt ebenfalls einer strengen Kritik und Hr. B. zeigt 
auf die scharfsinnigste Weise, dass die Ursache des Unsichtbar- 
werdens des untern Theiles eines über unsern Gesichtskreis hin- 
aussegelnden SchifiPes liegen könne: 1) in der kugelförmigen run- 
den Oberfläche der Erde , 2) in der unter das Minimum der Wahr- 
nehmbarkeit gesteigerten Verkleinerung des Sehwinkels, l■^) In der 
terripstrischen Refraction, 4) in dem Wellenschlage der ruhig ge- 
henden See. Da nun jede dieser einzeln betrachteten Ursachen 
allein genommen das Phänomen erzeagen kann, und da ferner auch 
je zwei , oder je drei oder alle vier in gegenseitiger Unterstützung 
die genannte E2rscheinung zu bewirken' vermögen, so entstehen 
schon 15 einzelne Möglichkeiten — und wenn sie alle auch gleiche 
Ansprüche auf Wahrscheinlichkeit hätten, so würde auf jeden 
Fall nur ^^ der Gewissheit kommen. Für den ersten Fall ist aber 
diese Gewissheit noch geringer, und es folgt hieraus, dass auch 
diese zweite Beweisart für die Kugelförmigkeit der Erde als eine 
höchst schwache sich zeigt. Nr. IV. Ein dritter Beweis 
für die kugelförmige Gestalt der Erde wird daraus ab- 
geleitet, dass unser Wohnort schon oft umschifft worden ist. Der 
Verf. folgert aus diesem Beweise nichts anderes, als dass die Erde 
ein Körper sei, der ganz ohne Stütze frei im Weltall schwebt, so 
dass seine Oberfläche überall von Menschen zu passiren sei. Er 
giebt hierauf Rathschläge, wie durch die im Beweise verschwie- 
gene Voraussetzung derselbe an überzeugender Kraft bedeutend 
gewinnt. Diesen Rathschlagen wird jeder unbefangene Leser sei- 
nen Beifall nicht versagen. Nr. V. Ein vierter Beweis für 



Spiess: Ucbungsbuch. 335 

die K Hgelgestalt der Erd e wird so gefiihrt, dass bei Mond- 
finsternissen der Erdschatten ^~ die Silhouette der Erde auf der 
Vollmoudscbeibe — immer rund sich zeigt. Dass dieser Beweis 
ebenso wie seine Vorgänger unzugänglich, unpassend und unrich- 
tig sei , zeigt der Hr Verf. aufs Klarste und verkennt dabei nicht 
das Gute, dass er den Blick von der Erde hinweg zum Hirainel 
empor lenkt. Auch bemerkt Hr. B. zum Schlüsse, dass. es den 
mathematischen Geographien und Astronomien für Mathematiker 
und Astronomen von Fach durchaus nicht an gründlichen Beweisen 
für die kugelförmige Gestalt der Erde fehle und dass mehrere 
davon sich ohne grosse Mühe und ohne starken Abbruch an wis- 
senschaftlicher Strenge auch für die Schule bearbeiten lassen. 

Möge der verehrte Hr. Verf. aus dieser Beurtheilang ersehen, 
wie aufmerksam wir sein Werk durchgesehen, und möge dasselbe 
diejenige Anerkennung finden, welche es im vollsten Maasse ver- 
dient. Druck und Papier sind recht gut. Gf6/z. 



Schul- und Uniyersitätsnachrichten^ Beförderungen 
und Ehrenbezeigungen. 



Bayern. [Fortsetzang des im vor. Heft abgebrochenen Berichts.] 
Das Gymnasium und die lateinische Schule in Maennerstadt soll dem 
Augustiner- Orden übergeben werden, und deswegen sucht man die welt- 
lichen Lehrer allmälig durch Versetzung zu entfernen und Ordens'mit- 
glieder an deren Stelle zu setzen. Im Schuljahr 1845 lehrten im Gym- 
nasium noch vier weltliche Classenlehrer , der Prof. Dr. Konr, Wüh, 
Kohler, Prof. Dr. Jos» Gutenäcker, Studien lehr er Alois Leitschuh und 
Studienlehrer Dr. Mich. Fertig, und nur die Lehrämter für Mathematik 
und Geographie und für Religion waren in den Händen der Patres Con- 
stant, Faulhaber und Friedr. Wester, In der lateinischen Schule aber 
waren zwar die drei obersten Studienli'.hrerstellen bereits an die Patres 
AU Braun , Alex, Schöppner und Prosper Merkle , so wie der Religions- 
unterricht an den Pater Lettau übertragen, aber Lehrer der untersten 
Classe war noch der weltliche Studienlehrer Kasp, Jos, Mauter. Aber 
im Studienjahr 1846 wurde der Lehier Leitschuh an die latein. Schule in 
Bamberg , der Dr. Fertig in die Professur der ersten Gymnasialclasse zu 
Passau and der Lehrer MaiUer nach Amberg versetzt , und in Leitschuh's 
Stelle rückte von der latein. Schule der Conventual Pater Braun, sowie 
an der latein. Schule der Pater Possidrus Niki eintrat. Ueber Fertig'» 
und Mauter's Stellen war, da sie beide erst am Schluss des Schuljahres 
weggingen , noch nicht verfugt. Die beiden Jahresprogramme enthalten 
eine sehr gelungene und interessante Abhandlung: Cajus SoUius ApolH- 



336 Schul- und Universitätsnachrichten, 

narU Sidoniua und seine Zeit, nach seinen Werken dargestellt von Dr. 
Mich. Fertig [Erste Äbth. 1845. 34 S. Zweite Abth. 1846. 48 S. gr. 4J. 
Es ist dies eine Lebensbeschreibung dieses kirchlichen Schriftstellers des 
5. Jahrhunderts, den unsere Literaturhistoriker immer Sidoniua j4polti'' 
narw nennen, obgleich er sich selbst immer nur einfach Sollius oder Sir- 
donius nennt. Sie ist mit fleissiger und sorgfältiger Forschung aus dessen 
Schriften, den 150 Briefen und 24 Gedichten, geschöpft, und weil Si- 
donius in den Ereignissen jener Zeit eine politische Rolle spielte und 
seine Schriften vielfache Aufschlüsse über die damaligen Zustände dar- 
bieten , zugleich mit der Darstellung wichtiger Zeitereignisse und Zeit- 
^rhältnisse durchweht, sowie durch eine ansehnliche Zahl treu Ober- 
st "er Stucke aus dessen Schriften erweitert , so dass sie neben dem 
Leben auch den schriftstellerischen Charakter (vorläufig nur nach dem 
materiellen Inhalt der Schriften) klar macht und auch für die allgemeine 
Gel^chichte jener Zeit schöne Mittheilungen enthält. Durch die einge- 
webten Uebersetzungen und Auszüge und durch Ergänzung der Nachrichten 
aus den Schriften des Salvianus, Idatius, Marcellinus u. A. ist die Dar- 
stellung freilich breit geworden, aber durch den interessanten Inhalt und 
eine gewandte Ausdrucksform gehoben, und namentlich sind die einge- 
webten metrischen Uebersetzungen von einer Anzahl Gedichten des Si- 
donius in wahrhaft gelungenen und schönen Nachbildungen mitgetheilt. 
Die Darstellung beginnt mit der Abstammung und Geburtszeit des Sido- 
nius [geb. in Lyon am 5, Nov. 430 (?) } und mit der Jugenderziehung 
desselben, schildert dann, wie er Eidam des Kaisers Avitus wurde 
and nach dessen Ermordung im J. 456 erst als Anhänger der gallisch- 
gothischen Partei an der Auflehnung Lyons gegen den neuen Kaiser 
Majorianus theiinahm, aber nach Lyons Fall von diesem begnadigt durch 
einen Panegyrikus auf denselben sich dessen Gunst erwarb , auch sich 
von dem Verdachte eines Pasquilles auf den Kaiser reinigte , bei einem 
Gastmahl des Kaisers mit drei andern Dichtern (Lampridius, Domnulus 
und Severianus) einen poetischen Wettstreit bestand, nach des Mojoria- 
nus Tode erst auf seinem Landgute Avitäcum in der Nähe der Averner- 
ner-Stadt lebte, dann nach Rom ging upd durch einen auf den Kaiser 
Anthemius gemachten Panegyrikus (im J; 468) die Praefectura Urbis er- 
langte , freilich auch dort die Vernrtheilung seines Freundes Arvandus 
dulden musste , um 471 nach Gallien zurückkehrte und dort die Bedrnk- 
knngen des Präfecten Seronatns mit aushielt, dann unter dem Kaiser 
Nepos als Laie von den Avernern zum Bischof gewählt seine Amtsbrüder 
um Trost, Belehrung und Brmnthigung ansprach , bald nachher aber durch 
den Kampf, in welchen die Avemer von den Westgothen bezwungen 
wurden, und durch den daraus erwachsenden Druck des Arianismus als 
Verbannter nach dem -Schlosse Livin gehen musste, dort den Apollonlns 
von Thyana übersetzte, durch Vermittelung des gothischen Staatssecre- 
tairs Leo sein Bisthum bei den Avernem wiedererhielt und hier die 
drückende Hungersnoth mit aushielt, welche nach den Drangsalen des 
Kriegs ganz Burgund heimsuchte« In diese Schilderung der Lebensver- 
hältnisse des Sidonius sind zahlreiche geschichtliche Erörterungen allge- 



BefSrdeningen nnd Ehrenbezeigungen. 337 

meinen Inhalts eingewebt, die sich wiederholt in aasfuhrliche Excarse 
erweitern , z. B. über das Volksleben unter römischer Herrschaft in Gal- 
lien, ober das Privatleben, fiber die Völkerwanderung, d. h^ über das, 
was Sidonias von den Hunnen, Franken, Burgunden, Saxeh und West- 
gothen erzählt , über die Germanen und Romer in ihrem Beisammenleben 
und wechselseitigen Verkehr, über das staatliche Verhältniss Roms zu 
den Deutschen und dieser untereinander , . über den Kampf der Averner 
mit den Westgothen nnd des Arianismus mit dem Katholicisraus , über 
Apollonius von Thyana und über das kirchliche Leben jener Zeit (Ver- 
breitung des Christenthums in Gallien, Pciesterwahl, Bischöfe Und Prl<!«^ 
eter, kirchliche Bauien, Baptisterien und Basiliken, goitesdienf' ^^je 
Gebräuche, Leichenbestattung, Gottesäcker und Monchthnm), Da 'der 
Verf. über alle diese Dinge die Schriften des Sidonius mit grosser Sorg- 
falt nnd Genauigkeit ausgebeutet und überhaupt alles für die Geschichte 
Bedeutsame ausgehoben nnd überschaulich geordnet hat: so bieten seine 
Abhandlungen ausser dem Reichthume und der Vielseitigkeit des Inhaltes 
auch ein sehr yollständiges Bild von dem geschichtlichen Stoffe und 
'Werthe jener Schriften und ersparen das eigene Lesen derselben. — 
Die unter dem Rector Strobel stehende Studienanstalt in Neüburg hat 
im Gymnasium die Professoren Mang, Lechner ^ Cleska Und Kaiser zu 
Classenlehrern , den Prof. Sckeidler zum Lehrpr der Mathematik und Geo- 
graphie und den Stadtpfarrer Attfsohläger zum Religionslehrer. In der 
latein. Schule ward von den Studienlehrern des Jahres 1845, Dr. Fuchs^ 
Heumann, Krangfelder und Zöüner, zu Anfenge des Studienjahres 1846 
der Dr. Fuehs nach Straubing versetzt und es trat nach erfolgtem 
Aufrücken der übrigen Lehrer der Candidat Ratzinger als Lehrer für I. 
ein. Das mit der Anstalt verbundene Erziehungsinstitut, das in den bei- 
den Jahren 93 und 102 Zöglinge hatte, steht ebenfalls unter StroBeVs 
Directorat und Präfecten sind Eberl, Maier nnd Strassma^, Die im 
Pf ogr. von 1845 enthaltene und von dem Professor Kaiser, geschriebene 
Abhandlung über die menschliehe Seele bekämpft die Richtung der neuern 
Philosophie, dass alle Triebe und Neigungen, welche in der menschli- 
chen Seele zur Entwickelung kommen , eben darum , weil sie ihr natür- 
lich sind, ihrem Wesen nach gut seien, und vertheidigt die katholisch- 
dogmadsche Ansicht, dass in den Begierden und Leidenschaften der 
Seele die vornehmste Quelle des menschlichen Unglücks Hege und deren 
Bekämpfung und möglichste Bewältigung fiberall nothig sei. Die Ansicht^ 
von der sogenannten Natürlichkeit der Triebe nnd Neigungen sei durch- 
aus nicht geeignet y die Willenskraft zur Selbstbeherrschung und MSssi- 
gung zu erhöhen und die Sittlichkeit zu befördern, und die specUlstive 
Pliil«80phie sei durch das Ablassen vom positiven Grunde der ehristüchen 
Lehre zu einem Spiel subjectiver Meinungen geworden. Während die 
menschliche Seele selbst das fühle, was von der Offenbarung bestätigt 
werde, nämlich eine ewige ausserweltliche Urkraft als Alleinigesund Un- 
beschränktes , und in dieser Ueberzengung durch die heilige Kraft des 
Glaubens geschützt sei : so unterscheide der NaturaKsmus und Pantheis-' 
mus dar Geistige nnd Materielle nicht streng genug, sondern fasse beides 
19. Jahrb. f. Phil, ti. Paed. od. Krit. itibl. Bd. L. Hft, 3. 22 



338 Sohol- und Universitätflnachriehten, 

in einen Begriff zusammen, und nehme eben deshalb in der Seele des 
Menschen kein Verderbniss an , finde in der Sande nichts weiter als eia 
Uebergewicht der niedern Seelenkräfte über die hohem , erkläre also dea 
Ursprung des Bösen auf psychologischem Wege und unterscheide nicht 
gehörig die bewusstlose Kraft von der bewusstvollen. Alle Fragen ober 
Störung der geistigen Kraft durch Unordnung und Einseitigkeit und ober 
die Herrschaft der Sinnlichkeit, und der niedern Vermögen vor den höhe» 
reo und der Vernunft dürften nur auf dem Grunde der Anerkennung eines 
verderbten Seelenzustandes erörtert werden, und darum hatten schon 
denkeriOQ Griechen und Römer, wie Plato, Plutarch, Cicero und Senecay 
dc' üt.?.!0£;rnclen Grund des BÖsen erkannt, und das katholische Dogma 
[ai;'«' :nll Kecht, die Creatur setze sich, in sich selbst und gegen Gott 
und ergebe «ich nicht Gott als ihrem Grunde, Endzwecke und absoluten 
Herrscher: es sei also das Böse als Position in sich und als Opposition 
gegen Gott offenbar positiv, und in den Folgen negativ. Nach diesen 
Voraussetzungen also fahrt der Verf. die ganze Erörterung der Seelen- 
vermögen auf das Dogma von der Erbsünde zurück , und giebt eine Er- 
klärung derselben , welche sich ganz an Kler'a kathol. Dogmatik anlehnt«. 
Im Programm von 1846 hat der Prof. Mang eine interessante Abhandlung 
über Vindelicien , Rätien und Norkum zur Zieit der Völkerwanderung^ her- 
ausgegeben und darin nach vorausgeschickter Nach Weisung der Wohn- 
plätze der Aiemanen, Burgundionen und luthungen die Geschichte dieser 
Gegenden von den Zeiten Valentinians I. und Valens an bis zum Hervor- 
treten der Bayern in Vindelicien übersichtlich dargestellt. Im Wesent* 
liehen giebt diese Uebersicht nur eine Zusammenstellang der bekannten 
geschichtlichen Ereignisse aus jener Zeit der Völkerbewegung, wobeL 
nur überall die Volksstämme hervorgehoben sind, welche Vindelicien, 
Rätien und Noricum durchzogen oder sich darin auf kürzere oder längere 
Zeit festsetzten. Nur in Bezug auf die Bayern trägt der Verf. eine' 
eigene Ansicht vor, gelangt aber zu derselben erst im letzten Abschnitte, 
wo er von den Kämpfen der Byzantiner mit den Ostgothen unter Theo- 
dat spricht. Theodat hatte die Franken zu Hülfe gerufen , welche seit 
dem 6. Jahrb. weit über Alemanien und Rätien in das westliche Illyricam 
hineingriffen und wohl auch begierig waren, die Stadt und den Bischofs- 
stnhl Tiburnia ihren Eroberungen beizufügen. Ob damals die in Vin- 
delicien sitzenden Bayern sich freiwillig an die Franken anschlössen und 
ob sie schon früh ein einziges geschlossenes Volk waren oder ' aus einem 
Gemengsei von Völkertrümmern hervorgingen, 'das wird aus der Darstel- 
lung nicht ganz klar. Doch scheint das Letztere angenommen zu sein : 
denn der Verf. behauptet, die Benennung Bayern statt luthungen und 
Sneven habe keine unerklärliche Schwierigkeit, und eine Wessobrunner 
Handschrift deute an , dass das Volk sich einen neuen Namen gegeben 
habe. In letzter Instanz komme man mittelst der lateinischen Namen 
stets wieder auf die Boji zurück ; allein die Ansicht von der bojischen 
Abkunft der Bayern sei in ihrer Grundlage erschüttert. Einwanderung 
habe stattgefunden und selbst Aventinus lasse seine Bojer aus dem Na- 
riskerlande kommen. Noricum könne nur eine spätere Erwerbung der 



Beförderungen und Ehrenbezeigungen, 339 

Bayern sein. Bei der Ausbreitang der fränkischen Macht wahrend der 
Umwälzungen in Italien seien die Bayern frühzeitig mit jener in Ver- 
~ bindung gewesen, wofür Tbeodebert's Brief ein gältiges Zengniss ablege. 
— An der latein. Schule zu Neustadt anderAisch, welche wie alle 
lateinischen Schulen der Rheinprovinz hauptsächlich als Realschule dient, 
sind noch dieselben Lehrer thätig, welche sich im Jahre 1844 [s. NJbb. 
44. 97.] daselbst befanden. Die lateinische Schule zu Neustadt an 
der Haardt, mit welcher ein landwirthschaftlicher und gewerblicher 
Realcnirsas verbunden ist , hat den Subrector Brückner und die Studien- 
lehrer Streuber und Besser zu Classenlehrem und als Fachlehrer Magely 
Weisdtecker, 2jeidler und Schäfer. — An der latein. Schule in Nörd- 
LIN6EN ist der Subrector Hirschmann Classenlehrer für IV. und III. und 
protestantischer Religionslehrer, Lang und Laible Classenlehrer für II. 
und I., die Stadtpfarrer Lehrer für den Religionsunterricht, Dauer für 
Zeichnen, Glauning für Gesang. — Ueber das Gymnasium und die la- 
teinische Schule in Nürnberg kann .Ref. seine Mittheilungen nur nach 
dem Jahresberichte von 1845 machen , weil ihm der des Jahres 1846 nicht 
zu Gebote steht. Im Gymnasium waren dieselben Lehrer wie 1844 [s. 
NJbb. 44. 97.] und auch in der latein. Schule waren noch Dr. Endler, 
Dr. Hopf und Meyer Classenlehrer für IV^-II. , aber Aushülfslehrer für 
IV. war Pfaff und in den drei Abtheilungen der Cl. I. unterrichteten Dr. 
fFölfel, Hoffmanii und Wüd. Das Programm für 1845 von Prof. Rech- 
nagel besteht in der Fortsetzung der näheren Prüfung der einzelnen hy- 
pothetischen Grundformen , wovon im Jahre 1843 und 1844 die zwei ersten 
Abschnitte geliefert worden sind. Der vorliegende 3. Abschn. behandelt 
in vier besonderen Arten die in der Form der Wirklichkeit auftretenden 
hypothetischen Sätze. Alle hypoth. Aussagen enthalten ihrem Wesen 
nach etwas Angenommenes, vom Subjecte Gesetztes, also nichts objectiv 
Wirkliches, tragen also alle den Charakter der Subjectivität an sich; 
allein der grossere oder geringere Grad von Bestimmtheit wirkt auf die 
sprachliche Form zurück und wo die Aussage einfach hingestellt wird, 
als unter dieser oder jener Bedingung wirklich also bestimmt geltend, ^ 
da tritt in allen Sprachen der Indicativ als Modus der Wirklichkeit, Be- 
stimmtheit ein und ist das Zeitverhältniss gleichgültig. Auch die impe- 
rativisch gestaltete hypothetische Aussage rechnet der Verf. hierher , in 
so fern der Imperativ zwar nicht eine existirende, aber doch geforderte 
Wirklichkeit ausdrücke. Die Form sei nicht etwas Willkürliches , son- 
dern der adäquate Ausdruck des Inhaltes: es seien grosstentheils allge- 
meine Wahrheiten, welche auf bestimmten, durch Beobachtung, Erfah- 
rung oder Reflexion gewonnenen Ueberzeugungen beruhen und die Sache 
als unter gewissen Bedingungen unfehlbar eintretend erscheinen lassen; 
man fühle dabei das Interesse des Sprechenden , in der Form der Be- 
stimmtheit zu reden ; was man wünsche , drucke man gern in der Form 
der Wirklichkeit ans; immer liege die Wirklichkeit nahe für dasBewusst- 
sein , für die Ansicht oder Ueberzeugung des Sprechenden. Noch mehr 
gehorten die formell hypoth. und in concessiver Gestaltung auftretenden 
Sätze hierher, woraus sich das Unangemessene in so vielen Definitionen 

22* 



340 Schul- und Universitatsnachrichten, 

von jenen ergebe, viie dieses in Kühneres griech. Grammatik §, 815 der 
PaÜ sei , iwo es heisse : „die bedingte Aussage werde von dem Sprechen- 
den als ein Gewisses, Unbezweifeites , Wirkliches, als eine sichere Be- 
hauptung aufgestelltes ^^^ weder dem Wesen der Sache , 'noch der Form 
entspreche. Auch die Frageform lasse diese hypoth. Aussage zu. — Die 
zweite Art der zur objecti-v-hypothetischen Ausdrucksweise gehörigen 
Sätze bilden dem Verf. diejenigen, welche zwar'nidit die Form 'der un- 
mittelbar vorhandenen Wirklichkeit an sich' tragen , aber die der mög- 
lichen Wirklichkeit, der Verwirklichung, daher den Charakter des Pro- 
blematischen haben, was das im Vordersatze mit dem Relativ oder der 
Relativpartikel verbundene Sv (episch hV) ausdrucke, weswegen, diese 
Begriffe das Moment der zu erwartenden Entscheidung in sich trugen. 
1>er Conjunotiv trete hier ganz an seinem Orte auf, in seiner Eigenschaft 
als Modus des Nichtwirklichen , welches nicht gänzlich abgeschnitten sei 
von der Wirklichkeit , sondern bereits die Bewegung zur Wirklichkeit in 
sich trage, bereits mit deren Moment behaftet sei. Dieser Conjnnctiv 
stelle die Sache als blos gedachte, als allgemeine Sentenz hin und be- 
zeichne entweder allgemein-unbestimmte Fälle mit frequentativer Bedeo- 
tong oder concrete specielle für Hervorhebung der zu erwartenden E2nt- - 
Scheidung. Diese Ausdrucksweise sei im Griechischen sehr häufig, indem 
der Grieche eine grosse Zahl von Fällen hiernach ausdrucke , welche der 
Deutsche nach der vorigen Art gebe, wovon der Unterschied auf der ET!- 
genthnmiichkeit des antiken Standpunktes beruhe. Unmittelbar nnd_ zu- 
erst sehe der Mensch nur die ihm gegenüberstehende objectire Welt als 
das Wirkliche an , das in Raum und Zeit Präsente ; die innere Sphäre 
habe für ihn noch keine Realität. Erst der Fortschritt zu weiterer. gei- 
stiger Entwickelung lasse ihn auch die ideellen Existenzen , die allgemei- 
nen Wahrheiten n. s. w. für etwas Wirkliches und Wesentliches erkennen, 
so dass auch die logische Welt zu ihrem Rechte komme und sich ak.Re- 
< sultat geltend mache, daher dann jetzt die Form der Wirklichkeit ein- 
trete, statt der auf den einzelnen concreten Fall gerichteten nnr die 
Form der möglichen Wirklichkeit setzenden, antiken Ausdrucksweise. 
Die erste Haaptklasse der Fälle habe den vorwiegend objectiven, die 
zweite den subjectiven Charakter als Criterinm f&r ihre Satzformen und 
stelle die Sache als rein gedachte , zunächjst blos ideell existirende hin, 
ohne weitere Beziehung auf Wirklichkeit , bei Relativsätzen mit Sv da- 
gegen liege die Sache blos in der Erwartung, welche sich passiv ver- 
halte und die Entscheidung ganz und gar den Umständen und dem Zufalle 
anheimstelle , somit deutlicher Charakter der Objectivität. Jener eigen- 
thumlichen Auffassung der Grriecfaen begegne man überall ; bei Homer in 
dem bei Bildern und Gleichnissen gebräuchlichen Redemodus. Der antike 
Geist hafte an der concreten Realität, an der Vielheit der Erscheinungen, 
was seinen entschiedenen Reflex auch in der religiösen Auffassung des 
Alterthnms habe; hier zeige sich jene Unfähigkeit, das absolute Wesen 
getrennt von der concreten Ersoheioang zu fassen ^ jene Vielheit conoreter 
Gestaltungen der Griechen. Der Nachsatz entspreche jener Richtung 
auf Verwirklichung eatweder mit einem Futur oder mit einer den Futur- 



Beförderungen and Ehrenbezeigungen. 341 

begriff involyirenden AnsdracksweiAe , einem Imperativ, Sei eine An- 
nahme allgemeinen und unbestimmten Inhaltes, d. h. frequentativ, so lasse 
sie sich auch vom Standpunkte der Vergangenheit ausmachen , wobei av 
wegfalle und statt des Conjunctiv der Optativ eintrete, was man den 
Optativ der Wiederholung nenne. Mit dem Moment der erst zu er- 
wartenden Verwirklichung lasse man auch das Sv fallen , welches nur der 
besondere Exponent des implicite im Modus der Verwirklichung liegen* 
den Moments der Bedingtheit, Abhängigkeit von Umstanden, des Pro- 
blematischen überhaupt sei. Der Lateiner drucke jene Hypothese ent- 
weder durch den Conjunctiv, oder entsprechend dem dieser Art imma- 
nenten Charakter der Futurität, mit dem. einfachen Futur aus. Auch 
im Griechischen gebe es unzählige Fälle, wo ohne wesentliche Verändor 
rung für den Sinn entweder der Indic. Fut. oder Sv mit dem Conjunctiv 
möglich wäre , woraus sich das stete Hinuberspielen von einer Form in 
die andere in den verschiedenen Sprachen in sofern erkläre y als man das 
an sich Problematische Von dem in Zukunft zu erwartenden unter- 
seheide. — Der Deutsche bediene sich meistens einfach des Präs. Indic, 
was entweder in besonderen Verhältnissen oder in Gewohnheit der 
Sprache liege. — . Die 3. Art hypothetischer Satzformen lost sich von 
der rein objectiven Grundlage ab und tritt in das. rein ideelle Gebiet der 
Vorstellung über , womit sie wesentlich subjectiv wird. Hier schwindet 
nach des Verf> Ansicht im sprachlichen Ausdrucke die Beziehung auf die 
von der Zukunft zu erwartende Entscheidung und die Sache wird als 
eine rein nur im Kopfe des Sprechenden existirende ^ also mit entschieden 
subjectiver Färbung hingestellt, wofür der Modus allein der Optativ ist, 
der in dieser Funktion sich stets gleichbleibt, das rein in der ideellen 
-Sphäre des Subjects liegende auszudrücken und schon durch seine Fle- 
xionsformen mit den historischen Zeitformen in enger Verbindung er- 
scheinend nach den vielfachen Gebrauchsweisen als der Conjunctiv eben 
dieser historischen Zeitformen fassen lässt. Wie die Zeitverhältnisse viel- 
fach in die Modusverhältnisse überspielen , wie für das unmittelbare Be- 
wusstsein nur das präsent Wirkliche als das Reale gelte , wie die logische 
Möglichkeit (der Conjunctiv) und die moralische Nothwendigkeit (der ^ 
Imperativ) sich unter das Zeitverhältniss der Zukunft stellten , so läge 
es wohl nahe, das blos im Gedanken existirende^ ton der äussern Wirk- 
lichkeit Abgetrennte , auf das Zeitverhältniss der Vergangenheit zurück- 
zuführen ; denn was vergangen sei , sei eben dadurch aus dem Reiche der 
äusseren Wirklichkeit ausgeschlossen. Die Optativforn habe sich zum 
Ausdrucke des nicht unmittelbar in der Wirklichkeit Vorhandenen , son- 
dern nur Vorgestellten schlechthin , ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit 
und NichtWirklichkeit gesteigert, so dass also die Möglichkeit der Ver- 
wirklichung nicht unmittelbar ausgisschlossen sei. Halte man sich , ohne 
die Ansicht zu beachten , dass der Aorist seinem primitiven Wesen nach^ 
nicht unmittelbar den Präteritalcharakter trage, sondern dieser erst 
durch, das die Gegenwart der Handlung negirende Augment hinzugetreten 
sei , einfach an die Geltung , die Handlung als Funkt , somit als isolirt, 
getrennt von weiteren Beziehungen hinzusteUen , so ergebe sich in der 



342 Schul- and Dniversitatsnachricbten, 

Anwendung des Optativ Aoiisti und PrSsentis kein besonderer Unter- 
schied und verleihe der Aorist der Handlung nur den Charakter des Mo- 
montanen, Determinirten, Präcisen und Peremptorischen. — Ethische^ 
und rhetorische Motive erzeugten neben jenen Grundtypen gemischte 
Sprachweisen aller Art im Vorder- und Nachsätze, woför eigene Re- 
flexionen erforderlich seien. Auch könne im Nachsatze ein Umschlagen 
des dominirenden Redemodus in das einfache Tempus der erst zo erwar- 
tenden Verwirklichung, ins Futur. Indic. stattfinden, zumal wenn die 
Ueberzeugung von der Gewissheit der zu erwartenden Verwirklichung 
für das Bewusstsein des Sprechenden die bestimmtere Form des Indicativ 
vermittle, wovon sich Beispiele, besonders im Homer, allenthalben fan- 
den; manchmal behaupte die Partikel Sv (x^) ihre Stelle ^neben einem 
solchen Fut. Die berührte 3. Art hypoth. Satzformen diene auch zum 
Ausdrucke der sogenannten gemilderten Behauptung, der griechischen 
Feinheit und Urbanität. Die Form der Vorstellang und des unter Be- 
dingungen, Voraussetzungen u. dgl. vorstellungsweise Ausgesagten (Sv 
mit Opt.) erscheine ganz geeignet, im Gegensatze mit der direkt-katego- 
rischen Ausdrucksweise , der Rede die Färbung der Milderung , Beschei- 
denheit u. dergl. zu geben , was auch in neueren Sprachen stattfinde. 
Manchmal mildere man auch dadurch , dass man die Sache ins Fut. stelle, 
das noch Zukünftige. Diese Ausdrucksweise durch Sv mit Opt. könne 
auch in Nebensätzen der verschiedensten Art, in indirekten Fragesätzen 
tt. dgl. auftreten. In der lat.' Sprache übernehme die Funktion des Opt 
der Conj. Präs. oder Perf., häufig auch das Fut. Sie finde sieb auch 
auf die Vergangenheit übertragen , woraus der Potentialis jener hervor- 
gehe, wie der Verf. an vielen besonderen Beispielen veranschaulicht. 
Uebrigens fehle es an Anomalien nicht und gelte im Allgemeinen das Vor- 
walten des logischen Princips, welches von dem mächtigeren der snb- 
jectiven Einflüsse durchbrochen werde. — Habe sich in dieser 3. Art 
die Hypothetik in der Form der Vorstellung schlechthin ohne weitere Be- 
ziehung auf Wirklichkeit oder Nichtwirklicbkeit gezeigt , so erscheine in 
der 4. Art der Inhalt jener als von der Wirklichkeit, absolut abgeschnitten, 
sei aber die Annahme eine rein ideelle, in der Realität nicht begründete, 
so müsse auch die daraus abgeleitete Folgerung eine blos in der Vorstel- 
lung besfehende , der Realität entbehrende sein und demnach Vorder- und 
Nachsatz dieselbe Natur theilen , wofür die Sprachen sich der Tempora 
der Vergangenheit im IndiC' bedienten. Der Lateiner setze bei der Ge- 
genwart das Imperf. Conj., bei der Vergangenheit das Plusq. ; der Deut- 
sche habe eine Conditionalform. Vorder - und Nachsatz stimmen über- 
ein; Abweichungen begründete das Vorwalten 'des Ethischen. Es gebe 
viele Fälle , in welchen man den Opt. statt des Indic. finde , welche nach 
den berührten Verhältnissen zu beurtheilen seien ; oft sei eine Behauptung 
recht nachdrücklich, daher die Form der vermeinten Wirklichkeit za 
machen. Bei Fällen der Vergangenheit trete für den Charakter der 
Daner , des Habituellen n. dgl. statt des Aor. das Imperf. ein , wofür die 
deutsche Sprache kein besonderes Unterscheidungsmittel habe. Wegen 
des beschränkten Raumes giebt der Verf. über die verschiedenen Arten 



Beforderangen und Ehrenbezeigongeiu 343 

des Ausdrucks vermeinter Wirklichkeit im Deutschen zum Unterschiede 
von der antiken Ausdrucksweise nur kurze Andeutungen, welche die Falle 
betreffen, wo die Realität im Widerspruche dargestellt wird mit dem, 
was ihr als Nothwendigkeit oder Möglichkeit, als Sollen oder Können 
physischer oder moralischer Art gegenüber steht und wo die Präterital- 
form im Indic. auf die Negation der präsenten Wirklichkeit übertragen 
wird tt. dgl. Die Anordnung dieser 4 Hauptarten erkennt der Verf. als 
in der Natur der Sache begründet,' da er sie seit vielen Jahren beim Un- 
terricht angewendet und selbst bei massig befeihigteH Schülern fruchtbar 
gefunden habe. Als todten Schematismus hoff(i er sie nicht angesehen !|a 
finden; rein aprioristisches Verfahren sei auf diesem Gebiete ausge- 
schlossen. — An der Studienanstalt in Passau , mit welcher ein bischof- 
liches Knabenseminar von gegenwärtig 146 Zöglingen verbunden ist, leh- 
ren in der theologischen Section des Lyceoms der Prof. Brenner biblische 
Archäologie mit Geographie und Geschichte , Einleitung in das alte und 
neue Testament , bibl. Hermeneutik und Moraltheologie , Prof. Scharrer 
Kirchengeschichte und Kirchenrecht, Prof. Dr. Anzenberger Bncyclopä- 
die der theol. Wissenschaften, Dogmatik, Exegese und hebr. Sprache, 
der Regens des bischöfl. Klerikal-Seminars Dr. Sulzherger Pastoraltheo- 
logie, Homiletik, Katechetik und l«iturgik nebst Casuistik, und Dr. 
Schrodl dogmat. Repetitoria; in der philosoph. Section Prof. Amman 
Physik, Chemie, mathem. und phys. Geographie und ebene Trigonometrie, 
Prof. Winkelmann Algebra und Geometrie, Prof. Scharrer Moralphilo- 
sophie, Prof. Anzenberger Religionsphilosophie, Anthropologie, Psycho- 
logie und Logik, Prof. Dirschedl, [welcher zugleich Rector des Gymna- 
siums und der latein. Schule ist], Philologie, class. Alter thumskunde und 
Geschichte, Prof. Dr. Hoffmann allgem. Encyclopädie , Metaphysik, Ae- 
sthetik und Kunstgeschichte , u. Prof. Dr. fFalil allgem. Naturgeschichte. 
Im Gymnasium wurde 1846 der Classenlehrer von I., Prof. Dauer, in den 
Ruhestand versetzt, und nach den Classenprofessoren für iV — II. Hor- 
mayery Mannhart und Tauschek traten die Stndienlehrer ITocft und Beu- 
telhäuaer als Classenverweser ^in , bis der Dr. Fertig von Männerstadt 
als Classenlehrer für I. angestellt ward. An der latein. Schule sind Clas- 
senordinarien die Studienlehrer Lechner , Beutelhäuser , Obermayer , Gau- 
gengigl und Greü. Mathematik und Geographie im Gymnas. lehrt Prof. 
Winkelmann y Religion in beiden Schulen Schmidbauer, orientaL Sprachen 
Dr. Anzenberger , franz. Sprache Dr. Mannhart und ital. Spr. der Vicar 
Amann; für Zeichnen, Gesang und Musik sind besondere Hülfslehrer 
thätig. Vgl. NJbb. 40. S. 97. Im Jahre 1845 war, wie früher, kein 
Programm erschienen ; 1846 aber hat der Studienlehrer Gaugengigl über 
den gottUchen Ursprung der Sprache geschrieben , um dadurch die Frage 
zu erledigen , ob die Sprache dem Menschen zugleich mit seinem Dasein 
gegeben worden , oder ob sie ein Brzeugniss seiner eigenen Thätigkeit 
und ebenso , wie die sogenannten Künste und Wissenschaften von ihm 
als Resultat seines gegenwärtigen Erzogenseins nach und nach erfunden 
worden sei. Und weil der Verf. annimmt, dass die Sprache dem Men* 
sehen von Gott zugleich mit dem Leben gegeben worden sei, so sucht 



844 Sd^iilr und Universitataiwcliriditfiii^' 

er ferner die Nothwendigkeit dieser Annahdie sa beweisen^ und fragt 
anletzti ob unter den vorhandenen lebenden nnd todten Spnidien (deren 
Adelong 3064 und Clement 2000 oder mit ihren Dialekten 5000 zoBamme»- 
gezählt hat) eine vorhanden sei , welche das allen Sprachen Gemeinsame 
als Ursprache darstelle. In der mosaischen Schöpfungsgeschichte lisst 
der Verf. den historischen Beweis enthalten sein , dass der Mensch ans 
der Hand des Schopfers in der Blenipotens seiner physischen, intellee- 
tuellen und -moralischen Kräfte, folglich auch mit der davon imiertrenii«' 
Uchen Sprache begabt hervorgegangen sei, und als die Nachkommea 
Noah's bei Gelegenheit des babylonischen Thurmbaues in verschiedene 
Volker sich serstrenten, so sollen sie dock die Erinnerung an ihre Her« 
knnft mitgenommen haben und hinsichtlich der Sprache auf den gottliohea 
Ursprung hindeuten , wie er von Plato u. A. bestätigt werde. Die von 
Rousseau , Herder u« A. geltend gemachte Ansicht, dass der Mensch ohne - 
Sprache auf die Brde gesetzt worden sei und dieselbe sanmit den Künsten 
und Wissenschaften selbst erfunden habe, entbehre der Gründlichkeit 
und sei nur ans Hass gegen das Christen thum ausgehedct [?]. - Die Ver- 
nunft sei identisch mit der Sprache, wie das Denken mit dem Sprechen, 
und wenn jene kein Erzeugniss menschlicher Thätigkeit sei, so sei es 
auch diese nicht , wenn Jene über dem menschlichen Ursprünge stehe , so 
müsse auch die mit ihr identische Sprache gottlichen Ursprungs sein« Die 
Frage , ob es absolut noth wendig, dass der Mensch seine Sprache zugleich 
mit dem Leben von dem Schopfer erhalten habe^ falle mit der Frage so* 
sammen, ob der Mensch, wenn er den von seiner Natur bedingten Ge^ 
setzen folge , seine Sprache mit eigener Kraft habe erfinden können , nnd 
ihre Beantwortung sei von der J^ehre der menschlichen Entwickelongs-- 
gesetze abhängig, bei denen man Natur, Erziehung und Freiheit zu be- 
trachten habe. Die Natur für sich sei , wie das von den Gegnern selbst 
zugegeben werde , zu solcher Schöpfung nichlf stark genug; die Freiheit 
als Resultat vorausgegangener Erziehung sei nicht wirksamer als jene ) 
die Erziehung aber , welche allerdings hierin die höchste ^Macbt ~ haben 
könne , setze physische Kräfte vprads und das Kind , wenn es blos genährt 
werde, reife nie zur Intelligenz, wofür der bekannte Caspar Hauser den 
Beweis liefere. Auch sei die sittliche Erziehung in den Sätzen s „ Wie 
der Vater, so der Sohn'', oder „Sage mir, mit wem du umgehst^ und ich 
sage dir, wer du bist'% klar genug fonnutirt. Sie sei unab weisliches 
Postulat der Vernunft und Sprache und setze eine schon gewordene Er- 
ziehung voraus. Es müs$e also der Mensch Vernunft und Sprache vom 
Schöpfer erhalten haben, denn beide seien Mittel der Erziehung. Herder 
selbst habe seine ganze Hypothese von dem menschli<^n Ursprun|;e der 
Sprache nur auf die sittliche Freiheit der Menschen bauen können ; diese 
aber könne doch wohl nicht bei Kindern, sondern nur bei Erwachsenen^ 
d. i. bei Erzogenen gedacht \rerdea« Müsse man aber annehmen , dass 
Sprache nnd Vernunft unmittelbar von Gott gegeben seien : so könne frei- 
lich der Einwand gemacht werden , warum diese beiden gegebenen Grund- 
lagen so verschiedene ErziehungsresoUate, nämlich oivilisirte und wilde 
Völker, Herren nnd Sclaven, hervorgebracht hatten. Der Grand dieses 



Befdrdeningeii und Bhrenbezeigmigen. * 845 

▼erächiedenen Brgebnbses j^öch liege in obgeeigneteB Gebraoch« der 
Freiheit. AUe Volker ttiuMten urspranglich gleiche Brziehungmittel 
und Eotwickeloagsfahigkeiten gehabt haben ^ weil sich sonst \?ilde Völker 
nicht hatten civiiisircn können. Zwar könne man die Brsdheinong Toh 
Wilden und ScIaTen unter den ' Menschen aach daher erklaren wollen, 
dass es ursprünglich eben soTiele Stammeltem als Menschenracen mit 
grundyerschiedenen Anlagen atnr Erziehung und cur Vernunft , und somit 
auch zur Sprache gegeben habe. Allein auch diese Annahme werde im- 
mer für den göttlichen Ursprung der Sprache zeugen, und uberdetai sei 
auch jene Abstammungsannahme nicht entschieden, da iron vielen Nätnr- 
historikern nur ein Menschenpaar als Urstamm angesehen werde und da 
man sidi Tom christlichen Standpunkte aus für diese entscheiden müsse. 
Die höchste Gewissheit von der Einheit aller Sprachen des Brdballes 
müsse jedenfalls aus der Nachweisung der Ursprache erzielt werden, d. h, 
derjenigen Sprache, welche das allen Sprachen Gemeinsame in sich ver- 
einige. Da sich nun jene Ursprache auf historischem Wege nicht an- 
geben lasse : so müsse man die BeschafiFenheit dessen aufiiuchen , was sich 
in allen Sprachen als Urform herausstelle. Die vergleichende Sprach- 
forschung habe diese Urform in denjenigen Wurzelbildnngen erkannt, 
welche aus einem Vocale , oder aus einem anlautenden Consonanten und 
einem Vocale bestehen« Allerdings lasse sich die Frage, ob nicht die 
eine oder andere der 3064 Sprachen ihrer Beschaffenheit nach der Ur- 
sprache ganz nahe stehe und als solche gelten könne, nicht direct beani^ 
werten, weil jede ihre eigenen Vorzüge habe und keiner ein entschiedener 
Vorzug vor den übrigen eingeräumt werden könne. Indess die Verschie» 
denheit zeige sich doch nur in den grammatikalischen Formen und nach 
deren Wandelbarkeit könne allerdings keine d6r vorhandenen Sprachen 
Ursprache sein. Dagegen aber lasse sich dem Wesen nach jede Sprache 
auf sehr wenige Elementarworter zurückfuhren, und in diesem Beziehung 
könne wieder jede Ursprache sein. Um aber doch die Sprache zu er^ 
kennen, in welcher sich die Ursprache so ausgeprägt erhalten hat, dass 
sie sich in jeder andern wieder erkennen lasst, will der Verf. die Schrift 
als Mittel der Lautirung benutzt wissen, und weil die Chinesische Sprache 
die meisten Lautzeichen, nimlich 40,000 ideographische Zeichen (als« 
beinahe soviel als alle andern Sprachen zusammen) besitze , so wird sie 
als die vollkommenste und als die dem Urcharakter am nächsten stehende 
ertcannt. Dies wird dann noch durch eine d'etaillirtere Vergleichung der 
Sprachen wid durch eine genetische Sprach- and Volkertafel weiter be* 
gründet. Die Art und Wme, wie der Verf. die Sprachvergleichung an- 
stellt, lasst sieh vielleicht aus folgender Probe ersehen: lAe meisten Wnr* 
sein, welche sprechen bedeuten, haben zugleich den Sinn von leuch-» 
tent das Wert ist sonach als Ausstrahlung des Geistes gedacht, was an 
die hdcfasten -Geheimnisse des Chrisienthnms erinnert, wo das einzige 
Wort zugleich Licht und Abglanz des Vaters ist. Ist nun aber das Wort ein 
Lieht , das dem Üenschengeiste entströmt t so^ mag man daraus den hohen 
Add der Wissenschaft erkennen, welche alle die bewnndenmgawardlgen 
Brechungen dieses Lichtes in den verschiedetten Spraehen beobachtet, 



346 Sohnl- und Univenitatsnachriclitea, 

detsen Gebte nachspürt nnd zoletzt zar Eikenntniss der Einheit dieses 
8praeh- and Gottesgeistes gelangt. — An der lateinischen Schale in 
Pirmasens sind im Lehrplan nnd LehrercoUeginm [s. NJbb. 40. 3&2.] 
keine Verändemngen eingetreten« — In Rbgeitsbiiro lehrten 1845 am 
Lyceum in der theologischen Section der Lycealrector Ehgartner Dogoub- 
tik nnd Patristik nnd die Professoren Kotai Kirchenrecht nnd Kirchenge- 
schichte, Dr. Bklter Moraltheologie , Sekual biblische Theologie ond 
hebr. Sprache , in der philos. Section die ProCf« Eeigi Philosophie , Dr. 
von Schmoger Physik, Chemie nnd Geographie, Dr. Wandner Mathe- 
matik, Dr. Famrohr Naturgeschichte, Dr. Schmitz Geschichte, Philolo- 
gie, Archäologie, Encyclopädie und Methodologie, sowie Ehgartner Re- 
ligion nnd Rktter Pädag;ogik. Im Gymnasium blieben neben dem Rector 
nnd Prof. Hinterhubcr die Proff. Seitz, Kleinstäuber nnd Werch Classen- 
lehrer , sowie Prof. Stdnberger Lehrer für Mathematik und Geographie, 
Steer für kathol. Religion , EgUr für protest. Relig., Pfarrer Fleischmann 
für Geschichte protest. Schuler und Schind für hebr. Sprache. An der 
latein« Sphnle waren Classeniehrer Reger in IV., Sollner und Schmidt in 
III. A. B., Mehler in II., Kirschner und Kühl in I. Die neben diesen 
Lehranstalten bestehende Aula scholastica beim Collegiatstifte znr alten 
Capelle hat den Kanonikus Seitz zum Scholasticus und zu Lehrern fnr 
die beiden Classen die Priester Greindl nnd EUendner, Vgl. NJbb. 40. 
362. und 44. 98. Das Programm für 1845 von Dr. Rietter charakterisirt 
die Moral der christlichen Schr^tsteller der ersten zwei Jahrhunderte als 
Beitrag zur Geschichte der christlichen Ethik. Wegen der sehr geringen 
Bearbeitung des berührten Gegenstandes hält es der Verf. für nothig, 
denselben um so mehr zur Sprache zu bringen , als die ersten christlichen 
Jahrhunderte für die wissenschaftliche Ethik den Werth haben, welchen 
die Zeit der Grundlegung für die Zeit des Ausbaues , die Zeit der Saat 
für die Erntezeit habe, die glänzendsten Erfolge jener in diese Zeit fallen 
und der ethische Inhalt der literarischen Ueberreste der berührten Zeit 
sich zusammenfassen lasse, wogegen die späteren Schriften eine systema- 
tischere und umfjMsendere Behandlung der Moral bethätigen. Das Bthi. 
sehe tritt Im Verhältnisse zum Dogmatischen weit in den Hintergrund; 
dieses ist Grundlage jenes , weiches den Glauben ins.Subject einzuführen 
und die an sich todte dogmatische Formel in eine das Leben regelnde 
Norm umzusetzen hat. Die ersten ' Christen forderten weit mehr den 
dogmatischen als ethischen Theil des Christenthums , lieferten doch zer- 
streute Bemerkungen über christliche Sittenlehre in den ältesten Schriften, 
wovon einige sogar vorherrschend ethische Charaktere haben , doch gin- 
gen die meisten verloren. Die Art des Vortrages der Moral war eine 
Nachahmung der Lebrweise Christi und der Apostel. Das Christenthom 
entwickelte sich in ihren Keimen durch Gleichnisse , hervorleuchtende 
Beispiele nach der Kulturstufe der Lehrenden und Lernenden durch Ge- 
fühle und Vorstellungen, weil eine* wissenschaftliche und systematische 
Behandlung des StofiFes für den grossten Theil der Christen jener Zeit 
überflüssig und nutzlos gewesen wäre. Selbst die Apostel verfolgten 
jedoch gewisse Hauptideen, z. B. Johannes die des Logos, Paulus die 



BefordernDgen nnd Ehrenbezeigimgen. 347 

des alten und neuen Menschen u. dgl., wodorch sie die wissen- 
schaftlichen Bestrebungen yerkehrten , denen die Versnche zur Begruni- 
dang and logischen Anordnung folgten. Die Quellen der Moral lagen in 
der Offenbarung, da die Vernunft keine genagende Kenntniss Ton Gott 
und Tugend zu gewähren vermöge; ohne Gesetz Gottes und Zufluss der 
Sanftmuth, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Unterweisung in den hei- 
ligen Geboten Gottes aus den Propheten wäre die Welt durch Bosheit 
und Uebermaass der Sande längst zu Grunde gegangen« Die Liebhaber 
wahrer Lebensweisheit hätten sich an die heil. Schriften des alten und 
neuen Bundes zu halten; die Apostel und ihre Nachfolger seien die Or- 
gane der Belehrung Gottes. Altes und neues Testament gehorten we- 
sentlich zusammen , weswegen ersteres in der christlichen Ethik nicht zu 
ignoriren , aber doch nicht mit ganzem ethischen Inhalte in sie aufzuneh- 
men sei , weil in ihm grossere Freiheiten herrschen , z. B. Polygamie, 
nnd die sittlichen Forderungen des Christenthums yiei grösser seien. Die 
heil. Schriften unterstützt die Tradition; die Vernunft erkennt aus sich 
sittlich Gutes und Böses ; die philosophischen Wahrheiten finden ihren 
Grund, ihr Verständniss , ihre Compilirung erst im Christenthume ; daher 
stehen dieses Und Wissenschaft in engster Verbindung , weil der Logos 
das leitende Princip ist. Der Mensch ist in gewissem Sinne Selbstzweck, 
weil Gott bei dessen Erschaffung einen Zweck gehabt haben musste und 
der Mensch nicht als Mittel für etwas Anderes geschaffen ist. Zur Be- 
hauptung der unabhängigen Stellung in der Welt erhielt der Mensch 
Freiheit, wie sich überall zu erkennen giebt; das Gute ist von Gott, 
seine Bewahrung aber vom Menschen; Christus und seine Apostel behan- 
delten den Menschen als freies Wesen; dem Glaubenden verheissen sie 
das ewige Leben y dem Nichtglaubenden aber drohen sie den Zorn Gottes 
an. Was Gott machte, war sehr gut, also auch der Mensch, der sich 
durch Missbrauch der Freiheit von Gott trennte. Die Moral habe ihn 
also als einen gut von Gott geschaffenen zu fassen , der aber frei gegen 
seinen Schöpfer sich entschieden hat, ohne dadurch die Fähigkeit ver- 
loren zu haben , vom Ungehorsam sich wieder zum Gehorsam gegen Gott 
zu wenden. . Er hat Gottes Gebote zu halten , wozu die menschliche 
Kraft nicht allein hinreicht; die wahre Kraft kommt von Oben. Gott 
hat die Erziehung des menschlichen Geschlechtes auf sich genommen. 
Erziehungsmittel ist Hoffnung als Motiv , dem das der Furcht zur Seite 
steht; höher als beide steht die Rücksicht auf Gottes Wohlgefallen; Prin- 
cip der christlichen Ethik ist der göttliche Wille,- in welchen sich der 
Mensch fugen , dem er sich ganz ergeben rouss. Das Wesen Gottes ist 
Liebe, deren Weg zum Heile und ewigen Leben führt und Wesen, Erha- 
benheit , Wirkung und Preis wunderbar ist. Der summarische Aufdruck 
des göttlichen Willens zeigt sich in dem Befehle: „Gott zu lieben von 
ganzem Herzen, ans allen Kräften, und den Nächsteh wie sich selbst^'; das 
Fundament ist der Glaube , welcher mehr als blosses Vertrauen sein muss 
und von der Liebe nicht zu trennen ^ist , welche die Vollendung des hö- 
heren geistigen Lebens ist; auf beide lässt sich alles auf Tugend und 
Frömmigkeit Beziehliche zurückfuhren. Nicht alles Gute ist streng ge- 



S48 Schal- und UniTenitatsnachricIiteo, 

boten ; Manches der freien Wahl dei Menschen anheim^etteUt.. Glaabe, 
HofiEhnng und Liebe zeigen sich im Gebete ^ in der Demath und im Ver- 
tränen. Der Gebt verehrt Gott nicht blos iSr sich , sondern versaniBMlt 
sich mit seinen Brodem snm gemeinsamen Gottesdienste in Gebet^ Lehre» 
Opfer und DanlLsagung^ anr Verehrang der himmlischen Geister aU B^ 
gleiter des Sohnes nnd diesem ähnliche Wesen. Die Liebe Gottes treibt 
sum standhaften , ongescheuten Bekenntnisse dies Glaubens bis ztiffl Tode, 
snr Flacht vor Bösem f aar Vermeidung der Sünde , welche nar vom Men- / 
sehen kommt, dem die Willensfreiheit das Verderben brachte; die boae 
Begierde fährte sum Erbübel. Das^ Böse mass man nicht blos la^aen; 
die Liebe treibt auch an , das Gate za than. Die Nothwendigkeit der 
Bosse lasst sich geschichtlich nachweisen; sie hat hohen Werth nnd ihre 
sfindeniilgende Kraft aus dem Blute , weiches Christus für unsere Sunden 
vergossen hat; auch die Menschen müssen Geaugthuung leisten, und aut 
ihrer Bosse Demuth verbinden. Die Liebe Gottes setzt den Mensoheü 
in das rechte Verhältniss zur Wahrheit, bewahrt vor logenhafteiD Weaea 
und treibt an, nach der gottlichen Wahrheit zu streben. Das Vertraut 
auf die Alles ordnende Liebe giebt Zufriedenheit in jeder Lage , Gleich^ 
muth und Geduld , welche in Verbindung mit der Keuschheit stehen und 
die lebenslängliche Enthaltsamkeit möglich machen. Sie verhindert die 
Anhänglichkeit an die Guter und Genösse dieser Erde, welche unser 
wahres Vaterland nicht ist. In Bezug auf die Erlangung der ewigen Se- 
ligkeit ist der Zustand des Reichen ein sehr bedenklicher, indem die Rü- 
chen runden Steinen gleichen, welche zum Baue der Kirche Gottes, wem 
sie zuvor nicht behauen werden , unbranchbar sind. Der Christ darf durch 
Selbstmord seinem irdischen Leben kein Ende machen , obgleich das 
ganze Christenthum ihn auf das Jenseits als wahres Vaterland hinweist. 
Der Christ ist von Nächstenliebe beseelt, deren Geist zum Unverletzter- 
hälten des leiblichen Lebens des Mitbruders hintreibt und ihm das Aas> 
üben löblicher Werke der Barmherzigkeit erleichtert. Dem Christen sind 
Ehre und guter Name heilig; mit Hülfe der Liebe begegnet er dem Neide 
nnd seinen Folgen und 'selbst Beleidigungen und Verletzungen erträgt et 
ohne Bosheit auf den Verübenden ; brüderliche Zurechtweisung tritt an 
die Stelle jener. In der Ehe nimmt die Nächstenliebe wegen besonderer 
Verhältnisse und Beziehungen einen eigenthümlichen Charakter an; ihr 
Zweck ist geschlechtlicher Verkehr zur gemeinschaftlichen Kindererzea- 
gung, mit dessen Erreichung der wahre Christ des geschlechtlichen Ver> 
kehrs sich enthält. Knechte und Mägde sollen zur Ehre Gottes gerne 
dienen. Die christliche Nächstenliebe bleibt auch dem Glaubensirrthume 
gegenüber sich gleich. Der priesterliche Stand hat der Würde gemäss 
sich zu betragen und seine Pflichten zu erfüllen. Das Verhältniss des 
Christenthums zum weltlichen Regimente ist ein durchaus freundliches« 
Dieses sind die ethischen Seiten der ältesten noch vorhandenen christ- 
lichen Schriften ; in der Kirche , als lebendigem Orgairismus , repräsen- 
. tiren sich alle Verhältnisse* Der Verf. resamirt noch einmal kurz alle 
Verhältnisse and deutet manche Gedanken über das Bild der Ethik des 
Urchristenthoms an. Das Ganze liefert eine Zusammenstellnng der Haupt- 



Befordemiigen und Ehrenbezeigmgen. 349 

eiemente der cbristtichen Ethik jener froheren Zelt. — An der fatein* 
Schale in Rothenburg sind neben dem Snbrector Vfwcrer Leehner, wel- 
cher den ReÜgionsanterricbt ertheilt; als Classenlehrer Dr. Benaen^ Fiek 
und Gradwohl thatig, nnd in der Realclasse lehrt Dr. Roth, — In ScHWBiif - 
füAt lehren am Gymnasium wie Ar&her [s. NJbb. 40. 352.] neben dem 
Rector und Prof. Oehhehlager die Professoren Dr. von Jan , Dr. JFiU^ 
mann nnd Dr. Enderlem als Classenlehrer nnd Prof, Hennig Mathematik 
nnd Geographie , sowie von ^ Jan noch franzosisch nnd^ Enderlem prote- 
stantische Religionslehre, aber statt des rerselzten Stadtcaplans Uhrig 
ist der Stadtoaplan GUkk als katholischer Religienslehrer nnd der Pfarrer 
Dr. Himmehtein als Lehrer der Geschichte für kathol. Schule^r eingetreten. 
An der latein. Schule starb am 18. Febr. 1845 der Lehrer der untersten 
latein. Classe S^asUem JFeinqnd im 34. Lebenswahre , und es wcnrde nach 
dem Oberlehrer Ulrich nnä den Stndienlehrem Pßrach und Zink der Stn- 
dienlehrer Friedr, fFÜh, Sartoriua von der latein. Schule iii Windsheim 
als Classenlehrer fiir I. berufen. Zeichenlehrer ist Komacher, Schreib- 
nnd Gesanglehrer Christoph, Das Programm Ton 1845 enthalt Ansichten 
und Wünsche in Betreff der für die Kon, Bayer. Studienanstalfen vorge- 
schriebenen Ausgaben der aUen Classiker von Dr, von Jan, K. Prof. und 
correspond. Mitgliede der K. B. Academie der Wissenschaften. Mit zwei 
BeÜagen: AdnotaH, ad Demosth. oratm -Olyn^>, I, et ad Horat. Od. I, 1. 
[20 S. gr. 4.]. Da in Bayern den Schulern nur die Textesabdrucke der alten 
Schriftsteller aus dem kon. Central -Schulbucher- Verlag in die Hände 
gegeben werden dürfen : so hat der Verf. für nothig erachtet , im Inter- 
esse aller Lehrer der alten Sprachen an den bayer. Gymnasien darauf 
hinzuweisen , dass jenen Texten wenigstens einige Andeutungen für die 
Präparation der Schüler beigegeben werden' sollten. Blosse Texte der 
alten Classiker sollen den Bedurfnissen der Schüler nicht genügen, son- 
dern ihnen ür die gehörige Vorbereitung maneh« unüberwindliche Schwie- 
rigkeiten bringen. Die geforderte Vorboreitung sei, dass der Schüler 
den Abschnitt, welcher ki der Classe übersetzt werden soll, im Ganzeii 
wie im Einzelnen durch eigene Anstvengnng sich klar gemacht habe, um 
ihn nicht nur fiHessend , und doch wortgetreu, zu übersetzen, sondern auch 
über Inhalt nnd Form desselben Rede und Antwort zu geben. Sache des 
Lehrers sei es dann, etwa verkemmende Miss Verständnisse zu berSehtigeii, 
den Ausdruck der Uebersetzung zu. verbessern und, wo es nothig scheint, 
sich durch Nachfragen zu überzeugen, ob sie auf richtigem Verständnis^ 
des Einzelnen beruhe, ob die dabei vorkommenden eigenthomlichen Sprach- 
erscheinangen richtig erkannt und jedes Wort in der Bedeutung, die es 
nach seiner Abstammung und nach dem Zusammenhange haben muss, er- 
fasst Aei, seinerseits aber dasjenige hinzuzufügen, was erforderlich ist, 
um jede gelesene Stelle an sich und in ihrem Zusammenhange mit deni 
Werke, dem sie aagehärt, in das rechte Licht zu stellen, und den BIfck 
der Schüler auf die groesartige Gediegenheit nnd Schönheit der altclassi^ 
sehen Werke hinzulenken. An jener Vorbereitung hindern , na«h der An- 
sicht des Verf. , selbst den flelssigsten Schüler oft Namen und SEkshOn, 
wolGr sdfie HSlfemlttel ihm das nothige VerstSnduiss nfeht erSffhM, oder 



350 Schal- and UniTerntatsnachriehteiiy 

grammatbclie EigenthamUchkeiten , die er entweder nocb nicht kennt oder 
' wegen seltneren Vorkommens wieder vergessen , oder welche er auch in 
den eingeführten Granmiatiken von Scholz und Bnttmann nicht zn finden 
wisse« Eher lösbar ist für den fleissigen Schüler die Schwierigkeit da, 
wo das Wörterbuch die rechte Bedeutung des Wortes nicht an die Hand 
giebt, oder der Zusammenhang schwer an&ufinden ist, aber nnuberateig- 
lieh da , wo der Text schlecht interpungirt , oder durch verdorbene Lee« 
arten und Druckfehler entstellt ist. Alle diese Hemmnisse der rechten 
Präparation dadurch beseitigen zu wollen , dass der Lehrer im Vorana die 
Schüler mit den erwähnten Schwierigkeiten bekannt macht nnd^ sie be- 
seitigt, das ist an sich nicht thunlich und wurde den Schaler verleiten/ 
sich vom Lehrer zu sehr am Gängelbande fahren zu lassen , oberhaapt 
dessen Privatbeschäftigung mit dem SchrifUteller und das Streben nach 
rechter Selbstständigkeit in seiner Thätigkeit zu sehr beeinträchtigen. 
Ebenso wenig taugen Spedalwdrterbucher für diesen Zweck, weit n|l 
theils jene Schwierigkeiten nicht vollständig heben , theils der Bequem- 
lichkeit und Ungrfindlichkeit zn viel Vorschub leistien. Das rechte For- 
derungsmittel sind nur kurze und Cur den Standpunkt der Classen einge- 
richtete Anmerkungen. Sie müssen wenige sein , damit sie den Schüler 
nicht überschütten oder ihm die Vorbereitung zu sehr erleichtem. Diese 
nämlich soll für denselben eine Arbeit und Anstrengung seiner Geistes- 
kräfte , überhaupt eine Forderung der Selbstthätigkeit sein , weil er ja 
auf der Schule seinen Geist bis dahin kräftigen und stählen soll, dass ilui 
Anstrengung Freude macht und keine Hohe in der Wissenschaft ihm m- . 
erreichbar scheint. Auch dürfen jene Anmerkungen nicht in das Gebiet 
des Lehrers übergreifen und am allerwenigsten eine vollständige Erklä- 
rung aller Si^hwierigkeiten enthalten, weil sie sonst, namentlich in Aus- 
gaben, die für das ganze Königreich vorgeschrieben sind , die subjectiven 
Ansichten und Erörterungen desselben beeinträchtigen und den Schaler, 
der dann jede Schwierigkeit, bevor er sie noch als solche erkannt, be- 
seitigt sieht, zu den Wahne verleiten, als habe er das Verständniss der 
Stellen ganz aus sich iselbst gefunden und könne die Erklärung des Leh- 
rers mit Gleichgültigkeit und Unaufmerksamkeit übersehen. Da sich die 
Schüler ihre Schalautoren immer nur in einzelnen Bänden kaufen: so sollen 
die Anmerkungen jedes Bandes als ein Ganzes für sich bearbeitet sein, 
nnd statt der Verweisungen auf andere Bände oder auf sonstige dem Scha- 
ler unzugängliche Bücher sollen die daraus zu citirenden Stellen wortlich 
wiederholt werden. Belehrungen über die Lebensverhältnisse und Werke 
der zu lesenden Schriftsteller wünscht der Verf. in ein kurzes Handbuch 
der griechischen und römischen Literaturgeschichte zusammengestellt , in 
welchem die allgemeinen Grupdzüge der Literaturgeschichte im Zusam- 
menhange dargelegt , das Leben und die Werke der Schriftsteller aber, 
welche in den verschiedenen Classen gelesen werden , ausführlicher be- 
handelt wären. Die Anmerkungen selbst aber sollen enthalten: 1) kurze 
Einleitungen zu den einzelnen Schriften oder Stücken , welche den Schü- 
ler auf den rechten Standpunkt stellen , vielleicht auch gedrängte Inhalts- 
angaben, aber keine Zergliederungen des Gedankenganges oder form- 



Befordenmgen und Ehrenbezeigungen. 351 

liehe Dispositionen, welche von den Schulern nach rollbrachtem Lesen 
des Stuckes selbst gemacht werden müssen; 2) grammatische Erläute« 
rungen nach dem Standpunkte, auf welchem die Mehrzahl der Schuler 
der jedesmaligen Classe steht, worin über die zu beachtenden gramma- 
tischen Formen und Gesetze Fragen gestellt oder auf die vorgeschriebene 
Grammatik verwiesen, anderes Schwierige entweder durch Anfiihrnng 
einer ganz ähnlichen Stelle , mit Hervorhebung der Worte auf welche es 
ankommt, und durch zweckmässige Constructionsandeutnngen erläutert, 
selten aber directe Belehrung gegeben wäre , weil diese von dem Lehrer 
erwartet werden muss ; 3) Erklärung der Bedeutung solcher schwierigen 
Worter, über welche das Lexicon oder irgend ein Scholiast keine ge- 
nügende Auskunft geben, und diese am liebsten durch Anfahrnng solcher 
griechischer oder lateinischer Stellen , in welchen das zu deutende Wort 
in lebendigem. Zusammenhange erscheint, seltener durch blosse Ueber- 
setzungen, die nur wenigen Geübten da an die Hand zu geben sind, wo 
das Verstättdniss eihes Satzes durchaus darauf beruht , bei Partikeln nur 
durch Verweisungen auf die ähnlichen Stellen desselben Bandes und allen- 
falls durch kurze Angabe des Wesentlichsten aus Grammatik oder Lexi* 
con; 4) einzelne Andeutungen für die Auffindung des Zusammenhanges 
schwieriger Sätze, wo Verirrung leicht möglich ist, aber keine Nach- 
Weisung des Zusammenhanges selbst; 5) gedrängte sachliche Erklärungen 
d. h. Nachweisung des in der Stelle berücksichtigten Historischen , My- 
thologischen , Geographischen , Antiquarischen und Archäologischen so- 
weit, dass nichts unklar bleibe , was dem Verständniss des Ganzen irgend 
Eintrag thun konnte ; 6) bei Dichtern das Nothigste ans der Metrik , na- 
mentlich Hinweisungen auf Abweichungen von den als bekannt vorausge- 
setzten Regeln der Prosaik und Verse ^ bei schwierigen Metris auch das 
Schema des Grundrhythmus. Ueberall aber sollen diese Anmerkungen 
mit richtigem Takte abgefasst sein, nur grosse Schwierigkeiten aufklären 
und nicht durch zu viel Erläuterungen ein Ruhekissen für Träge werden, 
überall die geistige Erregung und Forderung des Nachdenkens bezwecken, 
im Texte nichts verbessern i^ollen als störende Druckfehler und falsche 
Interpunctionen ^ und bei verdorbenen Stellen etwa auf den Weg ihrer 
Berichtigung oder auf Ergebnisse neuerer Forschung hinweisen, in Fällen 
schwankender Eirklärung der Entscheidung des Lehrers nicht yprgreifen. 
Die Abfassungsform dieser Anmerkungen verlangt der Verf. in latein. 
Sprache , wenigstens für die obem Classen , auf deren Bedürfhiss über- 
haupt seine gesammten Vorschläge zunächst sich beziehen , weshalb er 
auch wünscht, dass für das Bedürfniss der untern Classen von einsichts- 
vollen Lehrern noch weitere Vorschläge gemacht werden mochten. Als 
Probe einer Ausführung der geforderten Erläuterungen hat der Verf. 
lateinisch geschriebene Anmerkungen zu der ersten olynthischen.Rede des 
Demosthenes und zur ersten Ode des Horaz mitgetheilt, welche nach 
allen oben erwähnten Richtungen kurze Aufklärungen schwieriger Stellen 
-für den Schulbedarf bieten, und sich durch zweckmässige Ausführung und . 
umsichtige Auswahl sehr empfehlen, namentlich in der glücklichen Wahl 
von Parallelstellen vorzüglich sind. Pasa sie Einiges erläutern, was an- 



l 



352 Schal- and UniversitatsDacbrichteiiy 

dere Lehrer vielleicht nicht für schwierig halten , and dagegen Anderes, 
woran der Schuler Anstosa nehmen durfte, unbeachtet lassen, wollen wir 
am so weniger hervorheben , Je schwieriger hier die Uebereinstimmong 
der Forderung ist and je mehr man im Aligemeinen den schoben Takt der 
getroffenen Auswahl anerkennen mass« Eine weitere Ausfuhrang nnd Br- 
gänznng der von Dr. von Jan angeregten Frage hat der Pater Cfregor 
HSfer im Programm des neuen Gymnasiums zu München Tom Jahr 1846 
gegeben und in directer Beziehung auf die Jan'sche Abhandlang ; Utber 
Anmerkungen su den Sekulausgaben der tdten Claasiker [München 1S46. 
24 S. gr. 4.] seine Ansichten mitgetheilt , sowie dieselben mit einer Bei- 
lage von Anmerkungen su Sophocl, Aiae, Ys. 1 — 171. begleitet. Br 
tritt im Allgemeinen der Jan'schen Forderung überall bei und weicht aar 
in Einzelheiten ab. Erleichternde Anmerkungen za den schwierigen 
Stellen der Schulclassiker erachtet er zur gehörigen Vorbereitang^ der 
tf ehüier für dripgend , damit diese , nachdem sie eine Zeitlang vergebHcfa 
dergleichen Stellen durch eigene Anstrengung zu verstehen gesucht hi- 
ben , nicht etwa die Lust zur grundlichen Präparation veriieren nnd non 
entweder die schweren Stellen Ongelost lassen oder zu Uebersetsnngen 
ihre Zuflucht nehmen. Inhalt und Umfang der Anmerkungen verlangt 
er im Allgemeinen auch so , wie es von seinem Vorganger gefordert wor- 
den ist; aber er will die Anmerkungen nicht den einzelnen TextbSnden 
beigegeben wissen, damit der Text nicht etwa in noch mehr einsrine 
Bande als jetzt zersplittert werde , weil dies das Nachschlagen nnd Br8r- 
tem der Parallel- und Erklärungsstellen sehr erschwere oder gany rer- 
, eitele. Vielmehr sollen die Anmerkungen besonders gedruckt and in 
einzelnen Nebenbändchen den. Schülern in die Hände gegeben werden. 
Aach wünscht er sie nicht in lateinischer Sprache abgefasst und bespricht 
sehr ausführlich die Vortheile nnd Nachtheile beider Abfassangsformen. 
Die Aufklärung schwieriger Wortbedeutungen durch ParallelsteUen wird 
verworfen oder nur in seltenen Fällen fSr nützlich erachtet, weii dar 
Sdifiler nicht leicht im Stande sei, dergleichen Stellen richtig zu benotsen^ 
nnd sie öfters nicht einmal richtig werde übersetzen können , geschweige 
denn , dass er die rechte Folgerung daraus za machen geschickt genug 
sei. Ueberhaupt ist er der Meinung, dass das bioäse Anfuhren von Par« 
allelstellen den Schüler fast nie auf die Erkenntniss des Zweckes ihrer 
Anfahrung hinleitet , und dass er i^ie der Regel nach unbeachtet lasst. 
Darum sei es in aHen solchen Fällen besser, die Sache knrz zn erklaren 
nnd selbst durch die beigefügte Uebersetzung das Verständidss herbeizn- 
fuhren. Man dürfe nicht furchten dadurch den Lehrer za beeinträchtigen, 
welchem noch genug zu erklären obrig bleibe , oder den Schüler zu sehr 
zu erleichtern, weit derselbe , wenn dergleichen Erklärungen und Ueber- 
setznngen mit behutsamer Sparsamkeit gegeben sind , noch reiche Ver- 
anlassung und Gelegenheit zur Anstrengung und Selbstthätigkeit vorfinde. 
Die mitgetheilte Probe von Anmerkungen zum Sophokleischen Ajax be- 
ginnt mit einer kurzen Inhaltsangabe und liefert dann eine mit Umsicht 
gemachte Auswahl entsprechender Anmerkaugeh aus den Ausgaben von 
Bothe, Hermann, Lobeck and Wander, die in deutsche Form gebracht 



Befordernngen und Ehrenbezeigungen. 353 

and für das Schülerbedarfniss eingerichtet sind. Anch hier sind einzelne 
Parallelstellen angeführt , aber aach die Begriffe näher erklart. Uebri- 
gens steht die allgemeine Tendenz dieser Anmerkungen den Jan'schen. 
gleich , und es herrscht auch in denselben der gleiche geschickte Tact 
einer solchen Auswahl, welche den Schaler über das VerständniBi and 
die Beachtung des Nothwendigen aufklart und ihn nicht mit zu vielerlei 
Betrachtungsrucksichten oder gehäufter Gelehrsamkeit überschüttet'*'). 



*) Während die Frage über die rechte Gestaltung der Schulausgaben 
alter Classiker bisher immer ans dem allgemeinen Gesichtspunkte be* 
trachtet worden ist, wie dieselben für alle Lernbedurfnisse des Schülers 
und namentlich für die Erleichterung und Forderung seiner Privatstudien 
am zweckmässigsten einzurichten seien [s. NJbb. 43. S. 234. ff., Ztschr. 
f. Alterthw. 1844. N. 6. 7.] : so wird dieselbe in den angezeigten beiden Ab- 
handlungen unter eine andere Betrachtungsrichtung gestellt, indem nur 
die Beschaffenheit solcher Schulausgaben ermittelt werden soll, welche 
den Schüler bei seiner Vorher eitui;ig auf die öffentlichen Lehrstunden 
unterstützen. Schon die dadurch gewonnene Vereinfachung der Frage 
verdient Aufmerksamkeit, noch mehr aber der Umstand , dass zwei Schul- 
mäiiner die Beantwortung mitten aus dem Kreise ihrer praktischen Er- 
fahrung heraus versucht liaben und im Resultate fast durchgängig über- 
einstimmen. tJeberhaupt aber ist durch diese Richtung der Untersuchung 
die Frage unter einen neuen Gesichtspunkt gebracht und zugleich we- 
sentlich vereinfacht. Indess scheint freilich auch der Gegensatz , den die 
Verff. gegen die bisherige Bestimmungsweise des Wesens und Zweckes 
d6r Schulausgaben genommen haben , die Veranlassung gewesen zu sein, 
dass die ganze Untersuchung eine einseitige und schroffe geworden ist. 
Schroff mochten wir sie in der Annahme nennen, dass Anmerkungen zur 
Unterstützung der Vorbereitung auf die Lehrstunden ein nothwendiges 
Bedürfniss für die Schüler sein sollen« Tm geraden Gegensatz zu dieser 
Annahme hat ein anderer Gymnasiallehrer, der Dr. Süber^ in der sehr 
beachtenswerthen Abhandlung über den phüotogischen Unterricht in den 
Gymnasien [Im Progr. des Gymnas. zu Saarbrücken vom j. 1846} S, 33. f. 
gefordert , .dass den Schülern aller Classen der Gymnasien von den alten 
Autoren nichts weiter als blosse Textesausgaben für die öffentlichen Lehrr 
stunden in die Hände gegeben werden sollen, und dies auch durch ganx 
angemessene Gründe gerechtfertigt. Und wer sich etwa in der Gö- 
schichte der Gymnasien dreissig Jahre zurückversetzt, der findet, dass 
damals die Schüler für die öffentlichen Lehrstunden und für die Privat- 
lectüre entweder nichts weiter als blosse Textesabd rücke der alten Schrift- 
steller oder jedenfolls wdt nnzweckmässigere Schulausgaben als jetzt 
gebraucht haben. Dennoch waren damals die Anforderungen an eine 
gründliche Vorbereitung auf die Lehrstunden wahrscheinlich ebenso streng 
und wenigstens von der Seite weit schwieriger, als sie nicht leicht von 
ihren Lehrern durch besondere Anweisunfgen über das rechte Verfahren 
bei der Praparation unterstützt oder durch einen gleich methodischen 
Unterricht, wie jetzt, in ein leichteres Verstandniss der Schriftsteller 
eingeführt wurden. Auch las man . damals im Allgemeinen keine andern 
Schriftsteller als gegenwärtig, und die Erklärung war viel mageret; 
dennoch bestand auch die Privatbeschäftigung der Schüler jener- Zeit fast 
ausschliessend in dem Lesen dieser Schriftsteller und sie trieben dies 
ohne Commentar und ohne so gute Lexika und Granimatiken , wie jetzt, 
mit soviel Erfolg, dass der grossere Theil derselben seine Schulbildung 
weit mehr aus meser Privatbeschäftigung als ans den öffentlichen Lehr- 
iV.. Jahrb. f, PhiU «. Pued. od. KrÜ. Bibl. Bd. L. Hft. 3. 23 



! j 



'Hl 



354 Schul- und Univcrsitatsnachrichifin, 

— Das Programm des Gymnasiums zu Schweinfurt vom Jahr I846enthä 
eine Cwam&iXa^ de natura et poteatate praeposüionis graeeae -inl vi 



stunden gewann. Haben aber die Schuler Jener Zeit die alten** Schrii 

. steiler ohne besondere Anmerkungen verstehen können: so müssen, i 

dieselben inzwischen nicht schwerer geworden sind , unsere Schaler do« 

wohl auch dasselbe zu leisten im Stande sein. Gesetzt aber, die Verl 

der obigen Abhandlungen hätten die Erfahrung gemacht, dass auch ih 

fleissigen und tüchtigen Schuler sich nicht gehörig auf die Lehrstundi 

vorbereiten: so hätten sie den Grund wenigstens nicht so unbedingt 

der Schwierigkeit der alten Schriftsteller, sondern vielleicht weit mel 

in andern Ursachen suchen sollen. Es ist unbedingt wahr, dass in jede 

Schulschriftsteller einzelne Stellen vorkommen, wdche dfr Schaler a 

seinen gewöhnlichen Hnlfsmitteln nicht verstehen lernt; aber deren sii 

i: ; verhältnissinässig wenige and wenn sie vorkommen, da ist es wohl ohi 

;. i Nacblbeil für die Bildung des Schülers, dass derselbe deren Aafklärui 

jl 1 erst von dem Lehrer erwartet. Sollte sich aber auch über solche Stell« 

11 j . hinaiis eine unzureichende Vorbereitung und ein unzulängliches Verstani 

i ■ niss der Schriftsteller kund geben und auch nicht etwa in der Tragh« 

l; : und Unreife jener seinen Grund haben: so gilt es zu untersuchen, < 

1, i nicht in der gegenwärtigen Unterrichtspraxis besondere Ursachen daf 

I : enthalten sind, z. B. ob etwa das Hintereinanderlegen zu vieler Leh 

9 I stunden [s. NJbb. 44. 477. ff.]^ und das Vielerlei der Lehrgegenatant 

f I i und die dabei verfolgten vielseiUgen und gehäuften Bildungsrucksichti 

1^1 entweder die Aufmerksamkeit und geistige Thätigkeit des Schalen i 

f j i sehr anspannen und demnach abspannen , oder überhaupt dessen Kn 

ij ! i zu sehr zersplittern und ihm für die Arbeitsstunden so viele und va 

f.. : schiedenartige Aufgaben auflegen, dass auch der fleissige und strebsame Schi 

^ ' - 1er sich mit flüchtiger Vorbereitung! auf die Lehrstunden begnügen moft 

oder ob etwa, da die jetzige Philologie eine Menge neuer und tiefer« 

Betrachtungsweisen der alten Schriftsteller eröffnet hat, zu grosse Ai 

\l I " forderungen an die Präparation der Schüler gemacht werden, und neb« 

P : bei die Vielseitigkeit und Zerfahrenheit der Schriftsteller- und Sprac 

' : i erklärung denselben zwar mit recht vielerlei Wissen bereichert , ab 

dasselbe weder auf bestimmte Punkte concentrit und ihm zur Fertigt 

i d0s Gebrauchs verhilft, noch auch ihm eine bestimmte Richtung erkenn 

[; lässt, nach welcher er die alten Schriftsteller lesen und verstehen lern 

j... , soll; oder ob die herrschende rationale Behandlungsweise der Sprach 

iiil; und das philosophische Erfassen und Erklären ihrer Erscheinungen u 

'^ , Gesetze hemmend einwirkt, weil der Lehrer das vorausgehende empirisc 

•X ' Lernen und das Einüben der positiven Sprachgesetze, das fleissige Go 

strniren und äussere Betrachten der Sätze, die Anschauung und Unt< 

\y Scheidung ihrer concreten Formen , die feste Gedächtnissbegrürtdung d 

'; i grammatischen Regeln, der Wortbedeutungen und des WortgebraucI 

überhaupt das Erstreben praktischer Sicherheit und Fertigkeit in d 

j . Sprache zu schnell bei Seite setzt , zu früh von der äussern ErkenntaJ 

:{ - zur Abstraction, vom Niedern zum Hphern, vom Besondern zum AUg 

!!■ : meinen fortschreitet und statt eines festen, und begründeten Wissen n 

ein leichtes und oberflächliches Ahnen erzielt, oder wohl gar im ume 

! kehrten Wege und liach der Anleitung der Becker'schen Sprachtheorie c 

Erkenntnbs der Sprachgesetze nicht mit der Erkenntniss der äusse 

[ Formen, sondern mit der abstraoten Erklärung ihres Wesens anhebt ni 

analytisch vom Allgemeinen zum Besondern fortgeht, und dabei au 

wohl noch durch zu hohe Abstraction und zu feine Distinctionen d 

klare und lebendige Anschaaung erschwert and die Sache für begriff 



Beforderongen und Ehrenbezeigungen. 355 

dem Professor Dr. ff^Utmanny worin der Verf. zur tieferen Begründung 
des Wesens und Gebrauchs dieser Präposition allerdings von der Be- 



ansieht , wenn der Schüler das Vorgetragene trea nachbeten kann ; oder 
ob die zu grosse Bereitwilligkeit unserer Zeit , dem Schuler alle Schwie- 
rigkeiten möglichst zu erleichtem, verbunden mit dem Streben , ihm seine 
ganze Bildung durch den ofifentiichen Unterricht beizubringen und seine 
Privatthätigkeit wenig zu beanspruchen oder sie wenigstens auch fort- 
während am Gängelbande zu halten , der Entwickelnng seiner eigenen 
Kraft im Wege steht und ihm die nöthige Brstarknng zur Selbstständie. 
keit raubt, so dass er vor Jeder Schwierigkeit zurückschreckt und sie 
nicht durch eigene Anstrengung zu überwinden sucht, sondern auf die 
Hülfe des Lehrers wartet. Lassen wir aber die Frage , ob unsere Scha- 
ler diejenigen griechischen und lateinischen Schriftsteller, welche in den 
Classen gelesen werden , ohne unterstatzende Anmerkungen nicht ver- 
stehen können, dahin gestellt sein: so ist auch die geforderte Gestaltung 
dieser Anmerkungen eincf einseitige , weil ihnen kein höheres Ziel gesetzt 
ist, als^as Verständniss des Schriftstellers zu unterstützen und zu er- 
leichtern. Allerdings, ist das die nächste und erste Aufgabe jedes Com- 
mentars , und darum müssen auch Anmerkungen für den Schülergebrauch 
zuvÖrdereit zum Zwecke haben, das Verständniss des Schriftstellers bis 
zu dem Höhepunkte und Umfange zu eröffnen , welcher nach dem Stand- 
punkte der Ciasse, in welcher derselbe gelesen wird, gefordert werden . 
kann. Allein wenn eine mit Anmerkungen versehene Schulaasgabe weiter 
nichts leistet : so bleibt sie entweder unter dem Zwecke der Schulbildung, 
oder sie stellt das Lesen und Verstehen der alten Schriftsteller als den 
höchsten Schulzweck hin. Es ist wohl möglich , dass es noch Pädagogen 
giebt, welche die^ Gymnasialbildnng der Jugend für vollendet ansehen,* 
wenn dieselbe die lateinische und griechische Sprache bis zu einer rela- 
tiven Fertigkeit des practischen Gebrauchs^ gelernt hat und die Schriften 
dieser Sprachen mit entsprechender Leichtigkeit und Gewandtheit über- 
setzen kann, und sie~ haben für diese Ansicht die geschichtliche Recht- 
fertigung, dass die Gymnasien der Vergangenheit kein anderes Ziel des 
classischen Sprachunteil'ichts gehabt haben und doch durch dasselbe drei 
Jahrhunderte hindurch die allgemeinen Bildungsstätten and Stützen der 
höheren Volksbildung gewesen sind. Die Erfahrung hat also bestätigt, 
dass schon das tüchtige und gründliche Erlernen dieser alten Sprachen 
und das fleissige Lesen ihrer Schriften eine solche Beschäftigung der 
geistigen Kräfte und einen solchen Wissensstoff gewährten , • welche an- 
mittelbar und durch sich selbst den Jugendgeist ^ in einem solchen Grade 
intellectueir entwickeln und ausbilden , wie es wahrscheinlich kein ande- 
rer Unterrichtsstoff thut. Denn wenn auch in der jüngsten Zeit be^ 
hauptet worden ist, dass das Studium neuerer fremden Sprachen and 
ihrer Literatur denselben Bildnngserfolg gewähren müsse: so lässt doch 
das theoretische Betrachten dessen , was an der Sprache und ' Literatur 
bildend ist, ohne grosse Schwierigkeit erkennen, dass die griechische 
und latanische Sprache nach Form and Inhalt einen viel naturgemässe- 
ren, allseitigeren und besser gegliederten Bildangsstoff in sich trägt, als 
jede andere Sprache, welche bis jetzt wissenschaftlich erforscht worden 
i8t,nnd dass auch ihre Literatur, so sehr sie an Tiefe und Umfang von 
dem Wissen der Gegenwart übertroffen werden mag, doch nach Dar- 
stellungsform und Ideenkreis nicht blos die Grundlage und also auch der 
Anfangspunkt des richtigen Verstehenlernen der neuem Literaturen ist, 
sondern überhaupt dem Anschauungs- and Erkenntnisskreise der Jugend 
weit näher steht and sie am sichersten für die allgemeine Weltanschau- 

23* 



1; R 
>! ! 



■I 



I-'. 



§;. 



:!; .. ; 



]■■■ ■ i 

1!^" • i 
':■" ' i 



356 Schul- and Universitätsnachricbten, 

trachtiing anhebt, das« die mit drei Casibus verbundenen Prapesitione 
für alle drei VerhaltniMe der vorhandenen Ortscasos verwendet sind an 



tfng vorbereitet. Allein die fortgeschrittene Gymnasialpadagogik und dt 

tiefere Erforschen des Wesens and Bildangswerthes der verschiedene 

Unterrichtsgegenstande nach ihrer formellen und materiellen Bedeatsan 

keit hat auch za der Einsicht gefuhrt, dass jenes Betreiben der alte 

Sprachen und Literaturen, vrornach ihr Erlernen und Einüben gleichsai 

als Selbstzweck und als Eridziel der Gymnasialbildung gedacht wird, noc 

nicht die rechte pädagogische Benutzung derselben ist und für die g< 

steigerten Anfordemngen an die Jugendbildnng nicht mehr ausreichen 

wirksam sein kann; sondern dass ihr BUdungswerth nur dann erst g< 

hörig benutzt und ausgebeutet wird, wenn man sie nur als Mittel zu 

Zweck ansieht, d. h. die aus Form und Inhalt derselben gewonnene £i 

kenntniss als Mittel benutzt, um alle Kräfte des Geistes mit klarer AI 

sichtlichkeit und in gehöriger Stufenfolge daran zu üben und zu bildei 

Vgl. NJbb. 49. S. 155. ff. Durch diese veränderte und gesteigerte B< 

j; Ij ^ nutzung des Sprachunterrichts ist allerdings die Bedingung nicht aufg< 

hoben , dass die alten Sprachen erst bis zu einem gewissen Grade pos 

tiv .erlernt und eingeübt und ihre Schriftsteller nach. Form und Inha 

erst bis zu einer gewissen Hohe richtig verstanden sein müssen , bevc 

V -: das daraus geschöpfte Wissen Bildungsstoff ond Bildnngsmittel für allg< 

J' !i meine geistige Entwickelung werden kann ; allein weil nun das Erkennei 

lassen der Form und des Inhaltes mit der-Absicht betrieben wird, beide 

schon bei der Erkenntniss und Einübung selbst diejenige Gestaltung i 

geben, wodurch sie zu dem geeignetsten Mittel des höheren Bildungi 

Zweckes werden: so ändert sich dadurch der Lehrgang und die Lehrfwi 

des grammatischen Unterrichts und der Schriftstellererklärung mehrfac 

und wesentlich ab. , Gleichwie nun also der Lehrer in keiner Gjrnnasia 

classe sein Lehrgeschäft .erfüllt, wenn er seinen Schülern das vorgc 

schriebene grammatische Pensum gehörig einübt und ihnen in den i 

lesenden Schriftstellern die entsprechende Fertigkeit des Verständnis» 

verschafft, sondern vielmehr immer aus dem erlernten positiven Wism 

Einzelnes ausscheiden und hervorheben, muss , woran er nach Verhältni 

der Fassungs- und Urthellskraft seiner Schüler deren geistige Thätigk< 

absichtlich übt und sie zu höherer Entwickelung und Selbstständigki 

fortfahrt: eben so ist auch der Zweck der Schulausgaben alter 8cbrij 

steller nicht erfüllt, wenn die darin . befindlichen Anmerkungen nicfa 

weiter leisten, als den Schaler in seinem positiven sprachlichen Wis8< 

zu befestigen und ihm das allgemeine Verständniss des Schriftstellers na< 

Maassgabe seiner Erkenntnisskraft zu erleichtern. Hierin aber liegt d 

Grund, warum man die von den Verff. der obigen Abhandlungen gefo 

derte Gestaltung der Anmerkungen für den Schulgebrauch als einseit 

und unzulänglicn verwerfen muss. Zwar haben sie diesem Vorwurfe d 

durch zu begegnen gesucht, dass sie jenen hohem Zweck der geistig« 

Bildung nur dem Lehrer zuweisen uod dem Verfasser der Schulannie 

kungen, damit er jenem nicht vorgreife, blos übrig lassen, diejenige 

Schwierigkeiten an^uklären , welche das allgemeine sprachliche und stoi 

liehe Verständniss des Schriftstellers erschweren. Allein so hübsch di 

für den ersten Ansehein aussieht , so ist es doch praktisch nicht ausführbs 

oder wenigstens weit mehr hemmend, als wenn der Verfasser der Scb« 

anmerkungen gleichen Zweck mit dem Lehrer verfolgt. Schon das blosi 

Verständniss der alten Schriftsteller nach Form und Inhalt ist ip jed< 

Gymnasialclasse ein anderes und richtet sich nach der jedesmaligen Hol 

der Erkenntnisskraft der Schüler. Demnach hat auch jede Classe für d; 



I 



BeCorderongen and EhrenbezeigUDgen. 357 

mit dem Genitiv da« Wohei', mit dem Dativ das Wo, mit dem Accosa- 
tiv das Wohin bezeichnen. Aber statt diese drei Gesichtspunkte an 



Verstehen- und Uebersetzenlernen der Schriftsteller andere Betrachtongs- 
rucksichten, und von ihnen hängen zumeist die Schwierigkeiten ab, wel- 
che dem Schüler bei der Vorbereitung auf die öffbntlichen Lebrstunden- 
und bei dem eigenen Lesen entgegentreten. Diese Schwierigkeiten aber 
verändern sich noch einmal, wenn das relative Verstehen des Schrift- 
stellers nicht bfos auf die entsprechende allgemeine ßrkenntniss seiner Form 
und seines Inhaltes gerichtet ist, sondern auch besondem Unterrichts- 
zwecken zur Grundlage dienen soll. So wie n\in für das blosse Ver- 
ständuiss eines Schriftstellers eine Schulausgabe nicht förderlieh wer- 
den kann, wenn deren Anmerkungen nicht genau nach dem Grade 
berechnet sind, bis zu welchem das Verständniss des Schriftstellers in 
der entsprechenden Classe gebracht werden kann : ebenso wenig können 
da, wo zu dem relativen verständniss der Schrift noch besondere Bil- 
dungsrucksichten hinzutreten und also die Betrachtung derselben theil- 
weise sich verändert, solche Anmerkungen, etwas nutzen, welche nur das 
allgemeine Verständniss eroffnen oder erleichtem. Der Verf. solcher An- 
merkungen nämlich wird nie das rechte Maass treffen, sondern bald zn 
viel bald zu w:enig erklären , die besondern Rücksichten und Schwierig- 
keiten, t^elche der specielle Bildungszweck mit sich bringt, unbeachtet 
lassen, und dagegen auf andere Dinge aufmerksam machen, welche für 
den gegenwärtigen Zweck ungehörig sind und daher sowohl die Auf- 
merksamkeit des Sohnlers zerstreuen, als auch dem Lehrer seinen Unter- 
richtsgang erschweren, sofern er nämlich auf die Anmerkungen der Schul- 
ausgabe Rücksicht nehmen will. Sollen also den Schülern für die Vor- 
bereitung auf die öffentlichen Lehrstuiiden unterstützende Anmerkungen 
in die Hände gegeben werden : so müssen dieselben streng nach dem L^r- 
zweck der besondern Classe eingerichtet sein , und alle Beziehungen und 
Schwierigkeiten berühren , welche der Lehrer beim Unterricht zn berück- 
sichtigen für nöthig erachtet. Die Furcht, dass durch dergleichen An- 
merkungen der Lehrthätigkeit des Lehrers vorgegriffen werden könne, 
kann an sich diese alljvcmeine Forderung nicht verändern und ist auch 
nicht so gefahrvoll, au die Verff. dch gedacht haben. Wofern nämlich 
der Herausgeber solcher Anmerkungen das Bewusstsein streng festhält, 
dass er durch dieselben die Privatthätigkeit und das Selbstdenken des 
Schülers bei der Präparation nicht vermindern , sondern ihn nur auf Alles, 
worauf er bei der Präparation zn sehen hat, aufmerluam machen uiid 
ihm diejenigen Schwierigkeiten lösen helfen will, welche derselbe mit ei- 
genen Mitteln nicht lösen kann : so werden die Anmerkungen , auch wenn 
sie nichts Bezügliches unerörtert gelassen haben sollten, von selbst das 
Gejpräge annehmen, dass sie nurxlas für den Schüler Unauflösbare po* 
sitiv erklären^ in allen andern Fällen aber blos anf die Betrachtungs- 

5 unkte aufmerksam machen und die nöthigen Unterlagen und Andeutungen 
arbieten, durch welche der Schüler zum Nachdenken über den Gegen- 
stand veranlasst und zur eicenen Lösung desselben hingeführt wird. Das 
Geschäft des Lehrers wird dann seid, nachzufragen, ob der Schüler 
diese Andeutuneen richtig verstanden jund angewendet habe, nnd ausser- 
dem bleibt für ihn überall übrig, das Resultat der angeregten Betrach- 
tung zu ziehen und es den Schülern als Regel hinzustellen und klar zu 
machen. SoUten aber auch jene Anmerkungen die eben angegebene Ein- 
schränkung überschreiten und statt der Andeutungen vollständige Auflö- 
sungen der frag^ichen^ Sache geben : so werden sie dann freilich für das 
Selbstdenken des Schülers minder tanglich sein, aber den Lehrer, falls 



358 Schol - nnd l^nivertitatsnachriehten, 

sich naher so betrachten nnd sowohl die nberhaapt möglichen Rncksichten 
und Veraniauungen zn verfolgen, nach welchen jene drei Bezeichnangen 



sie nnr an sich richtig sipd, immer noch nicht beeinträchtigen: denn 
einmal v\ird die Individualität seiner Schaler noch Vieles zu erörtern 
und zu ergänzen fibrig lassen, nnd sodann wird er nach seiner eigenen 
Individoalität und nllch dem gewählten besondem Unterrichtsgange dio 
specieUe Anwendung und die Reihenfolge jener Brörtemngen jederzeit 
anders gestalten, als es in den Anmerlmngen selbst geschehen ist. Wie 
aber solche Anmerkungen — vorausgesetzt nämlich, dass sie jederzeit das 
für die besondere Classe Nothwendige und Brauchbare geben, den Scha- 
ler nicht mit zu Vielerlei überschütten, und ihn noch weniger mit Erör- 
terungen und Mittbeilungen belästigen, weiche gar nicht in den Berddi 
der Classe gehören — spedell eingerichtet und abgestuft werden sollen, 
darüber hat der Unterzeichnete seine Ansicht bereits in diesen NJbb. 
43. S. 234. f. mitgetheilt Wenn aber Hr. von Jan in den dort anfge- 
stelltcn Forderungen bios ein Normativ für eine solche Schulausgabe er- 
kennen will, weiche für das Privatstudium des Schülers bestimmt ist: so 
hat er wohl nicht genug bedacht, dass Anmerkungen für das Privatstu- 
dium and Anmerkungen für die Vorbereitung auf die Lehrstanden, sobald 
sie für eine und dieselbe Classe bestimmt sind, sich nicht in der Aiuk 
wähl and Behandlungsweise ihres Inhalts, sondern nur in der Darstel- 
lungsform und Ausdehnung unterscheiden, indem Anmerkungen der letz- 
tem Art die nothigen Betrachtungen und Erörterungen vorherrschend nur 
anregen und anbahnen, die für das Privatstudium bestimmten aber in - 
allen den Fällen, wo der Schüler die Auflösung nnd Anwendung nicht 
selbst finden kann, die dafür -nöthige positive Aufklärung hinTzuflSfieDi. 
Die andere Furcht aber, dass dergleichen Anmerkungen zu viel Eruin» 
terungen und eine vollständige Erklärung des Schriftstellers bieten und 
dadurch die Selbstthätigkeit des Schülers vermindern wurden , berabtaaC 
der Voraussetzung , dass eben der Verf. dieser Anmerkungen den recbten 
Bildungsgrad und Bildungszweck der Classe nicht verstanden oder nidit 
beachtet, und also ein fehlerhaftes Verfahren eingeschlagen hat. Dabei 
wird übrigens Niemand leugnen , dass für jeden Bearbeiter einer Schul- 
ausgäbe das allerschwerste Geschäft in der rechten Wahl und Form der 
Erklärangen besteht und dass hierin mancherlei Verirrungen kaum zu 
vermeiden sind. Allein dieser Mangel wird theils durch die Individna- 
4ität des Herausgebers , theils durch die besondern Verschiedenheiten der 
einzelnen Gymnasien unter einander hervorgerufen, nnd kann von der 
allgemeinen Theorie weder beachtet noch beseitigt werden. Das allge- 
meine Gesetz aber, nach welchem in der Schulausgabe Umfang und Ge- 
stoltnng der Anmerkungen berechnet wird , ergiebt sich einerseits aus den 
herkömmlichen Classenabstufnngen und aus dem besondem grammatischeu, 
lexikalischen, rhetorischen und logischen Lehrstoffe, .welcher in jeder 
Classe vorherrschend behandelt zu werden pflegt; andererseits ist es 
durch das allgemeine Bildungsprindp bedingt, dass alles Lernen mit Er- 
kenntnitfs nnd Verständniss der concreten Erscheinung und des positiv 
Vorhandenen beginnt, dann zur Vergleichung nnd Reflexion über das po- 
sitiv Erlernte sich erhebt, und endlich in der Abstraction und Erhebung^ 
zum aligemeinen Gesetz und zar ^allgemeinen Wahrheit seine VoUendunc 
erreicht. Erkenntniss und Einübung des Materials in seinen äussern 
Efscheinnngen und seiner positiven Gesetzmässigkeit, also in der Sprache 

{iositive Grammatik und Worterkenntniss und die Fertigkeit, mit Hülfe 
leider die Schriftsteiler nach der Gesetzmässigkeit der Wort- und Satz- 
focroen mit relativer Geläufigkeit übersetzen zu lernen , ist die Aufgabe 



Beförderungen und Ehrenbezeigunfen. 359 

des Seins nnd Bewegens im Raame der menschlichen Vorstellang mit ein- 
ander verwechselt werden, als anch insbesondere festzustellen, nach 
welchen Beziehungen die griechische Vorstellungsweise jene drei Verhält- 
nisse mit einander verwechselt hat : geht er sofort zui; Specialbetrachtung 
des Gebrauchs von inl über und bespricht diejenigen Einzelfalle, wo die 



der untersten Lehrstufe; tüchtiges Einüben der grammatischen Formen 
und Gesetze, fleissiges Worterlernen , fleissiges Construiren und Betrach- 
ten der äussern Satzformen sind die Mittel dazu , und daher ergiebt sich, 
was der Lehrer im Unterricht und der Commentator in seinen Anmer- 
kungen besonders zu beachten hat. Schwierigkeiten des Schriftstellers, 
-welche nicht innerhalb dieses Uebongskreises liegen und doch das Ver- 
ständniss aufhalten , muss man dem Schuler hier gar nicht erläutern 
wollen', sondern ihm gleich die directe Auflosung mittheilen. Auf der 
mittlen Stufe tritt das Vergleichen nnd Unterscheiden des Aebnlichen und 
Unähnlichen sowohl innerhalb der zu erlernenden, als auch mit Zuzie- 
hung der bereits erlernten Sprachen hervor , und^ das Homogene und Pi- 
vergirende der Sprachgesetze in Verhältniss unter einander und in Ver- 
gleich mit der iVluttersprache soll in seinen wesentlichen Merkmalen er- 
kannt und unterschieden, nach gleichen Rücksichten auch die WortbiU 
dungis- und Wortableitungslehre gepfle«>t und für das tiefere Eindringen 
in den materiellen Sprachstoff die Wortbedeutungslehre durch Unter- 
scheidung der concreten, met^horischen , tropischen und abstraften Be- 
deutungen nnd ihrer Abstufungen zu einan<)er tiefer erkannt und ver- 
folgt und auf alle diese Dinge auch beim Lesen der Schriftsteller vor- . 
zogliche Rücksicht genommen, zugleich aber auch neben dem bene 
disiihguere das cog^'tore (Zusammensetzen) beachtet und also der Schüler 
dahin gefuhrt werden , dass er das erkannte Einzelne synthetisch zum 
allgemeinen Gesetz erheben lerne. Auf der obersten Lehrstufe kommt 
das Abstrahiren an die Reihe und der Schüler isoll alles dasjenige, was 
er als allgemeine formelle und materielle Erscheinung an der erlernten Spra- 
che erkannt hat, von ihr wegnehmen und für andere Sprachen verwen- 
den, überhaupt zur allgemeinen Regel und 'Wahrheit erheben lernen. 
Dazu werden die synthetisch erkannten Gesetze wieder analytisch aufge- 
löst und durch rationale Erörterungen in ihren Ursachen und innerem 
Znsammenhange erforscht, fiberdem die Sprache in ihrer Vertheilung in 
Verstandes-, Vernunft-, Phantasie- und Gefühlsrede, sowie in ihrer An- 
wendung auf die verschiedenen ^Stoffe (d. h. nach den Stilgattungen) be- 
trachtet , und neben der stilistischen Form der logische Inhalt der Schrift- 
steller in möglichster (d. h. der Fassungskraft des Schülers entsprechen- 
der) Tiefe und Allseitigkeit erkannt und verfolgt. Wie sich das nun im 
Einzelnen praktisch gestaltet, das hat der Unterzeichnete in den NJbb^ 
43. S. 234. f. bereits anzudeuten versucht, und wünschte wohl, dass die 
Verff. der obigen Abhandlungen auf dessen Prüfung eingegangen wären. 
Das aber sei hier noch bemerkt, dass die vorgeführt« Abgrenzung der 
drei Lernstnfen sich in der Praxis nicht ganz so abstuft, dass z. B. 
alles Unterscheiden und Reflectiren in die Mittelclassen , und alles Abs- 
trahiren nnd rationale Erkennen in die Oberclassen der Gymnasien ver- 
legt werden müsste. Im Gegentheil kann schon Manches davon weiter 
unten vorkommen, und umgekehrt tritt das positive Erlernen gewisser 
Stoffe und Erscheinungen erst in den obersten Classen ein. Indess die- 
ser Umstand zerstört nicht die allgemeine Forderung der Theorie, und 
worin gerade die Praxis von ihr abweichen darf, das lehrt leicht die 
praktische Erfahrung, welche der anfnerksame Lehrer in der Schule selbst 
gewinnt. [Jahn.] 



360 Schal- und UDivergiiatAnaohriobteo, 

Präposition mit einem andern Casus verbunden ist , als welchen man nach 
der allgemeinen Vorstellung erwarten sollte. Den reichsten Betraoh« 
tungsstoff hat der Gebrauch des Genitivs und nachstdem anch dör des 
Dativs in solchen Fällen gegeben , yto eigentlich die Frage wohin das 
Bestimmungsmotiv des Orts Verhältnisses zu sein scheint. Diese Special- 
erorternng ist mit viel Umsiebt und Gründlichkeit geführt, und giebt 
namentlich über den Gebrauch des Genitivs in Fällen , wo von einer Be- 
wegung nach einem Orte hin die Rede ist [Xenoph. bist. I. 6. 20., III. 4. 
12., V. 3. 6., VIT. 1. 28., Cyrop. VII. 2. 1., Herodot. I. 1., IL 73. 76., 
I. 164. 168., 11. 28. 119., IV. 14., V. 33. 64;, VI. 33. 34., VU. 57. 193.], 
und wo er statt des Dativs das Bleiben am Orte angiebt [Herod. IV. 87., 
VII. 116., VU. 6., Xehoph. Anab. IV. 3. 28.], über die allgemeine Be- 
aeichnung der Bewegung nach einem Orte hin [Xenoph. bist. VI. 5. 2L, 
Cyrop; III. 1. 2., Anab. I. 4. 10., IV. 7. 18., V. 1. 1., histor. I. 2. 6.] 
und über den Gebrauch des Dativs bei Zeitwortern des Bewegens [Xe- 
noph. Anab. VI. 1. 22. und 3. 12., VII. 3. 1.J recht hübsche ErläuterongeD 
der Sprachempirie; aber er schliesst, wie gesagt, den griechischen Vor^ 
stellnngskreis nicht auf , aus welchem jene Unregelmässigkeiten hervorge- 
gangen sind. Zuletzt sucht er diesen Gebrauch der Präposition ini noch 
durch Vergleichung des deutschen bei [pi und .bi\ zu erläutern und aach das 
lateinische per soll mit jenen beiden verwandten Präpositionen in Ver- 
wandtschaft gebracht werden. — In Speyer stehen Lyceum, Gymna- 
sium und latein. Schule unter dem Rector Hofrath Dr. Jäger and im Ly- 
ceum lehrt Prof. Schwerd Mathematik und Physik, Prof. Dr, Zetiss Ge- 
schichte, Prof. ^urscAfliftt Naturgeschichte , Prof. Halm Philologie and 
Archäologie, Prof. Rau Philosophie Und Geschichte für die protestanti- 
schen Lyceisten , Dr. Schwartz Religion und bibl. Sprachkonde für Pro^ 
testanten. Statt des Dr. Weinkarte welcher Religions* und Moralpbilo- 
Sophie, Religionslehre und biblische Sprachkunde für Katholiken lehrte, 
ist seit 1846 der Priester Schopf eingetreten. Im Gymnasium nnd Claa» 
senlebrer die Professoren Muster, Halm, Hup» Jäger und Fischer, in der 
lateinischen Schule die Studienlehrer Fahr, Hollerith, Osthelder und 
Macht, Ausserdem lehrt Prof. Schwerd Mathematik, Domoapit. Busch 
kathoL Religion im Gymnasium und Domvicar Spiehler dieselbe in der 
latein. Schule , Prof. Schwartz protest Religion, Osthelder hebr. Sprache 
für Katholiken , I>e2es franz. Sprache, Zach Zeichnen und IFiss Musik. 
Von 1846 an wurde auch an den beiden Gymnasien der Pfalz die Anord- 
nung in Ausführung gebrdcht , dass der Geschichtsunterricht nach Con- 
fessionen getrennt ertheilt wird, und weil die- Anstellung eines besondem 
Geschicfatslehrers für die protestantischen Schüler sich verzögerte, so 
übernahm Anfangs der Prof. Schwartz,. später der Pfarradjunct Coselmann 
denselben *). In dem Programm vt>n 1845 hat deK Prof. .Bau die zweite 



*) Es liegt gewiss in dem schon so aehr ausgedehnten Lehrkreiae 
des Prof« Schwartz, dass die AnsteUung einea besondern protestantischen 
Geschichtslehrers beantragt worden ist: denn as. sich ist es in Bayern 
Norm, dasi^ der Geschichtsunterricht von den Religionslehrern ertheilt 



BefdrderoBgen und Bhrenbezeigniifen. 361 

Abtheilang der 1844 begonnenen Abhandlung, die RegimenUverfaswmg 
der freien Reichsstadt Speyer tu ihrer gesehkhükken Entwu^lung, her^ 
ausgegeben und darin die Einrichtung und Geschichte der Zünfte , des 
Rathes, dessen Gestaltung mit dem Zunftwesen eng zusammen hing, und 
der Richter Yon 1^49—1689 geschildert. IMe dritte Abtheilnng, worin 
die Verhältnisse des stadtischen Regiments zu Bischof, Kaiser und Reich 
dargestellt werden sollen , will der Verf. im Archiv des histor. Vereins 
der Pfalz erscheinen lassen. Im Programm von 1846 hat der Prof. KaH 
Halm die schon oben 8. 286. erwähnten Beiträge eur Kritik und Erklä- 
rung der jinnalen des Tacitus [26 S. gr. 4.] herausgegeben und darin 
gegen bO schwierige Stellen der Annalen und 10 andere ans dem Agricola 
nach der Bichtung besprochen, dass er vorherrschend solche Stellen aus- 
gewählt bat, deren Schwierigkeiten von den Erklärern entweder noch 



wird. Und diese Norm beruht wahrscheinlich auf dem Grunde, dass als 
Endziel des Geschichtsunterrichts in den Stndienanstalten die Abhängig- 
keit der Menschenschicksale von der Gottheit, oder überhaupt die Offen- 
barung der göttlichen Weltprdnung und die fortschreitende Bntwickelung 
des Gottesreiches in der Geschichte der Menschheit gefordert wird. Ist 
• diese Voraussetzung wahr, so erscheint allerdings der Bildungszweck der 
Geschichte etwas anders« als man ihn sonst für die allgemeine Hnmani- 
tätsbildung aufzufassen pflegt. Wenn nämlich da^ höchste Ziel des Sprach- 
unterrichts darin gefunden Svird, dass an Form und Inhalt der Sprach» 
erkannt werden soH, wie die Volker für ihr Erkennen, ihr Denken, ihr 
Fühlen , ihre geistigen Kräfte gebrauchen und die Hohenstnfe ihrer In- 
telligenz, ihre» Geschmacks uiä ihres Gefühlslebens, überhaupt ihre gei- 
stige Eigenthumlichkeit offenbaren , und wenn aus der Betrachtung ihrer 
Literatur der Entwickelungsgang und die Hohenstofe ihres geistigen 
Schaffens erkannt wird: so tritt die Geschichte als ergänzende Wissen- 
schaft hinzu , sobald sie nämlich nach dem Zwecke gelehrt wird , ans den 
Thaten und Zuständen der Volker ihre Bestrebungen sowohl in deren 
Abhängigkeit von der Aussen weit als auch in der von Verstand oder Un- 
verstand, von Vernunft oder Leidenschaft geleiteten Freiheit des Han- 
delns erkennen zu lassen. Beide Unterrichtsgegenstände in solcher Weise 
aufgeiasst , sind also die reichste Offenbarnng des Innern Menschenlebens 
und aus ihnen soll der Jüngling die Menschheit richtig kennen und ver- 
stehen lernen und sich selbst dadurch zum rechten menschlichen Sein und 
Streben erheben. ■ Neben diesem Unterrichte stehen als zweite Bildungs- 
gruppe diejenigen Unterrichtsgegenstände, welche dazu dienen, dem 
Menschen me Aussenwelt verstehen , ihn sein Verhältniss zu ihr erken- 
nen zu lassen und ihm zur relativen Herrschaft über die Kräfte und Bil- 
dungen der Natur zu verhelfen, d* i^ die Naturwissenschaften sammt der 
dazu gehörigen Mathematik, welche geradeso die Modalitätsgesetze der 
Natur und Welt kund giebt , wie es die Grammatik bei der Sprache thnt. 
Der dritte Unterrichtsgegenstand endlich ist die Religion , welche den 
Menschen über die Gottheit und über sein Verhältniss zu ihr aufklärt. 
Nun freilich J[ann man auch in der Natur das Wirken Gottes erkennen 
und in der Geschichte dessen Leitung und Führung des Menschenlebens 
nachweisen , aber beide Betrachtungsweisen sind nur Rücksichten des 
Unterrichts, wenn man die Natorlehre and die Geschichte als Hülfs- 
wissenschaften für die allgemeine Religionslehre gebraucht; für sich allein 
aber werden die Nattirlehre und die Geschichte nur nach der vorher an- 
giföhrteii Rücksicht zur Jagendbildhng zu benutzen teia. [Jahn.] 



862 fidnil- and UniTerntatraachriehteii, 

nicht richtig gelost oder ganz mit Stillschweigen fibergangea worden 
sind. Scharfe Beachtang dieses Znsammenhaiiges der Stellen ^and ge- 
diegene sprachliche Begründong der yorgetragenen Erklamngen nnd Tex- 
tesvecbesseraogen machen das Programm zn einem sehr wichtigen« Von 
dem Vielen heben wir nur folgende Beispiele aus. Ann. !• 9. werden die 
amnea longmqui nicht von tDeiienUegenen Flüsgen^ sondern von FZuatem 
mtf langem Lauf ,. welche weithin die Grenzen decken, verstanden, was 
durch aaeptum und durch den Gegensatz mari nothwendig verlangt wird. 

I. 27. ist in Bezug auf mUüiae flagüia scharfsinnig nachgewiesen , dass 
die gröblichen Vergehen gegen die soldatische Ehre in die zwei Hanptr 
kategorien der Insubordmation und der Feigheit zerfallen, nnd der Sinn 
gegenwärtiger Stelle sein muss: „von ihm glaubte man, dass er der Erste 
sei, der jene soldatischeo Bxcesse (Ausbräche soldatischer Meuterei) mit 
aller Entschiedenheit von sich weise/ ^ 1. 39. «wird in den .Worten ditx et 
milea et facta der dux nicht vom Feldherm verstanden , sondern über- 
setzt: „Erst teit Tagesanbruch, als Rädeltführer , Soldaten und Vorgänge 
allmälig erkannt wurden.*' I. 64. soll laceasunti ^^^ vrohl nur die ge- 
nerelle Bedeutung des Nockens und von allen Seiten Angreifens hat, we- 
gen der folgenden Specialbegriffe cireumgrediuntur (im Rücken angrdfiui) 
und oecursant (von Vorne andringen) bedeuten : sie griffen von den Flan- 
ken an.*' II. 9. soll in den Worten tum permismm das tum anstoaaig 
sein und es wird verbessert: oratum pennw«um, die Bitte wird gewahrt»^ 

II. 11. wird haud imperatorium ratua gedeutet: „er hielt es in strategi- 
scher Beziehung für unrathsam;** II. 16. rtpae als Dativ gefasst, mit 
der Uebersetznng : ,Je nachdem die Hügel vor dem Ufer des Flusses so- 
rncktreten, oder Vorsprunge von Bergen entgegenstehen nnd die am 
Flusse sich hindehnende Ebene verengen;** 11.17. die Worte manu^ ooee, 
vulnere nicht von auatentabat^ sondern von inaignia (wie II. 9.) abhängig 
gemacht. Die übrigen Erörterungen, welche insgesammt, auch wenn 
sie das Richtige nicht allemal treffen sollten, durch sehr scharfsinnige 
und umsichtige Auffassung sich empfehlen , verdienen in der Schrift selbst 
nachgelesen zu werden. — In Straubing ist Rector des Gymnasinms 
und der lateinischen Schule der Professor der Mathematik und Geogra- 
phie Vierheilig und Classenlehrer sind im Gymnasium die Proff. And^ta- 
hauser, Eiaenmann^ Dr. Mörtl und Dr. Fueha, in der latein. Schule die 
Studienlehrer Hof&ouer, Priester Bach, Hannwacker und Krieger, Der 
Religionslehrer des Gymnasiums Priester RShrl hat im Programm von 1845 
akathoUache Stimmen für die Jeauiten herausgegeben , weil er sich als 
Religionslehrer einer katholischen Anstalt für verpflichtet hielt, den cras- 
sen Entstellungen, Schmähungen nnd Lästerungen gegenüber, welche 
die Jesuiten in den öffentlichen Blättern erfahren, den Studlrenden ein 
anderes Bild in Wahrheit und Wirklichkeit aufzustellen , welches den 
Geist dieser Gesellschaft, besonders wie er so herrlich' in den Missionen 
und Schulen hervortrete ,' in dem schönsten Lichte zeige. Dieses Bild 
soll aber grosstentheils durch Ausspruche von Akatholiken dargestellt 
werden , und dazu ist besonders das benutzt worden , was der Engländer 
Dallas über den Jesuitenorden ausgesprochen hat. Die Tendenz der 



BefordermigeD ond Ehrenbezeignngeii. 908 

ganzen Abhandlung erklart das Torsteh^ende Motto:,, Wenn die Welt each 
hasst, 80 wisst, dass sie mich vor ench gehasst, Aber alles das werden 
sie each am meines Namens willen thnn, weil sie den nicht kennen, der 
mich gesandt hat/' Im Programm von 18^ steht eine Abhandlang de 
Nemesi von dem Prof, Dr. Fuchs , durch welche das bei den griechischen 
Schriftstellern in verschiedenen Bedentangen vorkommende Wort anfeinen 
festen Begriff zaräckgeführt werden soll. Nspkeatg von vifietv (dtstri- 
buere) abgeleitet, soll distributio ialis sein, quae aequUati non repugnety aber 
.immer die Nebenbedentnng der Indignation enthalten , qua quis (?) de m- 
juria quadam , de rebus indecoria , inhonesUs ete, t^ßeitur. Dieser inlie- 
gende Begriff gerechter Indignation .wird aus Iliad. 15. 80., Odyss. 1.350., 
11. 3. 156. dargethan. Nemesis , persönlich gefasüt , ist im sabjectiven 
Sinne iusta indignatio de tnncrta, quam iUe ipae^ qui indignatur , perpe- 
iravitj fastidium facinoria , quod iusta^ indignationem movere vel deorum 
vindietam excUare po«stf , pudorfamae atque iuris ^ wofür II. 13. 123. als 
Beleg gebraucht ist. Es folgen dann Brörterongen einiger Stellen , wo 
vinsctg in die Bedentnng von z6 tcov and q>Qr6voq nbergehe, aber diese 
verschiedenen Andentangen werden darch die nur vier Seiten fallende 
Abhandlung zu keinem Abschlass gebracht. — In Würzburg stehen 
Gymnasium und latein. Schule unter dem Rector Dr. Eisenhof er , mit 
welchem noch die Proff. Dr. Weidmann , Weigand und Dr.^ Karl Classen- 
lehrer sind , aber auch für jede Classe ein besonderer Repetent vorbanden 
ist. . Ausserdem ist Priester Dr, Attensperger Prof. der Mathematik, 
Priester Saff'enreuter Religionslehrer , Dr. Reisamann fnr hebr., Pauly für 
franzos. Sprache , Hesselbach far Zeichnen und vier Lehrer für Tonkunst. 
In der lateinischen Schule sind Studienlehrer in IV. Dr. Keller nebst dem 
Repetenten Adelmann, in III. ßFinckenmayer nebst RepeU Mittermayer^ 
in II. A. Hiller nebst Rep. Treppner ^ in II. B. Hegmann, in I. A. Dr. Her- 
hard nebst Rep. Mack^ in I. B. Holl, Im Jahr 1845 ist kein Programm 
erschienen; 1846 aber hat der Prof. Dr. Weidmann eine Uebersetzung 
vun Pindar^s drittem Oljfmpischen Siegesgesange im Fersmaasse der Ur~ 
sehrtft nebst einer Einleitung [i 1 S. 4.] herausgegeben. Neben der ziem- 
lich schwerfalligen JUebersetzung ist auch der griech. Text abgedruckt, 
und die Einleitung hebt zwar zur Erklärung der Pindarischen Sieges- 
hymnen von der uralten jß'estfeier der Theoxenien an, lasst aber die Frage 
über die Zeit, in welcher Theron den hier besungenen Wagensieg er- 
langte , und über das Verhaltniss dieser dritten zur zweiten Olympischen 
Ode bei Seite, und entwickelt nur den Ideengang und Plan des Gedichts, 
woran sich zuletzt ein Schema des Metrums, anschliesst. — Die latein. 
Schole in Wunsiebel steht unter dem Subrector Pfarrer Mosehenbaeh 
und hat für, ihre vier Glassdn zwei Studienlehrer, Dr. Ruckdeschel und 
Hess, — In Zy^EiBRÜCKEN ist der Prof. Teller Rector des Gymnasiums 
und zugleich Classenlehrer in lY., in den folgenden Classen sind Haupt- 
lehrer die Proff. Fischer^ Dr. Vogel und Butters ^ ferner Prof. Zach Leh- 
rer der Mathematik und Geographie, Pfarrer Krieger protest. Religioifs- 
iehrer, Priester. St. Oermdin seit 1846 Lehrer der Religion und Ge- 
schichte für Katholiken [nachdem die bisher, kathol. Religionslehrer im 



S64 äcbuU und UniversitatsnacbrichteD, 

Gymnasiom nnd in der latein. Schule Tafel und Kafbeek aosgeschieden 
sind], in der latein. Schede ist Helfreich Sabrector and zogieicb mit 
Crorringerj Sauter und Kraft Classenlehrer. Koch unterrichtet im fran- 
sosiscben und Veiel im Zeichnen. Im Programm von 1846 bat der Prot 
Teller einen AMsa der Geschichte des Zweibrückner Gi^mnanunu von 1559 
bis 1730mitgetheilt, und darin erzahlt, dass Herzog Wolfgang nach Binr 
fuhrung der Kirchenreformation aus den Einkünften des aufgehobene! 
Klosters Hornbach nach dem Gutachten des Strassburger Theologen Marw 
bach eine Schule zur Vorbildung der Geistlichen stiftete, welche» in vier 
Classen abgetheilt, die schon vorhandene Lateinschule als 5. Classe an- 
sah. Sie empfing ihre Schuler aus der Lateinschule , übte sie in I. in 
der latein. Sprache, setzte in IL diesen Unterricht fort nnd begann das 
Griechische, fugte in III. Unterricht in Geographie, allgemeine Geschichte, 
Logik, Metaphysik, Mathematik, Physik, Naturgeschichte und Rhetorik 
hinzu , und ging in IV. in einen theoretischen und praktischen Cnrsiu for 
künftige Geistliche über, nach dessen Vollendung dieselben sofort ein 
geistliches Amt erhalten konnten. Unter dem ersten Rector TremeükUf 
einem getauften Juden, gedieh das Gymnasium nicht; im Jahr 1631 wurde 
es seiner Subsistenzmittel beraubt und nach Zweibrücken verlegt , wo es 
sich 1640 auflöste. Aber 1640 erweiterte der Herzog F'riedrich die La- 
teinschule in Meisenheim auf vier Classen; sie wurde 1662 nach Zwei- 
brücken verlegt und blühete dort bis 1676, wurde aber von diesem Jahre 
an bis 1706 nach Meisenheim zurückverlegt. Französische Intendantei 
wollten das Fürstenthum katholisiren und die Schule den Jesuiten über- 
geben; aber die verwittwete Pfalzgrafin Friederike hinderte es nnd hob ** 
den Flor der Schule. Unter Schwedischer Herrschaft wollte man in 
Zweibrücken eine Universität errichten und verlegte deshalb 1706 das . 
Gymnasium zum dritten Mal dahin. Man besetzte es halb mit lutheri- 
schen, halb mit rcformirten Professoren, wodurch ein grosser Kampf 
and Zwiespalt entstand, den erst der Rector Crollius unter Herzog Gu- 
stav Samuel beseitigte, und das Gymnasium durch Verbesserung des Unter- • 
richts [in alten Sprachen, Geographie, allgemeiner Geschichte, Logik, 
Mathematik und Heraldik, sowie deutschen und lateinischen Stilübangen] 
so, hob, dass es den Namen und Rang eines Gymnasium illustre erhielt. 
Die Geschichte des Gymnasiums von 1730 an soll späterhin fortgeführt 
werden. Im Programm von 1846 hat der Prof. Fitcher eine Abhandlung 
über Horaz und seine Dichtung im Uchte seiner Zeit als Einleitung an 
Studirende zum Studium der Werke geschrieben and diese panegyristi- 
ische Beleuchtung der Horazischen Dichtungen mit allgemeinen philoso- 
phischen Betrachtungen über Wesen nnd Eigenthünriichkeit der Kun«t 
und Wissenschaft, der Geschichte und der Poesie eröfiEhet, daran aber 
«ine lobpreisende Uebersicht des Entwickelungsganges der epischen, 
dramatischen und lyrischen Dichtung bei den Griechen angereiht, am zn 
^er Bemerkung zu gelangen', dass die lyrische Dichtang, gleich der epi- 
schen und dramatischen , eine geschichtliche Bedeutung habe und das Bild 
der Zeit abspiegele, und dass sie um so lauter und heller töne, je reicher - 
die Geschichte an Thaten und Begebenheiten sei. In dem Augusteischen 



Beförderungen und Ehrenbezeigungen. S65 

Zeitalter wird die Bestätigung dafür gefunden. Aa dessen aligemeine 
Charakteristik reiht sich dann die Schilderung von Horazens Leben an, 
welche von dessen Geburt, Erziehung, Ausbildung, Studien, Reisen, 
Kiiegsthaten , Schicksalen und Charakter, von seiner Rückkehr nach 
Rom , seinem Auftreten^ als Dichter , seiner Bekanntschaft mit Virgil und 
Varius , seiner Einführung bei Maecen , der Gunst , in welche er bei die- 
sem und bei August kam , von der Genügsamkeit und Selbstständigkeit 
seines Charakters , Von seiner Verehrung des Augustus n. s. w. verhandelt, 
beiläufig die Frage, ob Horaz ein Schmeichler gewesen, berührt, dann 
von dessen Gedichten und deren Scholieii und Erklärem spricht, die 
Peerlkampische Kritik berührt , die Vorwürfe , dass Horaz zu viel Gra- 
cismen eingeführt , Moralitat und Religiosität oft verletzt habe , und an- 
dere Anfechtung mit dem allgemeinen Trostspmche niederkämpft , dass 
die Dichtungen des Horaz durch so scharfrichterliches Verfahren nur ge- 
wännen und den sibyllinischen Buchern gleich, an Werth desto höher 
steigen, je mehr sie an Zahl und Umfang verlören. . ~ 

Die obigen Mittheilnngen durften ausreichen , um über die äusseren 
Zustände der^Studienanstalten in den Jahren 1845 und 1646 Anfschluss 
zu gewähren , und die Auszuge aus den Programmen sollen einen unge- 
fähren Maassstab zur Beurtheilung der wissenschaftlichen Leistungen der 
Lehrer geben. Vielseitig wird freilich diese Beurtheilung darum nicht 
sein können, weil eine zu grosse Zahl dieser Programme, auch abgesehen * 
von ihrem wissenschaftlichen Werthe, zu wenig für die Zwecke der 
Schule eingerichtet ist, ja mehrere ganz und gar von den Zustanden, Un- 
terrichtsgegenständen derselben fernstehen und Dinge besprechen, die 
kaum in entfernter Beziehung zur Schule stehen. Um nun hieran noch 
einige allgemeine Bemerkungen über die bayerischen Studienanstälten an- 
zuknüpfen, so erwähnen wir zuerst, dass der aus katholischen und prote- 
stantischen Mitgliedern zusammengei^etzte oberste Kirchen- und Schulrath, 
welchem seit 1835 die Leitung des Brziehungs- und Unterrichtswesens 
übertragen war und in welchem nach der Klage der Protestanten der ka^ 
thoüsche Einfluss zu überwiegend war , mit dem 1. Januar 1847 aufgehört 
hat und seitdem die Oberaufsidit und Leitung des Erziehungs- und Unter- 
richtswesens dem Ministerium des Innern in der Weise übertragen ist, 
dass über die protestantischen Schulangelegenheiten ein protestantischer 
und über die katholischen ein katbolischer Ministerialrath oder Assessor 
das Referat haben soll. Natürlich ist dadurch die Leitung des Studien- 
wesens nun auch hier, wie anderswo, ganz in die Hände von Juristen 
gegeben , und die getfennte Verwaltung des protestantischen und katho- 
lischen Schulwesens wird namentlich bei den gemischten Anstalten man- 
cherlei Missverhältnisse herbeiführen. Sq lange die Leitung des Erzie- 
hungs- und Unterrichtswesens , oder doch wenigstens die nächste Beauf- 
sichtigung und Begutachtung dessdben nicht in die Hände eines tüchtigen, 
allseitig gebildeten und erfahrenen und gleichsam unter dem Schulstanbe 
gereiften Schulmannes und wahren Pädagogen kommt, sind vielfache 
Missgriffe in der Leitung und Verwaltung unvermeidlich. Schwierige 
Entscheidungsfälle, welche nur mit Hülfe richtiger and tiefer pädagogi- 



306 Schal- und Univcrsitatsnachrichten, 

scher Binflicht sachgemäs^ beartheilt werden können, liegen der neoen 
Stadienbehorde bereits vor* Zuvorderst nämlich ist aber die Tor zwei 
Jahren in den Gymnasien and lateinischen Schalen versachte BinfShrang 
der Rnthardt^schen Unterrichtsmet^iode [s. NJbb. 44. S. 99. ff.] im ktstea 
Jahre das Gutachten der Lehranstalten an die oberste Stadienbehorde 
eingereicht worden und dem Vernehmen nach fast darohans soweit ver- 
werfend ausgefallen , dass man in dieser Unterrichtsform nicht nur eine 
nutzlose Zeitverschwendung, sondern selbst ein den gesunden Verstand 
vernachlässigendes und das eigene philologische Stadium untergrabendes 
Verderben erkannt haben will , — eine Entschisidung , nach welcher die 
Stttdienbehorde gewiss in Verlegenheit sein wird, ob sie diese froher 
so nachdrücklich empfohlene Lehrweise noch weiter schützen oder still- 
schweigend verschwinden lassen soll. [Vgl. NJbb. 44. S. 103. und llOc 
Anmerk.]. Eine andere frühere Verordnung , nach welcher in Bezug 
auf die eingeführten Lehrbucher nach fünf Jahren über deren wissen- 
schaftlichen und praktischen, pädagogischen und theoretischen Werth 
Bericht erstattet werden sollte , hat ebenfdls durch die eingesandten dji- 
achten ihre Erledigung dahin gefunden , dass über mehrere unbrauchbare 
Schul- und Lehrbücher, z. B. die kleine latein. Grammatik von Schulz 
und das Lehrbuch der Mathematik, Klage gefuhrt worden ist, für and^e ' 
Lehrgegenstande, wie z. B. für Geographie und Religion dergleichen 
Lehrbacher noch ganz vermisst werdeui und wieder andere, z. B. das 
Lehrbuch der Geschichte für kathol. Gymnasien von Hofler und Doder- 
lein's Hülfsbach fär den deutschen Unterricht, noch unvollendet rind. 
Hier ist baldige Abhülfe um so mehr nötbig und wünschenswerth , je we- 
niger gegenwärtig in den meisten Unterrichtsgegenstanden der Bifdongs- 
erfolg ein befriedigender ist. Wahrend z. B. in der Mathematik durch 
das eingeführte Lehrbuch die rechte Behandlung sehr erschwert ist, für 
die Geographie die richtige Unterrichtsweise noch immer keine Aner- 
kennung finden will : so sind die dassischen ' Sprachstudien dorch zn 
grosse Verengung gedruckt, indem in Folge des geringen Lesens der 
Schriftsteller die Schüler nicht in den Geist der Classiker eindringen, 
bei der griechischen Sprache aber der Nachtheil noch besonders daher 
kommt, dass der Anfang dieses Unterrichts um ein Jahr spater gesetzt 
und aus der dritten in die vierte Classe der lateinisdien Schule verlegt 
ist, ohne dass man darnach auch die Forderung an die Leistungen be- 
schränkt hat. Auch steigern wohl manche Prufungscommissarien bei Ab- 
nahme der AbsolutoriaUPrüfnng in den Gymnasien die Forderung an die 
Leistungen der Schüler -ungebührlich und nngleiclUirtig oder verwirren 
durch ungeeignete Berichte an die Oberbehorde die Lehraufgabe der 
Studienanstalten , oder verfuhren wohl auch dazu , dass das gedächtniss- 
mässige Erlernen des Lehrstoffes zu sehr hervorgehoben und das geistige 
Beleben und Eindringen zurückgedrängt wird. Der neueingeführte Turn- 
unterricht wird zwar ^mit Aufmerksamkeit betrieben , aber er findet theils 
bei der verweichlichten and gemächlichen Jngend nicht genug Anklang, 
theils fehlen got herangebildete Lehrer oder die nothigen Apparate und 
geeigneten Uebongsplatze. •=- Hinsichtlich des Programmenwesens ist 



Beförderungen nad EhrenbesEeigmigenl 367 

durch eine vor kurzem erschienene Verordnung befohlen forden ^ daas 
künftighin an jede 8tndienanstalt nur ein Exemplar von Jedem an den 
übrigen Schulen erscheinenden Programm versendet werde, ,Qnd aUc 
nicht mehr jeder einzelne Lehrer ein Exemplar erhalten ' soll , obgleich 
diese 8chnlprogramme gerade in den Händen der Lehrer den meisten 
Nutzen stiften wurden. — Die Zahl der Schüler hat, wie die am Anfang 
des Berichts mitgetheilte Tabelle zeigt , in dep lateinischen Schulen und 
in den Gymnasien sich vermehrt. Für die nächste Folgezeit durfte auf 
den Lyceen eine erhöhte Frequenz zu erwarten sein, weil bei den Uni- 
versitäten eine strenge Verordnung über das Eintreiben der CoUegien- 
gelder erschienen ist. Die Gesammtzahl der Studirenden auf den Uni- 
versitäten ^ Lyceen , Gymnasien und lateinischen Schulen Bayerns betrug 

1845 gegen 12,300 und 1846 etwa 12,900, und da die Universitäten unter 
den Studenten noch nicht zusammen 150 Ausländer zählen, so kommt also 
auf 350 Einwohner des Landes ein Studirender. [E.] 

Arnstadt.. Das dasige Gymnasium war im Schuljahr von Ostern 

1846 bis dahin 1847 in seinen 5 Classen am Anfange von 104 , am Ende 
v6n 92 Schülern besucht, und hatte zu Michaelis und Ostern 5 Schuler 
[1 mit dem ersten, 4 mit dem zVveiten Zeuguiss der Reif^ zur Univer- 
sität entlassen. Aus dem Lehrercollegium starb am 10. Octob. 1846 der 
Professor Thomas, und der Adjunct Dr. Horing ging als Pfarrer nach 
Rndislejben. An Horing's Stelle wurde der Candidat Wäliker aus Arn- 
stadt als Hnlfslehrer angestellt', und weil demselben doppelt so viel Lehr- 
stunden als seinem Amtsvorgänger zugewiesen wurden , so ward dadurch 
die Vertretung der noch nicht wieder besetzten Stelle ded Prof. ThomoM 
ermöglicht. Lehrer des Gymnasiums sind aber gegenwärtig der Director 
Dr. Pahsty der Prof. Dr. Braunhard^ die Oberlehrer ühlworm und 
Hoschkey der Colläborator HaUensteben, der Hnlfslehrer JFdlther, der 
Cantor Stade ^ der Professor DöbUng.[iür Naturbeschreibung] und der 
Schreiblehrer Wiemer, Das zu Ostern 1847 erschienene Progran^m enim 
hält: Beiträge zur Geschichte des Gymntiaiums» Rede zur Feier der 
Jlexanderat^tung, vom Oberlehrer ühlworm [39 (21) S. gr. 4.]. Di<d 
Entstehung des Gymnasiums fällt in die Zeit der Reformation. Als näm-. 
lieh 1538 das dasige Franziskanerkloster aufgehoben wurde, so wurdeil. 
die Gebäude desselben , den Bestimmungen der Schmalkaldischen Artikcd 
gemäss , dem Rathe der Stadt übergeben , um sie zji Schulzwecken in 
benutzen. Die neue Gelehrtenschule mag 1539 eröffnet worden sein und 
hat jedenfalls 1542 schon bestanden , wo der M. Johann Andrea Rector 
derselben war. Der Verfasser hat die Darstellung der Schicksäle der 
Schule in den beiden ersten Jahrhunderten ihres Bestehens mit einer Cha- 
rakteristik der einzelnen Rectoren verwebt , von welchen in jener Zeit 
dieselbe geleitet worden ist, und obgleich er, wegen mangelhafter Quellen, 
von den meisten nur Weniges von deren äusserm Leben zu erzählen hat un^ 
nur bei den beiden ausgezeichnetsten Rectoren M. Georg Groeshmn (1630— 
1633) u. M. Andreas Stechan (1633 — 1671) auch über deren pädag.. Wirken^ 
sich verbreitet: so sind doch allerl^ allgemeine Mittheilungen über Lehr-, 
Verfassung und Bildungszustande eingewebt, welche für die allgemeine 



368 Schul- und UniTersitatsnachrichten etc. 

Schalgeschichte jener Zeit Ton Wichtigkeit sind. Die Aiexaader- 
atiftang , sn deren Feier am 34. Dec« 1846 Hr. Obl. Uhlwcrm jene Rede 
gehalten hat, ist Ton dem Rnsrischen wirkL geheimen Rathe von Bedt 
gestiftet, welcher dar Schale ein ansehnliches Legat fSr Lehrer and Scha- 
ler anter der Bedingung abergeben hat, dass alljährlich am 24. Decbr. 
als dem Geburtstage des Kaisers Alexander eine öffentliche Schalrede 
gehalten werden soll. Zu der 1846 gehaltenen Feier dieses Tages aber- 
gab der Kirchenrath Sehleichardt dem Gymnasium zugleich das in Oel 
gemalte Portrait des GR. von Beck mit einer entsprechenden Rede , wel- 
che der Director Dr. PabH erwiderte und den Dank' der Schule für 
dieses Geschenk aussprach. Beide Reden sind in dem Programm S« 33 
bis d6 abgedruckt. [/.] 



D is hierher hatte Johann Christian Jahn , - der 
verdfenstvolle Fegründer dieser Jahrbücher, sein vor 
einundzwanzig Jahren mit Einsicht begonnenes Werk 
rüstig an Kraft und unermtidet in Ausdauer fortgeführt, 
als ihm nach kurzer , aber heftiger Krankheit im ein 
und fünfzigsten Jahre seines Lebens am neunzehnten 
Tage dieses Monats ein besseres Sein ward. Ergriffen 
von tiefem, herzinnigem Schmerze, der gerecht ist beim 
Hintritte des Freundes, an den persönliche Liebe, auf- 
richtige Verehrung, treues Dankgefühl uns fesselte, 
theilen wir. unseren Mitarbeitern und nahen wie fernen 
Lesern, unter denen gewiss so Mancher mit uns dem 
Verklärten eine stille Thräne der Liebe nachsenden 
wird, diess Trauerereigniss mit, einen ausführlicheren 
Nekrolog des Verewigten für eines der nächsten Hefte 
Ulis vorbehaltend. 

Leipzig, 22. Sept. 1847. 

B. G, Teubner. . Reinhold Klotz, 



RTene 

JAHRBÜCHER 

für 

Phliolagfle oiMi Paedag^ogili, 

oder 

MrUUche BihUotheh 

für da» 

Schul- anci llnterrlclitsweseii. 



In Verbindung mit einem Vereine von Gelehrten 

begründet von 

Jfff* Joh. Clirlfiil;. Jahn» 

gegenwärtig herausgegeben 

von 

Prof. Meinh. MOota und Prof. JHMi. MHeiseh. 




Fünfzigster Band. ^ Viertes Heft. 



lielpzlff» 

Druck und Verlag von B. G. Teubner. 
184V. 



Kritische Beurtheilungen. 



Seit dem letzten Bericht, welcher in diesen Blättern (Band 
XLVI. p. 392 ff.*)) über mehrere den Herodotus betreffende 
Schriften erstattet worden, ist wiederum Einiges erschienen, was 
in diesen Kreis einschlägt und ebensowohl über die Textesge- 
staltung des Herodotus wie über den Inhalt seiner Berichte sich 
erstreckt , hier aber auch in andern Beziehungen ein allgemeines 
Interesse und eine besondere Bedeutung anspricht. Wir beginnen 
mit einer Schrift, in welcher der von Dindorf in seiner Abhand- 
lung über den Herodoteischen Dialekt besprochene und auch in 
dem letzten Artikel (XLVI. p 395 ff.) naher verhandelte Gegen- 
stand aufs neue in einer erschöpfenden Weise behandelt worden ist: 

Quaestionum criticarutn de dialecto Herodotea 
libri quataor. Scripsit Ferd. Jul, Caes. Bredovius , Berolinensis, 
philos. D~0€tor et AA. LL. Magister. Lipsiae, samtibus et typis 
B. G. Teubneri. MDCCCXLVJ. VI und 412 8. in gr. 8. 

Wohl mag diese Schrift als die umfassendste Darstellung Alles 
dessen gelten , was auf den Dialekt, in welchem Herodotus schrieb, 
und die einzelnen von demselben angewendeten Formen sich be- 
;(ieht, und man mag staunen über den riesenhaften Fieiss und die 
unermüdete Ausdauer, mit welcher hier auf mehr als vierhun- 
dert Seiten bei sehr deutliclieai) aber dariim nicht gerade weitem 
Druck ein Gegenstand der Art behandelt wird , um eine voUstän- 



*) Wir bitten in diei^em Artikel die folgenden Druckfehler zu be- 
ricbügent 8, 399, Z. 17 v. unten streiche: anerkannt. Ibid. Z. 7 v. u. 
lies: iBtammes statt Namens. Ibid. Z. 6. v. n. lies: voriaai statt 
voiida^, $.400, Z. 7 v.u. 1.: ansehen statt anzusehen. S. 415, 
letzte Zeile l.i Renne 1 statt Panne l S. 418, Z. 16 v. u. 1.: Verf. 
statt Ref. 8..423, Z. 19 L: S p r a c h gebraoi^b statt Schulgebrauch. 
Ibid. Z, 12 V. u. 1.: die für das. 

24* 



372 Griechische Literatur. 

dige kritische Uebersicht einer Herodoteischen Formenlehre n 
liefern, in welcher nicht blos diese oder jene Form, diese oder 
jene Dialektverschiedenheit, sondern alle Formen aller Nomina, 
Verba u. s. w. und alle Verschiedenheiten und Abweichiingoi 
des Dialekts gleichmässig berücksichtigt sind , und zwar jedesmal, 
bei jeder einzelnen Form, mit Hinzuziehnng aller Stellen, in 
denen diese Form in den neun Musen des Herodotus vorkommt; 
auf diese Weise , durch Berücksichtigung und Zusammenstellung 
aller SteUen bei jeder einzelnen Form, hofft der Verf. allein zo 
sichern und festen Bestimmungen über die jedesmalige Form za 
gelangen, welcher Herodotus sich bedient oder die er vielmehr 
ausgewählt hat; er hofft auf diese Weise endlich zu einer, in dieser 
Beziehung festen Norm zu gelangen , nach welcher dann der Text 
des Herodotus gleichförmig zu behandeln ist, auf dass die in 
diesem Punkt herrschende Ungleichheit, die bei der Unsicher- 
heit und dem Schwanken der Handschriften bisher nicht gehoben 
werden konnte und auch in der That auf diesem Wege sich wird 
kaum heben lassen, endlich verschwinde und überall, eine feste 
Form sich kundgebe. Wir wollen in dem Folgenden Tersnchea, 
von dem, was der Verf. zunächst will, und von der Art und Weise, 
in der er sein Princip zu begründen und durchzuführen strebt, 
einen Begriff zu geben , ohne dass w|r uns anheischig madiea 
können^ dem Verf. in alle die Tausende von Einzelheiten zu fol- 
gen, die sein Werk allerdings als ein* Muster eines gründlichei 
und unermüdlichen Fleisses darstellen , welcher einem Gegenstaal 
zugewendet Ist, dessen allseitige Erörterung allerdings nothweadig 
ja unerlässlich ist, wenn die Kritik des Textes hinsichtlich der 
einzelnen Dialektformen eine feste Basis gewinnen soll , so wenig 
anziehend in den Augen Mancher dib Behandlung eines solchen 
Gegenstandes erscheinen mag« 

Von den vier Büchern , in welche der Verf. seinen Stoff ver- 
theilt hat, kann das erste als gewissermaassen einleitend betrach- 
tet werden, indem die nöthigen Vorfragen hier zur Sprache 
kommen und vom Verf. in sefner Weise erledigt werden. Die 
erste und nächste Frage Ist natürlich die nach den bisherigen Aus- 
gaben des Herodotus; wie sieht es in kritischer Hinsicht bei Ihnen, 
eben in Bezug auf dialektische Formen und deren Gestaltung ausi 
Alle bisherigen Ausgaben geben, meint der Verf., im Ganzen nur 
ein Bild derselben Ungleichheit, welche hinsichtlich der in Frage 
stehenden Gegenstande auch die Handschriften erkennen lassen, 
sie leiden gemeinsam an Einem Fehler, dem Mangel eines festen, 
in dieser Hinsicht gleichmässig und consequent durchgeführten 
Princips, das, setzen wir hinzu, eben desshalb der Verf. zu ge- 
winnen strebt. „Omnes enim, lesen wir S. 5., plus minns eos 
fines utriusque lonisml, Atticismi, Dorismi «ervare nesciisse cen- 
seo, intra quos attentlssime eos, qui novae recensionis curam In 
8esuscipiunt,sesetenerenecessarium est, sed similem inconstantiae 



Zur Literatur des Herodot. 373 

et varietatis imaginem exprcssisse ac itostris in Mss, expressam 
^ deprehcndimus. Mauu eDim scripti libri omnes modo in Homeri- 
cas formas nimis inciinant, modo in lonicas, modo in Doricas, modo 
in Atticas, et ita quidem^ ut pleramque unnm idemque Tocabulum 
vel totiim qüorandam vocabuloriim genus omnibus hisce in förmig 
scriptum exhibeant.^' Bei dieser Behauptung über das Schwan- 
ken der Handschjtften in Alle dem^ was anf die dialektischen For- 
men sich bezieht Vj^ürfte aber doch auch nicht zu übersehen sein^ 
dass wir gerade in »ieser Beziehung kaum die Handschriften selbst 
und das, was sie bringen, näher kennen, indem die Gollationeu, 
welche wir bis jetzt besitzen , diesen Punkt nicht mit der Genauig- 
keit betrachtet haben, die man allerdings und mit allem Recht jetzt 
verlangen kann, wir also in gar vielen Fällen uns weder auf eine 
Mehrheit noch auf eine Minderheit von Handschriften für oder 
gegen eine Form berufen können , ohnehin auch hier sorgfaltig 
unter den einzelnen Handschriften selbst hinsichtlich ihres Alters 
und ihres Werthes zn unterscheiden ist, und z. B. die Pariser 
Handschriften sammt der Wiener und Venetianer schwerlich in 
dieser Frage grosse Bedeutung ansprechen dürften , die wir da- 
gegen der gerade in dieser Beziehung eigentlich noch gar nicht 
verglichenen Mediceischen Handschrift schon wegen ihres höhe- 
ren Alters jedenfalls werden einräumen müssen. Dass der Verf. 
in Bezug auf die bisherigen Collationen der Handschriften nicht 
anders denkt als wir , ja die Sache fast noch schärfer auffasst, se- 
hen wir aus dem, was er darüber S. 86. 87. erklärt hat. Alle die 
Angaben über diese oder jene Form, welche als ionisch bezeichnet 
wird, nützen wenig, sagt er dort und mit Recht, wenn wir nicht 
wissen, ob Herodotns, falls er sie wirklich gebraucht, an allen 
Orten gleichmässig sie gebraucht oder hier und da auch eine an- 
dere Form zugelassen habe (darin liegt allerdings auch nach unserm 
Ermessen die grosse Schwierigkeit in der ganzen Frage). ,,Quare, 
fahrt dann der Verfasser fort , rursus ad nostros corruptissimes 
Codices Mss. nobis confugiendum est. Sed hi, quamquam nullius 
adhuc codicis accurratam constantemque habemus collationem, ne 
eorum quidem, qui soll ipsis ab editoribus Heqpdoti sunt inspecti, 
F. et S., quum saepius taceatur, quid in his scriptum exstet, quid 
non exstet, nostri igitur Herodotei Codices ita comparati sunt, ut 
ubi iinus aut hlter Herodoteam quandam formam praebet , ibi alii 
Atticam autaliam quamlibet, sed non Herodoteam exhibeant, et 
ubi ii, qui modo aliquo in loco genuinam habebant scripturam^ non 
Herodoteam praebent, ibi ii, qui modo falsas scripturas habebant, 
rectas praebeant/^ Weil man nun, meint der Verfasser, doch nicht 
annehmc^n dürfe , dass Herodot ein und dasselbe Wort und ein und 
dieselbe Wortgattung bald in dieser, bald in jener Form gebraucht, 
so könne diesem Schwanken auf keine andere Weise entgegenge- 
wirkt werden , als dass man alle Beispiele der Form sammle und 



374 Gdechlsebe Literatar. 

darans. dann ein Resultat aich ableite, mithin nach der ÜMf^hi^ald 
des Vorlcommens einer f^orm die feste Norm bestimme, nach det 
dann auch die abweichenden Stellen geändert', also mit dei* durch 
die Mehrzahl der Beispiele gewonnenen Form in Üebereidstim- 
mung gebracht werden müssten *), und dieses Verfahren will der 
Verfasser auch weiter auf diejenigen Fälle Anwenden, wo aüt 
Handschriften der als Norm angenommenen Form tintgegedstehed; 
hier soll die Autorität der Handschriften nichts gelten und die 
Analogie entscheiden. Es ist diess ganz die Ansicht, die ädeM 
Seume in einigen Programmen aufgestellt hatte Und die hier in 
einer allerdings weit umfassenderen Weise über alle Fornien hin- 
durch geführt ist, während Seume den Versuch nur bei cfirt Paar - 
Formen der Art gemacht hatte. Ref. hat schon damals, als die^e 
Programme zuerst erschienen, Einsprache wider ein Pridcip et^ 
hoben, das ihm als ein willkürlichem und über jede url[nndliehe 
Grundlage , von der wir uns doch nicht ohne genngendcd Grund 
entfernen dürfen, hinausgehendes erschien; er hat auch später ' 
sich noch nicht Yon der Gültigkeit Und Anwendbarkeit eines Pfib- 
cips überzeugen können, und in diesem Sinne sich auch noch fdt 
Knrtoem in diesen Jährbüchern (p. 396. Bd. XLVl.) ausge^prdcheb: 
er ist auch heute noch nicht, trota der Wahrhaft riesenhaften An- 
strengungen, die hier zurDurchführung dieses Priticips gemacht wet- 
den, von der Richtigkeit desselben in der Weise überzeugt, dadl er 
demselben sich nnbedinät unterwerfen u. nicht vorher eilst ab Warteft 
sollte, was dann die Ueberlieferdng der Handschriften selbst dsim 
sagt , und darum hat er stets und auch noch in dem letzten Artikel 
darauf gedrungen, dass man ^^uerüt genaue Gollationen der altert^ 
und bedeutenderen Handschriften des Herodot sich terschatfen 
müsse, um damit die \ sichere urkundliche Basis zu gewidbeb, 
ohne welche die weitere Entscheidung schwerlich je sicher aus- 
fallen und über ernste Bedenken sich erheben kann. Hätte der 
Verf. Tor Herausgabe seiner Untersuchungen z. ß. eine in AbsliSht 
auf solche Dialektsformen genaue Gollatiön der änerkanbt ältei^tebf 
wenn auch manche Verderbnisse mit den übrigen HandschHffteil 
theiienden , Medicaisehen Handschrift vor sich gehabt. Wir glauben 
Immerhin , sie wurde auf manche BehilUptungen und Andahmed 
einen wesefltlicheb Einfluss geäussert haben. Was er in dieser 
Hihsicht S. 87. in der Note verlangt: einen genauen Abdruck der 
irgend vorflodlicheb Handschriften sammt allen ihren Fehlern, 
Zeichen , Interpunctionen n. dgl.^ also ein vollständiges d. getreuem 



*) Diö Worte des Verfassern läuten ; „Cai yariatioai — sie occttr- 
rendnm esse ^idetur, nt collectis uiiius ejasdeinqae vocabnli Vocabalontnl- 
qüe generis ^xemplis oitaiiibQs, ratione quoque iti loco codicnffi scrlptdta 
habita, sammam quändam vel depratätarnm vel rectaram formaram sUb- 
ducamus ätqae conferamus , indeque Codices ipsos inter se conciliemns.'^ 



Zar Literatur des Herodot. 97S 

Facsimile (wie wir solche allerdings Tön mehreren Codices. be- 
deutender und vielgelesener Schriftsteller auch besitaeq) , so das* 
also alle handschriftlich auf Bibliotheken aufbewahrten derartigen 
Schätze ein Gemeingut würden ^ das einem Jeden feugSngiich seid 
könnte, ist gewiss ein wohl tu beherzigender« aber eben so schwer^ 
schon um der Kosten willen« ausführbarer Wonsch. Ref, wäre 
schon zufrieden, wenn wir nar einmal erst die Collationen g^ 
druckt belassen und ^ur Vornahme dieses Inühevolled^ aber doch 
sonützlidien und verdienstlichen Geschäftes sich jüngere Gelehrte 
bereit finden würden« 

Zur sichern Bestimmung der einzelnen« von Herodot ge^ 
brauchten F,Qrmen und Aufstellung einer festen Norm hi diesen 
Dingen ist es aber freilich und vor Allem erforderlich y liber des- 
sen Dialekt selbst ins Reine zu kommen und sich über die Frage 
zu verständigen, welches denn eigentlich der Dialekt gewesen, in 
welchem Herodot geschrieben, welches der Charakter und die 
Natur dieses Dialekts« was sein Yerhähniss zu den andern Dia- 
lekten u. s. f.« lauter Fragen, deren Beantwortung schon durch 
den Mangel einer sichern diplomatischen Grundlage des Textes 
höchst schwierig wird^ Während andere Hülfsmittel zu einer 
sichern Lösung derselben ksum vorhanden sind« Der Verf. hat 
diesen Gegenstand keineswegs übersehen oder bei Seite liegen 
lassen« er hat ihn vielmehr S.d. ff« einer näheren Untersuchung 
unterworfen ^ welche von der bekannten Stelle des Hermogenes 
ausgeht« welcher« im Gegensatz zu Hecatäus von Milet und des- 
sen lonismus , welcher als diakBXJog axgcitos 'Icis ^^^ ov (isfuy^ 
fkivrj bezeichnet wird , dem Herodot eine nomlkij didliTttog zu- 
weist, was unser Verfasser darauf bezieht, dass Herodot nicht 
ausschliesslich und bei allen Wörtern den neuern lonismus an* 
wendet« sondern dass er bei manchen die homerische oder poeti- 
jBche überhaupt oder die attische Form gebraucht^ wie dies auch 
schon die Ansicht des Ref« yrar (in seiner Ausgabe T. IV. p. 417 
seq.)« welche jedooh' darin von der des Verf« abweicht« dass Ref. 
dem Herodot einen grössern Spielraum lassen zu können glaubte, 
vermöge dessen er^ so gut er bei diesem Worte die Attische« bei 
jenem mehr die Ionische oder Neoionische Form gebraucht hat« 
auch eben so bei einem einzelneu Worte nicht ausschliesslich an 
eine bestimmte Form gebunden gewesen , sondern auch hier bald 
die eine bald die andere Form mit gleichem Rechte angewendet, 
bewogen und geleitet durch subjective oder individuelle« für uns 
oftkaum erkennbare Rücksichten; unser , Verf. dagegen will den 
Herodot auf eine und dieselbe Form« welche eonseqnent in allen 
Stellen, in welchen das Wort vorkommt, durchgeführt sei« be- 
schränken , er will gerade darin ein Zeichen der Kunst des Sehrift>- 
stellers erkennen« die andernfalls geradezu verschwinde: ^^neqne 
enim ars esset« si omne fere vocabulum nlodo hac modo illa forma 
Qsurpasset« sed negligentia« fnoonstantia, qoAlia est libranorum.^^ 



376 Griechische Literatur, 

Wir können uns nicht überzeugen, warum die Kunst hier weg- 
fallen^ wafum sie nur in der strengen Gleichförmiglceit aller l^or- 
liien eines Wortes liegen soll, während bei der Anwendung der 
einzelnen Wörter selbst eine Mannichfaltigkeit der Dialektsformen 
vorwaltet, die uns in dem Dialekt des Herodotns eben keinen 
rein-ionischen, sondern einen Mischdialekt erkennen ISsst; warum 
also wollen wir den Schriftsteller in dieser Beziehung in so enge 
Fesseln schlagen, und ihm eine Freiheit nehmen, die wir ihm 
in einem andern Falle doch zuerkennen müssen , während wir'zu- 
gleich dann zur Ausübung einer Kritik genöthigt werden, die, 
indem sie die als Princip angenommene Gleichheit durchfuhren 
will, leicht zu einer von aller urkundlichen Grundlage sich los- 
sagenden Willkür ausartet. Im Uebrigen' erkennt der Verfasser 
den Mischdialekt des Herodot an und hat sich darüber S. 7. In 
folgender Weise ausgesprochen: „Fundamentum igitur Herodoteae 
oratlonis est recens las, quae quum multa cum Homerico sermone, 
multa cum vetere Attica dialecto haberet communia, eo facilius 
etiam alia quaedam ex hac affinitate recipere et ad leges snas for* 
mare potuit. Qua in convenientia atque concinnitate maxime cer- 
nitur Herodotei operls artificium: loquitur enim Herodotus in com« 
ponendls rerum monumentis lonico ore, neque haec vocabula modo 
hac, modo illa forma profert, sed servat etiam In peregrinia pro- 
nuntiandis verbis constantiam quandam ab Ipsa natura profectam. 
Unde et varietas formarum dijudicanda est, et praeterea in Hero- 
doteo opere considerando id tenendum mihi esse videtur , artlfi- 
ciose illum suam sibi elegisse orationem. Ut vero multa verba 
▼erborumque conformationes poetis tantum concessas evitavit, ita 
et omnia eum ex interiore tantum Atticerum aliusqae stirpis nsu 
repetenda repudiasse , per se puto patebit>^ 

Wir haben absichtlich diese längere Stelle hier mitgetheilt, 
weil sie des Verf. Ansicht am bestimmtesten und schärfsten aus- 
spricht; was er wdter wider die von mehreren Gelehrten ange- 
brachte Annahme eines Ionischen Dialekts, in welchem Herodot 
geschrieben, bemerkt, scheint uns durchaus begründet. Dasa 
das Verderbniss der Handschriften, die uns den Text des Herodot 
bringen, nicht blos aus dem Mittelalter herrührt, sondern dasa 
es sich bis tief in das Alterthum , bis auf die Zeiten des Plutarch 
und vielleicht selbst des Aristoteles zurückführen lässt , hat der 
Verf. mit gutem Grund hervorgehoben und auch an einer Reihe 
von Belegen aus Anführungen alter Grammatiker u. s. f. nachge- 
wiesen. Leider fehlen uns auch alle Nachrichten über die Thä- 
tigkeit der Alexandrinischen Gelehrten, denen wir jedenfalls den 
Text des Herodot in seiner jetzigen, wenn auch mehrfach, nament- 
lich was die Dialektsformen betrifft, entstellten und hier und da 
auch lückenhaften und auch interpolirten Gestalt verdanken. Nur 
glauben wir, dass bei Annahme von Lücken und Interpolationen 
eine gewisse Vorsicht bei Herodot nicht ausser Acht zu lassen ist. 



Zur Literatur des Herpdot. 377 

indem sein Werlc IceineswegB als ein vollendet nacfi allen Theiien 
abg^eschlossenes aus der Hand seines Schöpfers uns überliefert, 
sondern vielmehr in gär manchen Thellcn unvollendet erscheint, 
und sogar den Mangel einer leichten Durchsicht oder Feile in den 
letzteren Büchern hie und da wahrnehmen lasst , da der noch im' 
'Greisenalter an seinem Werke stets nachbessernde Vater der Ge- 
schichte über diesem Geschäfte. selbst gestorben ist, mithin Man- 
ches, was uns als unvollendet oder auch in anderer Hinsicht auf- 
fallend jetzt erscheint, diesem Umstände zugeschrieben werden 
dürfte. Der Verf. durchgeht nun die Fehler der Handschriften 
nach vier Rubriken, nach einzelnen, in allen Handschriften be^ 
findlichen Lücken, nach den Interpolationen, die in späteren 
Zeiten eingedrängt, nach den Schriftfehiem und liach den durch 
eine Verwirrung in der Ordnung und Folge der Wörter, also der 
Wortstellung hervorgerufenen Fehlern. Als Beleg der Lücken 
werden fünf Stellen angeführt, von welchen drei wenigstens schon 
früher in gleiclier Beziehung beanstandet waren (V, 22. VII, 76. 
154) ; auch in der Stelle I, 167. ist schon früher der Verdacht 
einer Lücke geäussert worden , die jedoch , wie wir glauben möch- 
ten, kaum von Bedeutung gewesen; die Härte der Oonstruction 
der hier beanstandeten Worte: xav dl öiatp^aQBiöscjv viav tovg 
avdgccs ot rs KaQxridovioi xccl ot Tvgörjvol Ska^ov re ccvtwv 
nolktp nkslovs^ xal Tovrovg i^ayayovrsg HäriXsvöav^ Hesse sich 
vielleicht (so dachte Ref. früher einmal) einfach dadurch vermei- 
den , dass TS nach IXaxov in ein yag verwandelt wird (einen an- 
dern Erklärungsversuch s. in des Ref. Ausgabe T. I. p. 369.). 
Dem Vorschlag einer Aendernng in yäg und dem so gewonnenen 
Sinne der Stelle steht nicht entgegen die Erklärung, die auch 
Negrisvon dieser Stelle giebt: oi rs Kagxt]d6viOb xaxsXsvOat^ 
Hai ol Tvgörivol o% 3CokX0 nXslovg avidiv Xax6vtsg Kul tovtovg 
i^ijyayov* Eine andere Stelle, in welcher der Verf. eine Lücke 
entdeckt zu haben glaubt, ist VII, 236: sl d' inl työL nagsov- 
öyöi zvxy^i>^ '^^v visg vsvavfjyi^TcaöL tstgaxoöiai^ fXXag in tov 
ötgatonsdov tgifjxoölag änonsfiilfsig ac. t. X. Hier glaubt der 
Verfasser, dass zwischen tvxt[J^I' und t(ov Etwas ausgefallen, ir- . 
gend eine Angabe von Gegenständen oder Menschen , worauf tmv 
als Genitivus possessivus oder partitivus sich bezogen habe. Der 
Verf. verwirft den Vorschlag Valckenaer's , der rcöv in ttp (cui) 
verwandelt wissen wollte, aus gutem Grunde, auch Ely hatte aus 
gleichen Gründen (s. diese Jahrbb. Suppf. IX. p. 340.) diesen Vor- 
schlag verworfen und die Lesart t(äv durch eine Erklärung zu 
retten gesucht, die wir aber, so gern wir sonst jeden derartigen 
Rettungsversuch annehmen , doch nicht zu rechtfertigen wussten ; 
hiernach soll rcot/, als Genitiv, der für den Dativ stehe^ auf das 
unmittelbar vorhergehende tvxv^'' (gezogen werden und demnach 
die Stelle den Sinn' erhalten: „Quodsi in hac praesenti calamitate, 
qua naves quadragintae naufragio perierunt^^ Einen solchen Ge- 



378 Griechische Literatur. 

nttW ia dieser Weise statt des Dativa gebraucht) wuMte Kef« nicKt 
so rechtfertigen und kann ihaauch nicht durch die Stellen, welche 
sur Begründung dieser Annahme am a. O. angeführt werden, für 
gerechtfertigt ansehen. • Leichter Hesse sich helfen, wenn das 
anstössige täv in eine Partikel, wie SkI] oder oKag^ iis verwaar 
delt w&rde ; oder sollte nicht auch , so gut wie die Annahme einer 
Li&cke, auch der entgegengesetaten einer Interpolation , eiaee 
Glossems hier Raum gegeben werden können, insofern die Worte 
täv visg vBvttviJY^^^^^ titgaüo^iat als eine Randerkllrang an 
ixl t^öinaQBovöyöv '^vxt^öv angesehen werden? 

Bei den Interpolationen des Herodoteischen Teites werden 
eben so sehr grössere, in grösseren Zusätzen ganaer Abschnitte 
bestehende Einschiebsei fremder, wenn auch kunstfertig nach- 
bildender Hände von den itieinoren Binschiebunged einaelner 
Worte oder von Verwechseluhg der ursprünglich im Teit stehen- 
den Worte mit andern, au ihrer Erklärung am Rande oder soaaC 
wie beigefügten ,. wohl zu unterscheiden sein. Beides ist aueh 
hier gleichmässig berücksichtigt vom Verf., der in dieser Beziehung 
gelegentlich eine W-arnung, ausgejBproohen hat) die wir beaehtetta- 
werth finden, eine Warnung in der Verdächtigung einzelner SteU 
Jen nicht zu weit zu gehen, ,,quum saepe oratio et adnotatloaes 
ipsius Herodoti facile interpolationis suspicionem praebere potue- 
rint (p. i9.y^ Zu den grösseren Einschiebseln rechnet der Ver- 
fasser die mehrfach angefochtenen Stellen VI, 98. und VI, 122.; 
in der letztern theilt auch Ref. vollkommen die Ansicht des Verf., ^ 
die auch durch die Autorität der bessern Codd. bestätigt wird; 
in der erstem Stelle, welche die Erklärung der Persischen Köaigi- 
n^imen enthält und in allen Handschriften sich findet , möchte die 
Entscheidung schwieriger sein, da Erklärungen der Art schwer- 
lich dem Herodot unbedingt abgesprochen werden können, und 
das Befremdliche der hier am Schlüsse des Capitels hinzuge- 
fügten Erklärung durch die vorausgehende Erwähnung der Kriega- 
namen gemijdert wird , vielleicht auch das Ganze al& ein von> He-' 
rodot erst späterhin noch gemachter Zusatz oder Einschaltung 
angesehen werden kann. Auch Lassen hat sich für die Aeohtheit 
dieser Worte unlängst ausgesprochen (Alt-Pers. Keilinschr. p. 34.). 
In der vom Verf. weiter behandelten Stelle II, 116. wird sich 
allerdings schwer der Verdacht eines Einschiebsels beseitigen 
lassen, das auch ein junger holländischer Gelehrter H. B. v. Hoff 
De mytho Helenae Euripid. (Leyden. Batav, 1843.8.) p. 6-13. 
In einer näheren Untersuchung dieser Stelle angenommen hat; 
auch er hält die ganze Stelle gegen den Schluts des Kapitels , von 
den Worten km^ifiVTittti öi Hat iv ^OÖv66bIjj an bis vor die 
Worte iv tovtoict tolg Insöc dijAot, welche sich an die früher 
angeführte Stelle aus der Ilias anreihen, für einen nicht von He- 
rodot ausgegangenen Zusatz , wie dies auch des Verf. Ansicht ist« 
Eine äusserst detaillirte Untersuchung ist denjenigen Lesarten 



Zar Lftemtilr des H^odot. 379 

gewidmet, welche stts tiloMetl 11. i. f., wie der Verf. Mcbkiiweigen 
äch bemüht, entfirtandeti «eiii «ollen; er gtebt genfttfe Znsaiumeii- 
stellutigen solcher Varianten, durchgeht im Einaelneb die auf 
solche Weise entstandenen Verwechselungen itl den einzelnen 
Modis, Tem^ribos, ebenso in deii einzelnen Casus, bei den Par- 
tikeln ü. 8. f., was Alles hier im Einseinen anzuf&hreii rein nnmög- 
lieh sein würde. Wie «u erwarten, laufen auch hier manche an- 
dere beachtedswerthe Erörterungen, mandhe Verbesserungsvor^ 
schlage 11. dgl. mit unter, wie si. B. S. 24. über den Gebrauch und 
die Bedeutung von ßovXBvca im Activ und ßovkivofiai im Medium, 
oder, um auch ton den VerbesserungsTorschldgen Einiges an^u*- 
führen, A. 28. der Vorsehlag, in der Stelle I, fil .ifA^fino'U aitig 
t^v l^ %t6v^ den aus der Medicei'schen Handschrift aufgenomme- 
nen und tön Werner, wir glauben gut, vertheidigten Artikel tr^v 
t\t streichen, in der ailerdingd schwierigen und verschiedentlieh 
besprochenen Stelle IV, 11. (jUi^di itqo^ ÄoAAovg öBOft^voif xiv- 
Swzvuv) vermüthet der Verf. S. 29. lahvovtctQ statt dtopitvov^ 
wobei er auf den öfters torkommenden Gegensatz zwischen atttik- 
l&66t(i^ttt und fihHv aufmerksam machte während er 1, 91. in 
den Worten dnt ta ilm Aö^lag »sqI i^^toVot;, die Wiederholung 
td bIic^ für ein fremdartiges Einschiebsel erkl&rt, und ähnliche 
Stellen (wie z. B« I, 206. ömüdeiv ta fUttvdug^ 1,89. ^oiisivtä 
iiöimg a. s. w.) als keineswegs beweisend för diese Wtedeiildlung 
ansieht. Hier hat uns der Verf. noch keineswegs von der Richtig- 
keit seiner Ansicht Überzeugt. Eine ähnliche Vermuthung be^ 
stimmt den Verf. IX, 65. .in den Worten: ifjLngtjdaVtt^ to Ipov 
td ip 'Ekiv0ivv äväxtopoVi da« letztere Wort dviintO0öv für ein 
. ähnliches Einschiebsel 2n erklären; auch hier Schjeint uns doch der 
Verf. zu weit gegangen^ weil wir gerade umgekehrt ein solches 
Wort ton Herodot absichtlich mr näheren Bestimmung des tnr^ 
ausgegangenen td tgi^ td h 'El^ötn uns hinzugefügt denken. 
Eben deshalb hatte Ref. die durch die Autoritfit des Snidas nnd 
Hesychlus bestätigte Lesart der Florentiner Handschrift dtctHtö'^ 
Qiov (als Adjeetitform) nehmen z^ müssen eeglaubt, um so 
jeden Zweifel, den schon der scharfsichtige. V9lckenaer hier an^ 
geregt hatte, m beseitigen. Eben so gewagt halten wir est, 110: 
dklA ttip tQoittp itB0iitoiij(3j] die Lesart aller Handschriften ntgt- 
itoiiö^ in die Actitform iie^moii^öjjg umzuSndern, indem das 
Medium nipLitoiil69äi (saltum praestare) erst bei Dio so vor- 
komme und das bei Xenophon torkommende nsptitoLBlö&cci (sibi 
ftcquirere) hierher nicht tu ziehen sei. Wir zweifeln, ob hier der 
Beweis für den Nichtgebranch des Mediums nigticüitla^ai ge- 
nügend geführt Ist. In ähnlicher Weise spricht sich der Verf. 
S. 36 sq. über iitöHQlvBö^tti und djtoxQlvB69ctt aus , welches 
letztere er bei Herodot terwirft, indem dieser nur die erstere 
Form gebraucht^ desgleichen über nagadiintj^ itagcctl^tMat nnä 
naQattuta&i^Kii, »UQi)tHcctatl&B09ai^ welche letztere Formen 



880 Griechische Literatur. 

gleichfalls dem Herodot abgesprochen werden , der nur die erst- 
genannten FoYmen gebraucht. Eben so wird dem Herodot aus- 
schliesslich insdv (nicht irn^v oder indv oder inndav) Tindicirt, 
aber inel ts so gut wie sael für Herodoteisch erklärt. Schon 
früher S. 35flF. war noXkog, noXXov vom Verf. als die einsig 
richtige Form bei Herodot bezeichnet worden, und zwar mit An- 
l&hrung aller der Steilen, in welchen das Wort vorkommt, wes- 
halb Formen wie nolvs^noXv oder auch xovkvs für falsch erklärt» 
und da, wo sie sich noch etwa an einzelnen Stellen finden, ge- 
ändert werden. Nicht anders ist es, S. 33.^^ wo noliijtijs für die 
einzig richtige Form erklärt wird, während in allen mit diesem 
Worte zusammengesetzten Ausdrucken iocaler Art (z. B. 'HAiOV- 
xoliTai^'OXßionoXltai u. dgl.) oder bei ähnlich gebildeten Wör- 
tern (wie z. B. XsfAfilrai^ UsfKplrijg u. dgl.) die gewöhnliche nnd 
nicht die ionische Form angewendet wird. Warum aber, fragen 
wir dann billig, soll der lonismus hier zulässig bei dem einen 
Worte sein und bei den zusammengesetzten oder ähnlich gebilde- 
ten Wörtern nicht? Noch auffallender tritt dies bei einem andern 
Worte hervor, welches nach dem Verf. (der auch hier alle Steilen 
angefahrt hat , in welchen dieses Wort sich findet) S. 45. 46. in 
einer doppelten Form vorkommt, bei Oi^io/iat und Ocao^ai; im 
Präsens will der Verf. beide Formen zulassen, im Imperfect blos 
die erste, im Futur und Aorist blos die zweite; warum, fragen 
wir nun, soll es nicht erlaubt sein, wenn doch einmal ein Wediset 
der Form angenommen und für zulässig erklärt wird , auch noch 
einen Schritt weiter zu gehen und aucj^ bei andern Wörtern ein 
Vorkommen mehrerer Formen bei verschiedenen Beugungen an- 
zunehmen, also auf eine unbedingte Gleicbmässigkeit , die bei 
der Durchführung, wenn man den Standpunkt der urkundlichen 
Ueberlieferung nicht ganz aufgeben will , oft als blosse Willkür 
erscheinen wird, zu verzichten? Mögen diese Proben genügen, 
um unser Bedenken zu rechtfertigen , wenn wir den Ergebniraen 
einer mit solcher Genauigkeit und alierschöpfenden Fülle gefülir- 
ten Untersochung nicht in allen Theilen unbedingt zustimmen 
können. Den Einflnss, den die Grammatiker der spätem Zeit 
durch ihre besonders auf die Etymologie und Formenlehre, mehr 
wie auf Syntax und Bau der Rede^ gerichteten Forschungen, selbst 
auf den Text des Herodot ausgeübt, berührt der Verf. mehrmals 
z. B. S. 51., insbesondere S. 41.; die Bestrebungen dieser Gram- 
matiker waren eher darauf gerichtet, den Herodot noch mehr zu 
ionisiren und dem Atticismus mehr zu entfremden, wie dies auch 
von Andern anerkannt ist; ob aber alle die Verwechselungen, 
welche z. B. in so vielen Stellen hinsichtlich der Infinitive des 
Aorists oder des Präsens und des Futurs, nach Verben der Hoff- 
nung, der Absicht, Furcht u. s. f. vorkommen, auf diese Rech- 
nung zu setzen sind und mithin durch die Grammatiker zunächst 
veranlasst worden, möchten wir doch bezweifeln, da hier doch 



Zar Literatur des Herodot. 381 

eben so wohl auch Leser und Abschreiber eilien Einfluss geübt 
haben mögen. 

Die dritte Glasse der Verderbnisse, die aus Schreibfehlern 
in Verwechselung einzelner Buchstaben, Consonanten wie Vocale, 
hervorgegangen sind, wird Tom Verf. mit gleiches Genauigl^eit 
des Details besprochen; etwas kürzer, der Natur der Sache nach, 
die vierte, die aus Verwirrung der Steilung einzelner Worte her- 
vorgegangen: wobei, wie zu erwarten, ebenfalls wieder auf jed^ 
Seite Stellen des Herodot kritisch behandelt werden, so dass, will 
man dem Verf. in Allem folgen, ein ganz anderer und in Man* 
chem (wir wollen dies nicht in Abrede stellen) auch berichtigterer 
Text des Herodot zum Vorschein käme; ob aber auch der ur- 
sprüngliche, wie er von der Hand des grossen Altmeisters der 
Creschichtschreibung ausgegangen ist, das möchten wir, im Rück- 
blick auf die von uns bisher geäusserten Zweifel , in der That fast 
bezweifeln. Wunschenswerth aber wäre es gewesen , wenn der 
Verf. am Schluss seines Werkes ein Register oder eine CJeber- 
sicht der von ihm kritisch behandelten oder berichtigteu Stellen 
beigefügt hätte. Der Leser würde staunen ob der Masse; eben 
so wurde ein ähnliches Register über die einzelnen Wörter und 
Wortformen erwünscht gewesen sein , zumal als die hier zunächst 
dem Herodoteischen Dialekt in so umfassender Weise zu Theil 
gewordene Behandlung auch auf so manche andere Schrifltsteller 
und deren Kritik/ insbesondere auch auf andere im lonismos 
schreibende Schriftsteller (z. B. Hippokrates) einen Einfluss haben 
muss, eben weil sie gewissermaassen für eine Darstellung des 
neuen lonismus mit besonderer Beziehung auf Herodot gelten 
mag. Im zweiten Buch geht dann der Verf. zu den Eigenthüm- 
lichkeiten des Herodoteischen Dialekts über, wie sie in einzelnen 
Buchstaben, als Ümtauschnngen der Tenues, Aspiratae, der Spi*- 
ritus u. s. f. oder in Verwechslung anderer Buchstaben oder auch 
Verdoppelung derselben, wie umgekehrt in Vereinfachung dop- 
pelter Consonanteta u. dgl. hervortreten; auch das v iq>Bkxv0tix6v 
kommt zur Sprache; der Verf. spricht sich im Ganzen gegen die 
Zulassung desselben im Herodoteischen Dialekt aus (S. 103.) und 
will daher in einigen wenigen Stellen, in welchen dasselbe ange- 
troffen wird , es streichen ; dasselbe wendet er auch ferner wie 
rocovre, toöovto an (S. 104. sq ) auf Adverbialendungen wie 
XQoö&s^ SliitQoö&By VTtSQ&s^ xatvnsQ^B, oniöd's, IvsQ^B^ in wel- 
chen Herodot nie das v am Schluss angehängt haben soll, das er 
jedoch in den übrigen Localadverbien (z. B. Itodn/, ava&sv^ 
i'dod'fit/ etc.) durchweg beibehalten. Hier wird es freilich schwer 
einen Grund aufzufinden, der hier zur Weglassung des v und 
dort zur Beibehaltung desselben veranlasst haben soll, dasselbe 
mag auch bei insita und HnBitt^ gelten, welches letztere der 
Verf. zwar für das ächte und richtige hält, so wenig auch die 
Handschriften dafür sprechen, -die in den meisten Stellen, ohne 



S82 Ckieebiscfae Literatur. 

Aliweiehung9 »o weit wir wenigstem wis««»^ di« Form Smetta M<* 
behalten. Bei dieser Gelegenheit hat der Verf. ein Wort aiiig«^ 
sprachen, das wir vollkormiu^» billigen : ^nQuM exempln (der Form 
iKBLta) quamqnsm ploruoiqne a correctore ?^I pArnm aUenCo Ur 
brario profects 0S8e(1) statuam, tarnen omniß »ine codievm mt4 
aliorum »crijHorum auvtoritato in tonicam formam muiare te^ 
merarium mihi ea$0 vid^tur {S, 109. )>^ Würde nur dieser gato, 
SU dem hier das EUtrem einer Wilücür trieb , auch oooh auf an- 
dere ähnliche Falle angewendei worden sein,- wo nicht geradeso 
schreiend dieses Kxtrem sich bersusstellt ! So will der Ver£ 
aneh Hberall BlviHBv hergestellt wissep, das er allein als ioniacha 
Form bei Hcrodot anerkennt, wührend iivexn verworfen wird« 
das doch in nicht weniger als «eun und siebenaig Steilen, 
wenn wir anders richlig gezählt haben , yom Verf. selbst S. 110. 
nachgewiesen wird! Bben so wird da9 'S bei äxgi^ ^^%9^) ovra» 
verworfen, dagegen bei xoXlaKig anerkannt, lanter Fälle, auf 
welche Mancher die obigen Worte des Verfassers anwenden 
möchte. In ähnlichen Untersuchungen, wobei stets alle betref- 
fenden Stellen und alle vorkommenden Varianten berücksichtigt 
werden , versucht der Verf. l&ikco als die allein gültige Form bei 
Herodot nachzuweisen; wo ^iAcd sich noch findet, soll corrigirt, 
werden; desgleichen iniivog nicht ttttvog^ eben s6 stets tffitxpdg 
nicht ffixpdg, desgleichen stets ^vv und nicht £vi/. In derselben 
Weise durchgeht darauf der Verf. die Verifnderungen der Voeale 
und der Diphthonge (S. 125. ff.}, auch hier dieselben Grundafitxe 
in Anwendung bringend, die er vorher bei den Consonanten bn«- 
folgt hatte; desgleichen die Auflösungen wie die Zusaromcnna^ 
hungen der Diphthonge und Voeale , die Anwendung der Caana, 
wie den Gebrauch der Elision und des Apostrophs. Es ist uns in 
der That, so reichlicher Stoff zu weiterer Besprechung in diesen 
Abschnitten auch vorliegt, nicht möglich, dem Verf. in alle diese 
Einaelheiten zu folgen und insbesondere alle die Stellen zu be- 
sprechen, in welchen irgend eine Aenderung des jetzigen Tezte^ 
vorgeschlagen wird , ohne die Grenzen zu überschreiten, welche 
diesem Berichte gesteckt sind. Und so können wir auch die befin- 
den folgenden Bücher, welche eine eigentliche Formenlehre der 
Herodoteischen Redeweise enthalten , hier nur andeutend beruh'- 
ren. Das dritte Buch handelt von den Substantiven, nach den 
drei Declinatlonen , von den Adjectiven und den Gomparationa- 
graden,den Zahlwörtern und Pronominibus; das vierte betrifft 
das Verbum in seinor ganzen Flexion und nach allen seinen Ab- 
weichungen. 

Unter dem, was in andern Schriften mm Verständniss des 
Herodot oder aur richtigen Auffassung dnzelner Stellen beige- 
steuert worden , ist zuvörderst eine Gelegenheitsschrift zu nennen, 
die, auch abgesehen von ihrer übrigen Bedeutung für die Erör- 
terung eines wichtigen «ad dunkeln Punktea im Gebiete der Atti- 



Zar Literatur de» Merodot. $83 

sehen 8taatjwltertMmer, aunichst Ton Belang für eine Stello des 
Herodot ist, weiohe allerdings die Grundlage dieser Erörterung 
bildet, wir meinen die dem Jahresberiolit über das' Wilhelm- 
Ernstische Gymnasium sn Weimar (1845'-^1846) beigegebene Ab- 
handlung des Ton Zürich nach Weimar unlängst berufenen Di- 
rectors Hermann Saüppe: De demis urbanis Athenarum 
24 S. gr. 4. 

Es handelt sieh hier um die noch in neuem Zelten mehr- 
fach Ton verschiedenen Gelehrten besprochene Einrichtung des 
Olistbenes t\\ Athen, wonach derselbe die Zahl der Phylen von 
vier auf «ehn vermehrt und unter diese die einzelnen Demen 
eintheiite. Diese Angabe beruht auf einer Stelle des Herodot, 
die in den Handschriften alemlich glelchmässig uns überliefert ist, 
ohne erhebliche Abweichung, die aber darum doch nicht frei von 
wesentlichen Schwierigkeiten und Bedenken ist, welche eine nii- 
here Erörterung des Gegenstandes doppelt wönschenswerth ma- 
chen mussten. Die Stelle selbst V, 69. lautet s i6g ydg öj) x6v 
'A&7ivalc9V dijiioVy ngötsgov dncJöfiivov totb ndvt» ngog z^v 
scDvzov (lolgav ngoöi^ijTttxto (seil. 6 Kk$i6&svijg) ^ tag q>vk(ig 
[liTtovö^aöB (^erowoftai^s nach Bekker und Bredow p. 163*) nai 
TtXivvag ig iXa^ö6vav'^ dha ts S^j q)vldQxovg dvtl riöoigaw 
iTtolijöEt Sixa ii xal tcvg dijfiovg xecvsviiiB ig v&g 9>i;A«g, und 
hier sind es Insbesondere die letzten Worte: dtita dh xal tojig 
Sijiiovg xativBfiB ig rdg qwkdg^ welche wegen der Beziehung 
des ÖBKa auf ig tdg qrukdg Schwierigkeiten erregt haben, indem 
ilian, wie auch der gelehrte Verf. dieses Programms meint, eine 
solche Verbindung oder Beziehung fbr unverträglich mit den Ge^ 
setzen der griechischen Sprache ansah, oder öiüa mit ö^fxovg 
in Verbindung brachte und so den Sinn gewinneq wollte, als habe 
Clisthene« stets zehn Demen in jede Phvie eingetheilt, eine Ant- 
lassung, die uns noch weniger mit den Worten Herodot's verein- 
bar scheint, wie sie nns überiiefert sind, selbst dann kaum, wenn 
man auch vor (pvXdg noch ein zweites oder vielmehr drittes iina 
einschalten wollte (was wir jedoch nicht gesonnen sind), oder 
wenn man mit dem gelehrten Verf. dieses Programnas (p. 10.) 
Ttetvd Sixa schreiben wollte, wofür, wie Meier (in der Heil. Llt.- 
2eit. 1846. Nr. 280. p. 1084.) glaubt, nmhdvddiKuimn§eaetMBi 
werden könnte. Wir gestehen offen^ dass wir uns noch nicht ganz 
von der Nothwendigkeit einer solchen Aenderung haben 4)ber- 
zeugen können, und bezweifeln in der That, ob Herodot so gesagt 
und damit den durch die WIederfiolüng des Shc« m Anfang des 
Satzes bewirkten Numerus gewissermaassen verstört haben 
würde. Eben von diesem rhetorischen Standpunkte ans wird sieb, 
denken wir, noch am ersten die allerdings auffallende Stellung des 
dixa zu Anfang, wenn es doch auf das Schlusswort ig tdg q>vkag 
und nicht auf das näher stehende di^fiovg bezogen werden soll, 
erklären und rechtfertigen lassen, so dass wir dann tovg di^fiotig 



384 Griechische Literatur. 

von allen den damals vorhandenen Demen verstehen, welche in 
die sehn Phylen eingetheiit worden. Ob die Zahl dieser Demen 
sich auf hundert belaufen, ob damals oder auch später neue 
Demen hinzugekommen bis zu der Zahl von hundertvi^rund- 
siebenzig, die uns nach Strabo's Zeugniss, zu seiner Z<eit we-. 
nigstens, als die iQesammtzahl derselben erscheint, sind dann 
Fragen , die bei allem ihren sonstigen Interesse .doch ausser dem 
nichsten Bereich der Herodoteischen Stelle liegen und, wie sie 
auch beantwortet werden mögen, in keiner Weise einen Irrthnm 
oder eine falsche Angabe des Herodöt begründen können, eben 
weil Herodot dann nur im Allgemeinen von den Demen spricht. 
Wenn wir uns demnach noch immer nicht entsohliessen können, 
in eine der vorgeschlagenen Aenderungen des Herodoteischen 
Textes einzugehen , wenn wir ferner auch die von Meier (a. a. O. 
p. 108).) vorgeschlagene Aenderung des Wortes tpvkagxovg In 
9t;Aa$ noch weniger annehmen. können, indem, um von Andern 
nicht zu reden, dann der hier blos gewissermaassen zu näherer 
Erklärung des Toraüsgegangenen Satzes (xal inolfjös «Xsvvag [sc. 
gyvXdg] l| ikccööovmv) dienende Satz {öixa zb d^ gwkdgxovg dvtl 
tBööigcov inoliiöB) schwerlich durch ein ts dij eingeleitet oder an- 
giehSngt worden wäre, so werden wir darum doch mit um so gros- 
serem Danke die übrigen Erörterungen und Aufschlüsse anzuneh- 
men haben , welche der Verf. an diese Stelle anknüpfend , Qber 
Zahl und Namen der Demen, über ihr Verhältniss zur Stadt u. s. 
w. gegeben hat. Was namentlich die Zahl der Demen betriffifc, 
so hat der Verf., wie wir glauben, genügend nachgewiesen, dass 
zu einer gewissen iFrühereu Zeit dieselbe auf hundert sich be- 
laufen und dass diese nach eben so vielen Heiligen (o£ ixatov 
SgaBg)^ die als ^gasg iucivv^ioi erscheinen und in einer eigenen 
Schrift des Polemo verzeichnet waren, benannt gewesen; er hat 
nicht weniger als zweiundvierzig solcher von Heroen ab- 
stammenden Namen von Demen nachgewiesen, und bemerkt mit. 
Recht, dass die patronymische Form noch mancher anderer Demen 
auf ähnliche Ableitung des Namens von einem Heros führe (p. 6. 
bis 9.). Diese hundert Demen, welche in dieser festen Zahl schon 
vor Clisthenes bestanden, meint nun der Verf., seien von Letzte- 
rem unter die zehn von ihm geschaffenen Phylen vertheilt worden 
(eben darum sei auch xatä dixa zu lesen), die Zahl der Demen 
aber sei von ihm bedeutend vermehrt worden, indem er diejenigen, 
deren Volkszahl die drei übrigen überragt /von einander getrennt 
und so eine Anzahl neuer Demen geschaffen , was auch durch die 
ihm zugeschriebene Aufnahme vieler Fremden in dins Attische Bür- 
gerrecht nothwendig geworden. Daraus folgert nun aber der Vf. 
weiter, dass Herodot entweder irrthümlich das, was er von der 
Zehnzahl der Demen gehört, auf die Einrichtungen des Clisthe- 
nes bezogen, oder dass er aus Nachlässigkeit die Angabe der -vie- 
len neuen von Clisthenes geschaffenen Demeo über^^angen. Es 



Zar Liteatnr des Herodot. 385 

filli irns schwer, den Herodot, den wir doeh, feumal bei seinem 
niclit zu längnenden längeren oder auch wohl sogar wiederholten 
Aufenthalt zu Athen und seiner sonstigen Vorliebe für die Athe- 
ner und ihre-demokratische Verfassung, eine nähere Kenntnisis 
der attischen Institutionen schwerlich absprechen können, hier 
eines Irrthums oder einer Nachlässigkeit oder Saumseligkeit zu 
zeihen. Das letztere schon darum nicht, well Herodot ja nur ge- 
legentlich in einer Episode der Sache gedenkt , hier also grössere 
Vollständigkeit oder Ausführlichkeit kaum erwartet oder verlangt 
werden kann. Zweitens scheinen die Aenderungen des Cllsthe- 
nes nur auf die Phylen und deren Vermehrung sich erstreckt, hin- 
sichtlich der Demen aber In den bestehenden Verhältnissen nichts 
geändert zu haben , als etwa Ihre Verbindung mit den Phyleo, 
wenn diese anders nicht schon Torher bestand und die ganze Aen- 
derung mithin daraufhinauslief, dass, wie früher unter vier, so 
nun unter zehn Phylen die Demen eingereiht wurden; mochten 
diese nun auf die vom Verf. für die frühere Zeit angenommene 
Zahl von hundert sich belaufen, oder dieselbe schon überschrit- 
ten haben, worauf sich Herodot gar nicht weiter einlässt, darum 
auch von keiner besondern Vermehrung derselben durch Clisthe- 
nes berichtet, weil, wie wir uns die Sache denken, die Bildung 
neuer Demen In dem Geist und Sinn des Attischen Staatslebens 
überhaupt lag, und darum zu jeder Zelt, wo das Bedürfniss sich 
herausstellte, neue Demen gebildet wenden konnten, mithin es 
allerdings glaublich ist, dass Cllsthenes neue Demen gebildet, so 
gut wie ja auch mehrere Spuren von Demen, die nach Cllsthenes 
gebildet wurden, vorkommen. Die Zahl von 174 zu der friiheren 
Zahl von hundert gehalten, lässt allerdings vermuthen, dass 
schon Cllsthenes die letztere Zahl überschritten halte, da es 
allerdings nicht glaublich ist, dass von Cllsthenes Zelt an, also 
in der auf ihn folgenden Zelt bis auf Strabo^s Zeit, vierund-r 
siebzig neue Demen gebildet wordea Diese neuen, zu jener 
Grundzahl von Hundert^ durch Cllsthenes hinzugefügten Demen 
erlüelten aber, wie der Verf. S. 10. weiter vermuthet, keine ei- 
genen neuen Heroen, wie denn aach ihre Namen entweder der 
Lage des Orts oder besondern Produkten desselben meist entnom- 
men scheinen'*'), sondern theilten die Heroen und deren Cultns 



'*') Oder auch nach Persönlichkeiten , wie z. B« der Demos der £«- 
gBvmidcci (nach der Beremca^ der Gemahlin des Ptolemäns), welcher zur 
nyle Ptolemaia gehörte, die gleich der Phyle JUalia, nnd früher nach 
der Phyie Jniigonia nnd DemetriaB zu den alten Phylen hinzugekommen 
war. Unter die Phyie Attälk gehörte der Demos der 'AnolkmviBiq ^ der 
darum wohl auch ein neuer, in später Zeit erst gebildeter Demos war, 
so gut wie die Phyie Attatis. S. Stephanus Byzant. s. y.^AnolhaiviBiq 
und BsQSPiHtdtit. 

/V. Jahrb. f. Phil. u. Päd. od. KrÜ. BibL Bd. L. Hft. 4. 25 



386 Griechische Literatur. 

mit denjenif^en Deinen, deren TheU sie bisher f^blldet hatten 
oder auch wohl in deren Nähe sie lagen. Die Stelle Plutardi'g 
Vit. Thes. 14., wo von einem Cult der Heroine Hekale (die einem 
Demos den Namen gegeben) die Rede ist , welcher den benadh 
harten Demen gemeinsam gewesen, so wie zwei andere Belege 
ans Inschriften werden für diese Vermnthang angeführt , an wel- 
che sich die Erörterung einer weit schwierigeren Frage kn&pft 
über das Verhältniss, in welchem die Demen zur Stadt selbst ge- 
standen (S. 11. If*). Bekanntlich haben manche Gelehrte hier, 
mit besonderer Beziehung auf eine Stelle des Isokrates (Gr. VH 
§. 46.), einen Gegensatz zwischen den örjfiot und der eigentlichen 
yeoXig angenommen, und die erstem sämmtlich ausserhalb der 
Stadt Athen, die mithin keine d^fioi^ sondern dafür xafiai ge- 
habt, suchen wollen. Wenn aber die Demen eine politische Ab- 
theiiong waren, wenn sie die politischen Gemeinden bildeten und 
so in ihrer Yertheiiung unter die zehn Phylen , mithin auch das 
ganze Land umfassten , so liegt es doch wohl schon in der Natur 
der Sache, dass die Bewohner der Hauptstadt des Landes too die- 
ser Eintheilung keineswegs ausgeschlossen sein konnten, sondern 
ebenso gut wie die übrigen Bewohner des Landes , ihre Dc^men 
gehabt und in dieselben elogetheilt gewesen; es scheint uns dies 
das Wesen dieser ganzen Eintheilung mit sich zu bringen , und 
wir mochten darum keineswegs, wenn z. B. Hesychius die Kvda- 
iS^fjvaLtig als d^fjiog iv aötSL bezeichnet, oder mehrere Demen 
(Melite , Kolonos , Kerameikos , Kollytos) erweislich in der Stadt, 
wenigstens zum Theil lagen, dies blos als eine Wirkung einer 
spätem Zelt erkennen, sondern Tielmehr darin eine ursprüngliche 
Einrichtung erkennen, die mit der ganzen Demeneintheilqng zn- 
sammenhing, eben weil sie, als politische Abtheilung, das ganze 
Land und alle (politischen) Gemeinden des Landes befaaste , so- 
nach die Bewohner der Hauptstadt nicht ausschliessen konnte. 
Wir glauben daher in dieser Beziehung der Ansicht des Verf. 
S. 13. vollkommen beipflichten zu müssen. Derselbe hat sich 
jedoch mit diesem allgemeinen Resultat nicht begnügt, sondern 
nun den schwierigen, aber gewiss dankbaren Versuch gemacht, 
diese städtischen Demen nachzuweisen. Für den an erster Stelle 
▼on ihm genannten Demos der Kvöad-t^vamg haben wir das be- 
stimmte Zeugniss des Hesychius neben andern alten Glossen, aber 
auch MbUxti und Kollvtog werden nach den hier vorgelegten 
Beweisen als städtische Demen nicht bezweifelt werden können, 
welche innerhalb der Ringmauern Athens sich befanden. Als 
vierten Demos der Stadt führt der Verf. die I]Kaf$ß(ovldai auf, 
oder vielmehr er macht es sehr wahrscheinlich , da hier keine so 
bestimmten Zeugnisse, wie bei den andern vorliegen; wenn er als 
fünften Demos die Ksgaiislg anreiht, wozu der äussere und innere 
Kerameikos gehört, so wüssten wir auch hier keine Einsprache zu 
erheben ^ schwächer ist der Beweis bei dem sechsten Demos der 



Zar Literatar des H«rodot. S87 

KsiQioidai^ und hier zuiiichst beruhend auf einer Glosse in Bek- 
ker's Anecdd. p. 219, 8, wo nur der Zusata-der Oineidischen 
Phyle befremdlich i$t, indem dieser Demos su der Hippothratidi- 
schen Phyie gehörte. Indessen , da wo überhaupt die Quellen s« 
dürftig fliessen , wird man in der That kaum eine vollständige Be- 
weisführung erwarten oder verlangen können. Als siebenter 
Demos erscheinen die KoIcjvbIs oder Kokovog^ sunachst in In- 
schriften, in weichen jedoch dieser Demos bald der Aegeidischen, 
bald der Antiochidischen Phyle zugetheilt wird, weshalb die Ver- 
muthung von Ross gebilligt wird, weiche diesen Widerspruch 
durch die Annahme eines doppelten Demos dieses Namens za lö- 
sen suchte so dass dann der eine Kolonos der Aegeis^ der andere 
der Antiochis angehört habe. So wären also siebeta, wo nicht 
gar acht städtische Demen ermittelt, und da diese sieben sämmt- 
lich verschiedenen Phylen angehört (wenn man nämlich den Ko- 
lonos zur Antiochis und nicht zur Aegeis rechnet, zu welcher Kol- 
lytos gehört), so hat der Verf. daran die weitere Vermuthong 
geknüpft, dass Clisthenes absichtlich von jeder der zehn Phylen 
einen Demos, entweder ganz oder zum Theil in die Stadt einge- 
theilt habe (,, — jure mihi videor coiligere, Clisthenem decem 
dcmos vei demorum partes moenibus inclusisse , ita ut ex quavis 
tribu onus vel pars unius in urbe esset^^ p. 19.). So wäre also 
jede Phyle durch einen Demos in der Stadt gewissermaassen re- 
präsentirt gewesen, in der Stadt aber wären die Versammlungs- 
orte jeder Phyle gewesen, wodurch die politische Einheit des 
Staats durch Anknüpfung dieser Phylen an die Stadt, als den 
Mittel- und Einheilspunkt des Ganzen, gewahrt und Spaltungen, 
Trennungen für die Folge verhütet worden. Dies und Anderes 
ist es, was der Verf. p. 20. weiter an seine Vermuthjmg anknüpft, 
die wir gern durch positive Belege bestitigt sehen möchten , ob- 
wohl wir uns manche Bedenken nicht verhehlen können, die zu- 
nächst die ganze Grundlage dieser Vermuthung betreffen, denn, 
um nur dies Eine hier zu berühren , befremden wird es doch, wenn 
die Stadt Athen, die nach der Berechnung des Verf. ein Fünftel 
der ganzen Bevölkerung des Landes in ihren Mauern enthielt, von 
der Gesammtzahl der Demen — 174 oder früher nur 100 — nur 
sehn derselben enthalten haben soll, denen der Verf. im Durch- 
schnitt für einen jeden , eine Bevölkerung von circa 12,000 Seelen 
giebt (p. 24.), was uns doch etwas gewagt erscheint. Man könnte 
freilich einwenden, dass unter der städtischen Bevölkerung gar 
Manche sich befanden, die in die Demeä des Landes eingeschrie- 
ben waren, indem die Veränderung des Wohnorts keine Verände- 
rung in der politischen Gemeinde bewirkte , der Einer zugetheilt 
war,' derjenige also, der in die Stadt vom Lande gezogen, in sei- 
nem Demos verblieb und diesen nicht mit einem städtischen ver- 
tauschte. Ob aber dieses genügen kann, die in Betracht der 
Bevölkerung geringe Zehnzahl der städtischen Demen zu erklären, 

25* 



888 GriachUche Literatur. 

beswdfeln wir and daDn itl doch die Zehuiahl der stadtiBclieii 
Demen überiiaupt nur eiae Vermutliaiig^ gestut^ auf eine andere 
Vermutliung, nacli welclier jede der zelin PlijlcD darcli Eloea 
Demos in der Stadt reprasentirt gewesen. Wir wollen daher ¥oi^ 
erst noch andere Beweise abwarten^ die sich Tielleicht aus neu 
gefundenen Inscliriften dereinst noch entnehmen iassen, was wir 
sehnlichst wünschen, damit in dieses Game, immer noch dunkle 
Vertialtniss doch ein sicherer Lichtstralil falle, der uns dann auch 
andere Verhaltnisse , die noch im Dunkeln liegen , aufzaklarM 
vermag. Der Verf hat seinerseits Alles aufgeboten , um aus ein- 
aelnen Spuren die zu der von ihm angenommenen Zehnaahl der 
städtischen Demen fehlenden drei Demen zu ermitteln; von der 
Phyle Erichtheis vermuthet er (p. 21.), habe der Demos 'j^yQvkBlq 
wohl der Stadt angehört, und so hofft er, dass vielleicht mit der 
Zeit auch noch der Name der beiden übrigen fehlenden Demen^ 
die nach seiner Verdiuthung der Phyle Aeantis und Oeneis ange- 
hört , bekannt werden dürfte. Möchte der Verf. noch öfters dordi 
solche gediegene und lehrreiche Erörterungen die Frenade 
des Herodot, wie der hellenischeft Staatsalterthumer überhaupt, 
erfreuen ! 

Von Griechenland wenden wir uns nach den Orient, aunicfaat 
nach Persien, wo die in diesen NJbb. (XL VI. p. 415. 445.) ana- 
gesprocbenen Erwartungen nun in Erfüllung zu gehen anfangen, 
und selbst noch Weiteres und Grösseres in Aussicht gestellt iat, 
wenn die bei Mossul (dem alten Ninive) aufgegrabenen Reale 
assyrisch -babylonischer Aiterthümer näher durch das von der 
französischen Regierung unter Botta^s Leitung herauszugebende 
Prachtwerk , wozu die Kammern eine so nahmhafte Sunune ver- 
willigt haben "*"),. auch weitern Kreisen zugänglich werden und die 
zahlreichen, im Journal Asiatique bereits bekannt gemachten Keil- 
schriften ihre Entzifferung und damit ihr Verständniss finden, was 
hoffentlich, in Folge der grossentheils gelungenen Entaifferang 
und Lösung wie Erklärung der persischen Keilschriften, auch bei 
den babylonisch-assyrischen nicht ausbleiben wird. Noch anderes 
aus diesem Kreise lassen Layard's Entdeckungen und Nachgra- 
bungen in jenen Gegenden erwarten. Vorerst halten wir uns an 
Persien und bemerken in Bezug auf die. schon früher (XLVL 
p.44ä.) erwähnte Keilschrift, welche die Namen der zum Persi- 
schen Reiche gehörigen Völkerschaften und Länder enthält '*''^)^ 



*) Man lese nur den Rapport des Depntirten Cremieux im Monitenr 
1846 15. Mai, Nr. ]35, treisi^me Sapplement p. 1379. ff. Hiernach 
wurden von der Kammer circa drei malhundert tausend Franken 
yerwilligt, nämlich 172,550 Pr. fSr die Herausgabe des Werkes, 60,000 
Fr. für den Kunstler Flandin und 60,000 Fr. für Botta, in Summa: 
292,550 Francs. 

**y s. jetzt dazu Lassen (nach Westergaard) in der Zeitschrift für 



Zur Literator des Herodot. 389 

dass die Grabschrifl des Darins^ welche ebebftillB die dem Reiche* 
dieses Monarch Ai lugehörfgen' Lander und Völker angiebt, in- 
zwificheo in einer eignen Schrift eines gelehrten Orientah'steii 
näher behandelt, inai Einzelnen sprachlich erörtert, und am Schlüsse 
in einer deutschen natureetreuen Ceb^rsetzung mitgetheilt ist: 
Die Grabschrift des Dar ins zu Nakschi Rofam, erläutert 

von Dr. Ferdinand Hitzig. Zürich. Druck von Orell, Ffissli a. 

Comp. 1847. IX und 83 8. in gr. 8. 
Ref. kann nicht in eine Kritik dieser Schrift eingehen, da er 
sich nicht mit der Keilschrift in der Weise beschäftigt hat, um 
dem gelehrten Verfasser in das Detail seiner Erörterungen folgen 
SU können,* aber er macht dankbar einen Gebrauch von den Er- 
gebnissen solcher Forschungen, in soweit sie zur Beglaubigung 
oder Berichtigung oder Ergänzung dessen dienen können, was He- 
rodot über diese Gegenstände angiebt , und hier namentlich uns 
auf die Quelle hinweisen , aus der, wie jetzt immer mehr ersicht- 
lich wird , die einzejaen Berichte des Herodot entnommen sind. 
In der hier behandelten Grabschrift, von welcher die Ahbildungen 
bei Flandin Voyage en Perse PI. 172. 178. uns einen recht an- 
schaulichen Begriff geben können , womit jetzt noch die Angaben 
bei Bode Travels in Luristan and Arabistan €hap. V. T. L p. 97. ff. 
verbunden werden können , stimmen In der- Aufzählung der von 
Darius beherrschten Länder und Völker einige Namen nicht ganz 
zu den Namen der andern Keilschrift von Persepolis , so wie zu 
der gleich näher zu behandelnden Inschrift von Bisutun; es kom- 
men in der Grabschrift auch mehr Namen vor, als In jener ersten 
Inschrift , was sich jedoch durch ejne Bemerkung von lloltzmann 
(Beitrage z. Erklärung d. Pers. Keilschriften L p. 125.) genügend, 
wie wir glauben, wird erklären lassen. Die Eintheilong der Sa- 
trapien fallt , nach Herodot's Angabe , in die erste Zeit der Re- 
gierung des Darius; da nun derselbe Herodot (III, 96.) bemerkt, 
wie später noch weitere Steuern erhoben worden von den Inseln 
und von europäischen Völkern , so seien es eben die Namen dieser 
später erst unterworfenen Völker, weldie auf der Grabschrift zu 
den ursprünglichen drei und zwanzig hinzugef&gt worden. Uebri- 
gens darf auch nicht ausser Acht gelassen werden , dass in der Le- 
sung der einzelnen Namen der beiden Inschriften noch theiiweisc 
Verschiedenheit unter den gelehrten Erklärern der Kellschrift 
herrscht. Manches noch nicht ganz sicher und festgestellt er- 
scheint, wozu aber die jetzt bekannt gewordene Inschrift von 



Kunde des Morgenlandes VI, 1. p. 42. ff. In diesem Bandä ist eine 
Uebersicht der bisher bekannten und entzifferten Inscbriften, die sanächst 
dem Darius und Xerxes, eine auch dem altern Cyrus und eine andere 
Artaxerxes II betreffen, enthalten« S. auch die weiter anten so nenneade 
Schrift von Benfey. 



990 Gmchisdie Uteratar. 

Biiolan den SdilüMel bieten oder die Mittel der Berichti^n^ und 
Sicherstellung an die Hand ^eben kann. Dieie Ikn^t erwartete, 
üogs^ gewünschte Inschrift ist nun endlich durch die rastlosen 
Bemühungen Rawlinson^s an unserer Kunde gelangt, und damit 
ein nenes Feld der Thitigkeit auf diesem Gebiete eröffnet wor- 
den, das immer weitere Ausdehnung In der Folge zu gewinnen ¥er- 
spricht. In dem Journal of the Royal Asiatis Society. Yol. X. Part. L 
finden wir unter dem Titel : „The Persian Cuneiform Inscription ai 
Bekhtun^ decyphered and translated; with a Memoir bj Major 
H. C. EawUnsan^ C. B. of the hon. East. India Company'« Bombay 
Service and politlcat agent at Baghdad (London 1846. LXXI und 
52 S. in gr. 8.^ zuerst Abbildungen des gewaltigen Felsens, in 
welchen diese nugeheuere Inschrift eingegraben ist, sammt den 
in Mitte derselben befindlichen Figuren des Darius und der ge- 
hangenen Fürsten und Aufruhrer, welche gebunden vor Ihn ge- 
schleppt worden *) , dann folgen genaue Coplen der einzelnen In- 
schriften, welche diesen Felsen bedecken, darauf zeilenweis mit 
lateinischen Buchstaben der Text der Keilschrift und darunter die 
lateinische Debersetaung, auf einer Reihe von einzelnen Blättern, 
dann kommt einezusammenhängende fortlaufende englische CJeber- 
setzung (p. XXVIl. ff.) , an weiche (p. XL. sq.) sich eine Annäht 
Noten anreiht, welche auf den Text der Inschrift und die Lesnng 
einzelner Wörter derselben sich beziehen. Das nun folgende 
Memoir an cuneiform Inscriptions enthält im ersten Oapitel /V#- 
liminary Remarks^ im zweiten (p. 19. ff.) on cuneijorms writmg 
in general verbreitet sich der Verf. über die verschiedenen Arten 
der Keilschrift u. dgl., was wir hier, als unsern nächsten Zwecken 
fern liegend, übergehen mit der Bemerkung, dass Rawlinson darin 
die drei Hauptarten der Keilschrift näher bespricht: die babylo- 
nische, die er lieber die semitische nennen möchte, und die 
er von der assyrischen, welche Andere, wie z. B. Bothe nur fir 
eine Varietät der babylonischen halten, so unterschieden wissen 
will, dass beide als zwei verschiedene Gattungen (die aber jede 
wieder In Dnterabtheilangen zerfallen), angesehen werden sollen ; 
die modische, die Rawlinson als scythische (?) bezeichnen 



*) Wir werden auf die bildliche Darstellong weiter unten zurückkom- 
men und dort auch auf die entsprechenden Abbildungen in Fl'anditCa 
Prachtwerk Foyage en Perse etc. verweisen« Leider fehlt zu diesem 
noch nicht vollendeten Werke noch der ganze Text. Die Kupfertafeln, 
die bis jetzt erschienen sind , geben die getreueste Abbildung der Persi- 
schen Denkmale und Alterthumsreste. Auch Texier^s zweites Werk: 
DeBcription de V Armenie^ de la Perse et de la Mesopotamie, von welchem 
seit 1842 sechszehn Lieferungen erschienen sind , verbreitet sich über die 
altpersischen Denkmale zu Persepolis u. s.w., ist aber auch noch ohne 
allen begleitenden Text.* 



Zur Literator des Herodot. 301 

möclite und die persische, welche in den Denkmälern der Achä- 
meniden allein Torkommt *), In dem ersten mehr einleitenden 
Gapitel gieht der Verf. im Allgemeinen Nachricht von der Ent- 
zifferung der Keilschrift und den verschiedenen bisher gemachten 
Versuchen, womit sich die Erzählung seiner eigenen Versuche 
verbindet, so wie seiner Entdeckungen, die allerdings nur durch 
die müheToUsten und beschwerlichsten Opfer jeder Art erkauft 
werden konnten.. Auch diese Darstellung liegt unserm Zwecke 
ferner und, was die Localität betrifft, wjo diese grosse und merk- 
würdige Inschrift sich befindet , so können wir deutsche Leser am - 
besten auf den von uns schon fräher angeführten Ritter in der 
Erdkunde IX. p. 350. ff. verweisen. Wir halten uns hier nur an 
die Inschrift selbst und ihren Inhalt, um aua der Zusammenstel- 
lung und Vergleichung desselben mit den Angaben des Vaters der 
Geschichte zn zeigen, wie sich auch hier aufs neue und zum Theil 
in recht frappanter Weise die schon früher, vor der Bekanntwer- 
dung dieser Inschrift, von Holtzmann in den angeführten Bei- 
trägen p. 126. aufgestellte Behauptung: „es werden also die Be- 
richt« Herodot*s auf überraschende Weise durch unsere Inschriften 
bestätigt^^ und, setzen wir hinzu, auch ergänzt und vervollständigt, 
bestätigt findet. Ref., der die Texte der Keilschrift selbst weder 
lesen noch erklären kann, muss sich hier freilich an die von Raw- 
linson gegebene CJebersetzung kalten^ aber diese, auch wenn im 
Einzelnen, woran kaum zu zweifeln , mit der Zeit Manches be- 
richtigt, oder anders gelesen und gedeutet werden sollte, erscheint - 
im Ganzen, nach dem Ausspruche der Kenner"^*) als getreu 
und wird demnach auch ohne Bedenken für den Gebrauch, den 
wir hier von derselben zu machen gedenken , zu Grunde gelegt 
werden können. Bemerkt doch der Eine derselben ausdrücklich, 
dass gerade bei dieser Inschrift ein glücklicher Zufall es gefugt, 
dass die für die Geschichte bedeutenden Partien derselben fast 
ganz verstandlich sind , und einige Dunkelheit nur auf denjenigen 
Theilen ruht, welche für die Geschichte von geringerem Be- 
lang sind. 

Darius {Darayawush) ist in der Inschrift selbst redend in 
erster Person eingeführt, er nennt sich den grossen König (iT'^^Aa- 
gathiya wazarka) den König von Persien, den König von Ländern 
(oder Königreichen) , und giebt dann seine Genealogie gerade so 



"^^ Ueber denselben Gegenstand erschien unlängst zu Dublin in 4.? 
On the first and second kinds of persepolitan writing , by £dw. Hincks. 
S. auch jetzt Lassen : „Die Alt-Persische Schrift^^ in der Zeitschrift für 
Kunde des Morgenlandes VI. p. 555. ff. 

*) A. äoltzmann in d. Heid. Jahrbb. 1847, p/ 89. 90. Tb. Benfey 
in d. Gott. Gel. Anzz. 1846, p. 2005. und darauf in : Die Persischen Kcii- 
sdiriften mit Uebersetzung und Glossar. Leipzig 1847. 8. 



392 Griechische Uteratnr^ 

ao, wie wir sie bei Herodot VII, 11. in der Rede eeines SobMi, 
des Xerxes, lesen: fA^ yicQ äi^v h% Jagslov tov^T^ötdönsos^ tov 
^jQöifiBogj tov *jQiaQa(ivB(o ^ tov Tattfsrsog, tov KvgoVi toö 
KttiißvöBiD^ Tov Tttayciog^ tov'Axaifiivsog YByovdgn inj TSfio- 
iffl6a(ihvog *A&7ivalovg. In der Inechrift nennt sicli Dariue Sohn 
des Faahläapa C^öraömg)^ des Sohnes des Arskdma ( '^ptfce^i^), 
des Sohnes des Ariyaram{ä)na ( 'Agiagetftvijg) , des Sohnes des 
Cki8kp€s{TBt6itrig)^deB Sohnes des Hak'hdmaniahCAxmiiSPiig). 
So nennt er nur fünf seiner Ahnen, während bei Herodot acht 
stehen; aber wir lesen weiter im Verfolg der Inschrift die Worte: 
,,acht meines Stanunes warenvormirKönige,icihbiBder neante: 
seit langer Zeit sind wir Könige^^ und eben so kurx luvor: „ins 
diesem Grunde werden wir Hakhamanühiya (A ch a ns e n i d en) 
genannt, Ton alter Zeit stammen wir her , von alter Zeit her waren 
Ton unserm Geschlecht Könige/^ Mau sieht hier deatiich, wie 
und warum Herodot zu den Namen der fünf Voreltern des 1>a- 
rius, welche in der Inschrift stehen, noch drei hinzugefügt iiat, 
um die acht herauszubringen , welche die Inschrift als Vorfahren 
des Darius bezeichnet; aber er scheint hier allerdings In einea 
Irrthum verfallen zu sein (vorausgesetzt , dass hier kein spitcrea 
Einschiebsei im Herodoteischen Texte anzunehmen ist), indem er 
ausser der Wiederholung des Teispes noch Gyrns und Can- 
byses einschaltet, was schon der Zelt nach nicht angeht, da 
beide Zeitgenossen des Hystaspes , des Vaters des Darius und gtf« 
wiaserraaasaen des letztern selbst sind , mithin nicht in direct auf* 
steigender Linie unter den frühern Vorfahren oder Ahoende» 
Darius .erscheinen können, auch nur so weit mit Darius verwandt 
aind, als sie dem gleichen Stamm der Achämeniden zugehoren, 
aber einem verschiedenen Zweige oder Familie dieses Stammes. 
Die acht Vorfahren des Darius glauben wir auf die Baktri- 
sehe Königsreihe^) beziehen zu können, in welcher Hystaa- 
pes als der ach te König erscheint, unter welchem Baktrien onter 
des Gyrus Oberherrlichkeit kam, als ein Theil der grossen durch 
diesen Achämeniden begründeten Monarchie , und es auch nnter 
Gambyses blieb. So kann dann Darius, der, als kräftiger junger 
Mann noch zu Lebaeiten des Vaters, die Usurpation des Magiers 
- stürzte, und bei erledigter directer Thronfolge nun Herr der gan- 
zen Monarchie ward, sich den neunten wohl hier nennen, ohne 
dass wir Gyrns und Gambyses unter die Ahnen werden rechnen 
dürfen. Darum folgte auch jetzt in der Inschrift die Angabc des 
gesammten Länderbesitzes, welcher dem vom baktrischen Thron 
gewissermaassen auf den persischen Thron aufgestiegenen Fürsten 
damit zugefallen war. Dies wird eingeleitet durch die folgenden 



*) Vgl. Roth: Geschichte d. Philosoph. I. p. 388. ff: S. auch Lassen 
Zeitschr. für Kunde des Morgenland. II. p. 176. III. p. 452. 



Zar Literatnr des Herodot. SOS 

Worte: „Darius der Konig spricht: durch die Gnade des Ormnsd 
(^nramazda) bin ich König: Ormnsd verlieh mir das Reich; das 
sind die Lander V welche in meine Macht Icamen: Persis, Su- 
siana, Babylon, Assyrien, Arabien, Aegypten, die 
des Meeres, Sparda, lonien, Armenien, Cappaäoi- 
cien, Parthien, Zarangien, Aria, Chorasmia, Bak- 
trien, Sogdiana, Sacien, Thatagydia, Arachosin, 
Maica, In Allem drei und zwanzig. Blies sind die Länder, 
welche in meine Macht kamen, durch des Ormnzd Gnade waren 
sie mir unterthänig, brachten mir Tribut; was Ton mir geböten 
ward, geschah tou ihnen bei Tag und bei Nacht>^ Da nun der 
aufgeführten Linder nicht drei u nd zw anzig, wie die Inschrift 
besagt, sondern nur ein und zwanzig oder gar nur zwanzig 
sind (wenn man die Worte: ,9die des Meeres ^^ nicht fSr die 
Bezeichnung eines eignen Landes , sondern für einen Beisatz zu 
den folgenden Landesnamen ansehen wollte, was wir jedoch nicht 
billigen; s. unten), welche Zwanzigzahl allerdings den zwanzig 
Satrapien des Herodot entsprechen wurde, so scheint entweder 
die Zahl drei und zwanzigin der Inschrift, oder doch Ihre' 
richtige Lesung noch nicht ganz sicher, wie dies auch Rawlinson 
selbst in den Worten p. XLI. andeutet, oder wir mussten in der 
Inschrift eine Lücke oder vielleicht auch eine- absichtliche Aus« 
lassung eines oder des andern Landes annehmen , wie es z. B. ge- 
wiss auffallend ist, dass Medien (Mada), das in der Grabschrifl 
des Darius zuerst unter allen Landern genannt wird, hier gani 
fehlt ^), wenn es anders nicht in den hier den Anfang machenden 
Namen von Persien eingeschlossen ist, was doch auch wieder an- 
zunehmen schwierig Ist. Odersoll es in dem Lande Aria inbe- 
griffen sefn , das auf der Grabschrift ganz fehlt , eben so wie das 
Land Persien. In dem Satrapienverzeichniss des Herodot ist 
Persien ganz ausgelassen und zwar absichtlich, denn 9; Usgölg ds 
Xcigi] sagt Herodot III , 97. nach dem Schluss seines Länderver- 
zeichnisses, fLOvvfj ftot ovx sYgijtat dttö^oipogog* atsXia yctg 
nigöai vinovtai xcigi]v. Wir möchten deshalb unter dem hier 
an die Spitze der tributpflichtigen Lander gestellten Persien uns 
Medien mit inbegriffen denken, welches bei Herodot, als zehnte 
Satrapie, unmittelbar nach Babylon, das die neunte, und nach 
Susiana,.das die achte Satrapie bildet, aufgeführt wird. Beide 
Länder werden in unserer Inschrift unmittelbar nach diesem Per- 
sien-Medien, das billig die erste Stelle einnimmt, aufgeführt. Zu- 



*) Aach Rawlinson (p. XLL) fiel dies anf , er bemerkt aitsdracklich, 
dass anf der Inschrift hier kein Ranm sich finde , der auf eine Anslassnng 
dieses Namens konnte schliessen lassen: „there is no space for the nome 
of Media, bat whether the title of that province was excladed from the 
geographica! list by design or accident, con hardly conjectare/^ 



394 Griechische Literator. 

erst Sasiana (Uwajha), was wohl dem in der Persepolitaniacheii 
Keilinschrlft das Länderverzeichniss beginnenden Uwaza (s. Las- 
sen a. a 0. VI. p. 17. und Hitzig p. 21.) entspricht, worauf dort 
Mäda (was hier fehlt) und Balnra (Babylon), was auch hier die 
n&chste Stelle einnimmt, folgt. Assyrien, was hier als beson- 
deres Land {Athura) genannt wird ,, erscheint bei Herodot in die 
neunte Babylonische Satrapie mit eingeschlossen ^Ano BaßvXm- 
voQ dl xal T^s Xotn^g 'jiöövglfjg h. t. A. Herod. III, 92.); auch 
in der Grabschrift werden beide Länder neben einander genannt, 
was schon um der Bedeutung beider Länder willen, auch ange- 
nommen dass sie politisch und finanziell in der Verwaltung mit 
einander zu einer Satrapie oder Paschaiik verbunden waren, nichts 
auffallendes hat, und selbst in den Herodoteischen Worten ange- 
deutet erscheint. Oder konnte nicht auch diese wichtige und aus- 
gedehnte Satrapie, welche im Anfang der Regierung des Darius 
Babylon und Assyrien zusammenfasste, nachher wieder von 
einander getrennt worden sein in zwei besondere Gouvernemental 
Auffallend ist in dieser Beziehung, dass in der persepolitanischeo 
Inschrift, welche ebenfalls beide Länder nennt, dazwischen Ara- 
bien genannt ist, was in unserer Inschrift wie in der GrabiBchrift 
gleichmässig nach Babylon und Assyrien aufgeführt wird. Bcy 
Herodot kommt Arabien oder Arabdya^ wie es in diesen Keil- 
schriften heisst, unter den zwanzig Satrapien gar nicht vor, es wer- 
den vielmehr, nach Anführung der Satrapien, die Araber von Herod. 
III, 97. als solche ausdrücklich bezeichnet, welche keiner festen Be- 
steuerung unterworfen (Tavra yag r^v axhXia heisst es schon III, 91. 
von Arabien), in der üblichen Form eines Geschenks tausend Talente 
-Weihrauch alljährlich dem Könige darbringen. Oder ward dieses 
übliche Geschenk dann in eine feste Steuer umgewandelt und Ara- 
bien als eigene Satrapie behandelt, oder als ein Bestandtheil der 
Babylon und Assyrien umfassenden Satrapie zugewiesen? 

' Nach Arabien wird in der Inschrift M'udräya genannt und 
von Rawlinson, der, di^ er in den Noten nichts bemerkt, auch an 
der Lesart und deren Richtigkeit keinen Zweifel zu hegen scheint^ 
als Aegyptus übersetzt, hier sowohl als In einer spätem Stelle 
der Inschrift, wo von des Cambyses Zug nach diesem Lande die Rede 
ist und der dadurch veranlassten Empörung des Idagiers. Dieses 
M'adrdya (das hebräische IMizrafm) nimmt hier die s e c h s te Stelle * 
ein, während bei Herodot (III, 91.) Aegypten ebenfalls als sechste 
Satrapie aufgeführt ist. OflPenbar ist dieses M'udräya dasselbe 
Wort, welches in der Persepolitanischen Inschrift und in der Grab- 
schrift nach Assyrien gleichfalls sich findet, hier aber von Lassen 
Chudräja gelesen und auf Kurdistan oder die Kurden {Kag- 
dovxoi, womit ursprünglich identisch auch XaXdaloL sein sollen), 
deren Land zwischen Armenien, das in dieser Inschrift folgt, und 
Assyrien gelegen, bezogen wird (s. Zeitschr. f. Kunde des Morgen- 
landes VI^ 1. p. 49.). Auch die Qrabschrift nennt Chudräja 



Zar Literatur des Herodot. 395 

zwischen Arabien und Aimenien, weshalb Hitzig p. 74. flP., im 
Widerspruch mit Lassen und mit Westei'gaard (in der Zeitschr. 
U.S. w. VI. p. 370. sq.), der ebenfalls die Kurden in diesem 
Worte findet, daraus das Land Syrien herauszubringen sucht. 
Wir vermögen nicht dem gelehrten Orientalisten in die Einzel- 
heiten des Ton ihm Tcrsuchten Beweises zu folgen, der uns jedoch 
nicht überzeugt hat, noch weniger aber wird hier an Kurden 
gedacht werden können, die schwerlich damals so bedeutend wa- 
ren , um eine eigene Satrapie zu bilden. Dazu kommt der Um- 
stand, dass, wenn wir eine dieser beiden Erklifrungen annehmen 
wollten, die wichtige, durch Cambjses eroberte Provinz Aegyp- 
ten ganz in diesem Landerverzeichniss fehlen würde*), was ge-> 
rade in Inschriften des Danus am wenigsten erwartet werden 
kann, da dieser Herrscher durch Milde die Aegypter eben so sehr 
gewonnen zu haben scheint , wie sein Vorgänger Cambyses sie 
erbittert und gereizt hatte, so dass selbst in den Hieroglyphen 
Aegyptischer Denkmale der Name des Darius mit Achtung genannt 
wird. Hitzig (p. 72. ff. a: a. 0.), dem diese Schwierigkeit nicht 
entgangen zu sein scheint, dass in der Grabschrift Aegypten gar 
nicht genannt sein sollte, sucht' sich darum so zu helfen, dass er 
in den den Schluss der Inschrift bildenden Worten , die west- 
lichen Cushitennnd Barke (das auch Herodot Ul, 91. mit 
Cyrene zu der sechsten Satrapie Aegypten zählt, sammt den an 
Aegypten anstossenden Libyern) nicht blos die an Aegypten an- 
gränzenden Aethiopen, sondern auch Aegypten selbst erkennen 
will, was wir jedoch 4 auch abgesehen von der unsichern Lesung 
der Schlussworte (worüber wir uns ein Urtheil um sa weniger er- 
lauben wollen , als Westergaard a. a. 0. p. 376. etwas ganz Au'^ 
deres hier herausbringt, und ebenso Lassen ibid. p. 477.), sehr 
bezweifeln müssen und es eben deshalb gerathener finden, bei 
M*udrdya als Aegypten stehen zu bleiben. 

Kehren wir zu der Inschrift von Bisutun. zurück, in welcher 
auf M'udräya nun die Worte (nach Rawlinson's Uebersetzung) fol- 
gen : ^^guae maris , Sparda , Vuna ,^^ worunter Rawlinson gesetzt 
hat: ^^quaai inaulae ad Spart am et loniam pertinentea ^^^ eine 
Erklärung, die besser weggeblieben wäre, da sie keineswegs rich- 
tig erscheint. Sind aber die beiden ersten Worte {tyiya dara- 
yahyd) richtig durch quae maris wiedergegeben, worüber wir 
niclit zu entscheiden vermögen, so werden sie weder als ein Zu-' 
satz zu dem vorausgehenden M'udrdya oder Aegypten anzusehen, 



*) Auch Lassen (in der Zeitschr. f. K. des M- VI. p. 564.) findet es 
auffallend und erklärlich, dass in der Persepolitanischen Inschrift so we- 
nig wie in der Grabschrift die Aegypter und Phonicier genannt 
werden. Nach unserer Auffassung wird dieser allerdings höchst auffal- 
lende Umstand verschwinden. 



S96 Griechische Literatur. 

noch In gleicher Weise lu den beiden folgenden Namen Sparda 
und Vuna zu ziehen sein, sondern für sich, als Bezeichnung eines 
Districts oder einer am Meere oder In dem Meere (als Inseln) ge- 
legenen Provinz eher zu fassen sein; dies brachte uns auf die 
Vermuthting, ob hier nicht an die fiinfte Satrapie des Herodot 
(III, 91.) zu denken sei, welche von der Stadt Posidfum, a^n der 
Grenze von Cilicien und Syrien, sich bis nach Aegypten hinzog, 
längs der Meeresküste und , wie Herodot ausdrlicklich bemerirty 
ganz Phönicien , das Palästinensische Syrien und die Inseln Cy- 
pern< befasste, zumal Aä diese Lander nirgends sonst in der. In- 
schrift vorkommen ; wohl aber finden sich in der Grabschrift von 
den eben erwähnten westlichen Cushiten (wie sie Hitzig annimmt) 
noch Putija genannt, was Hitzig (a. a. O. p. 71.) auf die sonst 
nirgends genannten 0olvixsg deutet, wir glauben mit Recht; ohne 
dass wir jedoch mit ihm unter dieser Bezeichnung die Gartha- 
g er verstehen möchten, welche nach Justinas XIX, 1. des Da« 
rius Oberherrlichkeit anerkannt , sondern lieber an das Motteriand, 
an die in Asien wohnenden Phönicler dabei denken. 

Bei dem nun folgenden Spar da an das hellenische Sparta 
zu denken, wäre noch unzulfissiger, als in diesem Worte die bd 
Herodot (III, 94. 1, 104.) genannten Ziönsigeg finden zu wollen, 
wie dies Lassen's frühere Ansicht war. Richtig, wie wir glaobea, 
hat aber jetzt derselbe Gelelirte (Zeitschr. f. Kunde des MmrgenL 
VI, 1. p. 50.) mit Hitzig (a. a. O. p. 79.) in diesem Worte, das die 
Persepoiitanische Inschrift wie die Grabschrift gleichfaUa ent- 
hält, das griechische Zägdsig erkannt, welches, als Hauptstadt 
dieser Satrapie, zugleich als Bezeichnung des dieser Satrapie zn- 
getheilten , zu dieser Hauptstadt gehörigen Landes genommen 
werden mag und insofern wohl der zweiten Satrapie des Hero- 
dot entsprechen dürfte, welche nach dessen Angabe die Myaer, 
Lyder, Lasonier, Kabaiier und Hygenner befasste; das auf Spa r da 
oder Sparad in diesen Inschriften nachfolgende Jona oder Jona 
ist, worüber wohl jetzt kaum ein Zweifel obwalten wird, lonten, 
mit welchem Namen die allgemeine Bezeichnung der Griechen 
im Orient verbunden ist; wir hätten dann Herodot's erste Satra- 
pie, welche nach dessen Angabe die lonier, die Magnaten in 
Kleinasieo , die Aeolier, Karer, Lycier, Milyer und Pamphylier 
befasste, also lauter Völker, die für griechischen Stammes ang^e- 
sehen wurden, deren Namen daher in jenem Juna mit inbe- 
jpriffen sind. 

Arm enien {ArmHnd) und Gappadocien {KatapaVhuka)^ 
.welche beide Länder nun folgen, kommen ebenso in den. beiden 
andern Inschriften vor, nur dass sie dort auf .M'udraja oder Ghu- 
drftja unmittelbar folgen und den mit Sparad und Juna bezeichne- 
ten Ländern vorhergehen. Hier wird kaum ein Zweifel obwalten, 
dass Armenien der dreizehnten Satrapie des Herodot (III, 93.) 
entspricht, Gappadocien aber die dritte Satrapie des Herodot 



Zar Literatur de« Herodot. 307 

befasst, zu welcher dieser (III, 90.) die an der Nordknate Klein- 
asiens wohneuden Hellespontier, die Phrygier, die asiatischen 
Thraker, Paphlagonier, Mariandyner und Syrer rechnet. Denn 
die Syrer sind eben, nach Herodot I, 72. (s. meine Note und 
vergl. Jacquet Im Journal Asiatique 3. Serie^ Bd. VI. p. 887. ff.) 
keine andern als die Cap p ad oci er, jedenfalls auch das bedeu- 
tendste unter den bei Herodot in eine Satrapie zusammengestellten 
Völkern , nach denen deshalb wohl auch die ganze Provinz be- 
nannt war , wie denn auch Ctesias Persicc. Excerptt. §. 16. einen 
Satrapen von Capjadocien unter der Regierungszeit der Darins 
nennt. 

Parthien (Parihwa)^ was nun folgt und was auch, obwohl an 
andere Stelle, in den beiden andern Inschriften vorkommt, ent- 
spricht der sechzehnten Satrapie des Herodot, in welche die- 
ser ausser den Parthern noch drei Völker eiotheilt: Xogaöfiiotj 
2^yÖov^''AQBtoiy welche in dieser Inschrift, sowie in den beiden 
andern Keilschriften als besondere Länder erscheinen: Hariwa 
(Aria), ütoarazmiya (Ghorasmia), Sughda (Sogdiana). Zwischen 
Parthien und Aria wird Zaraka^ als Zarak in den beiden andern 
Insdiriften und zwar in der Persepolitanischen an derselben Steile, 
in der Grabschrift zwischen Aria und Chorasmia, aufgeführt, was 
die bei Herodot (111,93.) in der vierzehnten Satrapie genannten 
2kcQayyav bezeichnet; die Lander Bok^htarish (Bactrien) und 
Saka (Sacien) , die nun folgen , die beide auch in den beiden an- 
dern Keilschriften vorkommen, entsprechen der zwölften und 
fünfzehnten Satrapie des Herodot, der zu der letztern auch 
die KdöTtvoi z^hXi, Das , nächstkommende Land Thataghusch^ 
das auch in der Grabschrift und in der Persepolitanischen Inschrift 
vorkommt, entspricht, wie auch Lassen (a. a. 0. p. 59 sq.) über- 
zeugt ist , den Zatxayvdai^ aus welchen Herodot mit einigen an- 
dern Völkerschaften {ravdaQiov^ ^aäUai^ 'Axagvtai) die sie- 
bente Satrapie bildet (III, 91.), zu welcher wir dann auch die 
in den beiden andern Inschriften vorkommenden Gadara (d. L 
ravöagioi) werden rechnen dürfen. Einige Schwierigkeit machen 
die in unserer Inschrift das Länderverzeichniss schliessenden Nar 
men: Harä'uwatish und Maka, Jenes findet sich in der Persepo- 
litanischen Inschrift (zwischen Sattagydien und Sind) , so wie in 
der Grabschrift (zwischen den Sarangen und Sattagyden) und ent* 
spricht, wie Lassen gezeigt (AUpers. Keilschr. p. 113. Zeitschr^ 
f. K. des Morg. VL 1. p. 62. vgl. auch RiUer Erdkunde VI, 1. oder 
VIII. p. 61. sq. 103. 121.) dem Arachosia der Griechen. Dieser 
Landesname kommt jedoch bei Herodot in dem Satrapienverzeich- 
iiiss gar nicht vor. Deshalb kam Ref. auf den Gedanken , ob hier 
nicht an die mit dem allgemeinen und nicht näher bestimmten Na- 
men Indien bei Herodot (III, 94.) bezeichnete zwanzigste 
Satrapie zu denken sei, zumal da Arachosia bei den Parthern das 
weisselndien ('it^dtxi} Asvxj^ , s. die Stellen bei Ritter a« a« J\ 



S98 Griechische Literatur. 

hiets und wir bei Stephanon tob Bjzani lesen : '^^axairol , noJUg 
*IvdiKiig- Dazu kommt , das« in der Persepolit. Inschrift auf Ha- 
ruwatis oder Arachosia unmittelbar Hidhua (das jetzige Sind 
oder die Landschaft am untern Fluss Indus, bis wohin ja die Per- 
sische Herrschaft sich ausdehnte ; s. Lassen in d. Zeitschr. YI. p. 
62.) folgt, und in der Grabschrifl; hinter den Gandarern die 
Sindh yorl^ommen. 

Schwieriger ist Maka^ welches Rawlinson für Mecia nimmt; 
in der Grabschrift findet sich der Name nicht, soweit wir nach 
Uitzig's Lesung und Erlclärung dies behaupten Icönnen ; dagefen 
in der Persepolitanischen Inschrift bildet Maka (unmittelbar hinter 
Saka) gleichfalls den Schluss des Länderverzeichnisses. Lasse« 
dachte (Altpers. Keilschr. p. 114. sq. vgl. Zeitschr. u. s. w. p. 
63. sqq.) an die von Herodot III, 93. in der vierzehnten 
Satraplc den Sarangen, zugleich mit einigen andern Völkern, 
zugetheilten Mvnoi und giebt der Lesart der älteren Hand- 
schriften {Mbkov für MvTiGiv) den Vorzug. Allein wir müs- 
sen bemerlcen^ dass Mvnmv die Lesart aller Handschriften 
bei Herodot ist, und ist ebenso auch VII, 68. Lesart aller 
Handschriften; nur in der Aldina steht in der erstem Stelle 
MiKiov. Eben so wenig werden wir wohl mit Lassen die 
von Pliuius VI, 25. als Anwohner des Caucasus bezeichneten Maci 
hierher ziehen dürfen, da nächst den Mvkol bei Herodot die Be- 
wohner der Inseln des rothen Meeres (des Persischen Meerbu- 
sens) erwähnt werden. Die Ausflucht, dass Herodot hier l^eine 
geographische Zusammenstellung, sondern nur eine finanzielle 
gebe, diirfte hier so wenig wie sonst genügen. Sollte nicht 
vielmehr die Glosse des Stephanus von Byzanz hierher za ziehen 
sein: Mdxav*)^ S^vog [ista^v Kagfiavlag xal 'j^Qaßlagl Dies 
passt jedenfalls besser zu dem Maka der Inschrift; ob aber andi 
zu den MvKOi in der vierzehnten Satrapie des Herodot? Oder 
sind diese in dem gleichnamigen Volke zu suchen, dessen HeJka- 
täus gedacht hatte, nach der Glosse bei demselben Stephadus von 
Byzanz: Mvxol l'Oi/o^, ^£^1 ov 'EHataiog iv 'Aöla- i% Mvxäv 
Big 'Agd^f^v norafiov^ Oder begründet die verschiedene Accen- 
tuation auch eine Verschiedenheit des Volks"? Lauter Fragen, auf 
welche bei dem Mangel aller sonstigen Nachrichten die Antwort 
schwer zu geben ist. Sehen wir von den Herodoteischen Mvkoi 
der vierzehnten Satrapie ab, die wir keineswegs mit dem Mak 
oder Maka der Inschrift und mit den Mdicai in der Glosse des 
Stephanus zu identificiren wagen, so können wir bei diesem Voll: 
oder Land vielleicht eher an die siebenzehnte Satrapie des 
Herodot denken (III, 94.), welche die HagiKavioi und die Al^lo^ 



*) Die Mdiiai an der Africanischen Nordküste bei Herodot IV, 75. 
V, 42. sind wohl von diesen za unterscheiden. 



Zur Literatur des Herodot. 399 

xsg ot s» f^g^Aötag^ wie sie Herodot Beimt, bilden; diese beiden 
Völker sind aber in die Nähe von Indien , am Fluss Indus in deoä 
Land^ Gedrosien (d. L Mehr an oder Mahr an) und Caramaliien zu 
setzen, wie wir in den 'Noten zu Herodot III, 94. (II. p. 173.) 
und VII , 70. (III. p. 555.) nachgewiesen haben. Damit scheint 
auch Lassen später (Zeitschr. u.s. w. p. 64.) einverstanden. Auf 
diese Weise wären die Ländernamen der Inschrift so ziem- 
lich in den entsprechenden Satrapien des Herodot nachgewiesen 
und dessen Uebereinstimmung mM der Inschrift in den meisten 
Fällen dargelegt. Zwar ist Herodot in seinen Angaben etwas aus- 
führlicher, während die Inschrift, wie das in Zweck und Bestim- 
mung derselben la^^ nur die Hauptnamen d^r Hauptländer oder 
Völker angiebt, so dass wir eben dadurch in unserer Vermuthung 
bestärkt werden, dass Herodot seine ausführlichem Angaben nicht 
sowohl einer solchen ihm übersetzten Steinschrift , sondern .einem 
im Rfeichsarchiv oder bei dem Aufseher der Finanzen niederge- 
legten Document entnommen habe. Während nun bei Herodot 
die Assyrer mit Babylon in eine Satrapie vereinigt werden, beide 
Länder aber hier getrennt, als Länder für sich angeführt sind, 
und ebenso mit den Parthern das Land Chaasmia, Sogdiana und 
Aria , welche die Inschrift gleichfalls als besondere Länder anführt, 
in eine Satrapie verbunden wird, fehlen uns zu vier Satrapien 
des Herodot die entsprechenden Länder in der Inschrift: die 
vierte, Gilicien umfassenc}e Satrapie, wenn sie anders nicht 
unter dem Lände Kappadocien^der Inschrift mit begriflPen ist, also 
zur dritten Satrapie gehört; ferner die eilf te, welche bei He- 
rodot verschiedene, zum Zweck der Besteaerung zusammenge- 
worfene*) Völkerschaften begreift; nach der Lage dieser, mit 
Ausnahme des Kdömoi (die übrigens auch in der fünfzehnten 
Satrapie zugleich mit den Sakan vorkommen, oder vielmehr mit 
diesen gemeinsam die Satrapie bilden) wenig bekannten Völker- 
schaften zu schliessen, durften sie entweder eben dieser fünf-* 
zehnten von der Inschrift als Saka bezeichneten Satrapie zuzu- 
weisen sein, oder zu dem Lande Chorasmia (in der sechzehnten 
Satrapie) gehört haben. Vielleicht gehören dahin auch die beiden 
noch fehlenden Satrapien Herodot's, die achtzehnte mit den 
Matifivol^ ZdöTCBiQsg und '/ikagoötOL und die neunzehnte 
mit den Moöxol, Tißagijvolj MaTtgmvsg^ Moövvoinoi. und Mcr- 
Qsg^ denn, wir wüssten in der That nicht, wo wir sie sonst hin- 
bringen sollten, und könnten uns dann auch, wenn wir annehmen, 
dass sie zur sechszehnten Satrapie geschlagen worden, erklären, 
in wie fern diese bei Herodot vier Völker (TJa^^ot, Xogaöfnoiy 
£6ydoi^''AQeiot) umfassende Satrapie in Folge dieser grösseren 



*) Dies deuten wohl Herodot's Worte (III , 92.) j ig tdvto avji-- 
fpsQovTSs an. 



400 Gnecbiache Ufc«ratiir. 

Aoadehniing In vier Satrapien oder besondere ProTinien^ wie de 
Inder Inschrift hervortreten, vom Dsrios; etwa 4Bplter im Lanfe 
seiner Regierung aufgelöst worden. Debrigens sind diese Diffe- 
renzen in der That nicht von der Bedeutung, um das Resnltat 
einer Ueberelnstimmung des Vaters der Geschichte mit den An- 
gaben der Inschriften in den wesentlichsten Theilen zu ersehfkt- 
tem; die Glaubwürdigkeit des Herodot kann durch solche Ergab- 
nkse nur gewinnen« Und sie gewinnt auch iiicht wenig durch 
das, was wir weiter aus dieser Inschrift erfahren, hinsichtlich der 
Vorfahren des Darlus, hinsichtlich seiner eigenen Thronbestef- 
gung und der verschiedenen Begebnisse seiner Regierung, insbe- 
sondere der an verschiedenen Orten des Reichs ausgebrochenen 
Empörungen einzelner Satrapen oder Länder. Darius nämlld^ 
der, wie schon bemerkt worden, hier immer in erster Person re- 
dend eingeführt ist, geht nach der Erwähnung der von ihm be- 
herrschten Lander auf das iiber, was vorgefallen, bevor er König 
geworden. Er nennt zuerst den Kahujiya (Gambjses), den Sohn 
des Kkuruah (Cyrus) aus dem Stamme der Achämeniden, wdeher 
vorher König Im Lande gewesen; dieser Cambjses habe efoen 
Bruder und zwar von gleicher Mutter und gleichem Vater ^) ge- 
lubt, mit Namen Bartija^ den er getödtet. 

Stimmt dies nicht ganz mit Herodot, welcher (III, 30. 61.) 
'diesen Bruder Smerdis nennt und eben so bezeichnet (rdv odsA- 
qfB6vI](iiQdiv^ iovta uatQog xal fufjtgog r^q avt-^g)^ und dann ihn 
durch Prexaspes auf des Gambyses Veranstaltung umbringen liast 
Die Namen Bartija und Smerdis lauten freilich etwas verschieden, 
aber Tanyoxarces, wie dieser Sohn des Cyrus und Bruder des 
Gambyses bei Gtesias, und Tanyoxarea ^ wie er bei Xenophon 
heisst, lautet noch mehr verschieden. Den Grund oder die Ver- 
anlassung, in Folge deren Gambyses seinen Bruder getödtet, giebt 
die Inschrift nicht an ; während Herodot, der hier auf die Ana- 
sagen der Aegyptischcn Priester sich ausdrijcklich bezieht QAq 
Xlyovöi, Alyvattot,)^ dies der Geistesverwirrung zuschreibt^ die 
den Gambyses wegen seiner Eingriffe ond Versündigungen an den 
Aegyptlschen Göttern und deren, Dienst, gleichsam sls verdiente 
Strafe getroffen. Dies scheint nun in der That eine blos Aegyp- 
tische Auffassung und Darstellung, an der vielleicht Herodot selbst 
Zweifel hegte, wenn auch einen stillen , so sehr sonst diese An- 
gabe in sein ganzes religiöses System einer Weltregieruog und 



*) Aaffallend ist die Erwähnung der Matter vor dem Vater in 
der Inschrift , während bei Herodot , ganz im Sinn nnd Geist der Grie- 
chen, der Vater zuerst und dann die Matter genannt wird. An be- 
sondere Ehre und Achtung vor dem Weibe in Persien zu denken, lasst 
schon der Spruch des Herodot nicht zu IX , 107. : JTaQix dh xoXci IHq" 
affci ywaiHog Kanim dnovaat ddwog (liyiaxos iaxi» 



Zur Literatar des Herodot. 401 

dner strafenden gottlichen Gerechtigkeitsgewalt passt, denn 
sonst würde er nicht ausdrücklich das dg liy ovöi Alyvntioi hin«, 
zugesetzt haben. Die Inschrift nämlich lässt erst nachher, 
nach der Ermordung des Bruders , den Cambyses nach Aegypten 
ziehen; und als er dahin abgegangen war, ward das Reiche föhrt 
die Inschrift fort^ irreligiös, die Lüge nahm zu aller Orten, in 
Persien , Medien und in andern Ländern. Da erhob sich ein Ma- 
gier {Mayhush) mit Namen Gumäla vom Berge Arakadis, im Lande 
Pishiyauwata *) am Ersten des Monats Viyak'hna. Dieser log: ich 
bin Bactija, der Sohn des Khurush, der Bruder des Kabuyiya, und 
das ganze Reich ward aufrührerisch und ging vom Kabuyiya zu 
ihm über , Persien , Medien und die übrigen Länder ; so riss er 
das Reich an sich am 9. des Monats Garmapada, Kabuyiya aber 
starb nachher in seinem Zorn. 

, So die Inschrift, deren Angaben mit den Herodoteischen (III, 
61. flp.), welche nur ausführlicher sind , übereinstimmen. Beach- 
tenswerth ist die Genauigkeit, mit welcher hier, wie auch später, 
bei der Erwähnung einzelner Facta das Datum nach Tag und Mo- 
nat angemerkt ist; von einer Jahresrechnung oder einer Angabe 
der Regierungsjahre ist nirgends eine Spur. 

Die von Gumdta an sich gerissene Herrschaft, erzählt Darius 
in der Inschrift weiter, war^von Alters her unseres Stammes 
(also der Achämeniden) , es war aber kein Mensch , kein Perser, 
kein Meder, keiner unseres Stammes, welcher diesem Gumata, 
dem Magier, die Herrschaft zu entrelssen vermochte; es fürchtete 
ihn sehr das Reich und Keiner wagte irgend Etwas gegen ihn zu 
(hun , bis ich herzukam und durch den Beistand des Auramazda 
am 10. des Monats Bagayadish mit treuen Männern den Gum&ta 
sammt denen, welche seine Hauptanhänger waren, erschlug in 
der Burg Siktha'vwatish in der Landschaft Nisäa (Niadya) in 
Medien **) , und so durch die Gnade des Auram&zda König ward, 
und damit die Herrschaft, die unserm Stamme entrissen war, 
wieder diesem zurückbrachte. 

Wir haben also die kurze und gedrängte Erzählung von dem 
Sturze des Usurpators und der Thronerliebung des Darius, welche 
Herodot (III, 70. ff.) und Ctesias in den Persischen Excerpten 
§. 14. ff. uns ausführlicher mittheilen, Jener insbesondere durch 
die im griechischen Geist gedachte und ausgeführte Einfügung von 
Reden, welche den dabei handelnden Personen in den Mund gelegt 



*) Diese beiden Ortsnamen sind ans sonstigen Quellen ans liicht 
bekannt. 

**) Die durch die ireffliclien , dort gezogenen Pferde bekannte Ge- 
gend in Medien , bei Herodot VII, 40. ; s. daselbst unsere Note und vgl. 
Förbiger Handb. d. alt. Geograph^ II. p. 592. Das Scfaloss oder die Barg 
Siktha'awatisb ist uns anbekannt. 

N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. od. Krit. BibL Bd. U ff ft. 4. "^ 



402 Griechische Literatur. 

werden. Die sechs Mitvergchworenen des Darius werden an dieser 
Stelle der Inschrift nicht mit Namen angef&hrt, kommen aber 
weiter anten Tör, während sie hier blos als die ,, getreuen Man- 
ner^^ bezeichnet werden. Von den Berathungen über die aufzu^ 
nehmende Regierungsform, nachdem der Sturz der magischen 
Usurpation gelangen war, Ton der durch das Wiehern des Rosses 
als eines Gottesorakels dann herbeigeführten Erhebung des Da- 
rius auf den erledigten Thron der Achämeniden ist hier nicht die 
Rede , so wenig wie dies auch in der Grabschrift des Darius und 
in der Persepolitanischen Inschrift der Fall ist; denn wenn in der 
letzteren Lassen (Zeitschr. u. s. w. VI. p 19 ff. 23 ff.) die Er- 
wähnung des Pferdes finden wollte, durch dessen Beistand Ormuzd 
dem Darius zur Herrschaft verhelfen, so hat schon A. Holtzmano 
(Beiträge zur Erklärung d. Pers. Keiiinschriften , Carlsruhe 1845, 
p. 31. ff.) einen ganz andern Sinn in den Worten gefunden, welche 
Lassen auf das Pferd deutet, das uns jedenfalls mehr als zweifei. 
haft hier erscheint, so dass wir aus dieser Inschrift in keinem 
Fall eine Bestätigung der Herodoteischen Erzählung werden ent- 
nehmen können, wiewohl wir damit keineswegs gemeint dnd, 
daram nun auch gleich die ganze Erzählung, soweit sie das Pferd 
und dessen Wiehern betrifft, für etwas an und für sich Ungianb- 
liches oder Unwahrscheinliches, zumal bei der Bedeutung, die 
noch in der spätem Zeit bei den Persern das Ross, insbesondere 
das weisse, hatte, anzusehen, oder für eine Erdichtung, es sei 
des Herodot oder seiner Berichterstatter, zu halten; nur kommt 
in den drei Inschriften dies (wie so manches Andere) nicht Tor; 
vielleicht dass andere der noch nicht entzifferten Inschriften der- 
einst darüber noch Etwas bringen, was wir abwarten müssen. 
Was den andern Punkt betrifft , dessen keine dieser drei Inschrif- 
ten gedenkt, die Berathung der Persischen Grossen über die nach 
dem Sturz des Magiers einzuführende Regierungsform (Demokra- 
tie, Aristokratie, Monarchie), so haben wir nie Anstand genom- 
men, diese ans den in den Schulen griechischer Sophisten über 
solche Themata gepflogenen Erörterungen abzuleiten , da die ganze 
Ausführung bis auf die Aasdrücke dieser griechischen Richtung 
entspricht und dem Wesen des Orients und Orientalischer Herr- 
scherformen fern ist. Ohnehin ward ja kein neues Reich eines 
neuen Stammes oder Volkes begründet, sondern nur der durch 
fremde Usurpation verdrängte Stamm der Achämeniden wieder 
in seine Herrschaft eingesetzt; diesem Stamme gehörten Cyrus 
und Cambyses , der Inschrift zufolge , so gut an , wie Darius , der 
mithin gewissermaassen in Folge eines legitimen, dynastischen oder 
Stammrechtes , nach dem Sturze des Usurpators , den Thron wie- 
der an den Stamm bringt und nun, wie die Inschrift (deren rich- 
tige Lesung wir hier allerdings voraussetzen), das wieder aufhob^ 
was Gumata, der Magier, angeordnet, die alten Satzungen wieder 
zurückführte und das Reich befestigte. Endlich machen wir noch 



Zur Literatur des Herodot. 403 

aufmerksam auf die Angabe des bisher nicht näher bebannten Orts, 
wo der Sturz des Usurpators, stattfand: Siktha'uwathh in der Me- 
dischen Landschaft Nisäa, wahrscheinlich ein dort gelegenes Lust- 
schloss oder eine Königsburg, da wir von Herodot (lil, 76. 79.) 
von dem Orte, wo die Revolution stattfand, die Ausdrücke tu 
ßaöilr^ta und r/ dxQohokig gebraucht sehen. Dort müssen denn 
auch die Berathungen stattgefunden haben, von welchen Herodot 
erzählt, dort das Gottesorakel, das den Darius zum Thron erhob, 
sich ereignet haben, und wenn hier Herodot (III, 86.) den Aus- 
druck n(foa6TiLOV von dem Orte gebraucht, wo dies (ausserhalb, 
der Burg) vorfiel, so wird man nicht mit Lassen (a. a. 0. p. 24. 
und insbesondere 468. ff.) an ein Feld von Persepolis denken dür- 
fen und dies in der Persepolitanischen Inschrift sogar erwähnt 
finden wollen , wogegen schon Holtzmann (a. oben a. O.) gleichfalls 
den entschiedensten Widerspruch eingelegt hat. 

Uebrigens scheint diese Thronbesteigung des Darius zugleich 
mit einer Reihe von andern Empörungen in dem weiten, durch 
Cjrus begründeten und, auf den Stamm der Achämeniden gebrach- 
ten Reiche verbunden gewesen zu seln^ deren glückliche Bewälti- 
gung erst den Darius in der Herrschaft seines Reiches sicher 
stellte. Aus der Erzählung dieser Empörungen, wie sie die In- 
schrift nun erzählt, während Herodot (III, 150. ff.) nur von dem 
Einen grossen Aufstand der Babylonier berichtet^ sehen wir, dass 
schon unter diesem Fürsten, der dem ganzen Reiche doch eigent- 
lich erst eine Organisation und Verwaltung gab , dasselbe reich- 
lich sich zutrug, was unter den spätem Fürsten, bei dem Verfall 
der Monarchie, sich so oft wiederholt. In dieser Hinsicht bietet 
die Inschrift eine wesentliche Ergänzung zu unserer Kunde der 
Regierung des Darius und der in diese fallenden Ereignisse. 

Zuerst wird von zwei Aufständen berichtet, dem einen in 
Susa, wo Atrina, der Sohn des Upadarm'a, sich erhoben und als 
König des Landes aufgetreten , dem andern in Babylon, wo Na- 
titabira, Sohn des Alna .... (der Name ist nicht vollständig) 
sich erhoben und für Nabnkhadrachara, den Sohn des Na- 
bu nita'*') ausgegeben, in Fojge dessen ganz Babylon aufrühre- 
risch geworden und seine Herrschaft anerkannt Die Empörung 
in Susa ward unterdrückt, ohne unmittelbare Mitwirkung des Da- 
rius, denn es heisst blos: „da sandte ich nach Susa, Atrina ward 
gebunden zu mir geführt, ich tödtete ihn.^^ Auch die Empörung 



*) N a b o n i d a s, bei Herodot L a b y n et ns (I, 77« 188.) heisst der 
letzte König yon Babylon, vor der Persischen Eroberung. Als einen 
Sohn desselben gab sich der Anfährer des Aufruhrs aus,, und nahm den 
Namen des berühmten Babylonischen Fürsten und Eroberers Nebucäd- 
nezaran,der als Vater oder Grossvater dieses Nabonidus erscheint; 
vgl. Herodot I, 185., mit meiner Note L p. 409., ebenso I, 188. 

2ß* 



404 Griechische Literatur. 

ZU Babylon endete gleicherweise mit der Hinrtclitung des gefan- 
genen Natitabfra zu Babylon , jedenfalls erscheint aber dieser Auf- 
stand weit bedeutender als der andere. Denn Darius selbst setzte 
sich an die Spitze des wider die Rebellen gesendeten Heeres, wel- 
che , nach den Angaben der Inschrift , am Tigris (TIgra) eine feste 
Position gefasst hatten und durch eine Flotte unterstützt wurden. 
Aber es gelang dem Persischen König , durch die Gnade des Au- 
ramazda (welche Worte bei jeder Gelegenheit , bei jedem einzel- 
nen Factum wiederholt werden), den Uebergang über den Tigris 
zu gewinnen , und in einer entscheidenden Schlacht am 27. des 
Monats Atriyat'iya über das Heer des Natitabira einen Sieg zu er- 
fechten. Auffallend wäre der hier schon vorkommende Gebrauch 
von Elephanten , wenn die hier zweifelhaften Worte der Inschrift 
wirklich von Elephanten zu verstehen sind , demnach es hier heis- 
sen würde: ,,ich ordnete das Heer auf Elephanten^% allein es ist 
die Frage, ob statt der „Elephanten^^ nicht an ,,Fahr- 
zenge^^ zu denken ist, auf welche das Heer vertheilt, über den 
Tigris gesetzt. Sonst wäre dies immerhin die erste Erwähnung 
von Elephanten zu kriegerischem Gebranch*). Darauf, meldet 
die Inschrift weiter, zog Darius gegen Babylon, in dessen Nähe 
bei der Stadt Zagana am Euphrat ( Ufraturra) er dem Natitabira 
eine zweite Schlacht lieferte , in welcher das Heer des Empörers 
geschlagen, und in den Fluss gestürzt, von diesem fortgerissen 
ward, am 2. Tage des Monats Anamaka. Natitabira erreichte mit 
seinen getreuen Reitern Babylon , das jedoch von dem nachrucken- 
den Darius genommen ward, welcher den Häuptling daselbst hin- 
richten Hess. So die Inschrift, deren ausführlicher Bericht wohl 
der Grösse und dem Umfang dieses Aufstandes beizumessen ist, 
indem die übrigen Aufstände, von denen nun berichtet wird, nicht 
mit der Ausführlichkeit erzählt werden. Eben desshalb aber 
glauben wir in diesem Aufstande den von Herodot III, 150. ff. er- 
zählten zu erkennen; freilich beschränkt sich Herodot fast einzig 
auf die Erzähhmg der schwierigen und langwierigen Belagerung 
Babylon'sbiszur Eroberungdurch eine Kriegslist desZopyrus; wäh- 
rend gerade die Eroberung in der Inschrift ganz kurz berührt 
wird. Nun wird zwar weiter unten noch eine zweite Empörung 
von Babylon erwähnt, die jedoch nicht von der Bedeutung gewesen 
Zu sein scheint, da sie durch ein von Darius ausgesendetes Heer, 
ohne seine eigene Mitwirkung unterdrückt ward. Gtesias, wei- 
cher Persicc. §. 22. diese Empörung Babylon's, von der Herodot 
erzählt, unter Xences setzt, scheint hier im Irrthum, obwohl bei 



*) Ueber den Gebrauch der Elephanten im Kriege and die Zeit 
der Einführung dieser Sitte bei den verschiedenen Völkern des Alter- 
tbums s. meine Nach Weisungen zu Plutarch's Pyrrhus p. 184. Ein Meb- 
rerea in der Schrift von Armand ? Histoire des Elephants etc. Paris. 1842. 8, 



Zar Literatar des Herodot. 405 

den 80 oft im Perserreiche wiederkehrendeo Aufständen einzelner 
Satrapen oder einzelner Landschaften eine ähnliche Empörung 
Babylon's auch unter des Xerxes Regierung vorgekommen sein 
könnte; aber die, Ton der Ctesias spricht, wird, da Zopyrns dabei 
genannt ist, immerhin nur die sein können, von welcher Herodot 
erzählt, der sie unter Darius setzt. Damit stimmen auch einige 
andere, zunächst den Zopyrus betreifende Nachrichten zusan»- 
men bei Polyanus VII, 12., in den Excerpten aus Diodorus bei 
Mal Nova Gollectio II. p. 34., bei Jostlnus I, 10., welcher hier die 
Empörung von den Assyrern ausgehen und durch sie Babylon be 
setzen iässt, was auf eine andere Quelle als Herodot hinweist, die 
mehr mit der Inschrift in Einklang gestanden haben mag. Nimmt 
man nun die Identität beider Empörungen , der von Herodot be- 
schriebenen und der in der Inschrift erzählten an, wozu doch alier 
Grund vorhanden, so Iässt sich dann auch leicht erkennen, wie 
Herodot aus diesen Ereignissen immer das auswählt und ausführ- 
licher schildert, was für seine Griechen als Gegenstand der Unter- 
haltung mehr Interesse hatte, als die Angabe von Schlachten und 
Aufständen orientalischer Linder, welche die Inschrift (die über 
jene Gegenstände als Nebendinge wegsieht) zu verzeichnen nicht 
unterlassen konnte. 

Während Darius, erzählt die Inschrift weiter, zu Babylon 
weilt, fanden Empörungen «tatt in Persien, Susiana, Medien, As- 
syrien, Armenien, Parthyene, Margiana, Sattagydien, Sakien. 
Von allen diesen Aufständen berichten uns die griechischen Quel- 
len kein Wort, sie mögen aber als Beweis dienen von der Bedeu- 
tung und der längeren Dauer des Babylonischen Aufstandes, wel- 
cher den Darius so sehr beschäftigte, dass die sich Auflehnende^ 
auf Erfolg rechnen zu können glaubten. Im Suslanischen Reich 
erhob sich Martiya^ des Chichikhrish Sohn, welcher za Khnga- 
naka *), einer Stadt in Persien, wohnte; er gab sich für Umanish^ 
König von Sosiana aus , ward aber, als eben Darius im Begriff war 
wider Susiana zu ziehen, voii den Bewohnern des Landes, deren 
Führer er war, ergriffen, aus Furcht vor dem heranziehenden 
Darius, und erschlagen. In Medien erhob sich Fravartish (Phra- 
ortes) und gab sich für K'hshaihrita^ aus dem Stamme des Uwak^- 
hshatara (Cyaxares) aus *'''). Die im Lande stationirten Me- 
dischen Truppen fielen ihm zu, während das bei Darius befindliche 



*) Wir wissen nicht diese Stadt aus den uns zugänglichen Quellen 
nachzuweisen. 

**) Nach Herodot (I, 73, fF. 106.) ist Cyaxares, Sohn desPhra- 
o r t e 8 , der vorletzte Medische König, da unter Astyages, seinem Nach» 
folger, Medien unter die Perser geräth. Wir werden uns daher nicht 
wundern , wenn der Empörer sich für qinen Abkömmling des Cyaxares 
und aua de»sen Familie stammend aasgiebt. 



406 Griechische Literatur. 

persische und medische Heer dem König treu blieb, welcher das- 
selbe unter Fif^or/ia (Hydarnes, vgl. über den Namen Herod. 
in, 70., Vn, 65. 83. 133. 135. 211.) wider die Aufruhrer sendete, 
die bei der Medischcn Stadt Ma • . • (die übrigen Buchstaben feh- 
len) von Vidarna am 6. des Monats Änaroaka geschlagen wurden; 
das siegreiche Heer blieb bis zur Ankunft des Darius selbst In der 
Landschaft Capada*) in Medien. Wider die i^ufrührerischen 
Armenier ward Dadarahish (Dadarses), ein Armenier, von Darius 
gesendet ; er lieferte ihnen eine dreimalige Schlacht , die erste am 
6. des Monats Thurawähara bei einem Flecken Armeniens, Na- 
mens. .. . (hier Ist eine Lücke); die zweite am 18. desselben Mo- 
nats bei dem Orte Tigra ; die dritte am 9. des Monats Thaipar- 
chlsch bei einem Armenischen Orte, Namens (hier ist eben- 
falls eine Lücke). Nun ward Wumiaa^ ein Perser, nach Arme- 
nien gesendet, welcher in zwei Schlachten, der einen am 1'). des 
Monats Anamaka, in einer Landschaft Assyriens (der Name fehlt ; 
auch hier ist eine Lücke) , der andern im Monat Thurawähara bei 
der Armenischen Provinz Autlyara ''''*') , die Aufrührer mit Macht 
(dies ist beide Male hinzugesetzt) schlug, dann blieb Wumisa in 
Armenien , bis Darius nach Medien kam. 

Darauf) so fährt die Inschrift fort, zog Darius aus Babylon 
nach Medien , wo er bei der Stadt Ghudhrusch dem ihm entgegen- 
ziehenden Frawartls eine Schlacht lieferte, am 26. des Monats 
(der Name fehlt), Frawartls eilte von da mit seinen getreuen Rei- 
tern nach der Medischen Landschaft Raga (Raglana) '^*'^) , wo er 
von dem ihn verfolgenden Heere gefangen und zu Darius gebracht 
ward, der ihm Nase, Ohren und .... (Hände, Rawlinson ver- 
muthet Lippen in dieser Lücke) abschneiden Hess und ihn ge- 
bunden an seiner Pforte hielt, wo Jedermann ihn sah, dann Hess 
er ihn zu Gagamatana (Ekbatana) ans Kreuz schlagen und die, 
welche seine vornehmsten Anhänger waren , zu Ekbatana In der 
Burg gleichfalls (oder nach einer andern Lesung: gefangen halten). 

An dieser grausamen Bestrafung wird man keinen Anstand 
nehmen, wenn man andere Beispiele aus der Persischen Geschichte 
erwägt, wo von dem Abhauen der Nasen, Ohren und Hände 
die Rede Ist; so bei Brissonins Deregn. Persarr. II, 223. p. 587. sq. 
Bei Rebellen war Abhauen des Kopfes und der rechten Hand die 



'*') Hier liegt es nahe an die südwestlich von Ekbatana gelegene 
Landschaft Cambadena zu denken; s. Mannert Geograph, d. Griech. 
and Römer V, 2. p. 117. sq., Forbiger Handb. d. alt. Geogr. II, p. 592. 

'*''*') Auch diesen Namen näher nachzuweisen, ist noch nicht gelungen. 
Anstanitis, was Ptolemäus allein nennt, durfte schwerlich hierher 
passen, aber auch ebenso wenig andere bei Mannert V, 2, p. 159. ff. ge 
nannten Orte. 

*^*) Diese Landschaft ist näher bekannt; s. Mannert V, 2. p. 122. 
Aber die vorher genannte Stadt Ghudhrash ist ans gänzlich unbekannt. 



Zur Literatar des Herodot. 407 

gewöhnliche Strafe; s. ibid. II, 214. p. 573. sq. Die Kreuzigung 
kommt aber in gleicher Weise als Strafe wider Aufrührer und Re- 
bellen auch öfters vor; s. ibid. II, 215. p. 57'). ff. 

Nun führt die Inschrift den Aufruhr des Chitratakhma aus 
Asagartiya an , welcher sich für den König des Landes ausgab, aus 
dem Stamme des Cyaxarea^ aber von dem wider ihn gesendeten 
persischen und medischen Heere unter Anführung des Khamas- 
pdda, eines Meders, geschlagen und gefangen ward. Auch ihm 
wird ein gleiches Loos zu Theil; mit abgeschnittener Nase und 
Ohren wird er gebunden an den Pforten des Königspalastes öffent- 
lich ansgestellt und zu Arbiraya (Arbela) ans Kreuz geschlagen. 
Die^nächstfolgende Stelle der Inschrift ist fast gänzlich zerstört, 
doch sieht man daraus so viel, dass von einem Aufstande in Par- 
thien und Hyrkanien die Rede war, welcher durch Vashtaspa 
(Hystaspes), den Vater des Darius, gedämpft ward. Der Ort, 
wo die Rebellen besiegt wurden , scheint Vispawushtisa bezeich- 
net zu sein. Wir vermögen ihn aus griechischen oder andern 
Quellen nicht näher nachzuweisen. Darius sendet, heisst es dann 
in der Inschrift, ein persisches Heer zu Hystaspes von Raga aus; 
mit diesem Heere lieferte Hystaspes bei der Parthischen Stadt 
Patigapana *) den Aufruhrern eine Schlacht am ersten des Mo- 
nats Garmapada und so ward Parthien des Darios Provinz. Die 
nächste Empörung war im Lande Marghush (Margiana), wo 
JPVac^a (Phraates), ein Margawer, sich zum Führer der rebelli- 
schen Margawer aufwarf, die jedoch von dem durch Darius mit 
einem Heere abgesendeten Satrapen von Baktrien Dadarshish, 
einem Perser, in einer Schlacht am 23. des Monats Atrigatiya ge- 
schlagen wurden, worauf das Land zur Bothmässigkeit zurück- 
kehrte. Nun folgt ein Persischer Aufstand. Wahyagdäta^ wei- 
cher in der Stadt Tarwa **) in der Persischen Landschaft i^t^^a 
lebte, erhob sich, indem er (wie früher der Magier, also zum 
zweitenmal) für Bartiya (Smerdis), den Sohn des Khurush (Cyrus), 
sich ausgab. Das in Persien stationirte Heer ging zu ihm über, 
abfallend von Darius ; dieser sendete das bei ihm befindliche per- 
sische, und medische Heer unter Anführung des Artawartiya, eines 
Persers, wider den Rebellen nach Persien; bei der Persischen 
Stadt Ras ha ***) trafen die Heere zusammen am 12. des Monats 



*) Auch dieser Ort ist unbekannt. 

**) Ein Tabä kommt in Persien vor; s. Mannert a. a. 0. p. 388. 
Ist dies hier gemeint?, Bei Gatiy a dachten wir anfangs an die Ovtioi, 
welche bei Herodot III, 93., vgl. VII, 68., vorkommen und welche Ham- 
mer zu den Vorfahren der Türken (Utier-Uzen), Feyer aber zu Vor- 
fahren der Hunnen machen will. Wahrscheinlich sind sie aber keines 
von beiden. 

***) Diese Stadt ist so wenig näher bekannt , wie die zunächst weiter 
genannten Orte. 



408 Griechische, Ldteratar. 

Thuraw^ara; der Rebell ward In dieser Schlacht geschlagen und 
floh mit seinea getreuen Reitern nach Pishiyauwada *) ; von da 
mit einem andern Heer dem Artawartiya entgegen ziehend , traf 
er mit diesem bei dem Berge Parga zusammen und ward am 6. 
des Monats Garmapada geschlagen , aach er selbst mit seinen vor- 
nehmsten Anhängern gefangen , dann sammt diesen nach der per- 
sischen Stadt Uwadidaya gebracht und ans Kreuz geschlagen. 

Der Aufstand in Arachosien (Harauwatish) ward durch ein 
von diesem Wahyagdata nach dieser Provinz wider den dortigen 
Satrapen Yiwana , einen Perser , entsendetes Heer veranlasst ; bef 
der Feste Kapishkanlsh (Capissa '*''^) ) kam es zur Schlacht, am 
13. des Monats Andmaka; eine zweite Schlacht am 7. des Monats- 
Viyakhna ward in der Landschaft Gadhutawa geschlagen; der 
Führer der Rebellen floh jenseits Arshida, einer Feste Aracho- 
siens, ward aber von dem auf demFuss ihm nachfolgenden Viwa na 
gefangen und sammt seinen vornehmsten. Anhängern getödlet. 
Den Beschluss macht die Nachricht von einem zweiten Aufruhr 
in Babylon, während Darius in Persien und Medien weilte. An 
der Spitze dieses Aufstandes , der von Dhubana ***) , einer Baby- 
lonischen Landschaft, seinen Ausgang genommen hatte, stand ein 
Armenier ^rai(:Aa, Sohn des Nant'itahya, welcher sich fiir Na- 
bukhudrachara, den Sohn des Nabunitahya ausgab, Babylon nahm 
und sich zum Herrn des Landes machte. Allein der von Darius 
wider ihn mit einem Heere ausgesendete Vidafrd (Hydaphres), ein 
Meder, nahm Babylon ein am 2. des Monats .... (hier folgt eine 
grössere Lücke , in der auch das Schicksal des Führers der Re- 
bellen, der gleichfalls getödtet ward, angegeben war) 

Soweit reicht der Inhalt der drei ersten grossen Reihen der 
Inschrift ; auf der vierten wird gewissermaassen der Inhalt jener 
drei ersten recapitulirt durch nochmalige kurze Aufführung der 
verschiedenen vorher ausführlicher erzählten Aufstände, der Be- 
siegung der Aufrührer in neunzehn Schlachten und der Gefan- 
gennehmung der neun Könige oder Häupter dieser verschiedenen 
Aufstände; diese neun (Gumata , Atrina, Natitabira, Martiya, 
Frawartish, Chitratakhma , Frada, Wahyazdata, Arakha), sammt 
dem (später hinzugekommenen) Sarukha, erscheinen nun auf dem 
grossen, in den Felsen eingehauenen Relief, welches über dieser 



*) Dieser Ort war schon oben genannt worden , als Bezeichnung der 
Gegend , wo der Aufstand des Magiers ausbrach. Die Burg Parga und 
die Stadt Uwadidaya sind uns nicht bekannt. 

**) Vgl. Mannert V, 2. p, 60. Die andern hier genannten Orte: 
Gadhutawa und Arshäda sind unbekannt 

***) Ist wohl das im nordlichep Theile von Mesopotamien bei Kanä 
gelegene Dabana; s. Mannert a. a. O. p. 208. For biger Handbuch d. 
alten Geogr. 11. p. 635. 



Zar Literatur des Herodot. 409 

Inschrift sich erhebt, dargestellt, sammt dem König Darius selbst. 
Vor ihm erscheinen in einer langen Reihe an einem langen, um 
den Hais eines jeden gewundenen Stricke, auf einander folgend, 
mit auf den Ki'icken gebundenen Händen und mit dem Ausdruck 
der Klage auf ihren Gesichtern, diese neun gefangenen Könige : 
sie haben alle Barte und Schnurrbarte, jedoch keine Kopfbedeckung, 
mit Ausnahme des letzten (Sarukha) , welcher einen spitz auslau- 
fenden Turban trägt; ein anderer (Gumata) liegt za den Füssen 
des Königs mit emporgehobenen Händen ausgestreckt, auf seinen 
Leib tritt Darius mit dem einen Fusse. Die Gestalt des Darius 
scheint mit sichtbarer Vorliebe ausgeführt , selbst in etwas erhöh- 
ter Stellung, aber nicht wie in einer altern Zeichnung bei OÜTier, 
die darnach auch Höck"^) mitgetheilt hat, auf einem Throne 
sitzend , sondern aufrecht stehend und mit der einen Hand den 
Bogen haltend, der die Erde berührt, die andere Hand ist aufge- 
richtet, wie wenn er eben den vor ihn gebrachten Gefangenen ihr 
Urtheil verkünden wollte, sein Haupt bedeckt eine Krone; hinter 
ihm stehen hinter einander zwei Perser, der eine mit Bogen und 
Köcher, der andere mit der Lanze gerüstet, beide mit einem rund 
um das Haupt laufenden niedern Turban bedeckt; und oberhalb 
der ganzen Scene schwebt , in den Felsen auf gleiche Weise ein- 
gehauen , wie wir dies z. B auch auf dem Grabmal des Darius 
zu Nakschi-I^ustan sehen, die bekannte, in Flügel ausgehende 
Halbfigur des Königsfreund **). 

Auf die bemerkte Recapitulation folgt die Bemerkung, wie die 
Lüge diese Länder veranlasst, sich wider das Reich des Darius 
zu vergehen, und dann knüpft sich die Aufforderung an den Nach- 
folger: „du, der dn König nachher bist, halte dich fern von der 
Lüge, und den Menschen, welcher gottlos ist, den strafe wohl; 
wenn du auf diese Weise sorgen wirst, so wird mein Reich unver- 
letzt sein>^ .Ebenso aber auch wird Jedem, der in der Folge 
diese Inschrift durchforschen will, die Versicherung gegeben, dass 
das darauf Geschriebene wahr und nicht falsch sei, dass aber auch 
noch vieles Andere von Darius geschehen , was nicht in dieser 
Inschrift geschrieben sei , es wird dabei mehrmals wiederholt, wie 



*) Hoeck. Veteris Med. et Pers. monament. p. 138. and daza Tafel 
YIII, b. Auch die erste Figur der neun gefangenen Könige ist hier 
falsch dargestellt. Mit der von Rawlinson mitgetheilten zwiefachen Ab- 
biidang stimmt aach ganz die bei Flandin Yoyage en Perse PI. 18., ge- 
lieferte , nur kunstreicher ausgeführte Abbildung , nur die Kopfbedeckung 
des Darius erscheint hier einfacher und rund, während sie bei Rawlinson 
gerade wie eine mittelalterliche Krone aussieht. Einen Plan der Ge- 
gend von Bisutun giebt Flandin PI. 15. 

**) Nicht Ormuzd, was wir wegen Muller Archäologie §. 247, 1. 
ZQ bemerken für nöthig halten. 



410' Griechische Literatar. 

Alles das durch des Auramizda Gnade von Darius vollbracht wor- 
den; es wird den Nachfolgern empfohlen, dieses Denkmal vor Un- 
bilden zu bewahren und zu erhalten; dann soll Auramdzda ihr 
Freund sein, und reichliche Nachkommenschaft und ein langes 
Leben ihnen zu Theil werden, alle ihre Handlungen soll Aura- 
mdzda segnen , im andern Fall aber diese Segnungen ihnen nicht 
zu Theil werden. Auffallend scheint es uns , dass hier bei den 
unzählige Mal wiederholten Versicherungen , wie Alles durch des 
Auramdzda Gnade vollfährt worden, zweimal neben diesem auch 
die. andern Götter (,,a/ii Dii^ qui exiatunt^^^ lautet die Ueber- 
setzung, wenn sie anders richtig ist) erwähnt werden. Sind hier 
etwa die %boI ßaöiktj'Coi gemeint, welche der sterbende Cambj- 
ses (Herod. in, 65.) anruft, und bei welchen Histiäus (ibid. V, 
106.) schwört? sind es die ^sol srixT^coot, welche Cyrus bei 
Xenophon vor seinem Ende anruft (Cyropaed. VllI, 7. 17. vergl. 
I, 6. 1.)? die DU patrii^ bei welchen Tynates bei Curtius IV, 10. 
16. betheuert, vgl. VI, 11. 7.; eben dieselben Diipatrii auch IV, 
14. 17., V, 12. 2., VII, 4. 1. In einer persepoiitanischen Inschrift 
wird ebenfalls Ormuzd „mit andern Göttern ^^ angerufen; 
8. Holtzmann p. 69. Lassen (Zeitschr. u. s. w. VI. p. 39.) macht 
daraus „cf/77i hujus loci gentilicüa diis^^^ während er in zwei an> 
dern Inschriften des Xerxes, in welchen dieselbe Phrase vor- 
kommt, übersetzt: ^^cum diis hujus locP^ ; s. a. a. O. p. 133. 151. 
Den Schluss dieser Reihe oder Columne der Inschrift bildet 
die Angäbe deijenigen, welche dem Darius beistanden, als er den 
' Sturz des Magiers bewirkte ; es sind die Namen der sieben Ver- 
schworenen , die wir aus Herodot III , 70. kennen , zu welcher 
Stelle Ref. die Abweichungen anderer Schriftsteller, namentlich 
des Ctesias, in Angabe dieser Namen (S. II. p. 127.) bereits be- 
merkt hat. Die Inschrift ist zum Theil lückenhaft und entstellt, 
so dass wir nicht alle Namen mit gleicher Sicherheit daraus erui- 
ren können. Der erste heisst Vidafräna (Intaphenies bei Hero- 
dot), der Sohn des Vis ... . hya (Vishtapahya d. i. Hystapes), 
ein Perser (Parsa), Der nächste Name fällt in eine Lücke , wir 
vermuthen mit Rawlinson Olanes^ von dem nur die Bezeichnung 
Perser übrig ist; dann folgt Gubar'uwa (Gobryas), der Sohn des 
Mardhuniyahyfa (Mardonius) ein Perser; der nächste Name (etwa 
Hydarnes) fällt wieder in eine Lücke, nur der Zusatz Parsa ist 
übrig, der auch bei den beiden folgenden Namen, die beide un- 
lesbar sind (von dem einen nur die Endung . .. ukhsha, was Raw- 
linson auf den Megabyzua bezieht; der ganz fehlende Name wäre 
dann Aspathines) hinzugefügt erscheint. 

Mit dieser Angabe scheint die ganze Inschrift ihren Abschluss 
erhalten zu haben; sie sollte ja, wie es scheint, ein bleibendes 
Denkmal der Thronbesteigung des Darius und seiner Befestigung 
auf dem Throne durch Unterdrückung der verschiedenen, im Be- 
gian seiner Regierung, in Folge der zerrütteten und anarchischen 



Zar Literatur des Herodot. 41 L 

Zustande des Reichs, ausgfebrochenen Empöning;en einzelner 
Lander und Häuptlinge bilden und eben darum möchten wir auch 
die Abfassung des Ganzen in die erste Regierungszeit des Darios 
setzen , vor dem scythischen und vor dem griechischen Feldzuge 
und dem ionischen Aufstand, welcher den letztem Kriegszug her- 
vorrief. Da die Inschrift von diesen Aufständen und Kriegszugen 
schweigt, so glauben wir darin allerdings eine Bestätigung unserer 
Vermuthung iiber die Zeit der Errichtung dieses Denkmals, das 
nach Persischer Sitte in eine ungeheure, senkrecht sich erhebende 
Felswand eingehauen ward , zu erkennen. Ob Aegyptische Künst- 
ler (vgl. Diodor. SIcul. I, 46.) dabei mitgewirkt? Wir finden im 
Ganzen nicht die ägyptische Steifheit an den Figuren und Ge- 
wändern. Die Gestalt des Darios hat etwas Imposantes, sein Ge- 
sicht etwas Ausdrucksvolles und vom ägyptischen Typus durdi* 
aus Verschiedenes. 

Eine fünfte Columne oder Reihe, welche auf demselben Fel- 
sen eingehauen, scheint als eine Art von Ergänzung der grösse- 
ren Inschrift in der nächstfolgenden Zeit hinzu gekommen zu sein, 
also ebenfalls noch unter Darius , der in gleicher Weise hier in 
erster Person redend eingeführt ist ; leider ist aber das Ganze so 
verstümmelt und lückenhaft, dass es unmöglich ist, vollständig und 
im Zusammenhang die Inschrift zu ermitteln und darnach ihren 
Zusammenhang zu bestimmen (vgl. Rawlinson p. LXVIL); nur im 
Allgemeinen lässt sich daraus ersehen, dass von einer zwiefachen 
Empörung hier die Rede war, der einen in Susiana, welche durch 
den mit einem Heere von Darius abgeschickten Perser Gobryas 
gedämpft ward , der anderen , wie es scheint, in Sacia, an deren 
Spitze Sarusha stand , gegen welchen Darius selbst zu Felde zog 
und ihn gefangen nahm. Ein Mehreres lässt sich mit Sicherheit 
nicht entnehmen. Rawlinson selbst verzweifelt an einer näheren 
Analysis des verstümmelten Textes , von dem nur ein Paar Namen 
glücklich erhalten sind ; auch wagt er nicht für die völlige Genauig- 
keit seiner Copie des Textes in gleicher Weise , wie bei den übri- 
gen Reihen dieser Inschrift einzustehen , bei der grossen Schwie- 
rigkeit, der Stelle des Felsens nahe zu kommen , wo dieser Theil 
der Inschrift eingehauen ist. Desto lesbarer und wohlerhalten, 
obwohl schwer zugänglich, fand Rawlinson einige kleinere, mit 
Ausnahme einer einzigen, über den Figuren angebrachten In- 
schriften, welche deren Namen mit einigen weitern kleinen Zu- 
sätzen enthalten. Die erste und grösste dei^selben ist über denp 
Haupte des Darius angebracht und giebt den Namen des Königs 
an sammt seiner (schon oben von uns angeführten, mit Herodot 
übereinstimmenden) Genealogie; die Inschrift unter der auf der 
Erde liegenden Figur, auf deren Leib der eine Fuss des Darius 
tritt, bezeichnet dieselbe als Gumata^ den Magier, der sich für 
Smerdis ausgab ; ihm , wie wir sehen , ist das schmählichste Loos 
zu Theil geworden; die übrigen nenn Gefangenen werden d»aL^^ 



412 Griechische Literatur. 

die über ihnen befindlichen Inschriften alg Alrina^ Natitabira^ 
Fratvartishf Mariiya^ Chitralak'hma^ Wahyazdata^ Arakha^ 
Frada^ der letzte, durch geine Kopfbedeckung unterschiedene, 
auch in etwas grösserem Zwischenräume vor den übrigen gehal- 
tene , als Sarukha , der Sake , bezeichnet. Er scheint , wie jene 
5. Reihe der Inschrift , die von seinem Aufstand berichtet , erat 
später zu den andern hinzugefügt worden zu sein. 

Nach diesem Inhalt der nun im Wesentlichen wenigstens ent- 
zifferten Keilschrift mag man bemessen, welchen Gewinn, weiche 
Aufklärung die Alterthumskunde fiberhaupt, insbesondere soweit 
sie die alte Geschichte des Orients betrifiFt , aus der fortgesetzten 
Entzifferung dieser Keilschriften , von denen nun durch die unaus- 
gesetzten Bemühungen mehrerer Gelehrten , Reisenden , und sol- 
cher, die längere Zeit in diesen Gegenden verweilt, eine nahm- 
hafte Zahl copirt und nach Europa gebracht ist, noch zu erwarten 
hat. Die von Rawlinson hier zuerst mitgetheilte Keilschrift ist 
die erste von grösserem Umfang; die persepolitanische Keilschrift 
mit dem LSnderverzeichniss und die ein ähnliches Verzeichniss 
bietende Grabschrift des Darius zu Nakshi Rustan (auf welche 
beide wir mehrfach uns bezogen haben) haben nicht den Umfang. 
Die Mehrzahl der übrigen, die wir bis jetzt näher durch Ueber- 
Betzungen kennen gelernt haben , besteht in meist kürzer gefassten 
Anrufungen oder Namen und Titeln der Könige, ohne dass irgend- 
wie bedeutende historische Resultate daraus gewonnen worden; 
die vorliegende Keilschrift von Bisutun ist die erste, die, auch in 
dieser Beziehung durch ihren rein historischen Inhalt eine grössere 
Bedeutung für die alte Geschichte ansprechen kann, und dies mag 
uns denn auch einen weiteren Schluss erlauben auf den Inhalt der 
übrigen grösseren , noch nicht entzifferten Keilschriften , wie z. B. 
die bei Wan, und die grosse Masse der neu entdeckten, schon 
früher in diesen Blättern erwähnten Assyrischen Keilschriften ; 
auch sie sind schwerlich rein religiösen , sondern vielmehr histo- 
rischen Inhalts; ihre baldige Lesung und Erklärung daher ein 
dringender Wunsch , in den sich alle Freunde des Alterthums mit 
uns gewiss gern vereinigen werden. Hier taucht eine neue Li- 
teratur von Völkern auf, deren ganze Literatur wir untergegangen 
wähnten, deren Kenntniss uns nur aus spärlichen Nachrichten 
griechischer und anderer Quellen, in einer höchst ungenügenden 
und unvollkommenen Weise zugekommen war, die nun hoffentlich 
bald immer mehr aus diesem neu gewonnenen Fond vervollstän- 
digt und erweitert werden dürfte. Auch für die alte Geographie 
der Länder, weiche einst Bestandtheile der grossen Assyrisch- 
Babylonisch - Persischen Weltmonarchie bildeten, möchte sich 
manches Neue dann gewinnen , manche wesentliche Erweiterung 
erwarten lassen; schon diese Inschrift bringt uns, wie wir gese- 
hen, eine Reihe von Namen, Landschaften, Städten, Festen, 
Bargea^ von welchen die wenigsten aus den uns zugänglichen 



Zar Literatur des Herodot. 413 

griechischen oder andern Quellen sich nachweisen lassen. Frei- 
lich erschwert hier die Persische Namensfassung in so wdt die 
Nachforschung , als die Griechen diese ihnen so fremd klingenden 
Namen oft bis zur Unkenntniss , wir können nicht gerade sagen, 
entstellt, sondern in weichere, angenehmer klingende und grie- 
chischem Munde angepasste Namen verändert haben , wovon die 
Beispiele von Personennamen, die uns oben mehrfach entgegen- 
getreten sind, hinreichend Zeugniss geben können. Ganz neu 
erscheinen uns die in dieser Inschrift vorkommenden Monatsna- 
men,, die wir mit denen, welche in Zend uifd Pehivi vorkommen, 
und mit den als Persisch bezeichneten Monatsnamen (s. die Ta- 
belle bei Th. Benfey und M. A. Stern: lieber die Monatsnamen 
einiger alten Völker u. s. w. p. 69.) nicht zu vereinigen wissen 
und dies daher der weiteren Forschung der Orientalisten und Chro- 
nologen anheimstellen müssen; es sind in allem sieben, von wel- 
chen die drei ersten am häufigsten vorkommen und demnach in 
die Sommermonate fallen möchten , insbesondere AnamaJca^ Atri- 
yatiya^ Thurawähara^ Thaigar chisch ^ Garmapadä^ Viyakhna 
und ßagayadish. 

Was endlich die Religion der Perser belrilBPt, so möchte 
aus der Inschrift von Bisutun, eben ihres rein historischen Inhalts 
wegen, sich im Ganzen weniger gewinnen lassen. Wir haben 
schon oben bemerkt, wie unzählige Mal und bei der Angabe eines 
jeden Factums Darius hinzufügt: „durch die Gnade des Ormuzd^^ 
oder:'„Ormuzd leistete mir Belstand^^ u. dgl. Diese stets wieder- 
kehrenden und überall eingeschalteten Formeln weisen uns jeden- 
falls auf Zoroastrischen €ult, welcher , wie neuere Forschun- 
gen gezeigt (s. Roth Geschichte der Philosoph. I. p. 373. fi:) an 
den alt-baktrischen Glaubenskreis sich anknüpfte, welchem dem- 
nach auch der aus der alt-baktrischen Königsreihe hervorgegan- 
gene Monarch Darius huldigt,* dessen (zur Zeit der Fassung der 
Inschrift noch lebender) Vater Vistaspa (Hystaspes) ja als ein 
Zeitgenosse Zoroaster's in den noch vorhandenen Zendbüchern, 
welche Zoroaster's Lehre enthalten , bezeichnet wird (s. Roth s. 
a. O. p. 349. ff.y in den Noten p. 256. ff). Neben Ormuzd wer- 
den, wie wir gesehen, nur einmal noch andere Götter in der In- 
schrift (deren Lesung wir als richtig voraussetzen) genannt; ob die 
Stammgötter, die &sol natQcSoi'i und welche können nach Zoroa^ 
strischer Lehre als solche gelten? Sind es die Amschaspande 
oder die Izeds ? Sind es die von Ormuzd nach Zoroaster's Lehre 
geschaffenen Schutzgeister? In welchem Verhältoiss, fragen wir 
weiter, stellt sich, nach dem Inhalt der Inschrift von Bisutun, 
diese Zoroastrische Religionslehre, die in Darius und seinem Stamm 
— also dem Stamme der Achameniden — eifrige Diener und Ver- 
ehrer gefunden, zu dem Cultus der Magier? Keineswegs in einem 
freundlichen , sondern vielmehr in einem feindseligen , antworten 
wir darauf, den Worten der Inschrift folgend, die ausdrücklitfh 



414 Crriechisdie Literatar« 

enihlt, wie, als Cambyses nach Enoordang seines Bradera den 
Zog nacli Aeg^ypten unternommen, ^^das Reich irreligiös geworden, 
die Lüge (etwa auch die falsche Lehret oder blos die Sünde, 
der Frevel, das Böse?) überhand genommen in Persien, in 
Medien und in andern Ländern des Reichs>^ Noch mehr sprechen 
aber dafür die Worte der Inschrift, in welchen Darius, nach dem 
Sturze des Magiers, welcher in Folge dieser allerwärts zuneh- 
menden Lüge aufgestanden war und die Herrschaft an sich geris- 
sen hatte , erklärt, nicht blos , dass er die Herrschaft , die seinem 
Stamme (den Achämeniden) entrissen gewesen, wieder an diesen 
luruci^gebracht und sie wieder hergestellt wie früher, sondern 
auch dann weiter hinzusetzt: „ich befahl nicht zu verehren, was 
Gumata, der Magier, bekannt hatte, ich habe wieder hergestellt 
Tempel und Verehrung des Schützers des Reichs und den Göttern, 
was ihnen Gumata , der Magier , entzogen hatte^S *) 

. Wir werden daraus immerhin doch so viel entnehmen kön- 
nen, dass die durch die Achämeniden Cyrus und Cambyses einge- 
führte oder geltend gemachte Zoroastrische Reform oder Religion, 
durch die Empörung des Magiers mehrfach gelitten und verletzt 
oder doch zurückgedrängt , dann aber durch Darius wieder herge> 
stellt worden, ohne darum zur Reichsreligion erhoben worden zu 
sein, was sie vielmehr schon unter Cyrus und Cambyses gewesen 
SU sein scheint, die als Achämeniden, mit diesem ihrem Stamm, 
die Lehre des Zoroasters am ersten dann angenommen und weiter 
Terbreitet haben mögen. 

Verschieden muss aber dann davon jedenfalls die Lehre und 
der Cult der Magier gewesen sein , welcher wahrend der Zelt der 
Herrschaft des Magiers den Cult des herrschenden Stammes ver- 
drängte, dann aber, als dieser Stamm wieder mit Darius zur Herr- 
schaft gelangte , diesem welchen musste. Worin bestand aber die 
Verschiedenheit beider Culte, beider Lehren, der zoroastrisch- 
baktrischen durch die Zendbücher uns erhaltenen, und der 
magisch-medischen, die wir nicht aus ähnlichen Quellen 
Bäherkennen, die vielleicht, wie wir vermuthen möchten, der 
chaldälsch- babylonischen näher gestanden zu haben scheint, aber 
dann die Reform des Zoroaster aufnahm und damit zugleich als 
herrschender Priesterstand des Persischen Reichs sich für die Folge 
in Macht und Ansehung und Bedeutung erhielt. Auch über die- 
ses und ähnliche Punkte, über welche noch ein so grosses Dunkel 
■diwebt, erwarten wir hoffnungsvoll noch weitere Aufschlüsse 
ans dem Bekanntwerden der noch unentzifferten zahlreichen Keil- 
aehriften.^ 



*) So überseUt Benfey a. a. O. p, 2017. 2018. Rawlinaon's üeber- 
aetxoog , die übrigens an dieser Stelle mit mehreren Fragezeichen von 
Ihm selbst versehen ist, ihm datier seihst' nicht- ganz sicher vorkam, 
itimmt im Ganzen immerhin damit auch aberein. 



Zur Literatur des Herodot. 415 

Das in neuester Zeit mehrfach in Tersclüedener Weise be- 
sprochene Scythenland des Herodot ist auch jetzt wieder Ge-. 
g^enstand einer zwiefachen Erörterung geworden, welche theilg 
die Localiiät im Allgemeinen und im Besondern , theils die Ter* 
schiedenen, von Herodot diesem Lande zugetheilten Völker- 
stamme betrifft. Die erstere befindet sich iu diesen Blättern 
(Supplementbd. XII. p. 568. ff., das Land der Scythen bei Hero- 
dot und Hippokrates und der Feldzug des Darius in demselben« 
Eine geographisch - historische Untersuchung von W. H. Kol- 
ster), die andere von Kurd de Schlözer in der Revue de 
Philologie de h'terature et d^histoire auciennes. Paris 1846/47. VoL 
IL p. 97. ff. unter der Aufschrift: „Les premiers habitants de la 
Russie, Finnois, Slaves, Scythes et Grecs^^ Nach einer Einlei- 
tung ? welche Herodot und Nestor, den Chronisten des heutigen 
Russlands, mit einander zusammenstellt, und einer kurzen allge- 
meineu Schilderung (esquisse geographique) Russlands, folgt ein 
Tableau ethnographique de la Russie au temps d'Herodote; und 
hier erscheint zuerst der Stamm der Finnen, zu welchen der 
Verfasser die Argippäer, Thyssageten, Androphagen und Melan- 
chlänen des Herodot zählt; die erstgenannten, die Argippäer 
erkennt er in den heutigen Baschkiren, im sudlichen TheU des 
Ural y wo weisse Rosse noch jetzt im Ueberfluss sich finden soUen, 
welche die griechische Benennung dieses Volkes herbeigeführt; 
westlich davon, fast zwischen der Wolga und Kama, sollen die 
Sitze der Thyssageten sein, welche nach des Verf. Ansicht 
einen der bedeutendsten Tribus des Finnenstammes bildeten, und 
auch in ihrem Namen, der mit dem aus dem Ural kommenden 
und in die Kama sich ergiessenden Fluss Tschussowaja (an dessen 
Ufer sie wohnen) in Verbindung gesetzt wird, den finnischen Ur- 
Sprung verrathen sollen. Die Androphagen, weiche diesen 
Namen um ihrer Grausamkeit willen von den Griechen erhalten, 
während ihr eigentlicher Name unbekannt geblieben, weiss der 
Verf. nicht recht zu placiren, sie wohnten wohl, heisst es, in den 
unwirthlichen Steppen des Nordens. Die Melanchlänen 
(Schwarzröcke) werden in die Sumpfgegenden des nördlichen 
Russlands verlegt , und zwar , nach Reichard, zwischen die Seea 
Ilmen und Ladoga und das finnische Meer. Dem zweiten Stamme, 
dem slavischen, dessen Ursitze in der Gegend gesucht werden, 
welche von den Gebirgen Belurtag und Mustag bis zum Caspischen 
Meere sich hinzieht, fallen nach dem Verf. die Neuren und 
Budiner des Herodot zu, welcher diese Völker von den Scythen 
geradezu scheide. Jene sollen hiernach die Strecken, welche 
nordöstlich von den Karpathen sich ausdehnen , da , wo Dniester 
und Bug entspringen, bewohnt haben, wahrscheinlich die jetzt mit 
dem Namen Nurskazemja bezeichnete Landschaft, in der Nähe 
des Narey und Nur, von welchem Namen , der im Slavischen 
Land bezeichne, auch der Name des Volkes (Neuren) stamiqe; 



416 Griechische Literatur. 

eben so wie der Name der Badinen wegen der bei ihnen herr- 
gchenden Hoizconstruction von dem Worte Budy, das iin Alt- 
SltTischen Haus bedeuten soli^ abgeleitet wird. Die WohnsiUe 
der B udlnen sucht der Verfasser in einem Theile des heutigen 
Yoihyniens und von Weiss- Russland, in welchem noch jetst^ die 
Namen so mancher Städte , Dörf<^r und Flüsse die Erinnerung an 
den früheren Aufenthalt derBudinen bewahrt haben sollen (der Vf. 
stutzt sich hier auf Schaffarik) , zunächst sind es die Sumpfgegen- 
den von Minsk und Pinsk^ in welche jener grosse See verlegt 
wird, von welchem Herodot (IV, 109.) im Lande der Budinen 
spricht. Aber ausserdem werde auch in den Gegenden von Sa- 
raiow und Tambow zwischen Don und Wolga noch Sitze der Bu- 
dinen gefunden. Slavisch ist dem Verf. auch die von Herodot 
IV, 5. ff. berichtete Tradition über den Ursprung der Scythen; ja 
der Name des Stroms Borysthenes, der im alten Siaventhum 
Ton einer so hohen Bedeutung sei, soll nichts sein als griechische 
Ombeugung des Slavischen Wortes Beresina oder Beresten. 
Die Scythen, welche nun als dritter Volksstamm erscheinen, 
sind dem Verfasser erwiesenermaassen („ü est ^vident^S sagt er) . 
•ein abgerissener Zweig der Mongolen race , der sich in Asien und 
Europa ausbreitete, in den letztern Welttheil aber um das achte 
Jahrhundert vor Chr. eindrang, als er aus seinem Vaterlande jen- 
seits der Wolga vertrieben war, und nun die südlichen Gegenden 
Russlands überschwemmte, die älteren Bewohner dieser Gegenden, 
die Cimmerier, verdrängte oder unterjochte. Solchen durch diese 
Scythen (Mongolen) unterjochten Stämmen, Slavischer oderCimme- 
rischer Abkunft, werden dann auch die ackerbauenden Scythen 
des Herodot {UKvdat yecDgyol^ dgoT^QBg Herodot IV, 17. 18. 
53.) zugezählt, indem sie keineswegs von scythischer Abkunft 
seien. Eben so wenig soll dies bei den Sauromaten der J*all 
sein, die, durch die Scythen in die Gegenden des Don verpflanzt, 
modischer Abkunft sein sollen (nach Diodor. 11, 43. und mit Be- 
zug auf Böckh Corp. Inscriptt. Graecc. II. p. 110.), mithin dem 
arischen Stamme angehören würden. Mit dem Ende der Cimme- 
dschen Herrschaft an den Nordgestaden des Pontus lässt der Vf. 
die Niederlassungen der Griechen. beginneil, wobei er sich insbe- 
sondere über Olbia verbreitet. Den Herodoteischen Eridanus 
(III, 115.) will er in einem der grossen, in das Baltische Meersich 
mündenden Ströme (Duna, Niemen, Weichsel) und zwar in dem 
für den Handel wichtigsten und bedeutendsten derselben erkep- 
nen, indem er hier an die Handelsverbindungen denkt, durch wel- 
che, um des Bernsteins willen, der Süden mit dem Norden, ins- 
besondere mit denjenigen Gestaden des baltischen Meeres, wo der 
Bernstein gewonnen wird , in eine nähere Verbindung schon frühe 
gebracht worden sei. Durch ahnliche Rücksichten seien die an 
der Nordkuste des Pontus gelegenen griechischen Handelsstadt 
gleiichfalis mittelst Caravanen in Verbindung gekommen mit dem 



Verhandlangen der neunten Yersammlnng deutscher Philologen etc. 417 

Ural, und den an und um dasselbe wohnenden Völkerschaften 
u. 8. w. 

Dies sind ungefähr die leitenden Ideen dieses Aufsatzes, dem 
ejn anderer über die Zeiten nach Herodot später nachfpigen soll. 
Nach allen deni, was Ref, über diese nun schon wiedei:hoU, wenn 
auch bisweilen in einem gar verschiedenen Sinne zur Sprache ge- 
hrachten Gegenstände gleichfalls wiederholt bemerkt hat, will 
er auch hier in keine weiteren Erörterungen über die Ansichten 
des Verf. und die Ergebnisse seiner Forschung sich einlassen, so 
maiiches Bedenken sich auch bei derselben unwillkürlich aufdrängt, 
und durch die Sicherheit , mit welcher der Verf. seine Behaup-. 
tung hinstellt, keineswegs gehoben wird. 

Chr» Bahr. 



Verhandlungen der neunten Versammlung deut- 
scher Philologen^ Schulmänner und Orienta- 
listefi zu Jena am 29. 30. September, 1. und 2. October 1846. 
Jena. 1847. Cröker'sche Buchhandlung. IV und 100 S. 4. 

Das Urtheil über das eigentliche Wesen der Philologenver- 
sammlungen hat sich , nachdem bereits das nonum prematur in 
annum in wörtliche Erfüllung gegangen ist, wohl allgemein fest- 
gestellt. Es sind Zusammenkünfte von Mä'nnero , die einen nä- 
hern oder entfernteren Antheil an Philologie nehmen , um entwe- 
der alte Jugendfreunde oder geliebte Lehrer wieder einmal zu 
sehen ^ oder um einen Ort zu besuchen, an den sich theure Erinne- 
rungen aus dem eignen Lehen knüpfen , oder der sonst in irgend 
einer Hinsicht das Interesse reizt; oder um Männer, die man 
längst in ihren Schriften verehrt hat, persönlich kennen zu lernen; 
oder um in Bekanntschaft und irgend einen mundlichen Austausch 
der Gedanken mit denen zukommen, welche auf demselben Platze 
des grossen philologischen Feldes ihre theil Weise oder hauptsäch- 
lichste oder bleibende Wohnung haben; oder endlich um in dieser 
und jener Beziehung durch iebendige Debatte ausgezelchni^ter 
Meister von Neuem eine wissenschaftliche Anregung zu finden. 
Dies sind die Gründe, welche zum Besuch solcher Versammlungen 
Veranlassung geben, und die zum Theil selbst in den gedruckten 
Verhandlungen angedeutet werden. So sagt auch in den vorlie- 
genden der, wie, als gründlicher und vielseitiger Gelehrter so als 
Mensch hochverehrte. Geheime Hoirath Dr. Hand S. 14.: „es 
seien Ihre Erwartungen für diese Tage darauf gerichtet, Freunde 
wiederzusehen, Genossen der gleichen Bestrebungen kennen zu 
lernen , sich mit ihnen für die Aufgabe der Wissenschaft und des 
wissenschaftHcheu Berufs näher zu verhinden>^ Diese Gründe 
4pd es daher auch , welche den Stoff zu längerer Erinnerung 
tiarbieten. ^ 

Pf,Jahrb.f.Phil.u.Päd.od.KfU,Bibl,Bd,L. HftA, ^ 



418 PhUologi-. 

Wtt dagegen deo dgentlidl wisseBsdiaflliclicii Ertrag le- 
trifft, den diese ZuMmmenkuDfle gewahren, so acheineD Efandae 
fHiklich übertriebene Erwartnngen mitgebradil und, wenn ne 
dann geläosdil wurden, liebln« und nngcrechl geurtheilt, oder 
wohl gar ftr Zeitgchrillen , weldie In maaaaloser PersönllehkeH 
aich ergehend , jedes Lob-firr platt und gemein nnd nur den Tadel 
für scharfsinnig nnd geistreich halten , die Feder in Galle getaneht 
sn haben. Andere Tadler haben absichtlich Tergessen, dasa die 
Phlloidgie sn den Objecten des Geistes geh?^re and nicht der 
Natnr, dass sie also nicht so sichtbar hcrrortretende Resultate 
enlden könne, wie x. B. der Verein der Naturforscher, der aus- 
serdem luglelch In der jedesmaligen Umgebung Objecto findet, 
die der nihem Betrachtung und llntenuchung zum Grund« lie- 
gen können. 

Allerdings kann selbst die ruhige und parteilose Beobachtung 
Uebelstande nicht ableugnen, welche eine neunjährige Erfahrung 
der PhilologenTersaninlungen herausgestellt bat, und man wird 
diese auch hier kura berühren dürfen, ohne die schneidende Zug- 
' luft der destructiven und tadelsuclitigen Journalistik in wisseu- 
schafUiche Jahrbucher herüberzulelten , deren Streben Ton jeher 
auf Bewahrung der parteilosen Ruhe und der Shche ohne persoo- 
Behe Einmischung gerichtet irar. Znnichst gehört higher der 
sehmersliche Bindruck, den einselne, wissenschaftlich zum Theil 
hervorragende, Penönllchkeiten durch ihren €%arakter herror- 
gebracht haben , sd es dass deren Wesen den vornehmen Anstrkfa 
eines englischen Lords an sich trug oder itoit spaiAeher Gran- 
dezza einherscliritt oder im Spiegel einer ruhigen Betrachtung, 
wo die Strahlen ohne Zittern refleetirten, nur ein ^yfastus ioest 
polcris, sequitnrque super bia formam^* ericennen liess. Das sind 
freilich Menschlichkeiten , wie sie hi Jedem Stande ao Einzelnen 
▼orkommen, aber gerade beim Philologen nehmen sich derartige 
Eigenschaften um so hissllcher aus, >^eil die schön klingende Mei- 
nung, dass mit dem Stsdde desselben dl6 et^te humanitas oder 
wenigstens das humani nihil ü tne üHenüm puto in der Regel ver- 
bunden sei, noch nicht ton der Erde verschwunden ist, und wef/ 
dann bei der Wahmehmuttg verehizelter Ausnahmen der Schluss 
vom Theile aufis Ganze vom lauernden Parteigänger nur tu risch 
gezogen wird. Denn die tiefere ErklSrung, dass, wie bei Über- 
reicher Ernte von Worten und Gedanken auf dem Papiere der 
IfebgewMdeute BQcherwelt d*s Auge fftf die Schötifaeit der ioss^- 
ren Natur leicht kurzsichtig wird, so auch d^s üuriickgezMioie 
Leb^n und die abgjeschlossene Einsamkeit des gelehrten PhWlo^ 
gen ffegen die Mefis^faeniiebe leicht kalt nftd gleichgültig mttelte. 
— diese tiefere Erllirmig wird ^dann ak EntschnldlguAgsghilio 
ebenso wenig' gebratrcM als manche Philologen ülcht bif^reifen 
wolletf, dass gerad<^ das Lietastere eine Lebensklippe sef , die bloo 



Verhandlangen der neunten Venammlinig deutscher. Philologen etc. 419 

anf fkinjenigen Fahneage ymadiifft werdeoitnii, desaen Stener- 
raann einer Mbern Welt aneehSrt. ^^ -^ 

Efri zweiter Uebelstana ist^ das» anf den Philologenveraamm- 
Inngen nicht Seiten specielte Unteraochnngen mit allen möglichen 
Details zum Vorschein Icommen, über weiche eine'augenbiiclclich« 
oder wenigstens frnchtreicbe nnd interessante Debatte nicht er« 
öjQPnet werden Iconnte. Da war denn der Vorwarf der Silben- 
ateeherei, des Kieinigi^eitsltrama^ der Trocirenheit, 
der Abs traction und wie die beliebten Sli<ihwörter alle heissen 
mögen ^ sogleich bei der Hand. Natürlich wird an und fär sich 
jeder Verständige derartige Vorwürfe, welcher Wissenschaft sie 
auch gemacht werden, höchst lächerlich und gedankenlos finden, 
und Jenes il n' y apaint de petiiet affaires auch hier in Anwen- 
dung bringen v an Ulcerosa (Orat. 43.) omnium artium Heut ar» 
borum altitudo nos delectat^ radicen eUrpesque non item: sed 
eise iUa sine his non pot^ut, nnd ihnliche Ausspruche denken; 
aber die Frage ist, ob so spedelle Detailforschungen, die ihre« 
Wesen nach nur abgelesen werden können, in den Kreis einer 
solchen Versammlung gehören oder ob sie nicht besser dem schrIft- 
liehen Verkehre dberhissen bleiben. Man wird sicherlich, mit 
wenigen Ausnahmen, das Letztere vorziehen , da ja die IndiTiduaf- 
Utät ausgezeichn^r Minner) die man sehen und hören will, be- 
sonders im lebendige Wwte zum Vorschein konMnt, da femer bei 
bios mündlichem Vortrage die wesentlichsten Höhepunkte einer 
Streitfrage in der Regel weit schärfer herTortreten, und die ent- 
legenen Beiläufer wegbleiben, so dass eine lebendige Debatte, 
das eigentliche Brfordemiss solcher Zusammenkünfte, sich ent- 
spinnen kann. Hierzu kommt dann die unabweisbare Forderung, 
dass man ausser bioa wissenschaftlichen Vorträgen und Discusaio- 
nen auch Fragen tiber das Verhältnisa und die Verwendung der 
reinen Theorie für die Bedürfnisse der Gegenwart in ruhiger und 
würdevoller Sprache zur Behandlung n^me. Mit ein paar Witz- 
worten oder einem Ckmelnplalze oder gar einem stolzen Ignorl- 
ren oder vornehmen Absprechen wird die Sache nicht abgethao^ 
sondern verschlimmert* Bs mag freilich dem Universltätsprofes- 
sor , der fortwährend in der Atmosphäre der reinen Gelehrsamkeit 
lebt, das praktische Leihen nnd Bedürfiiiss der Gegenwart nur 
selten ganz nahe treten: aber dem Gymnasiallehrer, auch wenn er 
ntir in einer mittelmassigen Provinzialstadt wlikt, kommt die be- 
rechtigte Forderung der Zeit gar häufig entgegen, und er hä« 
seine Schulpfalldogie tnanchmal gegen Binwendttngen besonnener , 
nnd achlungswerthe«> Männer zn vertheidigen. Denn nicht mehr 
kann der Philolog, wie früher, mit seinem redlich erlernten Wis^ 
aen^ wie mit einer sicheren Rüstung geschützt, durch die rechts 
und links ausweichenden Volkshaafen hindurchgeilen; nicht mehr 
mft def stummen Weidieit setner Bücher der lebendigem Gegen-- 
rede^ die ihm überall begegnet, den Mund verschliessen; uieht 



420 Philologie. 

mehr hinter den Sehnt« seines Amtes oder Titels mit thellnahm- 
loser Gleichgültigkeit sich zurücksiehen : er muss vielmehr ande- 
ren Ständen, denen Volksunterrieht, Reisen, Umgang, Tagesli- 
teratnr eine allgemeine Weltbildung suführen, mit entschiedener 
Entschlossenheit an, die Seite treten ; muss die Zeit, in der er 
lebt, verstehen ; muss augenblicklich mit Freiheit über die Gabe 
des Wortes gebieten, und die Stimme des Volkes, die über ihn 
ergeht, dnrch Erfassung seiner: Sache ao den Enden, wo sie 
praktische Bedeutsamkeit hat , offenbaren , dass seine Weisheit 
nicht unter dem todten Buchstaben des beschriebenen Papiers ver- 
graben liege. 

Ich wiÜ die Sache jetzt nicht weiter erö>rtem, sondern nur 
beifügen, es habe auch der verehrte Herausgeber dieser Jahrbb. 
das Wesen derselben schon mehrmals sp treffend berührt, dass 
ich mich nicht enthalten kann , wenigstens aus Bd. 48. S. 92. fol- 
gendes ins Gedächtniss zurückzurufen: „Die beste Wissenschaft 
nützt nichts, wenn sie nicht mit den Forderungen der Zeit in Ein- 
klang steht und wenn die Volksmeinung zu ihr kein Vertrauen hat. 
Um dieser Rücksicht willen ist es einseitig und unbefriedigend, 
dass die Philologenversammlungen in ihren Zusammenkünften sich 
damit zufriedenstellen, eine Anzahl von Specialvorträgen aus dem 
rein theoretischen Gebiete ihrer Wissenschaft anzuhören und theU- 
weise zu discutiren, welche an sich zwar recht wichtig sein und 
die wissenschaftliche Vorzügiichkeit des Vortragenden beweisen 
können , aber , da sie in der bekannten und hergebrachten Erörte- 
ruugsform- angestellt sind, doch nur die wissenschaftliche Special- 
erkenntniss des Zuhörers erweitem und ihn über philologi- 
sche Sonder-Fragen belehren,'^ die eines gemein- 
samen Ideenaustausches wenig bedürfen und eben- 
^sogut aus ge druck teü Schriften erkannt werden kön- 
nen. Die wahre Aufgabe einer solchen Versammlung besteht 
allein in gegenseitigem Ideenaustausch, wo Jeder seine Ansichten 
und Erfahrungen kund geben und läutarn kann. Dieser Ideenaus- 
tausch aber muss hinsichtlich der Theorie darauf ge- 
richtet sein, nicht das Hergebrachte, sondern die 
eingetretenen und versuchten neuen Forschungs-- 
richtungen kennen zu lernen und sie weniger nach Ihren 
materiellen Ergebnissen, als nach ihrem formellen 
Verfahren und- Zwecke zu prüfen, hinsichtlich der 
Praxis aber die Tendenz haben, die verschiedenar-« 
tigen Forderungen der Zeit, welche an die Wissen- 
schaft im Ganzen und Einzelnen gestellt werden, zu 
erforschen, die Erfahrungen anzuhören, welche jeder Ein- 
zelne darin gemacht hat, und die Mittel und Wege aufzusuchen, 
nach welchen die wisseiBchaftliche Theorie für das praktische Be- 
dürfniss am zweckmässigsten und erfolgreichsten umgestaltet wer- 
den kann.^^ In ähnlichem Sinne haben auch Andere gesprochen, 



Verhandlungen der neunten Versammlung, deutscher Philologen etc. 421 

wie a. B. ein Ongenannter in einer eben vor -mir liegenden Ab- 
handlung in Schnitzer'« ,,Zeit8chr. für das Gelehrte- und Real- 
schul wesen^^ 1847, Hft. 2. S. 190., nur dass man hier wie ander- 
wärts [das ist eben der gewaltige Unteri^chfed Ton Jahn] erst ab- 
ziehen mnss die feindselige Gesinnung und das Gewand einer zum 
Thell sehr gehässigen *) Anonyoaität. ^ ' 

Uebrigens fuhrt das, was bisher besprochen wurde, von 
selbst auf einen dritten Uebelstand , der unbestreitbar hervorge- 
treten ist, nämlich auf den Mangel an pädagogischem Interesse 
bei manchen Philologen, sogar solchen, die an Gymnasien wirken. 
Ja es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass in man- 
chen Gegenden die Philologen der Gymnasien, welche an päda- 
gogischen Fragen sich betibeiiigen, mit der Diogeneslaterne zu 
suchen sind. Was Wunder , wenn dann einzelne Universitätslehrer 
der Philologie die Pädagogik belächeln und auf Gymnasiallehrer, 
bei denen Philologie und Pädagogik in gleich hohem Range ^tehtj 
mitleidig herabsehen, und wenn sogar Erscheinungen vorgekom> 
men sind , die wirklich in Erstaunen setzen ! Doch es ist gerathe-^ 
ner über solche Dinge den Schleier der Vergessenheit zu werfen. 
Die Zelt wird schon richten. Nur daran möge erinnert werden, 
dass der in den Statuten des Vereins deutscher Philologen und 
Schulmänner §. 1, b. angeführte Zweck: „die Methoden des Unter- 
richts mehr und mehr bildend und fruchtbringend zu machen, so 
wie den doctrinellen Widerstreit der Systeme und Richtungen 
auf den verschiedenen Stufen des öTfentlichen Un- 
terrichts nach Möglichkeit auszugieichenS bis jetzt nicht er- 
füllt worden Ist. Wie wichtig aber neben dem rein theoretischen 
Gebiete derartige Discusslonen sind , besonders in unseren Tagen 
— darüber möge Jahn, der auch hier auf vielseitige Beistim- 
mang zu rechnen hat , für mich eintreten , indem er a. a. 0. S. 93. 
bemerkt : „Für Gymnasiallehrer sind methodische Besprechungen 
über Behandlung und Aufgabe des Sprachunterrichts der wich- 
tigste Betrachtnngsgegenstand gemeinsamer Zusammenkünfte. 
Die Erforschung des Stoifes der Philologie ist nicht hinter den 
Forderungen der Zelt zurückgeblieben, wohl aber die Verwen^ 
dungsweise des gewonnenen Stoffes für die Zwecke des Unter- 



*) So spricht dieser Unbekannte von „Aasposaunen gramma-' 
tificher Entdeckungen'^ „philologischer Eitelkeit'^ und Aehnlichem und 
entblödet sieh nicht S. 192 zu sägen: „man muss sich über die Jenaer 
Pädagogen wundern , dass sie die ganze schoneZeit mit der Frage 
über die Aufnahme lateinischer Aufsätze verschwende t e n.^' Aber er- 
stens betrug „die ganze schöne Zeit'^ nur an drei Vormittagen jedesmal eine 
gute Stunde , also etwa vier Stunden ; und zweitens scheint der Verf. 
die Wichtigkeit der Frage nicht zu ahnen , dass es sich nämlich darum 
handelt , ob die latein. Aufsätze des Schalers noch ein untrüglicher Grad- 
messer für dessen Kenntniss der Sprache sein sollen oder nicht. 



422 Philologie. 

richU. Die UnivertiUUiehrer aber ihrttn sieh bieten -methodi- 
Bchen BetrachtaDgen ebenso weol^ entliehen , einmal, weil sonst 
ihre Philologie, obgleich sie mehr in der reinen Theorie sidi be- 
weg! als die der Gymnasien, mit der Gymnasialphiiologie in immer 
grossem Zwiespalt gerftth und diejenigen Erweiterungen der Wis- 
senschaft nicht anstrebt, welche gegenwärtig für den aeitgemissen 
theoretlsclien Unterricht nöthig sind, and dann, weil sie als 
öffentliche Lehrer den Icünftigen philologischen Gymnasiallehran 
nicht blos die nöthige theoretische Vorbildung, sondern auch eine 
mdglichat gute Anleitung lur pnktischen Verwendung der Philologie 
geben sollen, und darum mit den dermaligen Forderungen und Be- 
durfnissen der Gymnasien vertraut sein müssen >^ 

Es Hesse sich noch manches bespredien, wie z. B. der in den 
Statuten $. l,d.angeföhrteZweck: „grossem philologischen Unter- 
nehmungen, welche die vereinigten Kräfte oder die Hfiife einer 
grossem Ansahl in Anspruch ndimen , au befördern'^; gewiss eine 
ochst beachtenswerthe Idee, su deren Realisirung auch einmal 
in einer wichtigen Sache ein Anlauf genommen, aber, wie eine 
spStere Meldung und noch späteres Schweigen beweist^ kein Er- 
folg eraielt worden Ist; indess bleibt dies besser anerwähnt , um 
endlich lu den vorliegenden Verhandlungen au kommen. 

Die bisherige Einleitung Jasu ist ttbrigens nicht deshalb ge- 
schrieben, um etwa einen Haassstab au haben, nach welchem ge- 
drackte Protokolle beurtheilt werden könnten — das wire eine 
lächerliche Verblendung und anmaassende Verkehrtheit — nein, 
diese einleitenden Bemerkungen wollten blos einige allgemeine 
Gedanken anssprechen, sn denen jeder: Schulmann, welcher die 
Zeichen der Zeit zu beachten gewohnt ist, bei stiller Betrachtung 
des Vereins der Philologen im Allgemeinen geführt wird. Die 
Jenaer Phllologenversammlnng, von der nun speciell die Rede sein 
soll , muss im Ganzen , nach parteilosem Drtheile aller stimmfä- 
higen Zeugen, unter den bisherigen zu den vorzüglichsten ge- 
rechnet werden, da sie der UebelstlLnde wenige, der Vorzüge 
viele in sich vereinigt hatte. Was die Theilnehmer, die ausser- 
liehe Geschäftsordnung und den Gang der Verhandlungen betriffi, 
so ist darüber seiner Zelt in politischen, philologischen, phlloso* 
phischen , allgemein literarischen und jsogar belletristischen Blät- 
tern von Freund und Feind sehr Vieles geschrieben worden. Für 
das gelehrte Publicum war die griindlicfaste , mit ausgezeichneter 
Besonnenheit und Umsicht geschriebene Darstellung vom Rector 
Dr. Eckstein in der Hallischen Allg. Lit.-Ztg. 1846. Intell.- 
Blätter Nr. 59—61. Auch diese NJbb. haben in Bd. 48. S. 85 
bis 96. eine sorgfältige Mittheilung gegeben, soweit eine sol- 
che ohne persönliche Anwesenheit, mit Benutzung von ander« 
weitigen Nachrichten , nur möglich war. 

Wenn ich nun, nach dem Wunsche der verelirten Kedactioo, 
noch über die gedruckten Verhandlungen Bericht erstatte, so kanu 



Verhändlangen der neunten VersamatJung deutscher Phildogen etc. 4$i3 

dies keioen todern Zweck kabeo, ah einfach zu referirea Qlier 
das Was und das Wie, einige vgo den trefflicba^n oder inter- 
essanten und pikanten Pointen ansufiihren , vielleicht ancb einmai 
eine kurae Bemerkung hinsususetzen , und so zu der fr&heren 
MittheiluBg dieser NJbb. eine erst jetzt durch den rorliegeoden 
Druck der Verhandlungen möglich gewordene Ergänzung zu Uefern. 

In Hinsicht auf Genauigkeit der Redactio^, welche Hr* ProjC 
Dr. Weissenborn besorgt hat, werden die Jenaer Verhand- 
lungen von keinen frühem übertroffen. Denn anC die Repro- 
duction der zum grössern Theil frei gehaltenen Vortrage ist alle 
mögliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit verwendet worden, so 
dass der Wunsch des Herausgebers „es mögen diese Blätter eine 
gute Aufnahme finden und den Anwesenden eine freundliche Er- 
innerung an die Tage frohen Zusammenseins , denen aber, die 
nicht erscheinen konnten , einigen Ersatz gewähren l^^ sicherlich 
in Erfüllung gehen wird. Es tragen hierzu selbst Kleinigkeiten 
bei- So ist jetzt zum ersten Mal nach dem Abdruck der Statuten 
und der sämmtUchen Mitglieder der Versammlung ein dnppeltes 
Verzeicbniss hinzugekommen, nämlich erstens ein ,, Alphabe- 
tisches Verzeichniss der auswärtigen Mitgliedern^ 
und zweitens ein Verzeichniss der Wohnorte denselben» 
Es wäre zu wünschen, dass künftige Herausgeber solcher Proto- 
kolle diese zweckmässige Einrichtung beibehielten, weil hierdurch 
dem persönlichen Interesse der Zukunft ein nütslicher Dienst 
geschieht,. 

Es folgt L das Protokoll der vorbereitenden Sit- 
zung (S. 13—24.), wo, nach den Begrüssungsworten des. ersten 
Präsidenten, in der Debatte, die sich über die Unterlassung einer 
speciellen Einladung an die Reallehrer entspann , folgende inter« 
essante Worte des zv^eiten Präsidenten gelesen werden: „die 
Realschullehrer hätten sich) um das beliebte Wort zu gebrauchen, 
emancipirt, wie efaie Colonie von ihrer Metropole; es wurde 
sich nun wenig schicken^ wenn die Metropole die selbststän- 
dig gewordene Colonie wieder aufsuchte und ^ur Rückkehr auf- 
fordere, sonderp der letzteren komme es zhi wenn sie es für 
thunlich halte, auf Wiedervereinigung anzutragen.^^ Und übfr 
die Anmaasslichkeit eines Realschullehrers in der brieflichen Be-r 
merkung, „die Versammlung würde wohl gethan haben, wenn sie 
die Trockenheit der Philologie durch die wteenscbaftliche Leben- 
digkeit der Realisten einigermaassen gewürzt hätte^^ sagt derselbe 
:fweite Präsident: „Man fühle sich nur durch diese Tr#ekenheit 
nicht allzu verletzt; denn der Schreiber des Briefes sei uneinge- 
denk jenes weisen Spruches des alten Heraklit, dass gerade die 
tr<^ckenste Seele die beste aei>^ beides sind Aeusserungen, 
.welche eine feindselige Gesinnung mehrfach entsifllt bsit. 

II« Die Verha^ndiungen in der erste» öffentli- 
chen ßi tzu nf (S. 25-46.) wenden durcÜ die Rede des Fräsi- 



4M Philoleeie. 

iknteB eröffnet, woriB die Nothwendigfcelt des VereiDS in Hinsieht 
anf die Anfechtungen der Gegenwart dargethan wird. Da heisat 
es onter Anderm: ,,Da8 Gute [der bisherigen Philologenversamnu- 
lungen] ward nicht allein durch Vortrage ober einieine Gegen- 
stinde, wenn auch da lielfache Anregung lo weiterer Forschung 
geboten werden Iconnte, gewonnen, sondern durch den Verkehr, 
in weichem Manner verschiedener Richtung die Ansichten gegen- 
seitig austauschten und prüften, in der Personlichlceit, weldie in 
allen Erdendingen ihre ToUgültige Macht behauptet, dnd andi 
hier lu näherer Verbindung, zur Anerkenntniss und Achtung 
fahrte, vorzdglich aber in der Ueberzeugung , dass die Verdaten 
sich als gleiche Sinnes- und Glaubensgenossen au betrachten ha* 
ben, und bei dem Bewusstsein einer gültigen Stellung anf dem 
Gebiete der Wissenschaft diese su behaupten und als eng Ver- 
bündete, sei es im Kampfe , lu Tertbeidigen berufen sind.^ Naeh 
Charakterisirung der verschiedenen Angriffe auf die Phflolögie 
wird besonders der Vorwurf einer nutzlosen Kleinlichkeit, welcher 
gegen specielle Untersuchungen eines einseinen Sprachgebrauchs 
oder des Wesens einer Partikel erhoben wird , sehr schön surnclt^- 
gewiesen durch Vergleichung des Philologen mit dem Botaniker, 
der auf ähnliche Weise ein Pflanzenorgan zerlegen, und mit dem 
Zoologen , der die Fischgrate und die Embryonenbildung der In- 
fusorien unterauchen müsse. „Und doch hat der Naturforscher 
es nur mit Auffindung eines Gesetzlichen in der freiheitlosen Na- 
tur, der Grammatiker mit der Erforschung des Gesetzes eines 
geistigen Organismus zu thun;^^ worauf dann das Wesen des Phi- 
lologen also bestimmt wird : „Der Philolog will nicht mehr sein, 
als wozu ihm sein wissenschaftlicher Beruf das Recht giebt, er 
will forschen und lehren, wie das Alterthum in jugendlicher Kraft 
gestrebt hat, die höchsten Ideen der Menschheit zu realisiren, 
wie in Sprache, Kunst, im Denken und Handeln der alten Welt 
der Geist des Menschen sein Wesen und sein Gesetz hat kund 
werden lassen, dass es der Muhe lohne, den Quellen der Er- 
kenntniss nachzugraben und in den Organismus des Geistes bis 
zu den feinsten Elementen zu dringen/^ Hieran schiiesst sich die 
Widerlegung des bekannten offenen Briefes mit der pikanten Ein- 
leitung: „Offene Briefe haben in unsern Tagen kein glückliches 
Schicksal gehabt und nur den Wunsch angeregt, sie möchten nicht 
geschrieben sein>^ Gegen den Brief Selbst wird hier viel Gutes 
und Wahres mit so ruhiger Besonnenheit vorgebracht , dass sich 
hieran die Gegner ein Vorbild nehmen könnten. Besonders an- 
sprechend ist au^ den Einwand : „der Gymnasiallehrer dürfe nicht 
» über dem Volks- und Realschullehrer stehen, sondern neben bei- 
den,^^ die Erwiderung: „Haben sie jemals anders gestanden? 
Werden nicht für die früheste Erziehung die tüchtigsten Talente 
erfordert? Und kann da an eine Ueberhebung gedacht werden, 
wo eine naturgemässe Stufenfolge zu einer Höhe hinaufführt? Für 



Verhandlaxigen der nennten VerfiammloDg deutscher Philologen etc. 425 

unl bleibt die ehie Frage gttitig: wo beginnt die- Bildung ür 
Wissenschaft; nicht: wo beginnt die Bild img fürs Leben ^ sonst 
rangiren aach die M&tter und Ammen in gleicher Reihe mit den 
^ Philologen; denn aach -sie lehren Sprache und oft sehr gründlich.^^ 
Nachdem dann die Sucht, auch bei Beurtheilang der Wissenschaft 
das Gewicht augenblicklichen Nutzens in die Wagschale zu legen^ 
und die Epidemie der Frühreife , welche bei der heutigen Jugend 
existire, in der Kürze berührt worden ist, wird als Resaltat hin^ 
zugefügt: „So lange des Menschen und so auch des wissenschaft:- 
lichen Menschen Heranbildung an eine fortschreitende £ntwicker- 
lung gebunden sein wird, so lange wird der zu bemessende Weg 
eine Stufenfolge bleiben, es wehden Grenzen der besonderen Ge- 
biete gezogen werden müssen, deren Ueberschreitung immer dne 
Zerstörung der nachbarlichen Region nnt sich führt. Darum sind 
alle Grenzstreitigkeiten zu entfernen und die einzige Losong, 
welche uns alle ebenbürtig neben einander stellt, [istj die Wis- 
senschaft.^^ 

Dies ist fm Wesentlichen der Gang der Eröffnungsrede. Main 
ches darin kann auffallen, wie z. B. gleich im Anfange, wo der an- 
dere Zweck der Philologen vereine , nämlich die Behandlung der 
Methode erwihnt wird , die ausdrückliche Wiederholung , dass 
^^wissenschaftlich Gebildete als Lehrer sich verbanden, um sich 
über die in sich zu begründende und erprobte Me- 
thode gegenseitig zu verständigen. Dass dabei an die 
höheren Lehranstalten gedacht und die namentlich genannt wur- 
den, in weichen das Studium der Wissenschaft be- 
ginnt und durchgeführt wird, lag schon in dem vorausge- 
stellten Begriff eines Vereins für die Wissen8chaft/> Denn erstens 
ist der pädagogisch -didactische Zweck, wenn man von ein paar 
vereinzelten Beiiäufem absieht , nie aufgekommen ; und zweitens 
können als Anstalten, in welchen „das Studium der Wissenschaft 
beginnt und durchgeführt wird^S wohl bios die Universi- 
täten gelten. Der Ausdruck dürfte daher zu unbestimmt sein. 
Einen andern etwas auffilligen Punkt giebt die Stelle, wo die ver- 
schiedenen Anklagen der Philologie aufgezählt werden mit den 
Schlussworten S. 26: „Alles das hat sich während einer Reihe von 
Jahren in Schriften und Schriftchen ausgesprochen, bis endlich 
tiogar der Vorwurf auftauchte, die Betrachtung des sogenannten 
heidnischen Alterthums sei der christlichen Frömmigkeit nach- 
theilig, und man habe zu sorgen, dass unsere Jugeqd nicht auf 
classischem Wege ins ewige Verderben irre>^ Das klingt nämlich 
offenbar, als wenn der letztere Vorwurf erst in der Neuzeit auf- 
getaucht wäre , da doch bekanntlich schon im Zeitalter der Re- 
formation dieselbe Opposition *)^ fast mit denselben Gründen her- 



*) Man Tgl. Schrockh Kirch. - Gesch. Th. 30. S. 217. Saug 
Hist. der Aogsb. Conf. B. 1. p. 54. Arnold Unparth. Kirchen* and 



4SA PhiUkcie« 

vorgetreten ist Doch das sind ooliedeateade Kleinigkeitea. Die 
gsBie Rede ist fo beschaffen , daae dem hochverdienteo Verfasger 
gcaichert bleibt dw xliog bvqv utd l0$o(iiPOiöy irvdi^ai, weil 
aus Form und Inhalt hervorgeht, ea habe ao nur die vieLBeilige Kr* 
fahmng eines gr&ndiichen Philologen und edlen Charal^tera sich 
aussprechen iLonnen« 

Nach der Eröffnungsrede folgt sunfichst des Herrn Dr. 
Köchly Vortrag fiber „die Einheit der Handlung in 
Bifrlpidei(Hekab&^^ Unter sehr gewandter und geschickter 
Darstellung des Fortschritts 90 der Handlung wird die dramatische 
Einheit des Stockes in folgendem gefunden S. 32: „es fuhrt Po* 
lyxena's Tod, den Achilleua' Schalten verlangt bat , fär die Hekabe 
die Anffindunj^ und Bestattung das Polydoros, damit augieicb die 
feeetüigong von des Sohnes Schi^&sal und endlich die Kache an 
defenen Mörder mit Nolhwendigk^it herbei^S «0 wie 6^ 36: „die 
vom höchsten Glanae in dastirfste Elend verseolcte, Uifes Gatten 
und aller ihrer Kinder beraubte Hekabe findet, gerade als der 
Tod ihrer ietsten Kinder aie gandicb niedersuachmettern acheiut 
und in ihr den heissen Wunsch au sterben evwecktv in steigeudeoi 
Maaase Trost, Beruhigung, jaFreode, auerst in dem muthlgen Be* 
nehmen udd dem edeln Tode der Poljxena, dann darin, dass eben 
durch jenen Tod nach GötteracUuss ihr den Sohn au finden und 
lu bestatten, so wie an dem verruchten Mörder sich zu rächen 
möglich gemacht wird. So befriedigt und erhoben er- 
glebt sie sich' in ihr Geschick als Sklavin sa leben, 
und selbst die Prephezeihungen des Polymestor können in dem 
Hinblicke auf eine noch schmählichere Zukunfl sie nicht in ihrem 
Gleichmnthe mehr stören. So entrollt Enripides vor unsern Augeu 
ein erschütterndes Gemälde vondemscbnellen Wech* 
sei und der Veränderlichkeit des Glöckea, und in dem* 
selben Sinne weist Polymestor's Vorhersaguog von dem Tode Aga- 
memnon'a noch ober das Stüdc binans.^^ Das ist sehr schön zu 
hören und zu lesen; aber nach unmittelbarer Lectlire des Griechi« 
sehen selbst macht sich denn doch das Bedenken geUend« als wenn 
die Idee des Stückes, so ausgedrfickt, etwas zu sehr ins Allge* 
meine TerfUeasen wollt«) und alz wenn besonüders dio letzten Pro- 
phezef bongen noeb nicht snr GenBge gerechtfertigl waren^ Zm 
Anfange des Vortrags wird einiges tiber die M^theobehandlttog 
der drei Dramatiker vorausgeschickt, und eine Bemerkung gemacht 
über die „durch die Entwickelung der Tragödie gebotene Moth« 



Ketzerhistorie B. I. B. 105. ff. Barckkard de fati« ling. lal. p. 350. 
ond viele Stellen ao«Melanobtli(Hi*sSchrifi;ftn dsfefen gesaaunelt, ebeados* 
p. 436. ff. Bekannt sind die einzelnen Anspielungen bei Mar et, mit dem 
€. G. Siebeiis seine DiaputoHoneM jumfue etc. beginat, welche letz- 
tem hiiifiger benutzt als oitirt werden. 



Verbandinogen der nennten VersanmioBg deutscher Philologen etc. 427 

wendfgkeit'^ der Prologe, ü^ofang tiod Ende de« Stackes also 
findet EntschuldiguDg und Erklärung. Dagegen wird Aer bcrköauB'- 
liche Tadel y daas ^die lyrischen Partien des Eoripides giemlieh 
weitschweifig seien , mit vielen nichtssagenden Worten den Inhalt 
Terwässern; dass femer die Chorgeaänge oft in gar keinem Zusam- 
menhange mit der Handlung stehen^S für mehrere Theile der He- 
kabe als begründet in Anspruch genommen, aber die Vermuthung 
geäussert; dass wohl bei dergleichen Stücken, wie in unsera Openii 
die Composition und der mosikalische Vortrag bei weitem die 
Hauptsache gewesen sei und den Text entweder gauy oder gros&r 
tentheils überwuchert habe , ja dass vielleicht manche dieser abv 
gerissenen Chorgesaoge in verschiedene Tragödien nach Befinden 
eingelegt worden seien, woao der in fünf Tragödien des Euripidöi 
wiederkehrende Schluss: noXkal fnoQtpal tmv dai§iovlav xxlf 
einen Fingerzeig gebe. Bei dieser ganaen Vermuthung hat Hr. 
K. vielleicht an die Klage des Pratinas (bei Athen. XV. p. 617 C.) 
gedacht; aber es dürfte wohl schwer sein, die Conjectnr au über- 
zeugender Wahrscheinlichkeit au erheben. Indess werden sehr 
viele Leser den Wunsch hegen, dass Hr. K. die aufgestellte Idee 
des Stückes und die eingeflochtenen Andeutungen, aum Nutzen 
der Wissenschaft, ausführlicher ^ als ein solcher Vortrag es ge^ 
stattet hat, begründen und dabei zugleich (was bis jetzt geschehen 
ist) auf Hartung's Behandlungsweise im Euripides reetUutu» 
die gebührende Rüdesicht nehmen möchte*). Uebrigens hat nach 
Hrn. Köchly's Vortrage Hr. Prof. Müller, der gelehrte und gekt- 
volle Uebersetser des Aristophanes , einiges über die Zeit und. 
das Streben' des Euripides so wie über dessen Prologe, als £ntge§^ 
nung auf Einzelnheiten, hinzugefügt, worauf Hr. D.r. K. zu seinem 
Vortrage selbst noch eine Bemerkung über die theologische 
Richtung des Euripides nachholt, dass man nämlich die Entwicke- 
lung und Gestaltung seiner theologischen Ansichten mit Hülfe der 
wenigen sicher beglaubigten 2«eitbestimmungen einzelner Dramen 
möglichst ohronologlsch verfolgen müsse« 



*) Dass dies noch nicht geschehen sei , gesteht Hr» K. ganz offen 
nnd ehrlich in einer «bniichen Arbeit, nämücb in der Abhandlung über 
die Alke st is (in Fratx Liter. Taschenbnche 1847), welche korsUch an 
R. Ranchenstein duien eben so gelehrten als homanen nnd besonnenen 
Gegner gefunden hat. Herr Kochly wurde sich überhaupt , in Be-;- 
ziehnng auf seine bekannte Reformbestrebung, zogleich ein wichtiges 
pädagogisches Verdienst erwerben, wenn er eine Reih« von Einlei- 
tungen nnd Ideen-BntwickeluDgen au den für Gymnasien geeigneten Stuk- 
ken der Tragiker für den Geaichtskreis der Jugend bearbeiten und her« 
ansgeben wollte. Es würde dadurch' der Kampf, inwiefern sich derselbe 
auf die von Herrn K. mit Recht verlangten Einleitungen bezieht, sich 
nicht mehr in abstracto bewegen , sondern den ooncreien Boden ^f^n prao- 
tischen Beispiels gewinnen. 



4S8 PhUologie. 

Deo sweiten mündlichen Vortrag hält Hr. Prof. I>r. Bergk 
über ^,die Oeschwornengerfchte su Athen>^ Nach dem 
Eingänge: ,,Ich befinde mich In dem ganz entgegengesetsten Falle, 
wie der Redner vor mir : dieser hat versucht, eine Tieifach-behan- 
deite Streitfrage beiEuiegen, ich mochte eine Controverse anregen^ 
— sucht der Redner durch Betrachtang der äusseren Zeugnisse 
^Aristot. Polit. II. c. 9. und Flut. vit. Sol. c. 18) und aus inneren 
Gründen zu beweisen , dass das Institut der 6000 Heliasten nicht 
vom Selon herrühre, sondern in späterer Zeit^ wahrscheinlich vom . 
Clisthenes eingeführt sei, wozu eine Stelle des Solon, die Bevöl- 
kerung Attikas und Athens/ der Richtersoid, der Name i^Kiata n« 
^kiaötal (die ton Herodian bei Arcadius bemerkte und durch das 
Aristophanische ditijkia6ti]g bestätigte Psilosis des Worten, «o wie 
die Ableitung desselben von ttAi^g), der Ort der Versammiuifgen^ 
die Stelle des Sfe^h. Byz. 'Hkiala in Betrachtung kommen. Diese 
ganze Beweisführung erregte eine lebendige und interessante De- 
batte, welche vermöge der Genauigkeit des Protokolles selbst der- 
jenige, der ihr nicht beiwohnte, sich vergegenwärtigen kann. 

III. Die Verhandlangen in der zweiten öffentli- 
chen Sitzung (S. 46— 66) eröffnet Hr. Oberschulrath Rost 
mit dem Berichte ober die Berathung des Comit^ für den näch- 
sten Versammlungsort. Einen aufheiternden Klang haben fol- 
gende Wendungen : „die Königstadt Berlin wurde fär iinsern Em- 
pfang als zu gross befunden^^ werden. Es wird Basel In Vorschlag 
gebracht. „Vielleicht fahrt bei diesem Vorschlage Manchem der 
Gedanke in den Sinn: ist Basel auch eine deutsche Stadt? Aber 
Jeder wird uns, so hoffen wir, darin beistimmen, dass überall, wo 
deutsche Gesinnung und deutsche Sprache herrscht, Deutschland 
ist und dass gerade In unseren Tagen ein Verzicht auf 
dieutsche Rechte als höchst anpatriotisch und un- 
populär erscheinen würde/^ Genehmigung. Rost: „Wir 
würden eine verlassene Heerde sein^ wenn wir keinen Hirten hat- 
ten ; das Oomitd hat daher auch auf die Wahl eines Präsidenten 
seine Fürsorge erstreckt. Es bedurfte für diesen Zweck keines 
langen Uriihersinnens : der rechte Mann war von uns, wie gewiss 
auch von allen Vereinsgliedern jetzt, leicht gefunden, unser wacke- 
rer Gerlach, der sein lebendiges Interesse für die Sache des 
Vereins durch fast unausgesetztes Erscheinen bei demselben, das 
nicht ohne Opfer bewerkstelligt werden konnte, und durch eine 
Reihe der gehaltreichsten Vorträge bethätigt hat/^ Endlich noch: 
„der neue Präsident hat starke Schultern ; er würde aber dennoeh 
die Last des Präsidiums und aller mit der Habilitirung des Vereins 
verbundenen Geschäfte nicht füglich allein tragen können. Wir 
müssen ihm eine Stütze zugesellen. Auch hier ist die Wahl nicht 
zweifelhaft: wir bringen den Hrn. Prof. Via eher zum Vice- 
präsidenten in Vorschlag/^ 

Nach dieser Verhandlung lesen wir zunächst den freien Vor- 



Verbandlangen der nennten Versammlung deutscher Philologen etc. 42$ 

trag des Hrn. Prof. Prell er über »^das ZwJhlfgöttersjstein 
der Griechen.'^ Der Kedner spricht eialeitungsweise über den 
Polytheismus in den Religionen des Alterthums nnd bemerkt, dass 
gleichwohl darin ein monotheistisches Bedürfniss und ein entspre- 
ehcndes Streben unter zwei Formen bemerkbar werde,, nämlich 
unter der Form des zu möglichster Einheit gesteigerten Zeusbe- 
begriffes und unter der die Vielheit der Götter möglichst zur Ein- 
heit sammelnden Gruppenbildung. Durch letztere verliere die 
griechische Götterwelt von selbst den Charakter der polytheisti- 
schen Zerstreutheit und werde ein grosses ,)in sich sehr schön 
und harmonisch abgestuftes, in pyramidalen Schichtungen allma- 
lig zu einem Gipfel emporsteigendes Pandämonium. Am inter- 
essantesten sei die olympische Zwölfgöttergruppe.^^ Schon bei 
Homer sei die Idee des olympischen Götterstaates vollständig aus- 
gebildet, auph die Zwölfzahl bereits angedeutet. Dann wird die 
Wandelbarkeit des Personals und die Entstehung der Zahl Zwölf 
in Betrachtung gezogen. Die letztere werde abgeleitet entweder 
aus politischen Anlässen, so dass man zwölf Staaten oder 
Stamme annimmt, weiche bei irgend einem Ereignisse zu einer 
politischen Einheit susammengefasst, und indem jeder Stamm sei- 
nen besondern Gott gehabt habe, durch Vereinigung dieser Götter 
einen Zwölfgötter-Complex gebildet hätten; oder aus kalenda- 
rischen Anlässen, indem das System der zwölf Götter mit dem 
System der zwölf Monate combinirt wird. Zu der letztern An- 
sicht neigt sich der Redner und zwar will er den Ursprung aus 
den kalendarischen KuHusformen Aegyptens ableiten. Aber es 
sei dieses System in Griechenland vornehmlich in einer ethisch- 
politischen und durchaus nationalen Wendung aufgefasst worden, 
so dass man überall die zwölf Götter fände als „die idealen Vor- 
stände, als den religiösen Mittelpunkt alten nationalen Verkehrs, 
alter Staatenbildung^S was durch eine Reihe von Beispielen be-^ 
gründet wird, worauf gewissermaassen als Resultat hinzugefügt 
wird: ,yUeberall liegt dieselbe Vorstellung zu Grunde, dass alle 
nationale und politische Einigung auf Erden , alier Rath und alle 
gemeinsame Bestimmung ein Ausfluss jen^s Olympischen Götter- 
rathes ist , der in der Zwölfgöttergruppe seinen typischen Aus- 
druck gewonnen hatte. So sind diese Altäre und Götterversamm- 
langen gleichsam ein Hineinragen des Olympos in die unmittelbare 
Gegenwart und Realität des menschlichen und voiksthüm liehen 
Lebens , wie der Cultus ja überall dasjenige, was die Mythologie 
in die unsichtbare Form des Götterberges oder diss Himmels oder 
in die jenseitige Welt des Okeanos versetzt, durch seine prakti- 
schen Satzungen mitten im Leben vergegenwärtigt uäd in .sicht- 
baren und greifbaren Formen darstellt.^^ Schliesslich folgt noch 
die Erinnerung an die speculative Anwendung des Zwölfgötter- 
systems in Plato's Phädros p. 246, wo die ganze ideale Geisterwelt 
nach zwölf Gruppen gegliedert ist. — Aji diesen sehr anziehienden 



490 Philologie. 

Voitlrftl fechliesst sich eine ffüchtreiche Bebatte an, dte attcll der 
blose Leser bei solchem ProtolcoUe gendd und mit Interesse ver- 
folgen kann. 

Hierauf gab Hr. Prof. Schnetdewin eine Mitthelintig fiber 
„einen angeblichen Hymnus auf Poseidod^S der bereits 
1817 im Spettatore di Milano in italienischer UebersetauMg er^ 
schienen und ili den Stodii filologici des Grafen Giac. Leopard! 
(Florena 1846) wieder abgedruGl[t sei. Der Redner theiite eina 
Tom HrA. Dr. Regel verfertigte deutsche UebersetäBung'mlC, und 
erwies dann mit entscheidenden Gründen die Üdechtheit des 
ganzen Gedichtes. Ans Bemerkungen des Dr. Pruta, Prof. 
Wala und DIrector Sauppe ging hervor, dass ohne Zweifel Leo^ 
pardi selbst der Verfasser dieses Hymnus sei. Pror. Dr. Na de k 
«rkliirt ihn für einen ganz unselbststündigen Cento, fär ein reidev 
Stoppelgedicht eines wenig begabten Dichters. Ja ein Schnl'* 
mann , der 5fters solche Versübungen mit seinen Schblem vor- 
nimmt , und die jetzt gedruckt vorliegenden Gedanken zu diesem 
Zwecke ruhig durchmustert, könnte sogar die Yel*muthung ftussem, 
dass das Gedicht im Griechischen dicht einmal vollstSndfg 
existirt habe^ sondern blos in der italiiinischen Uebersetzung. Denn 
so leicht sich bei einer Reihe von Versen das griechische Proto- 
4ypon darbietet, so möchte es doch bei mehreren ziemlich schwie- 
rig sein, die Worte ohne wesentliche Aenderungins griechisehe 
Metrum zu bringen. — Einen höchst günstigen Eindruck madbt 
der Schluss der Verhandlungen in der «weiten Sitzung, n8mlleli 
der Vortrag des Hrn. Prof. Döderlein über „die Beschrei- 
bung des Thersites bei Homer'' (Ilias ü. 216 ff). Geist- 
reich , belehrend , anregend , mit natürlichem Humor und eigen- 
thümlicher Etymologie: das sind Eigenschaften von Allem, was 
Döderlein spricht oder schreibt. Wenn die Philologen , wie eid- 
mal der VorschUg gemacht wurde, unter sich «elbst Sectionen 
bilden wollten, so würde Hr. D. ohne Zweifel in einer der etymo- 
logischen der alleinige Meister sein. Es hilft nicht viel, diese oder 
jene Ablelturig von ihm zu widerlegen , so lange dicht seid ganzes 
Princip in tiefere Untersuchung gezogen wird : dazu aber sind dar 
Wenige geneigt oder befähigt. Hier beginnt Hr. D. : „Neben den 
grossen Heroen deV llias hat ein Mann anderer Art eine fast weit- 

Seschichtliche Berühmtheit erhalten ,Thersites^^, giebt dann 
en Zusammenhang der ganzen Stelle an, und nach Fr. Jacobs 
die Nothwendigkcit der betreffenden Episode. In dieser nun er- 
scheine Thersites als eine gemeide Seele, als dei^ Slteste DenA- 
gog *) im schlechtesten Sinne, finde sein Gegenbild im Schreiber 



*) Der örit&» dtt ihh äO tientit , ist woLl J}tö Chrysosi. d6 Rdgho It. 
Sf. 22. (p. 23. ei. fi:int>ef.) iA ^ietA biekanntdn ii^iia^ooyov ttvo^ Inavtc- 



Verhandlangen der neunten VerMtBüilling deutscher Philologen etc. 4SI 

YMsen in Goifae's figm^nt ^ sei roher Linti^ftdier mA Mt^^ch 
eifli Listernitnl, qui capUd rhm honiinum famttm^e diaticiB. 
Dies aei^eficfion »eiiiNaaie: @$QiStti]^ der Frc6ll«, voto f^a^üöS^ 
vgl* den Freier üokvd^igö^g. In der Erklärung der etdz^liieii 
Worte wird ^Axdg mit BuUmann gedeutet (sonst würde Hoiner 
ein confusionarim sein): l^rnniitt^ gebogen^ ifel Adjectlvntti «u 
Mx, falcatus mit fleolere verwandt ulKl gleiehbedentend tnit/u/et-' 
pediue bei.Petroiiius« ilsO krumnibeinig) ^diUco^ se. Afiipo^ 
rigovg tovg noßais ^^ ^tis €te0}>v n68a sii entlehiien «ei» Dae 
9)o|o$ (t. 219) sei nieht^pitt^ SpilakOpf -^ denn würde de¥ 
Perlolea iixi,vi)7^iq>tik^ fA giefelier Lirtie rangireii und die Phreno-* 
logie zerstört werde«! -^ soadern ed bedeute , weM elil ^tn^iMt 
Mensch ' möglichst sinhlieh aussehen mikise und Heisch das Syn- 
boi der Sinnlichkeit sei, einen Dick k «pf ^ kl. wshrseheinlieh ea^ 
fHö"^). f^Ich.mtiis euf mein Steckenpferd steigen, die Etymo- 
logie^ werde es aber hier leieht und geduldig hinnehmen, wenft 
mir dieser etymologieiehe Versuch terWorfen werden sollte. Vor- 
an eine oberflächliche Bemerkdtig: Im Sulfebtirgisehen nennt mftn 
einen Cretio einen F 4k, ein dicker Kopf ist aber bekanntlich ein 
Characteristicuoi des Cretinismus^^ . Nun Wird gesagt, fpo^og^ei 
eine andere Form von «eiK^vg, vermittelt diireh pesa toga, Homo' 
nymum au pexue gekämmt« Eben fto verhalte sich Ao|6g an Ai« 
XQMg, und Btlhii apeäfüdös t^eltwurst^ !fett «ix;^£^. Athenaens 
aus Simonidei ipo^li^koi ^J^ilfj HVh^ i. q. itäxviBtkijg. Das q) 
statt K sei verweicbte Ab^prftehe voii östo^o^^ wie fitnguB von 
axäyyog und das homerlsehe BUiXpa^HV als Nebenform des syno- 
nymen hlkviSn&v. Der 2atritt der Prothese sei auch in speciile xtt 
erkennen. „Dies ah bescheidene Vermethung, bei dem Folgen-^ 
den darf ich stärker und kecker auftreten/^ Nämlich Vers 219: 
fffsSpi^ intvf^öi&B käXvij bez^chne keinen Kahlkopf, das passe 
sieht aum mtfxi^ötcg äv^Q. Denri ^^^ie möehte sonst die redende, 
wie die bildende Kninst den ehrwtSIrdigen Greis und den gottbegei- 
sterten Sanger mit solcher Verliebe als kahl und blind darstellen? 
Nur die bösen Buben rufen dem Elisa nach : Kahlkopf, und wer-* 
den gleicli darauf von den -Bären aerrissen; nur die gottlosen 
Freier spotten ttber di^ Glatze des Odysseus, in der sich das Kat-* 
minfeuer spiegelt. Horsa Und A. W. Schlegel machen Ihren Kahl^ 
köpf aum Gegenstand einer ergötaliohen Selbstironie, welche wi- 
derlich wäi«, wenn sie eine wlfkllcheHässlichkelt aurSchtm stellte. 
Selbst dem jugendlichen Gesicht verleiht der frühe Verlust de^ 
HearBChmucks einen Charakter von Freiheit und ßröfilt dufdi das 



^) l)ad ^ii-d llr. Difectbr Lind etd an it, dei^ 1845 in zitier ^dt^n 
. gesehritibened Denkschrift aaf dtti SSittftüer BirgÜtiäMhi^ Hätfpt den 
Namen Capäo in Anspruch nahm , itttxött kos Giföndefn d^r Acdthetik oAd 
Hanuäi^at Ddoht zugeben kdätteni 



482 Philologie. 

gleichseitige Wachsthmn der Stirne. Es gewinnt an Wurde^ was 
es an Jugendreiz verliert.^^ Ein Kahlkopf vollends, unter Stocks 
schlagen gekrümnit, sei ein empörender Anblick. Aaxvi] be- 
deute vielmehr, yvie lana^ nur die Wolle, in doppelter Eigen- 
schaft , entweder als weich' (so fi«ilAos als Assimilation von fia- 
Aaxds).oder als dicht gedacht, so hier. Die OiJQeg kaxvi^ivtsg 
L q. daöelg^ ßa^xgc^sg nach den Schol. und selbst kdxvij bei 
Homer vom Schol.. durch nvKVODötg erklärt. Das Wart ^advog 
seUe die Intensivform i^ofg«) voraus , me aXaxadvog^ aXctnd^m. 
Das a sei in a getrübt, um das sypkopirte ^ su ersetzen; wie xad- 
v6g yon x^Scd, xiKaöftai^ Daher bedeute tl^sövög zerreibbar 
und mithin trocken (wie dIeParonyma i^a^agog^ ^adi;^dg, ^a- 
qxxQog), einen Strobelkopf, einen dichten,. rauhen, borsten- 
artigen, struppigen Haarwuchs, mit der ^Neigung starr emporzu- 
stehen , anstatt sich geschmeidig in Locken zu ringeln oder weich 
und glatt herabzufallen ; wie die neuere Kunst gemeine Bösewich- 
ter und sittlich rohe Menschen, z. B« den Judas und die Schacher 
am Kreuze zu zeichnen liebe. Mit dieser Deutung gewinne auch 
das JSpigr. Crinagor. 22 in Anth. Gr. T. IL p. 133 Jac. sein ge- 
höriges Licht. Nebenbei wird eine Darstellung des Thersites 
durch Peter von Cornelius auf ^en Wandgemälden der Münchener 
Glyptothek als unrichtig bezeichnet upd bedauert, dass sich keine 
Darstellung des Mannes aas dem Alterthum nachweisen lasse; 
denn, selbst auf der tabula Iliaca^ da sie die zweite Rhapsodie 
übergehe, sei nichts der Art zu finden '^). Als Resultat ergebe 
sich nun folgende: Thersites sei darzustellen: „als ein frecher 
Bursche von etwa drei unddreissig Jahren, also als juvenis; 
nicht zu jung, weil er sich nach altgriechischen Begriffen doch eine 
Art Recht zutrauen muss; auch nicht zu alt, well sonst seine 
Züchtigung Mitleid erregen würde; ferner missgestaltet durch 
Säbelbeine und Lahmheit an Einem Fuss; die Schultern nach 
der Brust zusammengedrängt , contrastirend gegen die edle breit- 
schultrige Heidengestalt eines Ajas; auf diesen schmalen Schul- 
tern einen um so grösseren unförmlichen Kopf mit f eist em, auf . 
gedunsenen Gesicht und struppigem, rohen, ungepfleg- 
ten Haar.^' — Die Ausführlichkeit des gegenwärtigen Auszugs 
möge durch das Interesse entschuldigt werden, welches der Vor- 
trag bei Allen, die ihn hörten, erregt hat : ein Interesse, welches 
theilweise hervorzurufen auch das vorliegende Protokoll geeignet 
ist Es folgen 

IV. Die Verhandlungen in der dritten *) öffent^ 

*) Hiergegen bemerkt Hr. Prof. Heydemann in der Berliner 
,,Zeit8cbrifit für Gymnasialwäsen^^ 1847. H. 1. im Berichte der Jenaer 
Philologenversammlung eine Stelle der tabula Iliacay die ich nicht nach- 
sehen kann , da mir das Werk nicht zur Hand ist. 

*) Im Protokolle steht unrichtig vierten: ein Schreibversehen, 



Verhandlangen der neunten Versammlung deutscher Philologen etc. 438 

liehen Sitzung (S. 67-^93). Hier tritt zuerst Hr. Prof. 
Lindner auf, um einen Vortrags über ,,die Leistungen des 
Vereins für Gymnasialpädagogik in seinen sechs er- 
sten Sitzungen und die Grenzen des philologischen 
Unterrichts auf Schulen^^ zu halten. Davon finden sich hier 
einige Andeutungen, weil der Redner, wie angemerkt wird, im Be- 
griffe steht ^ seinen ,^y ortrag einer seihstständigen Schrift über 
den gegenwärtigen Streit um Gymnasialreform in Sachsen einza- 
verleiben/* Es ist sehr zu wünschen, dass dies wirklich geschehe, 
damit das fernstehende Publicum urtheiien könne, ob in dem Vor- 
trage selbst zu dem, auch in diesen NJbb. 48 , 95 erzählten , AuU 
tritte Veranlassung gegeben worden sei oder nicht. Dabei möge 
Hr. L. selbst, als erfahrungsreicher Pädagog, ganz ruhig ausspre- 
chen, weicheil Eindruck er bei dem Ereignisse gehabt habe und 
aus welcher Ursache dasselbe ihm hervorgegangen zu sein scheine. 
Wer als parteiloser oder gerechter Beurtheiler in der Sache eiw 
scheinen will, wird Zweierlei in Erwägung ziehen müssen , einer- 
seits die Bemerkung des Rector Dr. Eckstein, die im Protokolle 
wörüich abgedruckt ist und der ganzen Fassung nach nicht ohne 
Aniass gemacht sein kann, andererseits aber die Erfahrung, dass 
derartige Ereignisse in schriftlicher Darstellung nicht selten 
schlimmer und greller erscheinen , als in der Wirklichkeit. Sat 
sapienti. — Weiter bringen die Verhandlungen die lange Vor- 
iesung des Hrn. Prof. Fort läge über dessen Entdeckung in Be- 
treff „d«r Torpythagoreischen Musik bei den Grie- 
che n.^^ Dieser Gelehrte ist nämlich tiefer in die von Alypius 
aufgezeichueteu Toiiregister der antiken Musiknotenschrift einge- 
drungen, und hat, nach Beseitigung des bisherigen Missverständ- 
nisses der enharmischen und chromatischen Tonleitern gefunden, 
dass in der vorpythagoreischen Zeit nicht allein unsere diatoni- 
scheTonleiter bekannt und geübt, sondern dass sogar das Sy- 
stem des Quintencirkels und somit: das ganze Gebiet melodi- 
scher Fortschreitungen, auf ilem sich die gegenwärtig« Musik be- 



das im Verzeichnisse der Drockfebler S. 100* nicht beriebtigt wird. Aach 
ein paar andere sinnstorende Druckfehler sind linverbessc^t geblieben, 
z. A. S«.l. ausgleichen statt auszugleichen. S. 39.: „wie Suidas 
sagt, nur dass dieser im Widersprach mit den klaren Worten Piatarchs 
ihneneben Solo n. vdiese 'Macht «litziehen lässt.'^ wo wahrsclieinlieh 
"Tor Solon die Präposition' n a c h äosgefall^n ist, da die Worte des iSoidas 
{I. p. 777. ed. BernhJ] vifzSQOv dh'^4liovog %zl, gemeint za sein schei- 
nen. : Ebendtks. steht i^Ar^xsrv and ov8\v'%t%tthcU^%BlVLti^ firiS^v^ wie 
noch in den Ausg. d«s Plotarch von Sintenis and Döh ner , so wie in den 
Vö^, Lyr, des Redners geschrieben steht.- S. 47. ist die Zahl i^i^raeltt. 
S. 51.! „bei'^ner Veireiaigung je n.er- Stamm ^^ statt jede]^ Stamm. S, 
90.; Seäffert siattJSeyffert. « ^i - '■ ^ 

iV, Jahrb.f. Phil, m. Paed, od. KriU Bibl, Bd, L, H(t, 4. ^ 



484 Philologie. 

wegt, bereiüi voUstandig er5ffnet war. Er spricht dann über die 
iitere ood jüngere Methode, d. h. das dorische Enneachord imd 
die Grondtooleiter nach den zwölf HalbtoninterFallen der Octave, 
lieht dann das gegenwärtige Musiksystem in Yergleicjiung und 
nennt dieses beschränlLt und einseitig, weE es von der Schwerfil- 
liglceit der AIckordfoigen gedruckt sei und das Element der Melo« 
die in den Hintergrund geschoben habe. Die Musik der Alten 
dagegen sei ein System, das, getreu dem allgemeineren Charakter 
des Volkes, durch ,,das AUamiangende, Allgemeine und Allseitige 
seiner Anlage nicht sowohl einem einseinen Volke, als der ganzen 
Menschheit anzugehören scheint, indem es mit gerechter Hand 
die sämmtiichen Laufbahnen ausmisst, in denen die einseinen Ton- 
leitern als Abbildungen entgegengesetzter Seelenstimmungen und 
Temperamente sich bewegen , uhd sich zur grossen Universakrtim» 
muog des Humanismus zusammenfügen, welchem in gleichschwe- 
bender Freiheit der Weg in alle Einseitigkeiten gleichmässig offen 
steht. Höchst anschaulich und treffend hat daher das antike Sy- 
stem diese seine Grösse und Majestät darin gefühlt und an den 
-Tag gelegt, dass es die fundamentalen Gefühlswege derMnsilc, die 
Tonleitern, mit Völkernamen bezeichnete. Die in der modernen 
Mosik das Primat besitzende iydische Tonieiter und die in der 
antiken Musik das Primat besitzende dorische Tonleiter bilden die 
reinen Extreme dieses psychischen Völkerlebens, während die 
phrygische Tonleiter zwischen ihnen ein Feld der Ausgleichung 
und Versöhnung eröffnet.^^ Femer spricht Hr. F. den antiken 
Theoretikern tou Aristoxenus an das vollkommene Verständnias 
der Sache ab, besehreibt im Einzelnen das eigentliche Wesen von 
Aiypius' Notenregistern und bemerkt, dass der Schlüssel zum alten 
und achten enharmonischen Systeme aus zwei hypolydischen Ton- 
leitern bestehe, deren eine um einen Halbton höher laufe als die 
andere, und welche beide durch das griechische Alphabet, dessen 
Rjochstaben theils in einfacher theils in verstümmelter oder sonst 
soodtficirter Gestalt zur Anwendung komnben , in einer so regel- 
mässigen Eintheilung ihre Bezeichnung fänden, dass darüber hin- 
aus nichts einfacheres gedacht werden könne. Für die Entwicke- 
luog des musikalischen. Systems Im tiefen Alterthom werden drei 
Epochen festgesetzt; und zum Schluss der ganzen Entwickelung ' 
wird die Behauptung hingestellt , dass „für die endliche Erlösung 
unseres Musiksystems aus der einseitigen und schiefen Stellung 
der Architectur seiner Tonleitern nichts Erwünschteres und HnU- 
reicheres gedacht werden kann, als die Wiederauffindung des. ur- 
sprünglichen aus dem reinen Gehör heran» construirten undnodi 
durch keine schiefe Reflexion getrübten Tonieitersystems aus den 
vorpythagoreischen Alterthum.^ Das Letztere giebt einen wnv- 
dig^. Stoff für die wissenschaftliche Seite musiluilischer Zeitun- 
l^eii. Die ganze Erörterung, wie sie hier vorliegt und In dem be- 
reits erschienenen Werke des Hrn F. ausgeführt wird, Ist gewiss 



Verhandlungen der neunten Versammlnng deutscher Philologen etc. 435 

eine beachtenswerthe Entdednin;» die von Demjenigen, der in 
der heutigen Musilc einige Kenntnis» besitzt^ siiDh angenehm lesen 
und mit Interesse studiren lässt : aber für eine allgemeine Philo- 
logenversammlung durfte eine so lange und ganz 4ipecielle Vor- 
lesung in Hinsicht auf Theilnahme eine noeh eingeschränktere 
und einseitigere Richtung gefunden haben, als nach Hrn, F. die 
heutige Musik im Vergleich lur antiken besitaen soll. Von grosse* 
rem Interesse, weil von allgemeiner ansprechendem Inhalt, ist die 
folgende Vorlesung, weldie Hr. Prof. Piper „über Dante's 
gottliclie Comödie in ihrem Verhältniss zum classir 
schenAlterthnm** gehalten'hat. Es wird, nachdem er in der 
Einleitung die Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften 
kurz charakterisirt hat, in derselben behandelt: 1) die Stellung 
des Virgil und der Beatrice in historischer und allegorischer Be* 
de^tung; 2) die Anwendung der Mythologie, inwiefern Dante 
heidnische und christliche Elemente entweder identificirt oder par- 
rallelisirt; 3) die Rücksicht, in welcher mg^thologische Personen 
in den Vordergrund treten; 4) die Erscheinung, dass Ereignisse 
der Mythengeschicbte als historische Voraussetzungen behandelt 
werden; 5) die Aufnahme mythologischer Motive in die Qegen- 
wart. Diese Herübernahme aber von geschichtlichen Personen 
und mythologischen Ideen aus dem Heideothume, wird weiter be- 
merkt, sei nicht auf Entstellung und Herabsetzung^ des Christli- 
chen andeuten, sondern als Erbebung des Antiken gemeint, 
welches werth sei, zum TrSger christlicher Anschauungen 
gemacht zu werden» Hiervon macht Hr. P. am Sdilusse noch eine 
praktische Anwendung , indem er sagt: „Es scheint mir in der 
Gegenwart keine wichtigere und weiter greifende Frage für beide 
vorzuliegen, als wie Christenthum und classisches Alterthum, dem« 
gemäss die christliche Theologie und die" classische Philologie zu 
einander stehen. Ich meine, sie sind darauf angewiesen, mit ein- 
ander in Freundschaft zu stehen, im Grossen und Kleinen einan- 
der zii dienen , — mit Vermeidung jener Klippen unfreier Ver- 
mischung und Uebloser Trennung.^^ Und dieses Bündniss zwischen 
Theologie und Philologie sei auch bereits g^chlossen in Män- 
nern, wie Melanchthon und Schleiermacher^ — Uebrigens hat 
weder diese noch die vorhergehende Vorlesung eiiie Discussioo 
hervorgerufen. 

EBerauf giebt Hr. Consistorialrath Peter einen sehr zweck- 
massigen und übersichtlichen Bericht „über die yerhan4- 
lung^n 4er pgdagogischeji Secti^n'^ (der^n gut abge- 
fasste Pretokellß der er^te Secretair. derselbeQ, Hr.RectorOv. 
Beksteinv in „Scbnitzer's Zeitschrift für d9s Gelehrte^ un4 
Bealsdbulwesei|'< 1847 H. 1. S. 138^ 151, so wie in 4er B^- 
iifr „Zeitschrift für das Gymnasialwesen^^ 1847 im 1* Hef^ be- 
kannt gemacht hat). Hr. Peter schliesst seinen Bericht mit 
di^ WuJQflche;, 9,df»/9. die Tlieoretikf^ in der fJUIfeipeineii, ^err 



436 Philologie. 

aammluDg fortfahren -mochten, die Praktik er als eng verbun- 
dene Brüder anzusehen, so wie diese nie aufhören wiirden, sich 
als lebendige Glieder der allgemeinen Versammlung zu betrach- 
ten.^' tfie letzteh W6He an die Philologen b^i ^Entlassung der 
Versammlung sind völh zweiten Präsidenten gesprochen worden 
mit dem Gefühle der Wehmuth, das man ihm nicht auslegen dürfe 
,,al8 Sentimentalität, die einem ächten Philologenherzen fremd 
sein und bleiben muss'\ sondern als natürliche Stimmung^^^die durch 
den Gedanken an Trennung erzeugt werde. Beigegeben findet 
man noißh in den Vörii^eAden Verhandlungen erstens einen „Aus- 
zug, aus den Verhtindlungen der dritten Versammlung des Orien- 
tall8tenTerei*8*% "sodanta acht Beilagen, nämlich ein Schreiben 
des Prof. HttuVz In -Heidelberg über die von ihm vorbereiteten 
Lebensbeschreibungen deis Xylander und Löwenklau, drei latei- 
nische Gedichte von Dr. ^fttmahn und von den Pröfessorien 
Welcker (in Gotha) und Weissenborn (in Jena), ein deut- 
sches TischUed vote ,,Jena^ Gelegenheitsdichter W; Treunert^% 
einen Aufruf vom Director Dr. S c h 5 1 e r , ein Schreiben des Geh. 
Kirchenrath Hoff mann an*^ das Präsidium, und Dr. Stetter's 
Brief an dasselbe über die von ihm begonnene Biehandlung der 
Ortsnamen. 

Dies wäre denn der Bericht über den Inhalt- der Jenaer Pro- 
tokolle. Sieht man noth einmal auf die Hauptsache zurück , so 
leuchtet ein, dass sämmtKche Vorträge , die hier gedruckt sind, 
dem rein theoretischen Gebiete der Philologie angehören, und 
deshalb bei Allen, die ein Mos sachliches Interesse hegen, die 
gebührende Beachtung finden werden. Dass hierzu nicht wenige 
Gymnasiallehrer gehören, liegt in der Natur der Sache. Denn so 
lange die Gymnasien nicht der ungestümen Neuerungssiicht einer 
einseitigen Volksbewegung zum Opfer fallen , wird bei den Leh- 
rern derselben der Bund zwischen Philologie und Pädagogik stets 
ein iso inniger sein müssen, wie ihn diese NJbb. repräsentiren. 
Aber wenn man äil^ pädagogisch -didaktischen Fragen consequent 
und aus Priuclp von den Versammlongen der Philologen zurück- 
weisen will, wie immer deutlicher geschehen Ist: so muss man 
auch so ehrlich sein, die Statuten zu ändern und offen zu sagen, 
daiss die Pädagogik und Methodik der Gymnasien von den Haupt- 
versammlungen ausgeschlossen und blos der „pädagogischen See- 
tlon^^ überlassen sein solle. Zwar sagt der zweite Präsident in 
den Abschiedsworten S. 92 unter Andern sehr schön: „diese Zu-^ ^ 
sammenküiffte sind einerseits dazu bestimmt, den Mann selbst,' die 
Persönlichkeit^ die Individualität, mit einem Worte dieMethode ' 

zii zeigen, n^it welcher die einzäfn'en'Männerder Vf^is- 
s^e'hschaft diese Wissenschaft behandelti; sie^iind be- 
stimmt, diese Männer ttus dem Versteck des Schattens , wie die | 
Alten sagten ,* äüs der Vmbrä schotaehervor zu nöthigen, In die > 
freie Sonne mi den Staub des^Lebeni, Wo jeder mit seiner Person ' 



Spiess: Uebangsbncb. > 437 

bezahlen muss, und. wo kein anderer für ihn eintritt, -r- Da be- 
währt sie hentweder eine Methode oder sieergiebt 
sich e i n e r b e 8 8 e r n ^^ u. 8. w. „andererseits haben diese Ver- 
sammlang^en den Zweck, durch Privatbesprechiing beim geseUigen 
Zusammensein diese Persönlichkeit wirken zu macbien , die durch 
nichts anderes ersetzt werden kann^^ : aber wenn man die vorlie- 
genden Verhandlungen , zu deren Schlüsse diese Worte gesprochen 
sind, zum Maassstabe nimmt, so kann liier nur die Methode d^ 
Universitätslehrer gemeint sein; diese aber ist von der Me- 
thode der eigentlichen Gymnasiallehrer in sehr wesentlichen Punk- 
ten verschieden. Will man dagegen die letztere der sogenannten 
^^pädagogischen Section^^ zuweisen, so steht zu befürchten, erstens, 
dass diese Section zur Hauptversammlung in ein sehr äusserliches 
Verhältniss komme und ailmäiig , nach Analogie der Geschichte, 
zur selbstständigen Gesellschaft sich gestalte;. zweitens,. dass Uni- 
versitätsprofessoren den getrennten Sectionen nicht beiwohnen 
und so in manchem Falle den Gymhasialpädaigogen die wünschens- 
werthe Belehrung entzogen werde; drittenis;, dass da« in Erfül- 
lung gehe, was schon oben S..421f. mit den Worten des verehrten 
^Herausgebers dieser NJbb. gesagt worden ist. Wie viel oder wie 
wenig in. diesen fllefiirdituogen Wahrheit lle^^.das wird die Zu- 
Jcunft offenbaren. Deiin mag auch selbst mandier. Gymnasialleh« 
rer, der 6/fli,s;s Philolog ist, wenn derartige Worte ihm znfallljg zu 
Ohren kommen, Immerhin denken övM tavt dvsfitoX^a ßa^Bi^, 
ist wirklich zur Befürchtung ein Grund vorhanden, so wird wbiiijg- 
stens das stolze Ignoriren oder der selbstgefällige Wunsch td 
Si %&vta %^hOi fiSTaficivict d'srst^ nicht hindern, dais die Wahrheit 
der Sache einst Im Lichte des Tages hervortritt« '' 

Mühlhausen. Äm&km 



Vebungsbueh zum Ueber setzen aus dem Lateini- 
schen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins 
Lateinische iut die' untersten Gymnasialclassen bearbeitet von 
F. Spiess y Prorector za Diiletiba'rg. Zweite Abtheilang für 
Quinta (Septima). Essen j Druck' and Verlag von G. D. Bädekei^. 
1846. 149 S. kL8. ' 

..: • • •. . ^ . * ■ . ■■ ;^i ■ : : . .. • i '■^•' .. . . ? 

. Indem wir an. die; Bei» theilung der ersten Abtheilung för 
Selta (Octava) In diesen Jahrbüdhern Bd. 47. Hft. 3. S. 309 ff. 
anknüpfen v' bemerken wir zavörderst, dass der Fortschritt di^r 
vorliegenden zweiten Abtheilung für Quinia (Si^tikufa) er- 
stens darin besteht, dass die zu memorirenden Wörter nicht 
mehr vor der jedesmaligen Declinatlon und Conjikgatron im Texte 
hergehen, sondern von S, 107—149. bereits eirf eigenes Wörter- 
verzeichnlss über die In den lateinischen Sticken vorkommen* 
den Wörter angehängt Ist. Dies soll zugleich dto\ ^veok^^oL.^ ^^ssa^ 



488 Lateinischer Sprachimt^richt. 

Sdifiler die ertten Gesetie über Ableitung und Zasammensetning ' 
der Worter beiiubringen; ondlst zu dem Ende hier und da der 
Stemm ond die Bestandtheile des betreifeoden Wortes in Paren- 
diese beigesetst Zweitens aber wird nun nach kurzer Repe« 
tition der Declination und Oonjugation , besonders der s. g. unre- 
Mlnassi^ien Formen, nicht nur zu selbststandigen kleineren 
Lesestücken, sondern auch zur Einübang der hauptsachlichsten 
zyMtaktischen Regein der Uebergang gemacht. 

Demgemäss zerfalit das Büchlein in 3 Abschuttte. Der er s t e 
4tosdl>en ist der weiteren Einübung der regetniSssigen tind 
•nregelmässigen Formenlehre gewidmet und enthitt na* 
niciist in XVIII Nummern von S. 1—16. dahin gehörige latei- 
nische Beispiele; unter L zur ersten und zweiten Declination, 
nntar IL zur dritten, unter III. zur vierten und fünften nnd 
nnttr IV. zur nnregelmSssigen und miingelhaften; V. 
enthalt «odann die Declination und Compmrmtion der Ad- 
Jcctivm, VL die Pronomina, VII. die^ erste, Vill. dfo 
■weite, IX. die dritte Und X. die vierte Gonjugation; XL 
folgen die Verba Deponentia, XII. die Verba anomain. 
In XIII. sind noch- einmal besonders dieComposita von f erre; 
in XIV. velie, nolie^ malle, in XV. ire ndt «einen Compo^ 
diUb^ in XVL fierl^ edete, quire und nequire nnd in XVII» 
cndtfch die vnrbn defeciiva und impersonaiin behandelt^ 
XVIU. bringt schliesslich einige Beispiele zur conjngatio pe- 
riphraaticm activi. Als Anhang treten von S. 17 — 23. er- 
gänzend und weiterführend 16 leichtere Fabeln und 12 einfacbe 
kldnere Erzählungen, in denen die Construction des Acc. cum 
Inf. noch nicht vorkommt, hinzu. — Den lateinischen Beis^elen 
in diesem ersten Abschnitt entsprechen ferner von S. 23—40. 
unter gleichen Ueberschriften XVII Nummern mit deutschen 
Beispielen; die XVIU., die conjugatio periphrastica activi, ist hier 
nicht vertreten« 

Der zweite Abschnitt ist zur Einübung der wichtigsten 
syntaktischen Regeln, so weit sie für diese Stufe gehören, 
bestimmt und enthält nebst den vorangeschickten Regehi selbst 
von S. 41— 62. erst die lateinischen., von S. 62—84. die be- 
treffenden deutschen Beispiele und zwar für beide in folgender 
Ordnung. Die I. Regel betrifft die Präpositionen, die II. 
•den Infinitiv, die JIL und IV. den Aocusativus cum Infi- 
nitivo, die V., VI. und VII. die Participia, die VUI. und lüL ^t 
die Ablativi absoluti, die X. das unbestimmte Fürwott 
^,Man^S die XL das Neutrum plur. stett des deutsden 
neutr. sing., die XIL die Ortsbestimmungen^ nament* 
iich bei Städtenamen; XUI. faanddt vom Genitiv des 
Objects,XIV. V. Genitiv und Ablativ der Eigenschaft., 
XV. vom Genitivus partitivus, XVI. vom Dntiv des Be<- 
«itzes bei esse, XVII. vom AbJativus zur Bezeiclinunf; 



1 



Spiesa: Uebongabach. 439 

der Aa8deliiittng,.XVIlI. vom AblatiTua auf die J'rage 
wovon? (worausf), XIX.. vom Ablätiva.s auf die ^rage 
wannl und womit? und XX. v« Ablativus nacb dem Gom-^ 
parativua. XXL handelt vom Pronomen relativum, XXII. 
bildet den Uebergang aur Moduslehre und zwar itt hier auerst 
vom Conjunctivus naeh der Conjunctiba ut die Rede^ 
sodann XXIII a. vom Conjuncf. nach den Conjnnctionea 
ne, quo, quin und XXIU b. vom Conjunct. in Reiatfvsä- 
tien. XXIV. erörtert noch den Gebraueh des Gerondii 
Im Genitiv, XXV. das Participium futuri patsivi und 
XXVI. endlich den Gebrauch dea Supiniaof um. 

Der dritte Abschnitt bringt, vom Leichteren zum Schwe- 
reren fortschreitend, von S. 85 — 99. mit der paasenden- lieber- 
Schrift versehen, 43 lateinische Erzählungen und Be- 
schreibungen (Minos, Philippus, dieFabier, M. Piso und sein 
Sciave, Zerstörung Carthagos, die Sibyllinischen Bacher etc. etc.), 
und von S. 99—106. zum Uebersetzen aus dem Deutschen 
ins Lateinische schliesslich ein paar Stücl^e aus der griechi- 
schen und römischen Geschichte (der trojanische Krieg, Theseus, 
die ersten römischen Consuln, Clölia). Zu den deutschen Sätzen 
sind übrigens allemal, statt dnes besondern deutsch -lateinischen 
Wörterveraeichnisses, die entsprechenden lateinischen Wörter 
unter dem Titel selbst angegeben. 

Dieses Btementarbuch für Quinta,. dessen Inhalt wir oben 
im AUgemeinen angedeutet haben, gehört in seiner Art mit zu 
den gelungensten der uns bekannten Ucbungsbücher. Es zeich-» 
aet sich dasselbe nämlich nicht nur dureh die treffende Auswahl, 
des Stoffes «herhaupti, indem die UebungslieiBpiele sowohl in ma- 
terieller als formeller Hmsicht der Stufe, fdr welche sie bestimmt 
sind, vollkommen angemessen erscheinen, sondern auch durch die 
vom Leichteren zum Schwereren glücklich fortschreitende Anord- 
nung vortheilhaft aus. ~ Das Einzige, was wir auszusetzen hätten, 
wäre auch hier (ganz ähnlich, wie wir uns schon über die erstie 
Abtheilung für die Sexta ausgesprochen haben) eine etwas genauer 
an die systemat&scbe Ordnung sich anschliessende Aufeinander- 
folge der Regeln im zweiten Abschnitt Dies war aber ganz ein- 
fach zu erreichen, etwa so, dass Alles, was die Casusverhält- 
nisse betrifft (der Nom. — dazu die Regel X. und XI. — der 
Gen., Dat., Acc. und Abi. nebst den Regeln über die Präpositio- 
nen und Stidtenamen) zusammen vorangestellt wurde ; danü folgte 
alles zum Verb um Gehörige, der Gonjunctiv, Infinitiv, 
Acc. cum Infinit., die Participia mit den Ablat. abs., das 
Supinum und^Gerundi^um. So trüge die Anordnung doch 
nicht bloss einen subjectiven Charakter, dessen Recht In seiner 
Einseitigkeit wir durchaus für den Unterricht in den alten Spra- 
chen uidit anerkennen dürfen. Das pädagogische Geschick be- 
atfibt eheu darin, den aubjectiveii fiesichtapuokt mit dem iibleetir 



440 liateinladier Sprachnnterricht. 

Iren in einfach organischem Fortschritt su vereinigen. — Als 
sinnstörende Druckfehler sind uns ausser den Tom Verf. selbst 
angemerkten noch folgende aufgestossen : S. 86. Z. d. t. o. pedi- 
dus statt pedibus, S. 91. Z. 3. t. u. 6. Catulo statt Q. Catiilo, S. 
92. datfim esse, S. 93. qnae, S. 95. Nullae tunc leges erant, ita- 
que legltur. Selon , vir justitiae insignis etc. wo der Punkt nach 
Icgitur weg&Uen muss; u. e. il. 

.Wir Ycrbinden mit Vorstehendem noch die Anzeige der 
iweiten Auflage des von demselben Verfasser 1844, als derselbe 
noch Lehrer am Gymnasium zu Duisburg war, herausgegebenen 
Uebungsbuches für die Quarta, das soeben unter dem Titel er- 
schienen ist: ' 

Uebungsbuch zum IJebersetzen aus dem Deut- 
schen insLateinische zu der lateinischen Schalgram- 
matik von M. Siberti und M. Meirlng, für Quarta (Sexita) 
hearbciitet von F. Spiess, Professor am Gelehrten-Gymnasium zu 
"Wiesbaden. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage/ Essen, 
Druck und Verlag von G. D. Bädeker 1847. 

Die Anlage dieser zweiten Ausgabe ist ganz unverändert ge- 
blieben; es sind auch diesmal einzelne deutsche Beispiele zur 
schriftlichen und mündlichen Einuböng der Regeln der Syntax^ 
genan der Reihenfolge in der Siberti- Meiring'schen Grammatik 
sich anschliessend unter gleichen §§. fortischreitend. Hin und 
wieder sind dann grössere Stücke mit besonderer Ueberschrift wie 
z. B. Selon , Hamilcar, die sieben Könige der Römer u. s. w. be- 
bufisi zusammenhängender Gomposition eingefügt. Die neue Aus- 
gabe unterscheidet sich daher von der ersten hauptsächlich nur 
durch Vermehnmg des Stofis (wie schon die Vergleichung der 
Seitenzahl der beiden Ausgableh beweist; jene, die ältere, hat 
110 S., diese bei ganz gleicher äusserer Ausstattung 131 S.), be- 
sonders durch die sehr danfcenswerthe Bereicherung an zusam- 
menhängenderen Erzählungen, und durch die am Schlüsse be- 
findliche Hinweisung auf die betreffenden §§. in der lateinischen 
Grammatik von Dr. F. Putsche. 

Hersfeld. Dr. K. W. Piderü. 



Mathematische und physikalische Schriften. 

Lehrbuch der Mathematik für Gymnasien von Carl 
Qustav Wunder y Professor and Lehrer der Mathematik und Physik 
an der kÖnigl. Laadesschule St. A^ra in Meissen. Vierter Theil. 
Die Stereometrie, ebene ,i|nd sphärische. Trigonometrie und Lehre vor 
den Keg^Uphnitten. Mit, 11 Figurentafein. Leipzig, Verlag von 
Wilhelm Engelmann. 1841. gr. 8. 428 S. 
Herr Wunder hat In dem 4. Theile seines matheinatischen 

Lehrbuches die Stereometrie 9 die ebene und sphärische Trigono» 



Wunder : Lehrbnch der Mathematik. 441 

metrie und diß Kegelschnitte mit eben so viel Klarheit als Grund« 
iichkett bearbeitet, und auch unsere ihm in frQheren Recensionea 
gegebenen Winke bestens dabei benuts&t. Obgleich wir aber mit 
der im Boche stattfindenden Trennung der Stereometrie uns nicht 
ganz zii befreunden vermögen , so hat uns dennoch das Studiani 
desselben einen seltenen Genuss bereitet, und wir sind der festen 
Ueberzengung , dass jeder Sachkundige das Wunder'sche Werk 
mit grosser BefHedigung^ durchliest. Möge es an recht vieles 
Schulen eingeführt werden und recht viele Schüler für das ma«* 
thematische Studium begeistern*. 

Um aber unser Urtheil einigermaassen zu begründen^ gehen 
wir den Inhalt des Buches etwas specieller und zwar auf folgende 
Weise durch. " 

In der ersten Abtheilung werden die geraden Linien 
im Räume und ihre Lagen gegen Ebenen auf eine gründliche und 
kürze Weise abgehandelt. Das von den Projectionen Gesagte ist 
zweckmässig, und die bei den körperlichen oder sphärischen Drei- 
ecken befolgte Verfahrungs weise sehr empfehlenswerth. 

Dieim 1. und 3. Capitel vorkommenden goniometrischen 
Functionen Sind recht deutlich bearbeitet $ doch hätte der Herr 
Verf. gewiss an Gründlichkeit gewonnen , wenn er zuerst die Si- 
nus and Cosinus spitzer Winkel erklärty hierauf unendliche Reihen 
für diese Sinus und Cosinus abgeleitet und dieselben als Erklär 
rungen für die allgemeinen Sinus und Cosinus hingestellt hätte 
u. s. w. 

Wir köntien es namentlich nicht billigen , wenn er in §• 174. 
und §• 175. folgeudermaassen schliesst: 

■ §. 174. . 

Allmälige Veränderung des Sinus; dessien Vor- 
zeichen. Wenn der Winkel oder Bogen =0 ist, der Punct 
M noch auf A liegt, so ist auch ItfP :=0, also I. Sin. O^^^O. 
Wahrend der Winkel und Bogen von Null au wächst, nimmt auch 
der Sinus zu, anfangs schneller, nachher immer langsamer, und 
wenn der Bogen =:= 90<^ ist, also M mit D, der Perpendikel MP 
mit DC zusammenfällt ; so ist der Letztere dem Halbmesser gleich, 
folglich II. sin 90^ ==t l. Offenbar ist dieses der grösste Werth« 

HfP 
welchen der Sinus , d. i. der Bruch ^ erreichen kann , woraus 

AG 

sich ergiebt, dass der Sinns in Rücksicht auf absolute Grösse alte 
mögliche Werthe^ die er'überhaupt haben kann, schon im ersten 
Quadranten erreicht» Wächst' der Winkel oder Bogen über 90^ 
hinaus, so nimmt der Sinns wieder ab, bleibt aber im ganzen zwei- 
ten Quadranten noch positiv, weil er immer noch auf derselben 
S^ite des ersten Durdimessers AB liegt^ als bei seinem ersten 
Entstehen oder Waöhsen. Wird der Bogen = 180^, so fallt M 
mit B, der bewegliche Halbmesser mit CB zusammen, der den 



443 Mathematik ond Physik. 

SimiB Torstellende Perpendikel vergchwiodet gans; es hi aboIII- 
tili. 180<^ ^ 0. Sobald der Wiokel oder Bogen groaaer als 180<^ 
wird, so gehl der bewegliehe Halbmesser CM und mit ihm der 
FanctM, also auch der Perpendikel MP auf die entgegesetste 
Seite des Durchmessers AB iMber, auf wel<s|ie er iopi ganzen dritte» 
und ebenso im vierten Quadranten bleibt; also: der Sinus ist ne-. 
gatif für jeden Winkel oder Bogen, welcher grösser als 180^* nnd 
Udner als 360^ ist. ta dem dritten Quadranten wichst der ne- 
gative Sinus als solcher anfangs schneller, nachher immer lang- 
samer, bis der bewegliche Halbmesser mit €F zosammenfallt, wo 
der Sinus seinen grossten negatiFen Werth erreicht: IV. sin. 270^ 
:= — 1. bt dem vierten Quadranten nimmt der negative Sinatf 
wieder ab , der Endpunct M des beweglichen Halbmessers naher! 
sich dem Durchmesser AB wieder, und fällt mit A zusammen, 
wenn der Winkel oder Bogen bis zu 360<^ gewaclisen ist, wo also 
der Sinus wieder verschwindet: V. sin. 360<^ = 0. Man kann 
nun den Bogen auch über 360^^ beliebig weit wachsen lassen, und 
überzeugt sich leicht, dass, wenn w irgend ein Winkel oder Bo- 
gen kleiner als 180^ ist, p den halben Kreisiunfang oder 180^, 
und u irgend eine ganze Zahl bedeutet, immer VL der Sinus poaltiv 
ist für jeden Winkel oder Bogen = 2np + w, aber VIL, nej^tiv 
für jeden Winkel oder Bogen ===: (2n + 1) p -f- w oder = 2np — 
w. Ferner dass Vin. sin. np = 0$ DL sin. (2n + 4)p = + 1; 
«ndX. sitt.(2n + |)p = sin. (2n — i)p=.^ — 1. 

§. 175. 
Allmälige Veränderun^gen des Cosinus; dessen 
Vorzeichen. Wenn der Winkel oder Bogen =0 ist , also der 
Punct My und mit ihm zugleich auch der Punct P noch auf A 
liegt, so ist CP.= AC, also I. cos. = 1. Während der Winkel 
von Null bis 90^ allmalig wachst, nimmt der Cosinus ab, da der 
Endpunct M des beweglichen Halbmessers d^m zweiten Durch- 
messer DF inmier mehr sich nähert, welchen er erreicht, wenn 
der Winkel = 900 wird , wo M mit D und P mit C zusammenfallt, 
md CP verschwindet, also: IL cos. 9(M^;=: 0. Sobald der Wmkel 
oder Bogen über 90^ wächst , geht der bewegliche Halbmesser 
und mit ihm die Linie, auf welcher der Cosinus abgemessen wirdl^ 
auf die entgegengesetzte Seite des zweiten Durchmessers DF über, 
als wo dieselbe vorher war, und bleibt auf dieser Seite im ganzen 
zweiten und ebenso im dritten Quadranten; hieraus ergiebt sich, 
d<Bs der Cosinus für alle Winkel und Bogen negativ ist, >ifelfibe 
grosser «kl 90^ und kleiner als 270^ sind. Im zweiten Quadran- 
ten wächst mit dem Winkel zugleich anch der negative Cosimie 
als solcher zuerst schneller, nachher immer langsamer, bis er,, 
wenn der bewegliche Halbmesser mit CB zusammenfallt, seinen 
grossten negativen Werth erreicht: III. Cos. 180^ =^ — 1. In 
dem dritten Quadranten, während der Winkel oder Bogen zn 
wwhseo fortfahrt, nähert sich der Endpunkt des beweglichen 



Wunder: Lehrbuch der Mathematik. 443 

Halbmessers dem zweiten Durchmesser DF wieder, der negative 
Cosinus nimmt wieder ab , und wenn der bewegiiclie Halbmesser 
mit CF zusammenföllt^ der Winkel =270^ wird, Tersch windet 
der Cosinus abermals: IV. cos. 270o =0. Wachst der Winkel 
noch weiter , so geht der bewegliche Halbmesser und ebenso die 
dem Cosinus entsprechende Linie wieder auf die Seite des zwei- 
ten Durchmessers DF über, wo beides im ersten Quadranten war; 
der Cosinus ist also im yierten Quadranten, d. 1. für Winkel grös- 
ser als 270^ und kleiner als 360^ positiv, wSchst im vierten Qua- 
dranten mit dem Winkel zugleich, und wenn der bewegliche Halln 
messer mit CA, also CP ebenfalls mit CA zusammenfallt , ist wie* 
der der Cosinus = 1, also: V. cos. 360^ = 1. Uebrigens ist für 
noch grossere Winkel, wenn v <^ 90^ ist, VL immer positiv der 
COS. (2np + v), Vn. immer negativ der cos. [(2n + 1) p + v], 
VIU. cos: (2n + 4) p =±= 0; IX. cos. 2np = + 1, X. cos. (2n+l) 
p = -l. 

Rec. ist aber nun der Meinung, dass von sin. und cos. noch 
nicht die Rede sein kann, weil früherhin in sin. a und cos. a der 
Buchstabe a einen Winkel ausdrückte, und also die Zeichen sin. a 
und COS. a, fnra=^0\ noch gar keine Bedeutung besitzen. Hätte 
aber Hr. W. die Formeln : 

sin. *at + COS. ^a = 1, 
sin. (a + ß) -= sin. a . cos. ß ^ cos « . sin. /), 
COS. (a + jj) = cos. a . cos. ß. + sin. a . sin. jj, 
für alle Werthe von a und ß erwiesen und in die (ur sin. (a — ß) 
und COS. (a—ß) gültigen Gleichungen ß = a gesetzt, so wären 
die Formeln: 

ßio. = 0, und cos. 0=1, 

auf eine sehe einfache Weise entstanden. Auch hätten *die Vor- 
zeichen der Sinus und^ Cosinus In den verschiedenen Quadranten 
aus den für die allgemeinen Sinus tind Cosinus gültigen Formehi 
anf eine ungezwungnere W«ise als im Lehrbucbe sieb ergeben. 

Die sphärische Trigonometrie ist mit ganz besonde« 
rer Deutlichkeit dargestellt^ auch sünd die hn Anhange befindli- 
chen Uebungsbeispiele mit vieler Sächkerniinfsis amgewüilt. 

Die Coordinatentheorie ist jzum Yerstandniss de^ FoJjgiendeD 
mehr als ausreichend ; die E^enschaf ten der Kegelschnitte sind 
sehr gut dargestellt, und die Beobachtungen der durch eine Glei- 
chung des 2. Grades ausgedrückten Linien aufs B^iedlgendste 
aufiigefallen. Druck und Papier'sind gut. 

Dr. GipU 



444 MatlMiBatik ODd Physik. 

Der dgnamisehe Jntagonismus sotl Dr. Elard Romuaen- 
hrnuaen^ Mitglied mehrerer natarforscheoden, polytechnischen und 
ökonomischen Gesellschaften, Ritter des rotben Adlerordens und In- 
haber der KonigL Sachsischen goldenen Civil verdienst-Medaille. Ifi r- 
8teBHeft• Der Antagonismus der Electricität ond des Magnetis- 
mos. Nebst einer Steinzeichnong. Halle, Druck ond Verlag von 
Ed. Heynemann. 1846. 48 S. gr. a 

BetnehteD wir die Leistungen des Hrn. Rommershausen 
im Gebiete der Physik , so müssen wir gestehen, dass er ganz davn 
beühlgl ist, ein Werk- wie das Torllegende zu bearbeiten. Wir 
baben uns sorgsam darin umgesehen , und sind zn dem Resaitaie 
gelangt, dass e,s aiseine gediegene und anregende Ar- 
beit betrachtet werden kann, die im Tollsten Maasse jed- 
wede Beachtung verdient Es kommen hier keine von der Phan- 
tasie gebildete , sondern wohl überdachte und meist streng erwie- 
sene Satze vor, die manche Aufschlösse über das Wesen der 
Electricität nnd des Magnetismus zn geben vermögen. Der Verf. 
sagt ganz richtig in dem Vorworte, «dass er keine Untersochongen 
darüber anstellen wolle , ob die Erscheinungen » welche die soge- 
nannten Imponderabilien (die Dynamide) in der physischen Welt 
darbieten , sich auf eine blosse Kraft zurückfuhren lassen, oder 
ob ihnen (was das Wahrscheinlichste ist) ein materielles Substrat 
zum Grunde liege, und bemerkt hierauf: dass diese Kräfte bei 
dem allgemeinen ruhigen Gleichgewichtszustande in ihren Trä- 
gern friedlich neben einander bestehen und nur dann ungewöhn- 
liche und auffallende Erscheinungen veranlassen, wenn dieses 
naturgemässe Gleichgewicht durch irgend eine einwirkende Ur- 
sache aufgehoben wird. 

Dies geschieht aber (nach Seite 4.) sobald als eine dieser 
Agentien übermachtig auftritt und gleichsam feindlich in das Ge- 
biet der andern eingreift, sie in ihrem ruhigen Besitze beeinträch- 
tigt , verdrangt und irgendwo örtlich anhäuft. Dann zeigen sich 
elgenthQmliche Erscheinungen, welche der Verf. „Dytiami- 
acher Antagonismus^^ nennt. 

Das Buch zerfällt in 3 Abtheilungen, wovon die 
erste allgemeine Erfahrungssätze über das Wesea und die Eigen- 
thümlichkeiten des Magnetismus und der Electricität , die zweit e 
den electromagnetischen Antagonismus, und die dritte den mag- 
tietoel^ctrlschen Antagonismus enthält. 

Nr. I. Um den dynamischen Antagonismus des Magnetismus 
lind der Electricität als selbstständige Agentien verständlich nach- 
zuweisen und Wiederholungen zu vermeiden, werden hier einige 
bereits allgemein anerkannte oder doch im Laufe der Untersuchung 
auf experimentellem Wege noch nachzuweisende Ansichten über 
das Wesen und die eigenthümliche Wirkungsweise derselben vor- 
ausgeschickt. Es wird namentlich gesagt, dass der Magnetismus 



Rommershausen : Der dynamische Antagonismns. 445 

der gesammten Materie ursprünglich in wohnend' sich zeigt, oder 
bildlich gesprochen, dass er einem starren, alle Körper in der 
linearen Richtung von Sud nach Nord — oder umgekehrt — durch- 
dringenden Meere gleicht , dessen elastische polarisirende Span- 
nung wahrscheinlich den ganzen Weltraum durchdringt, die Welt- 
körper polarisirt, sie in ihrer Axrichtung fixirt und ihren Um- 
schwung modificirt und sichert. Die in dem eben angegebenen 
Fluidum schwimmende Erde ist als ein allgenieiner Magnet mit 
seinen erfahrungsmässigen Eigenthtimlichkeiten anzusehen. Die 
Metalle werden (in §. 4.) mit Recht als vorzugliche Träger der 
magnetischen Kraft angesehen, auch ist (in §. 5.) in gehärtetem 
Stahl, Magneteisenstein und Nickel u s. w. die magnetische Kraft 
über die allgemeine GleichgewichtsTertheilung hinaus gesteigert 
und fi&irt Sie zeigen eine eigene, bestimmte und andauernde 
Polarität und mächtige Wirkungen nach Aussen, indem sie durch 
eine ihnen eigenthümliche Goercitivkraft befähigt sind, sich gegen 
die sie umgebenden, zerstreuenden Seitenwirkuugen des allge- 
meinen Erdmagnetismus zu schützen. Der Magnetismus bewohnt 
(nach §• 7.) im ruhigen üaturgemässen. Gleichgewichtszustände 
vorwaltend das Innere der Körper, und erstreckt sich nur bei 
erhöhter Spannung magnetisch geladener Körper (der Dauer- 
magnete ) über ihrei Begrenzung hinaus. 

Ueber die Electricität verbreitet isich §. 11—18. , und es 
wird hierauf (in §• 19.) die Verschiedenheit des Magne- 
tismus und der Electricität als selbstständiger Agentien 
nachgewiesen. Wir müssen zugeben , dass die vom Verf. ange- 
gebenen Gründe den aus den scheinbar ähnlichen Wirkungen des 
sogenannten Electromagnetismus abstrahirten Hypothesen einer 
empirischen Identität dei^ Elecfricitlit und des Magnetismus nicht 
aliein jegliche Haltung rauben, sondern die Selbstständigkeit die- 
ser beiden Agentien vollkommen bestätigen. 

Nr. II. Nachdem in §. 21. die Ablenkung der Magnetnadel 
von dem magnetischen Meridian durch strömende Electricität be- 
handelt worden ist, wird in §. 22. angegeben, dass der überwie- 
gend auftreteade electrische Strom störend und verdrängend in 
die in ruhiger Spannung befindlichen Fibern des die Magnetnadel 
richtenden aligetneiuen Magnetismus eingreift, indem dieser als 
der alleinige Grund der Bewegung sich zeigt. Er erzeugt rings 
um den Leiter eine magnetische Leere, indem er dasdbst die 
magnetische Richtungskraft aufhebt und die Nadel nöthigt, der 
Richtung seines Umschwungs zu folgen , bis sie ausslfer seinem 
Bereiche wieder einen Anknüpfungspunkt dn den ailgemeineii 
Magnetismus findet. Auf gleich anziehende Weise wird (in§. 25/) 
die Wirkung eines iiberwiegend starken electrlschen Stromes üaf 
weiches Jg^isen und gehärteten Stahl, tind in §.26. u. s. w. die 
Magnetisirung der Stahinadel und Verfertigung von Dauermagneten 
vermittelst iter Electricität besprochen: ' - ^* 



446 Bdaiheniatik oad Physik. 

Aach herrscht dabei übertll ein Streben nach atren^r Grfio« 
digkeit und ea werden hier die wichtigsten anf sinnreiche Expeii* 1^. 
mente gestutiten Wahrheiten vorgetragen. | 

Nr. III. In diesem Abschnitte wird dargethan , dasa dieselben l 
reactionaren Erscheinungen, welche der electromagnetische An- * 
tagonIsmuB zeigt , nach den Gesetzen der Bewegung in umgekehr- 
ter oder entgegengesetzter Richtung erfolgen, wenn überwiegend 
auftretender Magnetismus die lin natürlichen Gleichgewiehtaso- ' 
Stande ruhende Electricitat der Körper aufregt, örtlich verdringt | 
und irgendwo anhäuft. Die störende Einwirkung auf Eledriol- 
latatrager wird entweder durch Dauermagnete, durch temporfire L 
Blectromagnete oder auch schon durch den allgemeinen teOurl- 
achen Magnetismus erseugt, und den Nachweis des magnetoeleo« 
trischen Antagonismus, hat Herr R. an die vielen bekannten und 
kunstreichen Apparate und Experimente der sogenannten Magne* 
ioelectricitat auf eine wissenschaftliche Welse angeknüpft. Die 
antagonistischen Wirkungendes allgemeinen tellurlschen Magnetb- 
mua werden in §. 45. n. a, w. beschrieben, und der Vf. besdiliesst 
sein Werk mit der ihm eigenen Bescheidenheit, ipdem er es au«^ 
spricht, dass er einstwellen absichtlich nur die allgemein bekannten 
l^atsachen in Uebereinstimmung zu bringen gesucht, und alle 
för und wider sprechenden Autoritäten unberöhrt gelassen, da er 
weder eine Widerlegung differenter Ansichten sich anmaassen, 
noch die Ueberzeugnng imterdrücken wolle, dass im Felde der 
Naturwissenschaft die einfachste und kunstloseste Erklärung 'die 
baltbarste und sicherste ist. 

Und dies glauben wir auch und wünschen, dass Viele in 
der gehaltvollen Schrift Belehrung finden mögen. 
Druck , Papier und Zeichnungen sind gut, 

Göt«. 



Versuch einer heuriatiBchen Entioiekelung der 
Grundlehrender reinen Mathematik zum Gobmuehe 
bei dem Unterricshte auf Gelehrtenscholen, yon Carl Gwtav Wunder^ 
Professor und Lehrer der Mathematik und Physik an der Konigl. 
Landesschale St. Afra ao Meissea. Zweite durchaus amgearbeitete 
und am Vieles vermehrte Ausgabe. Mit vier Kopfertafeln. Leipzig, 
1844. Bei B. B. Schwickert. 391 S. gr. 8. 

Herr Wunder, sowohl als Scliriftsteller wie als Recenaent 
indieaen NJbb. auf das Vortl&eilbafteste bekannt, hat nach einem 
ein i^nd awanzigjährigen Unterrichte, welchen er nach der ersten 
Auflage dieses Werkes ertheilte, die aweite uns vorliegende Aus-p 
gäbe herausgegeben. Dass hier Vieles verändert worden ist, wird 
ein Jeder begreifen, der nach seinen Büchern eine Reibe von Jah- 
ren unterrichtet; dass aber die. Yerand^uQgen aweckmässig.nod 



Heoriitiscfae Entwickelnng d* Grandlebren ^er reinen Mathematik. 447 

die Zumtie nothwendig waren , daroD hat sich* Rec. bfnlittglich 
Ikberzeugt Das Buch, in seiner neaen Gestalt , wird sich sieher 
Freunde erwerben; es ist als eine gediegene wohldurchdachte 
Arbeit und als die Frucht eines halben Menschenlebens anzusehen. 
Wenn der Herr Verf. gans richtig bemerkt, dass ein kurzer 
Leitfaden für den öffentlichen Unterricht nicht auch eine Samm- 
Inng von Aufgaben enthalten könne, so hätten wir doch am Ende 
eines jeden Gapitels einige dazu gehörige Uebungssätze gewünscht, 
indem dadurch die Bogenzalii nur um ein Unbedeutendes vermehrt 
und der Werth des Buches um ein Bedeutendes vergrössert wor- 
den wäre. 

Das Werk enthält Arithmetik, Algebra, Planimetrie, 
Stereometrie, ebene Trigonometrie, sphärische 
Trigonlometrie und die Elemente der analytischen 
Trigonometrie, nämlich die Kegelschnitte. 

Die ebene Trigonometrie folgt erst nach der Stereometrie^ 
während wir es für zweckmässiger halten, dieselbe pach der ebe^ 
nen Geometrie abzuhandeln. 

Die ebene Trigonometrie ist, unserer Meinung nach, leichter 
als die Stereometrie, und gahs dazu geeignet, dem filteren Se- 
cundaner oder angehenden Primaner die so nothige praktisciie 
Fertigkeit in den analytischen und geometrischen Operationen 
zu ertheilen. 

Was nun die Arithmetik insbesondere betrifft, so wird die- 
selbe in drei Ckirsen abgehandelt, von denen der erste die all- 
gemeine Arithmetik , der zweite die Anfangsgründe der allge- 
meinen Arithmetik und der dritte die Fortsetzung der allgemein 
nen Arithmetik enthält. Vor dem ersten Gursus steht ausserdem 
eine allgemeine Einleitung , während nach dem dritten mehrere 
zur Combinationslehre gehörige Tafeln sich befinden. 

Die allgemeine Einleitung bespricht auf eine klare Weise den 
Gegenstand find die Lehrmethode der Mathematik und giekt 
Grundsätze, worauf die folgenden Lehren sich bauen. Ein sinn- 
entstellender Druckfehler : u m 1 e h r e n statt umkehren hat sich 
auf Seite 4 N. XXV, einfeschiichen. Der erste Cursus hat eine 
Einleitung, worin die gebräuchlichsten Erklärungen vorkommen, 
und ausserdem 7 Cepitel, von denen das erste das Numeriren, das 
zweite die vier ersten Rechnungsarten in ganzen Zahlen, das 
dritte die vier Rechiungnarten mit Br&chen, das vierte die vieör 
Rechnungsarten in benannten Zahlen, das fünfte die Potenzen und 
Wurzeln, das sechste die Elemente der Gleichungnti lind dsis sie- 
bente die Verhältnisse nnd Proportionen enthält 

In §.8 der Einleitung wird das Zeichen O^r) nicht erklärt, 
und ebenso jn §. 10 das Multiplieationszeichen (x) flicht aulgft- 
spro^en« Die im $• 13 gegebene Erkürung:. „D a« Divjdiren 
heis,st den Quotienten «uehen, d,.b;die Zahl, durc)i 
welche der DifiaQf, oder w^ielte^dtirch d:«o Divlanv 



448 MatKeMtik and Pkjnk. 

multlplicirt werden mos«, damit das erhaltene Pro- 
duct dem Dividenden gleich «ei^ ist so lange unbestimBi, 
bii man nachgewiesen hat, dass in einem Prodncte die Factorca 
beliebig Terwechselt werden können. 

Das erste Gapitei behandelt das Nnmeriren mit vieler 
Klarheit, während das sweite die Tier ersten Rechnungsarten io 
gansen Zahlen auf eine sehr gründliche Weise enthält. Mit gana 
besonderer Sorg&lt sind die beiden nun folgenden Gapi- 
tei abgehandelt, was um so anerkennenswerther ist, als die ge- 
wöhnlichen und Decimalbruche in yielen Bnchem so äusserst d&f- 
tig abgehandelt worden sind. Im yiertenCapitel kommt das 
Möthigste von den benannten Zahlen vor, während das fünfte 
. die Potenzen und Wurzeln auf eine recht klare Weise dargestellt 
enthält. Bei der grossen Gründlichkeit des Hm. Verf. hätten wir 
es gewünscht, dass der in §. 148 vorkommende Ausdruck ö'' erst 
nach der Verallgemeinerung der Potenz abgehandelt worden wäre, 
indem nach §. 13 der Exponent nur eine ganze Zahl, aber nicht 
sein darf. Es ist sehr zu billigen, dass der Verf. die Elemente 
der Gleichungen (imsechsten Gapitei) vor der Proportions- 
lehre (im siebenten Gapitei) abgehandelt hat, indem die letz- 
tere nur dadurch das wahre Verständniss erhält Das arithmeti- 
sche Verhäitniss wird (in §. 198) auf eine eigentbiimliche Weise 
bezeichnet, was Rec. für überflüssig halt , indem ein solches Ver-, 
bältniss nichts anderes als eine Differenz ist ond also auch auf die 
nämliche Weise bezeichnet werden kann. Lieber hätte Rec. es 
gesehen, wenn in einigen Proportionen mehr Klammern ange- 
bracht worden wären , indem z. B. (in §. 213) für a + b : a :=^. c :|r 
d : c deutlicher (a + b) : a = (c + d) ; c gesetzt werden konnte. 

Die Anwendung der Proportionslehren auf praktische Rech- 
nungen ist, nach unserer Meinung, als eine sehr gelungene anzu- 
sehen. Hier wird nämlich das gewöhnliche Rechnen in kurzen 
Zügen auf eine ebenso klare als gründliche Weise durchgenotnmen. 

Im zweiten Cursus befinden sich sieben Gapitei and zwar so, 
dass das erste die Grundbegriffe der allgemeinen Arithmetik, das 
sweite die vier Rechnungsarten in Monomen, das dritte die 
allgemeine Potenzlehre, das vierte die vier Rechnungsarten in 
Polynomen, das fünf te die Progressionen, das sechste die Lo- 
garithmen nebst der Berechnung der Zinsieszinsen, Renten u. s. w. 
' und das sieben te die Kettenbrüche enthält 

Im ersten Gapitei befinden sich die nöthigen Erklärungen 
iii hinlänglicher Kürze, während im zweiten die vier ersten 
Rechnungsarten in Monomen sehr klar dargestellt sind. 

Die allgemeine Potenzlehre befindet sich sehr gründlich im 
dritten Gapitei, ond Rec. bemerkt hier nur, dass (in §. 295.) 
^— a . Z' — b auch- H-y'ab sein kann, indem ^— a . >/"— b = + 
/a^/— 1 X ± /b . /— 1 = + /«b . (v^— 1)2= + /ab . -T 
s= 4. /ab und also nicht blos — /ab'sidi zeigt. *- 



Heuristische Botwickelnng d. Grnndlehre der reinen Mathematik. 449 

Das vierte Capitel ist sehr kurz tusgefallen, indem d{(^ 
Theorfe schon früher gegeben worden ist. 

Besonders deutlich sind die einfachsten Sätze über arithme- 
tische und geometrische Progressionen im. fünften Capitel 
dargestellt; und der Hr. Verf. bat wohl gethan, statt der unge- 
hörigen Benennung: „Exponent^^ die andere: ,,Name der 
Progression^^ (in §. 319) zu setzen. Rec. hat in seiner 9fa- 
thematik den Ausdrude „Factor^^ gewählt. 

Die Grundgleichnngen für Logarithmen, sowie das Wichtigste 
von den. Briggischen oder gemeinen Logarithmen und den loga- 
rithmisqlien Tafeln findet sich imseefastenCapitel, welches 
ansserdem noch einen Anhang zur Berechnung der Zinseszinsen, 
Renten u. s. w. enthilt. J)ie Kettenbrüdie sind sehr gründlich 
aber verbältnissmässig etwas zu weitläufig im siebenten Capi- 
tel abgehandelt, and ihre Wichtigkeit wird durch einige passende 
Beispiele ins rechte Licht gestellt 

Der dritte Clurstis umfasst zwei Abtheilungen, wovon 
die erste fünf und die zweite zwei Capitel zählt. 

Im ersten Capitel der ersten Abtheilung ist die 
Combinationslehre mit lobenswerther Gründlichkeit und ganz aus- 
führlich dargestellt. Dies ist um so mehr zu billigen, als gerade 
diese Lehre in ihrer Anwendung so äusserst fruchtbringend sich 
zeigt Wie interessant sind schon die Beispiele, welche ans der 
Wahrscheinlichkeitsrechnung in § 425 enthalten sind, und welche 
Aufgaben lassen sich den ebengenannten noch anreihen. Hier 
ofhet sich dem Schüler eine Welt, welche, wenn er sie atn der 
Hand eines tüchtigen Führers betritt, ihn aufs Höchste zu fesseln 
vermag. 

Der eigentliche magist er matheseos, nämlich der binomi- 
sche Lehrsatz, ist im zweiten Capitel für ganze und im dritten 
für beliebige Exponenten erwiesen. Dies war, bei dem bekannten 
Streben des Verfassers nach Gründlichkeit, ganz natürlich; auch 
finden wir die Anwendungen des Satzes, obgleich in geringer An- 
zahl, recht zweckmässig gewählt. Die Methode der unbestimmten 
Coefflcienten zu Anfange des dritten Capitels enthält in der Kürze . 
Alles, was in einem Leitfaden für Schulen gegeben werden kann« 

Mit den Progressionen höherer Art beschäftigt sich das 
vierte Capitel, welches eben so kurz als bündig die hierher 
gehörigen Hauptlehrsätze enthält Dies ist um so mehr anzuer- 
kennen , als gerade hier oft mit grosser Weitläufigkeit verfahren 
zu werden pflegt. 

Besonders b^achtenswerth ist das fünfte Capitel, welches 
die Reihen für Exponential-logarithoiische und goniometrlsche 
Functionen auf eine Weise behandelt, welche alle Beachtung ver- 
dient Die im §. 486 vorkommende Gleichung für n eignet sich 
zur Berechnung dieses Aüsdrudces sehr gut, und man findet auf 
dem hier angegebenen Wege die Ludolfsche Zahl in 31 Decimal- 

iV. Jahrb. f. Phil, ». Päd. od. Krit, Bibl. Bd. L. Hft. 4. 29 



rtriia^H«*&Aft. Bri iaa rfdrtia«* au « *« des VcrfL Mch 

iC CB MB. 4hb « (te S- 473) i«att der <IMdilBg(B) 

^ ^ 1* 




^s «rsttt Capit«! der mweft«a Aktheilvag 

«olk. AMkirtc>nmUOigeB,dMHr.W.tfe( 
Mfcim Ciafc (^<a wmtmtitm flit Jmji iiiitl 

«v o^Gndcs oM te B««liei CbfÜcl !■ icr Eine dtq^ 

ii toa T ilifc PI Cbptei i MrfBiiKili rtgrWiiril woHc« MiJi 

g«iBgea, Müflt migcni 
WOHI irfdü dk 

JNr Cr(«OT«rne «dbnl drei Cnrsas, tos deaea die bei- 
de« eritea IwwpCiichBai ebeae GcoHctrie eiitlultco, wibrtod 
im iritt es Koipmehre,ebciie oad sphimdieTrigoiioiiietrie o^ 
Ae Skacate der Kegebdinilte befiodlich sind. 

Per erste Cureus hat 4 Capitd, ¥ob deoea das erste fir-> 
UiroDgeo, Grondtitze, Forderoogfsaätae; das zweite Lehraitie 
ood Auffabea über gerade Lioieo, Winkel und Dreiecke in llin- 
■ichi Ihrer Congrnenz und daraus entspriogeBdea Eigenscbaflen; 
das dritte die Lehre too den Paraiieleo und den damit verbun- 
denen Bigenschaften der ParaUelogranune nnd Dreiecke und das 
▼ I e r t e £e Gieicliheit der Figuren in Rücksicht dea FJacbeamuinn 
enthält. 

Das erste Capitei giebt die nöthigea Erklirungen kors 
und deutlich, und wir haben hier nur folgende Bemerkungen ge- 
macht. 

In $. 17 hätte Rec für das Wertx ^Censtrnctf en'' efa an- 
anderes gewlwscht; und eben so ist hi $.20 die BeneUBaag: 
„Strahlen^ etwas uogewöhnüch. Die fit klärung des Winkels 
in dem zuletzt genannten §. nämlich: „Zwei Strahlen^wel* 
ehe Ton einem Punkte aueg ehen, bilden einen Win- 
kel, und der Winkel Ist also der Unterschied der 
Richtung iweler von einem Punkte ausgehenden 
Strahlen^S ^^ unserer Mehiung nach nicht was ein Winkel 
ist, sondern wodurch ehi solcher entsteht. Die in §.30 gebrauchte 
Benennung: i^Trapes^^ f&r Vierecke^ welche kehieperallele Sei- 



Heuristische EntwickeliMg d. Gruntfahre der reineo Mathematik. S51 

leii haben^ itt uQ^flbriiichlich, inde» dhhi tfebaelir unter Trape» 
ein Viereck mit eioei» Paare parallekr Seiten veratelit 

Im zweiten Capitei sind die Lehraatae über Gongruens 
B. 8. w. aehr streng dargetbili und lUe Aufeinandcifoige der Sätze 
kt sehr zweckmisag gewählt Bei dem in §. 52 vorkommenden 
Congmenzsatze sind nielil drei Fälle zu nnteraclieiden , wenn man 
die Dreiecke mit iliren grötsten Seiten aneinandergelegt sich 
denkt. In §. 55 hätten wohl die Winkel durch einzelne Buch- 
ataben bezeichnet werden können, indem die Zeichen der Un- 
gleiche! t mit den Winkelaeicheo von dem Anfibiger mit cinandef 
terwechäelt werden kennen« 

Der in §. 60 stehende Lebrsata ist nur ab ehi besenderer 
VbJI des Satzes ; ^^Zwei I>reieeke sind cengruent , wenn in ihnen 
fwei Paar Selten eiaand«r gleich sind, wenn ferner die dem einen 
Paare gleicher Seiten gegenöberilegenden Winkel gleidie Grösse 
heben und die dem andern Paare gleicher ipieiten gegennberliegen« 
den Winkel mehr oder weniger ala zwei rechte betragen^, anzu^ 
sehen, und Hec« hätte deshalb den letzteren Satz statt des erstem 
gewünscht« 

Die Lehre von den Parallelen ist aehr gnt bearbeitet und wir 
haben namentlich die Kürze de» zu §. 76 gehörigen Beweiaes mit 
Vergnügen bemerkt, indem hier namentlich das Zn deutlich* 
machen den Schüler nur verwirrt. 

Die im §. 90 aufgestellte Behauptung gilt nur« wenn das 
Vieleck lanter hohle Winkel hat» indem ffir erhabene Winkel statt 
Summe besser algebraische flumme gesetzt, twd jeder zu 
einem erhabenen Winkel g^örige Ausneowinkel mit dem Zeichen 
(-^) versehen werden muse. 

Die Gleichheit der Figuren ist im vierten Capitei so voUstä»- 
dif abgehandelt^ wie dies die Wiehti^eit dieser Lehre nothweft- 
dig macht. 

Im 9f»Hien Cursua stehen drei Capitei und zwar so, 
dass das erste die Ldire vom Kreise, das zweite die Adin- 
lifihkeit und Ausmessung der Figuren und das dritte deya et^ 
aten Theil der Stereometrie nmfaast. Es ist nur zu bittigen, 
4as8 Hr« W. diesen Weg eingeschlagen, indem die Aehnlichkeiti- 
satze den Iiernenden immer Schwierigkeiten darbieten und dfia 
lüreissätze, wie sie im ersten Capitei enthalten sind, sehr leicht 
erwiesen werden können. Auch zeigt es von grosser Sachkenot- 
niss und Umsicht , dass im zweiten Capitei die allgemeine Propor- 
tionenlehre vor die Lehre von der Aehnlichkeit gesetzt worden 
ist, indem die letztere nur dadurch in das gehörige Licht gestellt 
wird. Die allgemeine Proportionenlehre ist ausserdem auf die 
gründlichste Weise abgehandelt, sowie die Lehren über Aehnlich- 
keit und Ausmessung der Figuren auch den strengsten Kritiker zu 
befriedigen vermögen. 

Recht passend sind nun die im dritten. Capitei vorkommen- 

29* 



452 Mathematik ttnd Physik. 

deo ersten Sätze der Stereometrie und Rec. hat gefunden, dass 
gerade dieae Sitae als die beaten Uebungen im Anwenden der 
ebenen Geometrie aich zeigen. 

Der dritte Cureus hat drei Abtheiiungen, wovon die erste 
(in drei Capitein) die ganze Körperiehre enthSlt, während die 
zweite (in fünf Capitein) die ebene und sphärische Trigono- 
metrie und die d ritte die Elemente der analytischen Geometrie 
behandelt. 

Ausserdem sind noch im Anhange einige gut gewählte Auf- 
gaben zur Anwendung des Vorhergehenden befindlich. 

Die Stereometrie ist in der Kurze mit so viel Klarheft 
und Umsicht dargestellt, dass Rec. dem Durchlesen donelben 
mehrere genussrdche Stunden verdankt. In der Trigonometrie 
kommen nur die für Schulen nöthigen Sätze vor und Hr. W. zeigt 
hier^ufs Beste, dass er die Bedürfnisse der Gymnasien aufs Voll- 
kommenste kennt. Wie mancher Schriftsteller gefällt sich nicht 
darin, durch schwere und gestfchte Entwickelungen der Welt zu 
zeigen, was er zu leisten vermag, während der Schüler, wenn er 
nach dem Boche unterrichtet wird unter der Last der Arbeit 
seufzt und die Mathematik aufs Höchste verwünscht. 

Wie einfach und klar sind nicht im §. 561 und 562 die Ne- 
ger^schen Analogien und die Gaussi'schen Gleichungen 
bewiesen! während Rec. schon seitenlange Beweise von diesen 
Sätzen gesehen. 

Die Kegelschnitte fehlen in vielen Lehrbüchern der fiJie- 
mentar-Mathematik und zwar mit Unrecht. Denn werden dieselben 
nur, wie dies vom Hrn. W. geschehen ist, behandelt, so ist Ihre 
Lehre einfacher als die Trigonometrie und dabei in der Physik, 
wie sie In unsern Tagen getrieben werden soll, unentbehrlich. 
Rec. handelt nach und nach In seinen physikalischen Lehrstunden, 
von Tertia anfangend , die Kegelschnitte ab, je nachdem er sie zu 
diesem oder jenem Gapitel der Physik gebraucht und wiederholt 
dieselben in Prima noch einmal. Auf diese Weise hat er seine 
Schüler auf eine leichte Weise mit dieser Lehre vertraut ge- 
macht und ihre Nothwendigkeit durch die Physik nachzuweisen 
gesucht. Indem wir von dem Hrn. Verf. scheiden, müssen wir 
ihm für die Belehrung danken, welche uns das Studium seines 
Werkes gebracht. Es bricht sich sicher, wie alles Gute, von selber 
Bahn. Q^z. 



Schul" und Universitätsnachrichten^ Beförderungen 
und Ehrenbezeigungen*). 



Canton Bern. Mit je ängstlicherer Besorgnis« die gegenwärtigen 
Zustände der Schweiz den anfinerksamen Beobachter erfüllen , um so er- 
frealicher ist die Wahrnehmung , dass aach dort tnchtige Männer durch 
zweckmässige Verbesserung des Volksunterrichts für die bessere Gestal- 
tung der Dinge eine sichere Basis zu legen bemuht sind. Unter die er- 
freulichen Erscheinungen der Art müssen wir- folgende Schrift rechnen.: 
Das Schul- und Unierrichtswesen des regenerirten Cantons Bern von seiner 
untersten bis zur höchsten Stufe. Nebst einigen Bemerkungen über die 
Schrift'. Gedanken und Ansichten über das bemerische Schulwesen. Von 
Dr. Ernst Friedr. Gelgke^ Professor der Theologie. Bern , 1846. 86 S. 
8« Veranlassung zu derselben hat unstreitig die neuste Veränderung des 
Regierungssystems und der Verfassung in Bern gegeben und es ist gewiss 
verdienstlich , dass der Verf. die Augen der Regierung und Volksvertreter 
bei den mannigfachen neuen Gestaltungen auch auf die im Schul- und 
Unterrichtswesen nothigen Verbesserungen hinzulenken sich bemuhte, um 
so mehr, als er selbst, lange Zeit in allen Anstalten beschäftigt, ein 
richtiges Urtheil über deren inneres und äusseres Leben und dringend- 
sten Bedurfnisse abzugeben befähigt war. Die Schrift ist aber keines- 
wegs , wie man darnach vielleicht vermuthen konnte , im Sinne des Ra- 
dicalismus , sondern einzig und allein im Interesse der Wahrheit geschrie- 
ben , ja es scheint sogar hier und da die Absicht durch , das Bestehende 
vor etwaigen Umsturzversuchen von Seiten der Radicalen durch mög- 
lichste Erfüllung ihrer gerechten Forderungen zu wahren. Sie zeichnet 
sich durch eine im Ganzen klare, wenn auch nicht populäre, dabei leb- 
hafte und eindringende Sprache, wie sie eben die warme Theilnahme am 
Gegenstande hervorrufen muss , durch ein scharfes Urtheil und furchtlose 
Aufdeckung aller Mängel neben bereitwilligster Anerkennung alles Guten, 
endlich durch die Besonnenheit , mit welcher unter möglichster Erhaltung 
des Bestehenden Vorschläge zur Verbesserung und Vervollkommnung ge- 
macht werden, vortheilhaft aus. Der Verf. beginnt mit einer >kurzen Ge- 
schichte des bernerischen Schulwesens, ans welcher wir Folgendes her- 
ausheben. Nach der Reformation erschien 1548 die erste Schulordnung, 
nahm aber allein auf höhere Schulen Rucksicht« Erst 1675 wurde eine 
Landschulordnung geg,eben und darin als Zweck der Landschulen Be- 



'*') Die Redaction richtet an alle die geehrten Dirigenten gelehrter 
Anstalten die dringendste Bitte, ihr von den bei denselben erschienenen 
Programmen und andern Gelegenheitsschriften sobald als möglich nach 
der Veröffentlichung ein Exemplar auf buchhändlerischem Wege zugehen 
zu lassen, damit unsere Berichte eben 6o schnell, als vollständig erfolgen 
können. 



454 Sebnl- ond Unirenitatsnachrichien, 

fibi^ung Aller zor Lesong der heil» Schrift ond Verstandniis des Kate- 
chiftmos aufgestellt. Mit Ausnahme des Stodiams der Theologie warea 
mite anderen Wissenschaften gSnzKch remachlSssigt. Die Akademie ent- 
wiclLelte zuweilen da freiens lakmty wie s. B. daroh Haller, aber sie 
blieb doch immer mehr eine Abrichtongs- als Biidnngsanstalt. Erst geged' 
Ende des Torigen Jahrhunderts wurde sie auch auf Jurisprudenz , Medidn 
vnd Chirurgie ausgedehnt. Das in Folge der franzosischen Kevolnüan 
erwachte Streben nach rationeller Einheit und Freiheit (HeWetik) richtete 
das Augenmerk auf die Erziehung , weil es in der Volksschule eine Stutze 
suchte , aber im Gegensätze gegen die frühere Zeit ward Jetzt das Ma- 
terielle, das Ueberwiegende; von Religion wollte man sonst gar nichts 
wissen und Hess höchstens etwas Moral gelten. Mit der im Jahre 1831 
eingetretenen Verfi&ssungsrerifndcrung begann eine ungemein rege Tba- 
tigkttt auch auf diesem Gebiete des Staatslebens , aber die Fruchte der- 
selben eraehienen keineswegs genügend. Die Schuld daran schreibt der 
Verf. nicht den Volksr^rtretem , welche rielmehr bedeutende Opfer nicht 
sdieuten, sondern den Verhältnissen zu; die Brziehungsbehorde habe 
ihre Aufgabe nicht begri£Pen gehabt und nur durch äussere Mittel das 
Schulwesen zu heben getrachtet ; zwar bitten einzelne Manner in ihr, 
wie Fellenberg und Lutz, auf d«s ideelle gedrungen, aber der Erstere 
sei als ein lastiger Mahner 1835 unter nichtigem Verwände ans dem Er^ 
ziehungsrathe entfernt und bald darauf durch eine Untersuchung seiner 
Anstalten in Hofwyl auf das Empfindlichste gekrSnkt worden, der Letz- 
tere schied , weil er sein Wirken rergeblich »ah , freiwillig aus ;. durch die 
Aufhebung der grossen und kleinen Schnlcommisslon habe sich 1838 die 
Behörde selbst der Möglichkeit eines gedeihlichen Vorwartsschreitens be- 
raubt; am meisten «ei fSr die Primarschule geschehen, die hohem An- 
stalten fhst gÜnzReh vernachlässigt worden ; es habe an durchgreifendem 
Ernst gegen alte Miss'brioche gefehlt, dagegen kleinliche Bevormundung, 
Partetfidikeit, Wiffkor, selbst Härte gegen die Lehrer geherrscht; eine 
Starre Bireaukratie'habe keine geistige Belebung und Leitung zugelassen. 
Andere Grükide find^ der Verf. hi dem geringen Sinne des Volkis fqr 
hSfaere BHdung, ^ dem zShen Festh^ten am Verrosteten einer- und der 
inodemen OberflScMlchkeit andererseits , in dem Verfalle der häuslichen 
, {Eaoht und dAfontlidhen Sivtlichlceit, -wodurch das Gute, was die Schule 
geschaffen , fast stets wieder remicfatet >^rde , endlich in dem Mangel 
an einer ausreichenden Zahl tfithdger und walirhafb gebildeter Lehrer. 
Der Verf. geht hierauf sSmmtliche TJnterriditsanstalt^n stufenweise durch, 
Indem er ^beraR die Gesetze und Maassregeln der Regierung und deren 
Erfolge würdigt und daran seine Vorschläge anknüpft. Der Ernst , mit 
welchem er auf wahrhaft geistiges Leben unter Abweisung aller lieber- 
ladung dringt, und die Einsicht, mit welcher er die einfachsten Wege 
dazu nachweist, verdienen, wenn man auch nicht mit AUen Todlkommen 
einverstanden sein kann , die Tollste AnerkiennuBg. Obgldch wir ganz 
tund gtur der Attsidrt sind , dass der -Niedere TJoterricht mit dem hohem 
In der engsten Verblödung stehe , dass jener fQr diesen die unentbehrlicbe 
Grundlage bilde, so übergehen wir doch, wasS. 11 — 15 über die KhiM- 



BafoWlenrngea mid EhrenlieuigiiiigeB. 455 

klB4er- und 8. l^-— 39 über die Primantchiiltt gesagt ist, als dem Zwecke 
dieser Jahrbü<;ber fer«er liegend ^ und geben mm nach der Bariiellnng 
des Verfiiseers einen OerickV ober den ZnsUnd der mittleren nnd heberen 
ynt^rricbtsanstalteo. Fand der Verf. in dem, was fnr die Primarschnle 
geschehen» manches Anerkennens- und Lobensweijthey so siehVer sich 
dagegen bei der Besprechnng der Secnndar schale (8. d9-^50.) n 
ianter Klnge genothigt «nd wir können dieselbe nnv als wohlbegRindet 
aoiehen. Penn die Bestimmnng des Gesetzes , wonach diese 8chule eine 
gründlichere nnd umfassendere Bildnng/als in den PHmarsohulen erhalt« 
lieh seil geben sollen , mnss allerdings , da die Lehrgegenstande dieselben 
sind, wie in j«iier nnd nur das Praasdsische und die Technologie hinzn-^ 
treten, so lange für yäg gelten, als nicht ein Reglement das zn orrei- 
«hende Ziel nnd damit den Lehrgang, sowie die Unterscheidang Ton an* 
dem Schulen scharf bestimmt hat. Der denselben gestellte Zweck , den 
8chulern diejenigen Kenntnisse beinabfingen, welche znr^Ansubnng eines 
technischen Berufs vorbereiten , Hesse sich nun wohl damit in Einklang 
bringen , dnss darin auch VorbereitQng für höhere Lehranstalten gefunden 
werden könne, Toransgesetzt, dass die spedellen Zwecke nnter einer 
4>rganiscben Einheit zusammengefosst nnd die Lehrgegenstände auf das 
allgemein Bildende beschrankt werden , allein indem das Gesetz die Auf«- 
nähme des Unterrichts in den alten Sprachen nnd die SiAeidnng in one 
realistische nnd hnmanistische Abtheilnng ohne die Nöthignng fnr Alle, 
dem Unterricht in allen Fachern beizuwohnen, gestattet hat, ist die ein* 
heitliche Leitung und Führung do^^giMler &st nnmöglieh geworden. Da 
nun die nqh den WissenschafM^WldmeBden stets die Mehrzahl der 8efaft^ 
1er bildeten, so sind in der J^axis diese Schulen an die fiteile der soge- 
üannten lateinischen getrwn oder Landsohaftsgymnuien geworden nnd 
haben ihre eigentliche jSeslimmung Bürgerschulen nach Unserer Rede- 
weise zu sein fast gaimpeh verloren. Steht es sonach mn die innere Ge^ 
jtaltnng schlimm , so ist noch weit weniger die änsscre bedacht* Die 
Vorschrift, dass nuraa eine Secundarschule eröffnet werden dnrfe, wo 
sich 30 Schaler da» gemeldet , beraubte viele Orte^ wo das Geseta nicht 
Jignerisch nmganiv' y?arde , der Wohlthat eine solche zu besitnen. Da 
ferner in der R«l nur -eine solche Anstalt in jedem Amtsbezirke auf 
UnterstSizung imn Seiten des Staats Anspruch machen kann , die Erhalr 
tnng derselben demnach fast überall den Gemeinden oder Privatvereifien 
zur Last fliltjpo sind viele nach korzem Bestehen wieder eingegangen 
(zn RanflubcyA^ftufenf Fentigen, Interlaken), nnd von denen, welche 
ihre Existenz fristeten , nwsste fast Allel unterlassen werden, was einen 
grösseren Kostenaufwand erforderte, wie der Unterricht In der Naturge- 
schichte, Physik nnd Geographie. In Folge dieser VeriiSknisse konnte 
natttrlich Niemand Lost haben , an diesen Anstalten eine AosteUnng zu 
suchen» Die Candidaten der Theologie betrachteten dergleichen hochr- 
stons als UcdUerganpposten, nad so fanden sich nur wemge Männer, die 
mit wirklicher Begeiiltening in ihnen arbeiteten. Die Behörde sah swar 
endüf^ 4ie Uebelstande ein mid oadnete desshalb 1845 eine deneraün- 
spe^on an , in Folge deren die Verordnung erlassen wprde, dass nnr da- 



456 Schal- wid UniTortititJiiadwicIiteis 

mal im Jahre Aafhahmo fltattfinden, bei den PrSfungen der AufironduiMii- 
den die Lehrer eine enticheidende Stimme haben und dasa in Znkanftnor 
S Ciaasen mit Je 2 Abtheilongen beliehen sollten (iiach dem Cresetie: 
4 Ciaasen mit einjährigen Cnrsen) ; da aber ifveiter nichts geschehen ist^ so 
kann schwerlich davon ein Aufblähen jener Anstalten erwartet werden« 
Rein hnmanistisohe Secnndarschnlen sind die Progymnasien in Than, Biel^ 
Nenenstadt und die CUmegien in Peontent ond Delsberg, Ton welchen aber 
erwähnt wird^ dass die höheren Classen fast gänzlich leer sind. In der 
Stadt Bern selbst besteht eine Cantonalschole , welche zuerst eine sehr 
zweckmassig organisirte Elementarschule und sodann eine Industrieschule 
(5 Classen und 6j. Curs) und ein Progymnasium (6 Classen und 6j. Cur«) 
enthält. Die Industrieschule kränkelte fortwahrend so ^ dass die Regie- 
rung eine Veränderung beschldss. Die dazu verordnete Special comnut*. 
sion schob alle Schuld nicht auf die schwankenden Bestimmungen des 
Plans und die Verhältnisse, sondern auf die Lehrer, und die Folge davon 
war, dass mit einem Male sammtliche Lehrer ohne Angabe des Grundes 
entlassen wurden (ein ähnlicher Fall , wie er sich bdcanntlich früher in 
Blei zugetragen hatte). Das Cantonalprogymnasium hat im Ganzen bes- 
sere Erfolge gehabt und der Verf. rühmt den Eifer und die Bildung der 
Lehrer, tadelt aber den eingelnhrten Mechanismus und Schematismus, ond 
die rein äusserlichen Prüfungen. Es konnten diese beiden Anstalten nm 
so weniger eine grossere Bluthe entfalten , als die Stadt Bern , zu deren 
Burgerschaft die wohlhabendsten und gebildetsten Familien, fast die sammt- 
liche Aristokratie des Cantons, gehören, eine viel besser ausgestattete 
Realschule und desgl. Progymnasium erhält. Der Verf. wendet sich «^oa 
der Secundarschule zu dem Gymnasium in Bern (S. 51-^59). Eine 
Vorbildung verlangte man in der frühem Zeit nur für das Studium der , 
Theologie. In der Schulordnung von 1548 wird schon ein Professor der 
alten Sprächen erwähnt und die Academie hatte später nicht eine philo- 
sophische, sondern nur eine philologische Facnltät, welche als eine Vor- 
schule für die theologische galt. Juristen and Medidner konnten ohne 
Weiteres zu den Studien zugelassen werden. Das Gymnasium Ist dnrdi 
ein Gesetz vom Jahre 1834 begründet und hat 1835 einen Lehrplan em- 
pfangen. Es besteht aus 3 Classen und soll nach dem Gesetze die An- 
stalt sein, in welcher die Jugend nach durchwanderter Secundarschule 
zum erfolgreichen Besuche der Hochschule vorbereitet werde. Die claa- 
sischen Studien bilden das Hauptelement und als Ziel derselben ist da» 
Verständniss der alten Zeit gestellt, daher auch die Literaturgeschichte 
eine Aufnahme gefunden hat. Auch die Mathematik und die Naturwia- 
senschaften haben eine so ausreichende Berücksichtigung erfahren (der 
Mathematik sind in der untersten Cl. 6 Stunden eingeräumt), daaa daa 
aligemein Bildende und die Vorbereitung zu einem speoiellen Studium 
derselben jgewonnen werden kann. Es ist stets festgehalten worden, 
dass durch die Realien den humanistischen Studien kein Eintrag gesche- 
hen dürfe. Das Lehrercollegium erklärte sich 1837 gegen eine Erweite- 
rung des naturwissenschaftlichen Unterrichts zu Gunsten der künftigen 
Medidner und beantragte, dass denselben vielleicht schon während der 



Btfordenmgeii ond Ehrenbe^igmigen. 4^7 

Gymnasialzeit der Besoch dnielner VoriesQngen der t^hilosophischen Ftt- 
coltat an der UBiTersität gestattet werden könne, eben so entschieden 
aber wies es 1842 den Vorschlag der Behörde , die Präfang in den Rea- 
lien eine Woche vor der End- (Abitiirienten-)prafang za verlegen, zurück, 
weil dadurch diese Gegenstande, die bei den Schülern ohnehin nicht genng 
Beachtang fanden, noth mehr herabgewürdigt werden würden. Als 1844 
die Behörde den Zutritt in das Gyninasinm den Schülern der Cantonal- 
schnle gestatten wollte , welche von dassischen Studien abstehen müssten 
and doch noch zu jung zum Besuche der Hochschule seien, und über die 
desshalb nothwendigen Modificationen des Unterrichts ein Gutachten for- 
derte, lehnte das LehrercoUegium dies aus dem Grunde ab, dass den 
Naturwissenschaften für ein Realgymnasium doch zu wenig eingeräumt 
werden könne, wolle man nicht den ursprünglichen Zweck der Anstalt 
alteriren. Der Verf. meint nun , allerdings sei zur Errichtung eines Real- 
gymnasiums im Canton Bern noch kein Bedürfniss vorhanden, da seine 
Industrie fast nur in Viehzucht und Ackerbau bestehe ; da sich aber den- 
noch Einzelne fanden , welche eine höhere Realbildung suchten , und der 
Staat doch auch für diese zu sorgen die Pflicht habe, so hatte wohl defi 
,Wfinschen der Behörde und des Publicums annähernd entsprochen wer- 
den können, wenn am Gymnasium für solche Schüler wahrend gleich- 
zeitig mit dem Unterrichte , dessen sie nicht bedürften , besondere Stun- 
den für die RealfScher eingeräumt worden wären. Wir verkennen seine 
wohlmeinende Absicht keineswegs, halten aber an der Ansicht fest, dass 
die Errichtung besonderer Realabtheilnngen stets in den Organismus der 
Gymnasien störend eingreife und würden deshalb lieber den Vorschlag 
gethan haben , durch Erric|itung einer hohem Abtheilnng an der Industrie- 
und Realschule dem Bedürfiiisse abzuhelfen, zumal da diesem mit mehr 
Recht die Weiterforderung ihrer noch nicht hinlänglich gebildeten Schüler 
sugemuthet werden kann, als dem Gymnasium. An dem Unterrichts- 
plane lobt der Verf. besonders (S. 56.) , dasS er bei der Betreibung der 
alten Sprachen die Vorbereitung zu einer eigentlichen Sprachwissenschaft 
fordere und vor einem geistlosen Mechanismus warne. Mit dem gröss- 
ten Rechte tadelt er , dass dem Religionsunterrichte , von dem eine philo- 
sophische Begründung der vorzüglichstien Glaubenslehren, die Geschichte 
der Religion und der Umgestaltung der vorzüglichsten Dogmen im Laufe 
der Jahrhunderte gefordert werde , nur eine einzige Stunde eingeräumt 
sei. Wir hatten gewünscht , dass er hier mit einer ganz entschiedenen 
Forderung aufgetreten wäre. Den Vorschlag , dass durch die Erweite- 
rung des philosophischen Unterrichts und Aufnahme der Ethik dem Re- 
ligionsunterrichte eine wesentliche Unterstützung könne geboten werden, 
würden wir schon desshalb nicht gethan haben , weil jede über die empi- 
rische Psychologie und Logik hinausgehende philosophische Propädeutik 
uns über das Gymnasium hinaus zu liegen scheint, die Weekung wahr- 
haften religiösen Lebens aber erwarten wir nicht von einer philosophischen 
Begründung, sondern vielmehr von einer vollständigen und treuen Dar- 
legung des Geoffienbarten in seiner Innern ECinheit, von einer lebendigein 
Darstellung der Erscheinungen des Rdches Gottes auf Erden, ond vor 




«SU gAri- wmfä ürinffwtftwthiiüw, 

w Hmm EMI ti«&wflM CMOble Miaer BeJo- 

., «««r n MJagiii vi» 4Mt M 49« YorbonKMeMMUlfte« 
£4flB Seaie4aridiBieB) 4ie Kmichuf 4ie9«« ZieUi wo4er 
fMr4«ri, m^A ibeiaU fdEHi4«i fdr4 , wie dtMi ibcrluiopi 4er < 
Z— I— f hing ÜB ligf iMtf D«lemch Uw ew sa wermimoa ist. Ob- 
gldch 4m G«mU fi« CyMMiwialhü4—g ftU Voiberaitaiig «i aUe« fW^ 
f4i— aAfiela, i«i4MlilubjeUtMir vcm dm Theologm eU Ze^em 
4er Reife gefordert wer4es. Dies iiii4 wn^wk 4er UastMi4, 4aa8 um 
§mr 4ie kioftige« Tkeelegea «du« auf 4eie Gy«iiiM>Uk badeateade M- 
peB4iea ut reidicB Htiftaegea exieUrea, luit bewvkt, dass aar weajgc 
JarUtea aad lie4idBer 4ies Gymaeeiaai anr VorWreitaag aof die CW- 
TerBtit beaotatea. Uer VerC hofft, 4aM, 4a jetot aach Yoa den itai- 
gea Faoaltatea höhere Fof4eraagea gestellt wiir4ea9 4ie Preqaeaa «ch 
«ehrea werde, fördert aber aach 4ea Staat aaf , dascelbe aa dea Cantaaa- 
bargem aa tkaa, was 4ie Stadt Bera ihrea Birgem dorch Tragaag der 
BilRe des Schalgeldes erweise. Als sehr tadelaswerth hebt er enklick 
die iagsUiche Coatrelirvng dar Lehrer Toa Seitea der Behörde berror; 
die 1859 fir die Bodprafaagea wedergesetsie Coauaissioa betracbte 41b 
Baaauna fut aar als Lehrer-, aicht als Sehfilert xaiaiaa aad eatblede siiAi 
aicht dea Bzaaiioatorea «ehrera Tage Torher die Peasa sazaseodea. — 
Als dea SchlaasstMa des gesaauateo Uater «ichtsweseas besprieht der \L 
aa«h die Hochschale (S. 69 — 83,), welche aa die Stelle 4er Acadmaie 
4arch Gesäte voai J. 1834 getretea ist and darch eia Regleoi^t iai Jahre 
I8#l eine detailirte Organisiraag eräaltea hat Nachdea er aber dem 
Zmeifk and die Nothweadigkeit derselben eioleachtead gesprochea, fßbt 
ar aa den darans henrorspringenden Bedingoagen aber. Er erkanat, iaas 
•me Bescbränkeng der Lehrfreifaeit stattfinden mqsse, wenn der Staat und 
die Kirche die Pflicht der Selbsterhaltnag erfallen wollea, beklagt aber, 
dass eioe solche gar zn häufig von der Regierung aos Parteiinteressea 
geibt worden sei -^ ein beachtaogswertbes Zeagaias aber die gerohiate 
«apablisaaiscbe Frdbeit — wahrend er den Lehrern nachrobait, das» im 
^ndicalea^' Bern Ton den Kathedern wohl wdt wen'ger poliU»i t worden 
aei, als ia Deutschland. Eben so findet er darebeas aweck widrig, daas 
b« dea Badprofangea Testate über gewisse CoUegien Terlaogt warden^ 
weil dies häufig zur Lage fahre nad die Lernfireiheit beschranke; die theo- 
lo^sohe Facnltat habe dadurch, dass ae bei den Pröiaogen streng nach 
dem Wissea aad Können, nicht aber nach dea Testaten gefragt, weit 
bessere Resultate erzielt als die jurisfische* Von dea im Gesetz be- 
aeichneten Lehreegeastanden Ist die Pädagogik nicht vertreten aad eben 
so wenig die technischen Wissenschaften (nach dem Reglement: geome* 
fbrlfcbe Zelchnang, practische Geometrie, Banwlsseaschaft) ; die CauwraU 
Wissenschaft wird anr nebenbei dann and wann durch ein CoUegiaia be- 
dacht, die 1841 als za ihr gehörig bezeichnete Forstwissenschaft ist ans 
dm Qatalog gan«. verschwanden; auch 4er. angestellte Professor dar MI- 
Ütärwissenschsften ist bald wieder abgegangen und nicht ejnetst worden, 
bildandfn Kannten findet mit Ansnabme der Malarkaast kawe 



BeforbmagM mid Bbraibtseigmigeo« 459 



fliiisige Megs. Um iM innere Leben der VvtrenMit und dadarcb ihren 
bedeutenden Wertb ffir Bern dentlieh Tor Aller Aagen zu legen, betrscihtet 
der Ver& mk ipebfihrender Anerkennung , aber noch mit nabefongenen 
Freimath die Leietongen nnd Bestrebungen der einseinen Lehrer, seiner 
CoUegen. Wir entaeteen dumos ein Personalrerzeiebnise fSr du Jahr 
1846. In dar philosephitchen Pacnitat lehrten Pldlosophie Prof. 
Vroisler and Privatdoeeat Dr. Um , ein Schaler HegePe (Dr. CSfrufter, efai 
^chellingianer, wiricte aar knrze Zdt), Geacfaicbte Prof. Henne (an Kor- 
ttiin'e Stelle getreten), die NatnrwisaMischaften die ProfE TVeeAseZ (fiht- 
periaieatalpbysik}, Glieder (Physik, Mineralogie und Geologie), Dr. Brun- 
ner (Cbeiaie), JFytUer (Botanik) und Perls; eiassische Philologie die 
ProfF. MüUer, Director des Gyaniasioais (seitdem abgegangen), ReHig^ 
Eduard Sdmdl^ Jeüm d. dit nadiimg^ere. Von den orientaiisehen Spra- 
chen war ansser der hebräischen keine berfisksichtigt. Mit dentscher 
Sprache and Literatur und ebenso mit der engiiechen beschäftigte sich an- 
vreilen der altere Jaba, die franzosische nad itolienSsche Literatur ward 
Ton Prof. Bkhard Torgetragen , Mathen»atik ansser Toa dem Prof. TVeeA- 
eti , Ton den Privatdocenten Germer und IPipIf. In der theologischen 
Facaitat war der Prof« Dr. Sttmmü ImtZy dem vom Verf. S. 69 1 ein 
«ehr ehrendes Denlcmal gesetzt wird, gestorben. Es lehrten in ihr Prof, 
iSdbiec/cenfturg'er und der Verf. (Exegese und Dogmatik) und Prof. Htm- 
jdeakagen (Kl»diengeschicbte) , als Priratdooenten Prf. Studer^ Rüeteekiy 
Prof« ^fro, der indess durch Uebernahme eiaes geSstUdien Amtes der 
academisehen Thatigkeit fast giinz entzogen war, und Prof. Schaffter. 
Die amtdem nnter bergen Stunaen erfolgte B«rufn«g Zdler*8 ist allge- 
mek bekannt. In der j u ristischen FacuHat war der Prof. Sa/mnuil 
fleftneil freiwüiig zurückgetreten , Prof. W. SnOLm Folge seiner TheiU 
nähme am Frtaschaarenzuge Ton s^oer Lehrthatiglceit entfernt worden, 
was der Verf. als einen Verlust fior die Universität beklagt (aoch bis jetat 
ist er noch nicht wieder rehabilxtirt worden). Einziger Ordinarius war 
Prof. SekmuL Ausser ihm khrtea Prof. RheimDoidf Prof. tfotenhauer 
<nn SnelPs Steile berufon), Prot Benaud^ Prof. StetÜer (Staatswtssen- 
scbaft) und Dr. Emä Vogt. Bei der »«dicinischen Facultat, der 
am reidisten besetzten , hielten V4>rtra^e die Professoren Tk^le (Anatto- 
aue.) dieselbe aaoh der Proseotor iSar6er) , F^gt (Pathologie und medi- 
cittbche KHnik), Diemme (Chinusie) , Henasrnn (Geburtshu^fe) , ^riboUt 
^genichtliehe 5Iediein) , Bau (Augen " nnd direnheiHcunde) , Fueter (Po- 
lyklinik) ond Miescker (pathologische Anatomie), ausserdem die Priviit- 
docenten Dr. fFähelm Emmett^ Dr. Karl Eimmertj Dr. Lüihy, Dr. Her- 
mann Bfid Dr. Bourgeois. An der mit der UnSversitit yerbHadenea Aa- 
gtaltfar Thierheükunde wirkten die Profesaeven Jtnker^ Bychner u. Koller. 
Ebenso wird Ton dem Verfasser das Leben der Studenten , namentlifih 
Ihre Verbiadnagea , -welche den auf deutschen Universitäten durchaus 
nicht zn Tergleiobea sind , dargesteUt ^und es ist erfreolich , von einem 
Lehrer beaengt «n sehen , dass trotz der Verwicklang in die politisdien 
Parteikampfe ein ernstes Streben nach wissienschaftlicber Bildang sieh 
anter den iuiigeiii der Wissensdhaft regt. Zuletzt «rerndsst der VecC. 



460 Schul- und UniTersitStsiiftcliricbten^ 

noch du würdiges Hochscbnlgebaude, Far Apparate ist bis jetst wenig 
gethan; es fehlte ein botanischer Garten, ein Mnsenm der Naturge- 
schichte , ein Tolistandiger physicalischer Apparat nnd eine Sternwarte. 
In einem Anhange (S. 8^—86.) fugt der Verf. Bemerkungen bei , aber 
eine anonyme SchrUt: Gedanken und Ansichten über das hemerische Schul- 
wesen , welche , als er die seinige bereits vollendet hatte , erschien« Rr 
erkennt an derselben geistvolle Behandlung des Gegenstandes an , findet 
sie aber zu sehr im Allgemeinen gehalten nnd das Schulwesen trotz man- 
chen Tadels doch im Ganzen zu hoch gestellt, einige Vorschläge anaos- 
fuhrbar, andere wenigstens einer Modification bedürftig. Es sollte uns 
innigst freuen , wenn des Verf. Ruf an die Regierung und die Vertreter 
des Cantons Bern einen anhaltenden Nachklang gefunden hätte, Üntor 
den gegenwärtigen Stürmen ist allerdings vor der Hand wenig Hoffimag 
vorhanden , aber das Samenkorn ruht ja auch erst länger in der Erde 
und gehet doch endlich noch auf. [^'] 

Eichstatt. Ein Zeitungsartikel ^yDas höhere Schulwesen. Wnrz- 
bnrgy den 27. Apr.'', abgedruckt in vielen bayrischen Tagesblättem und 
auch in der Augsb« Allg« Zeitg. Nr. 120 , 30. Apr., machte dem abgetre- 
tenen Ministerium (Abel) den Vorwurf, es habe die Lehre und Lehrer an 
den Humanitätsschulen des Landes arg verabsäumt ; insbesondere an den 
katholischen Gelehrtenschulen seien die philologischen Studien angen- 
scheinlich zurückgegangen, und der Grund davon hauptsachlich darin zb 
suchen, dass das Ministerium, die Erforderniss einer freisinnigen forma-. 
len Geistesbildung gewissen Nebenzwecken weit hintanstellend y die kle- 
rikalischen Bewerber beim Examen nnd bei Besetzung der Lehrämter 
ganz und gar bevorzugt habe; es sei notorisch, dass sich gerade nicht 
immer die besten Köpfe unter den Katholiken dem geistlichen Stande 
widmeten und unter den jungem Klerikern nicht immer gerade die Be- 
rufeneren es gewesen seien, die sich zum Lehramt drängten, und selbst 
von den Fähigen sei um so weniger eine erspriessliche Thätigkeit zu er- 
warten , als sie die Schule nur als eine bequeme Brücke zum geistliehen 
Amte betrachteten. Die in diesem Artikel gegen die katholischen Sobo- 
len und die an denselben angestellten Geistlichen erhobene Beschuldigung 
abzuweisen , hat der Prof. Priester F. Schauer im Programm zom Jahres- 
bericht des königj. Gymnasiums zu Bichstätt 1817 einen Beihrag sicr ¥Fur^ 
digung des Gymnasialschulwesens in Bauern (24 S. 8.) gegeben. Ohne 
uns ein Urtheil über die Streitfrage anroaassen zu wollen, müssen wir 
doch zugestehen, dass der Hr. Verf. Thatsachen nachweist, durch wel- 
che die fn jenem Artikel enthaltene Behauptung als nicht bewiesen er- 
scheinen lassen. So stellt er dem Vorwurfe, dass das Ministerium Abel 
die geistlichen Lehramtscandidaten bevorzugt habe, entgegen, dass ab- 
gesehen von den Klosterschulen und den Lehrstellen , welche auch früher 
stets mit Geistlichen besetzt waren , am Ende des Schuljahres 1836/37 14, 
Ende 1846 dagegen, obgleich das 4807 aufgehobene Gymnasium zu Eich- 
stätt neu erofi&iet ward , nur 7 Kleriker als Classenlehrer fnngirten. Aller- 
dings muss er zugestehen , dass an den lateinischen Schulen einige Geist- 
liche mehr als früher sich finden, sieht aber den Gmnd davon in der 



BefMImogen and Bhrenbexdgmigeii. 461 

neuen Bestimmang, dass die an den Gymnasien anznstellenden ProfeMo- 
ren in der Regel zuerst an den iatein. Schulen gearbeitet haben müssen 
nnd in der schnellen Beförderung , welche bei dem Mangel an Lehramts- 
candidaten Gütlichen sowohl als Laien zu Theii geworden sei. Dass 
aber weniger Laien als früher zum Lehramte sich gemeldet , schreibt er 
nicht der Furcht , gegen geistliche Mitbewerber nicht aufkommen zu kon^ 
nen, als vielmehr den schlechten Besoldungen der Lehrstellen zu. Recht 
bat femer der Hr. Verf., wenn er in dem Erlasse des neuen Ministeriums 
vom 15. April d. J. die Lehramtsconcnrse betreffend: die höchste Stelhs 
wird in Zukunft Standesrncksichten bezuglich der Bestellung des Lehr- 
amts nur dann nnd insofern anerkennen , als solche in den klaren Vor- 
schriften der Schulordnung begründet sind , nicht ausgesprochen findet, 
dass in Zukunft keine Bevorzugung der geistlichen Bewerber vor dem 
weltlichen mehr stattfinden solle, da die Verordnung vom 3. Sept. 1834, 
dArch welche demjenigen, welcher ausser Philologie noch ein anderes 
Fachstudium betrieben, bei übrigens gleichen Noten nnd gleicher Befahi* 
gung der Vorzug eingeräumt werde , dadurch aufgehoben und diese Be- 
vorzugung nicht nur billig, sondern auch nothwendig sei, billig, weil 
diejenigen, welche noch ein Fachstudium betrieben, dann nicht spa- 
ter zum Examen und zur Anstellung gelangen wurden, als solche, 
welche erst nach ihnen, aber nur Philologie studirt hatten, noth- 
wendig, weil allerdings zur Erziehung und zum Unterrichte, namentlich 
in den untern Classen Manches gehöre, was das Studium der Philologie 
an und für sich nicht geben könne. Freilich jedoch scheint aus Jenem 
Erlasse hervorzugehen , dass die Klagen über ungebührliche Bevorzugung 
der Geistlichen so häufig und laut erhoben worden sind , dass eine Be- 
ruhigung der Gemnther nothwendig war. Jedenfalls muss ,es als nicht 
SU rechtfertigen angesehen werden , wenn den Ordensgeistlichen zu Augs- 
burg erst auf die desshalb von den Ständen erhobene Beschwerde die 
Bestehung der gesetzlichen Prüfung aufgegeben wurde (vgl. NJbb. L, 3« 
8. 23&.). Dagegen gestehen wir gern dem Verf. zu, dass der Vorwurf, * 
die Geistlichen seien bei den Prüfungen selbst bevorzugt worden , eine 
schwere Beschuldigung gegen die dazu verordnete Commission, von dei' 
mehrere Mitglieder noch jetzt im Amte befindlich, enthalte, die man we-^ 
nigstens nicht ohne einen nnumstosslichen Beweis zu fuhren , hätte aus- 
sprechen sollen und eben so , dass, wenn man überhaupt hierarchischen 
Einfluss auf die Schule beseitigen wollte, man weder den katholischen 
Klerus im Allgemeinen, noch die an den Gymnasien angestellten Männer 
blindlings ohne Beweis hätte der Ausübung eines solchen bezichti- 
gen sollen. Leicht war es, die Beschuldigung, dass die Geistlichen die 
Lehrämter nur als bequemen Weg zu einer bessern Versorgung betrach- 
teten, zurückzuweisen durch Hindeutung auf die gesetzliche Bestimmung, 
woma'ch ein Gymnasialprofessor erst nach 10 Dienstjahren , ein Studien- 
lehrer nie von dem Pfarrconcurs befreit ist , wozu als Bestätigung der 
Fall angeführt wird, dass ein konigl. Studienlehrer, als er nach ISjahr. 
Dienstzeit körperliche Unfähigkeit zur Fortfuhrung des Lehramtes nach- 
gewiesen hatte , in die ihm verliehene Pfarre mit 600 fl. Gehalt erst nach 



46S Sehal« ind UmterdtiünMhrkhteD, 

B«iteha«g dm PflurrooBcartna intUllSri ward« Gegen die Behaaptng^ 
dftM sich nicht immer die fäbigaleR Kopfe ssum Kierikat und nicht, iamir 
^e Berufneren von ibnen sam Lehramt wendeten | wird esnaud eiagewea» 
dety dasa die katboliflchen Stadenten der Theologie dieseihan VorboiKn 
gongen so erfüllen hatten, wie alle andern, sodann an die Brfahrong derer, 
die aellMt aof den Stadienanstalten gewesen lind, appeliirt, endlich a»- 
g^nhf t , wie das Rectorat des Lyceoms zn Bamberg in seinem Jahreabe- 
riohte vom J. 1831 die Wahmehmiittgy dass gerade die ersten ond taleofc* 
vollsten Candidaten sich aur Theologie wendeten, ab eine sehr erfreuliche 
bexeichnet habe. Da eine Taxation geistiger Befähigung nar naf dem 
Gmade der wissenschaftlichen Leistungen stattfinden kann, ao mnssla 
Jene Behaoptong von selbst in Nichte aerfallen , wenn der Verf. den Be- 
weis fahrte, dass die L^stoagen der geistlichen Lehrer im VerhältnisBa 
»I andern nichts zn wünschen übrig liessen ,' obglttcb wir ea ihm nickt 
verdenken , dass er als einer der Angegriffenen xnerst von dem Angreft* 
fenden^ den Beweis forderte. Er bat aber dennoch auch jenen Beweis m 
fuhren versucht. Freilich kann er der Kkige, dass die katholiachea €^e- 
lehrtenschulen den protestanliachen in Bayern nachstondeor, nichts An- 
deres entgegensetzen , als daas darüber am besten durch gleichamasiga 
vor denselben Mfinnern voraunebmeede Visitationen oder dorch Concnr- 
renaprafongen entschieden werden kenne; ober das Verhaltniss am den 
atmländischen Schalen weist er auf die Erfahrung hin, dass Zöglinge aol- 
dier in Bayern nicht hätten die Abiturientenprufang bestehen können md 
dass in manchen Ländern gegen die Gymnasien Klagen erhoben wurde«, 
die man hier nicht vernehme — ^ ein alierdinga nicht genogmider Beweisu 
— Weit wichtiger ist, dass der Hr* Verf. durch einen karten Ahriaa 
der bedentendsten im Gymnasialwesen Bayerns vorgekommenen Verimde- 
rungen die Behauptung an widerlegen trachtet , dass in den Zeiten den 
Königs Max (1800 — 1825) schöne Anfange gemacht worden, dann lS2ä 
bis 1835 ein Schwanken , von da ab jedoch ein entsdliiedenea ZorSdcge- 
hen. eingetreten sei. Wir glauben ihm allerdings darin Recht gehen «i 
müssen , dass die Neugestaltungen , welche au Anfang dieses Jahrhnndertn 
tMich in Bayern im Gymnasialschnlwesen vorgenommen worden ^ dordi wm 
grosse Ueberladnng der Schaler^ durch ein z« schnelles Abgehen vom 
Wege länger bewährter Praxis und durch das Zuräckdringen des posi- 
tiven vielfache und höchst bedeutende Mängel hatten, obgleich daiiebeB 
auch das in Vergleich mit den frühem Jahrhunderten geleistete Gute in 
ein helles Licht gestellt werden muss , und dass dagegen durch den Plan 
von 1830 und die dazu gegebenen Erörterungen vok J. 1834 eine heil-* 
same Reaction, «m Zurückgehen auf Einfachheit und Naturgemässheit» 
geancht worden sei; allein esicommt doch auch hierbei das Meiste auf 
den Geist an , mit welchem die von Oben gegebenen Anerdnongen in Aoa^ 
fohrnng gebracht werden. Wenn gesagt wird, das Ministerium Abel 
habe an diesem Plane nichts geändert, ausser waa durch Sanitätsrade- 
sichtea geboten worden, so müssen. wir auf das verweisen, was NJbb. 
L, 7* S. 366 ein sehr einsichtsvoller Schulmann berichtet hat. Im Uebri- 
gen glauben wir Alles, worüber wir Bedenken an änasem oder Fragen 



zu stellen hatten , mn so mehr Shergehen za können , als der Hr. VerC 
selbst anerkennt, dase daa Lehramt in Bayern ein noeh nicht organinrter 
Zweig, des öffentlichen Dienstes, und dass zn Yerbesierangen im Unter* 
richte noch iriel Ranm Torhanden sei, daraber jedoch mit volistem Recht# 
leidenschaftiose snd einsichtsvolle Belebmng statt einer absolnten Vei^ 
dammang verlangt« Roth wird von ihm Sftors ehrenvoll erwähnt, wenn, 
er aber in dessen Buche die Furcht vor einem überwiegenden katholischen 
Binflasse in der Leitung der Gelehrtenschalen als zn ,sehr vorwaltend be* 
zeichnet , so ist daraus za erinnern , dass die Klagen der Protestanten 
darüber ganz allgemein gewesen sind und dass sich dadurch die Regierung 
sogar zur Aufhebung des obersten Kirchen " and Sohulrathes veranlasst 
fiüid (vgl* NJbb. L, 3. S* 365.). Dagegen sdramen wir vollkommen in 
den Wunsch ein, dass protestantische und katholische Schulen in bruder» 
lieber Eintracht neben einander bestehen und gemeinsam den beiden dro« 
heiiden Feind, den modernen Z^tgeist, bekämpfen mögen« Jedenfalls 
bezeichnen wir die Schrift des Hm. Verf. als eine soldie , welche von 
Niemandem, dem es am m gerechtes Urtheil zu tbun ist, unbeachtet 
bleiben darf*). [Ä] 

Grimma« Die dasige Konigl. Landesschnle zählte im Winterhalbj«> 
184^47 131 (126 Alumnen, 6 Extran.)« im Sommerhalbj. dieses Jahretf 
136 Zöglinge (125 Alumnen, 11 Extraner) nnd entliess Mich. 1846, 10 
(4 mit 1., 3 mit H« , 3 mit HL) , Ostern 1647 & (3 mit L nnd 2 mit H.)^ 
Mich. 1847 11 Zöglinge (6 mit II., 6 mit HI.) zur Universität. Aus dem. 
SchulooUegiUm ist der Ebus» nnd Rentbeamte, Lieutnant Otto AuguH von. 
SMmfff Wegen vorgerückten Alters am 30. Juni 1847 mit Pension aus* 
geschieden Und an seine Stelle der bisherige Amtsactuar zu Hain Carl. 
Eduard Cotta getreten. Der Rector und 1. Prof. Dr. Eduard Wunder 
YdM vom 30. April bis ^. Juni. abwesend, weil er dem geheimen Kirchen«, 
rathe Dr. Meiaanor zur Revision der sämmtlichen Gelehrtenschule» -Saeh^ 
sens beigegeben war« Um den Bestimmnngen des Regulativs für die, 
Gelehrtenschulen zu genügen, wurde dem Unterricht im Deutschen und> 
in der Mathematik in den beiden ersten Classen je 1 Stunde wöchentlicb 
mehr eingeräumt« Der naturgeschichtliche Unterricht in Quarta nnd 
Tertia blieb vor der Hand noch ausgesetzt« Dem Jahresberichte geht 
voraus JMaqmMo de praepotitiotui de um apud Livkm vom 8. Oberlehrer 
Herrmmm LGwOy eine Sammlung sämmtlicher Stellen bei Livins, in wel*. 
eben die Präposition de vorkommt* [D,] 

Mbisseit« Die konigl. Latidessehule zu Meissen zählte im Sommer« 
halbjahre 1847: 143 Zöglinge (130 Alumnen, 13 fixtraner) und entliesa 
Mich. 1846 12 (3 mit L, ö mh U^ 4 mit m.\ Ostern 1847 10 (4 mit L, 
3 mit H., 3 mit HI«) zur Univeraitat« Zar Vertretung des schwer es^ 
krankten Prof. FUigei ist seit dem 1« Jan. 1847 der Liceatiat der Theoi 
logie Dr. Karl Bemrieh €hrafi^ vorher Lehrer afi einem Knabeninstitnte in 



'*') fiin recht sorgfaltiger Bericht über den in der Augsburger All- 
gemeinen Zeitung gefShrten Streit landet sich in Cräfe's und CSUtbMä!^ 
pidagegiseber Setoig. 3. iahrg. «« Bd. 6« IMu tut« \%« ^v'ttlS^-^M^« 



464 Mwl^üiidUiibrbrtiatMMicIuriditen, 

der Nähe von Leipzig , provisorisch angestellt worden. Am 4. Febmar 
starb der Haus- und Rentbeamte, Hauptmann W, Ketk vwa Sckwarsbrnk^ 
an seine Stelle ist der Hauptmann MaxüiUHan Enui Jülku von fFUzUkett 
getreten. Der deutsche Unterricht in den beiden obem Klassen ist um je 
eine Stunde wöchentlich vermehrt worden , dagegen hat die Vermehrnng 
der mathematischen Studien in derselben und ebenso die Einffihrnng des 
naturgeschichUichen Unterrichts in den unteren Classen nodi Beanstanduog 
gefunden. Die durch $. 41. und $• 54. des Regulativs angeordnete Be- 
schränkung der philosophischen Propädeutik auf eine Stunde and auf die- 
jenigen Schüler, welche su Ende des Halbjahrs auf die Universität geheo 
wollen, hat den bisher mit diesem Unterricht betrauten Lehrer , Ober- 
lehrer Graf L, su einer Gegenvorstellung veranlasst, in Folge deren die 
einstweilige Beibehaltung der alten Einrichtung gestattet worden vA» 
Seine Ansicht hat derselbe in der dem Jahresberichte voransgesetstet 
wissenschaftlichen Abhandlung: Ueher die fihüosoplmehe Propädeutik im 
Chfmnanalunterriehte (37 S. 4.) dargelegt , und in derselben seinen Ge- 
genstand mit eben so grosser Klarheit und Gründlichkeit, als mit leben- 
diger Wärme besprochen. .Gleichwohl muss Ref. eingestehen, daas sdne 
Beweisführung ihm nicht genug überzeugende Kraft in habe« sdieint 
Da die ganze Abhandlung zunächst gegen das Regulativ I5r die Sacbs^ 
sehen Gelehrtenschnlen gerichtet ist, so erwartete man gewiss an die 
Spitze gestellt die Nachweisung, dass das in jenem den Gymnasien ge- 
steckte Ziel: „zu dem selbstständigen Studium der Wissenschaften durch 
allseitige humanistische, insbesondere altclassische Bildung in fonneller 
und materieller Hinsicht die erforderliche Vorbereitung zu gewähren'^ eine 
ausgedehntere Berücksichtigung der philosophischen Propädeutik noth- 
wendig mache, als ihr in den oben angezogenen $$. gewährt worden. 
Dann hätte über Manches kurzer , über Anderes entschiedener gesprochen 
werden können. So war z. B. sogleich der erste Einwand, den man 
gegen den philosophischen Unterricht auf den Gymnasien erhoben and 
den der Hr. Verf. zuerst bespricht, nämlich es mangle dazu an Zeit, sn- 
ruckgewiesen. Denn fordert der Zweck der Gymnasien ^esen Unter* 
rieht, so muss auch die dazu nothige Zeit beschafft werden. Statt dessen 
wird aufgestellt, dass wenn man von maasslosen Forderungen absehe 
und die Zahl der wöchentlichen Lehrstunden auf 31 beschränke, von die- 
sen aber 14 dem Lateinischen und Griechischen , 6 der Mathematik and 
Physik , 3 dem Deutschen zuweise , immer noch 2 Stunden für die philo- 
sophische Propädeutik übrig blieben. Allein es fragt sich ja eben , ob 
31 wöchentliche Lehrstunden nicht zu viel sind , und , gesetzt man wäre 
damit einverstanden, ob nicht durch die Hinzunahme eines besondem 
Lehrfaches die Geistesthätigkeit der Schuler mehr in Anspruch genom- 
men: werde, als wenn 31 Lehrstunden auf die übrigen Fächer allein 
vertheiit werden. Dem Vorschlage, den der Hr. Verf. daran knüpft, 
dass die halbjährlichen Versetzungen aufgehoben und der Cnrsus in den 
zw4i obern Classen auf je 2, in den zwei untern auf je 1 Jahr festgesetzt 
werden möge , kann Ref. um so weniger beistimmen, ab dabei die beiden 
nntem (den mittleren anderer Gymnasien entsprechenden) Classen for 



Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 465 

ihren Zweck, grosstmogliche Sicherheit in der Grammatik zu geben, zn 
wenig Zeit erhalten wurden. Ref. weiss, dass mit der bisherigen Ein- 
richtung manche Uebelstande verknüpft sind und wie grosse Geschick- 
lichkeit zu ihrer glucklichen Vermeidung gehört , kann diese aber keines- 
wegs für so bedeutend halten , dass desshalb eine ganzliehe Umgestaltung 
des innern Organismus der Anstalten nothwendig wäre« Widerspräche 
derselbe wirklich so sehr einer gesunden pädagogischen Methodik, wie 
hätten die Landesschulen so lange ihren bewährten Ruhm behaupten 
können? Ist die grossere Sicherheit und Gleichmässigkeit in den Fort- 
schritten aller Schüler, welche noch jetzt einsichtsvolle Beurtheiler als- 
einen Vorzug der Fürstenschule anerkannt haben , nicht vielleicht gerade 
eine Folge der seit langer Zeit bestandenen Einrichtung? Den beiläufig 
geäusserten Gedanken , dass die Mathematik dann vielleicht in Prima mit 
3 Stunden fürlieb nehmen könne , da man überhaupt dieser Wissenschaft 
wegen ihrer Starrheit keine zu /grosse Ausdehnung im Jugendunterrichte 
wünschen dürfe, will Ref. nicht weitläufiger besprechen, da der Hr. Vf. 
sich gern eines Urtheils darüber bescheiden zu wollen erklärt. Ebenso 
würde der Hr. Verf. den zweiten Einwand, die Philosophie sei für die 
Schule zu abstract und desshalb zu schwer, mit weit mehr überzeugender 
Kraft widerlegt haben, wenn er vorher die Nothwendigkeit der philosophi- 
schen Propädeutik, den Zweck dieses Unterrichts und die deshalb demselben 
zu steckende Grenze , sowie die dabei anzuwendende Methode scharf be- 
stimmt voraus gestellt hätte. Zu berücksichtigen war jedenfalls mehr 
die relative Schwierigkeit, welche daraus hervorgeht, dass des Schülers 
Geistesthätigkeit durch andere concreto Unterrichtsgegenstände bereits 
in Anspruch genommen ist und zu einer nur einigermaassen andauernden 
Beschäftigung mit der Philosophie nur wenig Raum übrig bleibt. Auch 
ist doch wohl nicht zu längnen, dass der Schuler, wenn er zur Univer- 
sität geht, doch eine grössere Reife des Geistes erlangt habe, als er 
selbst nur ein halbes Jahr vorher besass , und dass man daher ans diesem 
Grunde, so wie aus dem Wegfalle der eben angeführten Schwierigkeit 
mit vollem Rechte behaupten kann, das Studium der Philosophie werde 
anf der Academie leichter werden, als auf dem Gymnasium? Damit aber 
verliert der propädeutische Unterricht auf diesem nichts von seiner Be- 
deutung und von seinem Werthe. Wenn übrigens S. 12 gesagt wird, 
dass der Schüler durch Lesung der Schriftsteller bereits die Lehren der 
alten Philosophen, wenn auch nur vereinzelt und ohne bestimmte Ordnung 
kennen gelernt habe, so erlaubt sich Ref. dem entgegen zn halten, dass 
z. B. auf der Landesschule zu Meissen nach dem Lectionsverzeichniss das 
ganze letzte Jahr hindurch kein einziger philosophischer Schriftsteller 
öffentlich erklärt worden ist. Da aber die Leetüre philosophischer 
Schriften überhaupt erst in Prima stattfinden kann , so bringt der Schü- 
ler die daraus abgeleitete Befähigung zum philosophischen Unterricht nicht 
schon mit, sondern erwirbt sie erst während desselben; es mussten denn 
die in den Chrestomathieen enthaltenen einzelnen Sentenzen von Philo- 
sophen gemeint sein. Nachdem der Hr. Verf. die Möglichkeit , der phi- 
losophischen Propädeutik einen Platz im Gymnasialunterricht einzuräumen,, 
N. Jahrb. f. Phil, m. Päd, od. Krit. Bibt, Bd. L. Hfl. 4. 30 



406 Schul- md UniTenitätsiiachricliteii, 

besprochen hat, wendet er sich von 8. 16 an daan, die Noth wendigkeit 
derselben za erweisen. Hierbei will es den Ref. bedanken , als ob der 
Hr. Verf. durch das Bestreben, dem von ihm empfohlenen Unterrichts^ 
gegenstände doch ja einen Piat2 xn erhalten , za weit gefuhrt worden sei 
and deshalb Gründe angefahrt habe , welche besser weggelassen worden 
waren. Die Nothnendigkeit ergieb't sich nach onserer Ueberzengong 
hinlänglich daraus , das0 zur selbststandigen erfolgreichen Betreibung einer 
Wissenschaft auf der Uniyersität eine Ue]>ung des Denkens nnd ein Grad 
der geistigen Kraft erfordert wird, wie sie ohne eine Einführung in die 
ersten Blemente der Philosophie nicht erreicht werden kann , was E; 
Rütweger im Archiv X, 2. S. 275. f. recht gut entwickelt hat. Den vooi 
Hm. Verf. 8. 18 aufgestellten Grand, dass alle Gebildete eine philoso- 
phische Vorbildung bei dem zur Universität abgehenden Jüngling zu er- 
warten berechtigt seien , hätte Ref. deshalb nicht angeführt , weil zwar 
die Befähigung zum selbststandigen Studium der Philosophie von dem 
Gymnasium gefordert werden rauss, darüber aber, ob dazu die Uebnng 
im formalen Denken hinreiche oder eine besondere philosophische Propä- 
deutik erforderlich sei, schwerlich die Mehrzahl der Gebildeten ein si- 
cheres und abereinstimmendes Urtheil haben wird. Wenn unmittelbar 
darauf geltend gemacht wird , dass aus der philosophischen Propädeutik 
ein grosser Gewinn für die übrigen Unterrichtsfächer hervorgehen werde, 
so erinnert Ref. daran, dass ja jene nicht diesen vorausgeht, sondern 
neben dem Abschlüsse jener betrieben wird. Wenn z. B. ein Schnief 
im letzten Halbjahre seiner Schulzeit die empirische Psychologie faor^ 
wie ist es denn noch möglich , dass er der Vortheile , welche dfesefZ^ fSr 
den Religionsunterricht gewähren soll, geniesse? Man könnte in der 
That , wenn man diesen Grund gelten lassen wollte , versucht Werden, 
die Verlegung der philosophischen Propädeutik nach Secunda zu fordetn, 
wie dies Griepenkerl bereits in Betreff der Logik gethan hat. Wns so- 
dann das bei den geweckteren und föhigeren Schülern sich zeigende Be- 
durfnivs nach Beantvvortung mancher Frage aus der Philosophie anlangt, 
90 hebt dasselbe den Grandsatz: man solle im Unterrichte nichts eher 
treiben , als bis man ^s ordentlich treiben könne , in seiner vollsten Aus- 
dehnung ebenso wenig auf, als man desshalb, weil jetzt allerlei politische 
Fragen in den Köpfen der Schuler spuken, eine Propädeutik fSr daa 
Staatsrecht auf den 8chalen geben wird , womit übrigens keineswegs g\»* 
meint ist, dass der Lehrer dem fragenden Schüler jede Belehrung tiber 
derartige Gegenstände versagen solle. Wäre ferner , was 6. 22 behanp- 
.tet wird , dass den academischen Vorlesungen aber Philosophie durch die 
Propädeutik wenig werde vorgearbeitet werden , weil die Lehrer auf de* 
versdiiedewen Schulen verschiedenen Systemen folgen wurden , wirfclidi 
richtig, dann kannten wir getrost diesen Unterricht ganz vom Gymnasinm 
weisen« Ahtft für die Schule , Wie für jeden vorbereitenden Unterricht 
«berbau^t, gehört nur, was von dem Streite der Systeme am wenigsten be<- 
ivhtt wird , wie Rittweger a. a. O. S. 282. ganz richtig bemerkt hat. 
Am allerwenigsten kann Ref. mit dem einverstanden sein, was 5ber den 
ergehenden EhMAiss der phllcsophischen Propädeudk ges^t ist. Witt- 



' Befordenmgen and Bhrenbeseigiitig«!!. 467 

kelhafte AnmaaBSiiag soll dareh sie am besten beseitigt werden , da der 
Schaler, indem er die Gesetze des Denkens kennen lerne, wie unsägliche 
Muhe der Fortschritt ^vat Wahrheit gekostet , erSähre nnd in Tiefen des 
Geistes eingeführt werde, die er Torher gar nicht geahnt, seinem eigenen 
Urtheiie zu misstrauen nnd sein Wissen als ein oberflächliches anzuer- 
kennen genotfaigt werde. Der Hr. Verf. kann desshalb gar nicht be- 
greifen , wie man gegen die Beibehallang der philosophischen Propädeu- 
tik habe geltend machen können , durch sie werde der Hang zur Anmaas- 
sung nur befordert. Und doch ist dies leider durch eine nur zu grosse 
Menge tob Erfahrungen bestätigt. Es ist dn gewohnlicher Fehler der 
Jagend, dass sie den ersten Anfang, zumal wenn er ihr Mühe gekostet, 
für etwas Bedeutendes halt. Wie oft haben nun die Universitätslehrer 
sich beklagt , dass den Vorlesungen aber Logik nur von wenigen Studi- 
renden die rechte Theilnahme geschenkt werde, und wer hätte «idi 
nicht überzeugt, dass bei den Meiste« die Ursache in der dunkel- 
haften Meinung enthalten war, Ton der Logik schon aaf der Schule genug 
gelernt zu haben? Wird es dem Lehrer geKngen, allen Schülern diese 
falsche Meinung zu benehmen? Oder soll etwa der philosophische Untere 
rieht überall nur Skepsis , eine Menge Fragen , nach deren LSsuag ver- 
langt wird, anregen, wie Rittweger a. a. O. verlangt hat? Ganz be- 
sonders soll die empirisehe Psychologie dnen ungemeinen Einfluss auf 
die Charakterbildang ausüben, ja dieselbe erscheint in des Hrn. Verf. 
Darstellung fast dem der Religion gleich gestellt. Mag auch durch die 
Philosoplüe der Jüngling auf die Schädlichkeit dieser oder jener Neigung 
aulmerksam werden , es kann ihm die Besiegung derselben nie durch die 
Hülfsmittel gelingen, welche ihm Jene an die Hand za geben vermag? 
Fragen wir die Geschichte, bestätigt sie nidit, dass nichts mehr derii 
ChristenUiame entfremdet habe, ala die Weltweishdtt Ref. rermag 
demnach den Einfluss, den die Philesophie, nocfc dazu aaf der Schule, 
wo sie kaum mit den Lippen berührt wind , hi^en kann, in nichts anderes 
zn setzen, als in dasjenige, was jedes tüchtige Lernen, jede Uebnng im 
erasten Denken hervorbringt. Was endlich der Hr. Veri^ über die von 
ihm befolgte Methode beim Unterrichte beibringt , zeigt ven vielfachem 
nnd sorgfältigem Nachdenken nnd enthält sehr viel Beherzigenswerthes. 
Ueber den Umfang des Unterrichts aber kann Ref. mit ihm nicht ein- 
verstanden nein. Die formale Logik hält er für durchaus nothwendig, 
weil, ohne dass ihre Gesetze an concreten Beispielen zar Anschauung ge- 
bracht nnd eingeübt worden sind ^^ der Jüngling nicht ausreichende Be- 
fähigung zum philosophischen Denken auf die Universität mitbringen wird. 
Gegen die empirische Psychologe muss er sich ans denselben Gründen 
erklären, wekhe Rittwdger a. a« O. geltend gemacht hat. Die Ge- 
schichte der alten Philosop|iie hält er ebenftdls für wünschenswerth , aber 
auf die Zeit vor Socrates beschränkt. Die Anschauung, wie der Mensch 
dazu gekommen sei, Jeu philosophiren nnd wie er von den ersten Anßngen 
allmäiig der Bildung eines Systems zugeediritten, muss als eine gute Ver- 
bereitnng für die Philosophie anerkannt vi^erden. Die verschiedenen tie- 
feren Systeme selbst kennen zn lemen, ist wed^ für den Zweek des 

30* 



468 Schul- und UmTereüStsnachrichten, 

Gymnasialanterrichts tioth wendig, noch bei der geringen, Zeit, welche 
darauf verwendet werden kann , möglich. Vollkommen ist Ref. mit dem 
Hm. Verf. darüber einverstanden , dass man , wenn man die philosophi- 
sche Propädeutik so beschranken wollte , wie in dem Regulativ für die 
Gelehrtenschulen Sachsens geschehen ist , sie lieber ganz hätte streichen 
sollen. Denn was kann in 12, höchstens 15 Stunden erreicht werden! 
Dagegen können wir den Grundsatz, dass dasjenige, welchem man nur 
eine Stunde wöchentlich eingeräumt hatte , lieber gar nicht gelehrt wer- 
den solle, nicht so unbedingt^ gelten lassen. Wenn der Unterricht in 
Deutschen und die philosophische Propädeutik in der Hand eines Lehren 
sind , wie wenigstens höchst wünschenswerth ist , so wird , wenn eine 
der 3 deutschen Stunden den Uebungen im freien Risden gewidmet , diese 
aber so geleitet werden , dass sie sich eng an das über Logik Vorgetra- 
gene anschliessen , eine Stunde wöchentlich für die philosophische Pro- 
pädeutik als ausreichend betrachtet werden können. C^*] 

Ulm. Das königl. Gymnasium war im vergangenen Winterhalbjahr von 
238, im Sommerhalbjahr von 223 Schälern besucht, die für das Gymnasium 
und die Realschule vorbereitenden zwei Elementarclassen, die ränmlick 
und hinsichtlich deV unmittelbaren Leitung mit der Realschule verbunden 
sind, zählten in der Regel 40 — 50 Schüler. Seit der im Sommer 1844 
erfolgten Organisation sind in Bezug auf den Lehrgang noch dite Bestim- 
mungen getroffen worden: dass der Unterricht im Hebräischen mit dem 
Eintritte künftiger Theologen ins Obergymnasium beginne, und das 
Französische erst von der 5. Klasse an erlernt werde (das Gymnasium 
zerfallt in 9 Klassen , welche von unten auf gezählt werden). Auch sind 
über die cursorische Leetüre der alten Klassiker und über die Uebun- 
gen im deutschen Vortrage Vorschriften ertheilt worden. Da die Proff. 
Hassler und Binder zu Anfang des Jahres beim Landtage abwesend waren, 
so wurden des Ersteren Stunden durch die übrigen Lehrer , die des Letz- 
tern durch den Gymnasiamsvicar Dr. Schwarz und dessen Stelle wieder 
durch den Lehramtscandidaten Kreiss versehen. Der Präceptor Rens an 
der 5. Klasse erhielt den Titel eines Professor , der Präceptor Nusser 
an der 4. den eines Oberpräceptor. Der bisher provisorisch angestellte 
Prof. Binder hat die von ihm bekleidete Hauptlehrerstelle am Gymnasium 
mit dem Normal-Gehalt definitiv erhalten und ebenso ist der Turnlehrer 
Jechle in den vollen Gehalt seiner Stelle unter Rückwirkung auf das 
Wintersemester eingesetzt worden. Die Lehrer des Donaukreises haben 
mit Genehmigung des Oberstudienraths einen Verein zum Umtausch ihrer 
Ansichten auf einer jährlichen Versammlung gegründet. Die erste Ver- 
sammlung ward auf den 23. Aug. d. J. bestimmt. Den Schnlnachrichten 
geht voraus : Ein Blick in die Zukunft der Gelehrtensehule vom Stande 
punkte des Fortschritts, von dem Professor am Obergymnasium Christian 
Schwarz (16 S. 4.). Niemand wird die Wichtigkeit des behandelten 
Gegenstandes verkennen , ebenso wenig aber dem Hrn. Verf. ein tiefes 
und klares philosophisches Denken absprechen. Bei der, fast möchteii 
wir sagen , zu gedrängten Darstellung ist es allerdings schwierig , von 
seiner Abhandlung einen kurzen Auszog zu geben, doch glaubt Ref. durch 



Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 469 

Hervorhebung folgender Hauptsatze den Gedankengang deutlich zu ma- 
chen. Um für die Beantwortung der aufgestellten Frage eine feste Grund- 
lage zu gewinnen , wiederholt der Hr. Verf. in der Kurze das , was er 
schon fräher in den Zeitiateressen (Ulm, Stettin'sche Verlagshandlung) 
Nr. 79. ff. erörtert hatte. Er unterscheidet zwischen empirisch 7 ideellen 
und ideell- empirischen Wahrheiten, d. h. zwischen solchen, deren nächste 
Quelle die Erfahrung ist , welche sodann Gegenstand der Reflexion wird, 
und solchen, welche unmittelbar der Vernunft entfliessend sich yeranssern 
oder objectiviren. Jene geben ihm das, was man das Fertige, Positive, 
Gegebene, Bestehende zu nennen pflegt, was zwar einer innem Idee 
entsprossen, ursprünglich doch nur mit relativer Wahrheit auftritt, von 
dieser aber sich immer weiter verirrt und endlich als überlebt und ver- 
altet verworfen wird; die letzteren dagegen bleiben, obwohl sie perio- 
disch getrübt, verdunkelt, entstellt werden können, dennoch ewig wahr 
und behaupten sich . daher auch stets in der Geisteswelt. Unter diese 
rechnet der Hr. Verf. die des stetigen Fortschrittes immitten eines noch 
lebenskräftigen Volksgeschlechts und des Ringens nach zunehmender Selbst- 
befriedigung. Die Triebkraft dazu ist dem Geiste inwohnend; sie kann, 
argumentirt er weiter, zwar, wenn sie sich übereilt und überstürzt hat, 
wieder einlenken ; die von ihr angeregte Bewegung geht zwar häufig von . 
Einzelnen aus, bemächtigt sich anfanglich auch nur einzelner Individuen, 
wird von Andern bekämpft , muss sich aber dennoch zuletzt den Sieg er- 
ringen. In der neuen Welt ist das Germanenthum , das reine, wie das 
gemischte der Repräsentant dieses Fortschrittes geworden. Wie nun 
jedem Individuum die Elemente zur Heranbildung seines Geistes zuerst 
von Aussen zufliessen müssen , dann aber eine Lebensperiode in ihm ein- 
tritt, wo sich der Trieb in ihm regt, seine Persönlichkeit nicht weiter in 
Fremdem aufgehen zu lassen , sondern aus sich heraus zu selbstständiger 
Eigenthümlichkeit zu erstarken , so musste auch das Germanenthum zu- 
erst seine Bildungselemente dem Römerthum und dem durch dieses ver- 
mittelten Griechenthum und Christenthum entnehmen, jetzt aber ist es 
zur 'Periode der Männlichkeit gelangt, und strebt nach der Emancipation 
von dem ihm ursprünglich Fremdem; dieser Selbstständigkeitstrieb be- 
weist sich vor Allem auch in den Anstrengungen zur Ueberwältigung der 
Naturkräfte. Seinen Strebungen konnte sich auch die Schule nicht ent- 
ziehen. Die erste Emancipation war, dass sie sich in ihren höhern Re- 
gionen von der Kirche selbstständig hinstellte; sodann aber machte sich 
auch in ihr das Bedürfniss der nationalen Selbstständigkeit geltend; die 
Philanthropen wollten sie von dem Antiken losmachen, sie scheiterten, 
weil die Zeit noch nicht dazu war , aber sie thaten einen Blick in die 
Zukunft; aber gleichwohl übte jene Triebkraft dennoch ihren Einflüsse 
man verlernte das philosophische Wissen als Selbstgeschenk zu betrach- 
ten , geschmackvollere Behandlung der alten Klassiker trat ein , neuere 
Sprachen und manche andere Disciplinen, die der Zeitgeist oder das Zeit- 
bewusstsein forderte , wurden aufgenommen , das formelle Bildungsprincip 
ward vorherrschend. Die Entdeckungen im Bereiche der Natur und der 
gesteigerte Gewerbsbetrieb rief die Realschule ins Leben , die sich trotz 



470 Schul- und Univerntatsnachrichten, 

oUer AnfechtDBgen behauptet hat, weit vrohl der MaterialumnB ach 
ihrer bedienen konnte, sie aber dennoch einer Vernunftidee den Ursprung 
verdankt. Die Gymnasien haben in Folge davon fiir Viele ftofgeheit 
Pflanzstätte der Bildung zu sein j noi für die Stndirenden sind sie es ge- 
blieben , aber man merke doch an den Leistnagen deutlich , dass dies bei 
Vielen nur Folge eines äussern Zwanges sei ; die Medidner habe 9fokm 
Kochly anf die Realschule gewiesen ^ in der Jurisprudenz weise Alles aaf 
Beseitigung des romischen Rechtes hin, am längsten werde sieb cUe clas- 
sische Vorbildung für Theologen behaupten , aber wurden sie sich fu 
immer dem Drange der Neuzeit entziehen können ? Pennach , scbliesst 
der Hr. Verf., ist die Zeit, wo das Studium des Antiken aus de& Gclehr- 
tenschulen schwinden wird, zwar noch nicht unmittelbar nahe , aber auch 
nicht mehr in nebelgrauer Ferne. Was soll nun bis dahin werden? fragt 
der Hr. Verf. femer und antwortet: Auf der Untversität müssen die Leh- 
rer «ine solche Vorbildung erhalten y dass sie mit Vermeidung aller züt- 
raubenden<Quisquilien, in den Geist des Alterthums eingeführt vterdea, 
aber dabei auch in der neuen Welt nicht Fremdlinge bleiben , and das 
Gymnasium mnsa im Unterricht der alten Sprachen dem Intensiven .Tor 
dem Materiellen den Vorzug einräumen; nur dadurch kann sieb die das- 
aische Bildung noch halten. Wird sie demungeachtet dereinst fpani Ter« 
drangt, so wird nicht „ wie Tiele furchten,, eine Zeit der Barbarei ein- 
treten, sondern die modernen Sprachen werden eine solche Classidtät 
erreicht haben , dass sie an die Stelle der Alten Tollkommea treten kön- 
nen; Gelehrsamkeit sei von Bildung immer verschieden; jene werde anf 
der Academie, diese auf der Schule gesucht werden; hier ab« werde sieb 
ein neues ^ das alte vollkommen ersetzendes Princip geltend gemacht ha- 
ben. Am Schlüsse erwähnt der Hr. Verf.^ dass er im Resultate voWkoB- 
men übereingekommen sei imt einer Abhandlung des Hrn. Rector Dr« N<»- 
gel in Ulm , welche , als sein Manuscript bereits in die Druckerei gesandt 
gewesen , in der pädagogjlschen Virteljahrsschrift 1847, 3«. Hft. erschieo»n* 
Ref. ist mit dem , was der Hr, Verf. als die nächste Aufgabe des philoso- 
phischen Unterrichts für die Gelehrtenschule bezeichnet, velikomnkeft 
einverstanden , nicht so mit der ganzen Auseinandersetzung. Dem Geiste 
ist ein fortwährendes Streben und Schaffen notbwendig, wie dem einzel- 
' neu Individuum: so der Art, dem Geschlechte, dem Volke; dies« Stjeben 
aber fuhrt ihn irre , wenn es nicht von richtiger Erkenntniss des Zieles 
geleitet wird , wie im entgegengesetzten Falle demselben entgegen ; das 
Ziel ist der Menschheit von Gott gestellt; es ist ewig und unwandelbar 
dasselbe und die Menschheit wird demselben stets zugeleitet; auch die 
von ihm ableitenden Zeitrichtungen dienen nur dazu, durch den Gegen« 
satz das Streben darnach zu einem bewusstereni kräftigeren und gelän- 
. terteren zu nkachen. Das der Mens<Äheit gesteckte Ziel ist aber die 
Aufhebung der getrennten und geschiedenen Volksthumlichkcdten , die 
Rückkehr zur Einheit^ welche nur darcb gleichmässige volle Aneignung 
der ewigen Wahrheit, der dem Menschen objectiv im Christeathnm ge- 
gebenen , erreicht werden kann. Will sich ein Volk vollständig zur na- 
tionalen Selbstständigkeit emandpiren, so -widerstrebt es den Plane der 



Beförderungen und Ehrenbezeigungen. 471 

Gottheit und muss desshalb zu Grunde gehen« Dass das deutsche Volk 
sich wirklich vom Christenthume als einem ihm fremden von Aussen zu< 
geführten Biidangselemente emancipire , verhüte Gott ! Es sind allerdings 
Zeichen vorhanden, welche zu einer solchen Bcförchtung zu jiöthigen 
scheinen , jedoch dass sie in Erfüllung gehen werde, ist auch nicht gewiss. 
Wird aber das Deutschthum vom Christ'enthame durchdrungen bleiben, so 
wird auch der Materialismus nicht die Oberhand behalten , so wird das 
Streben der Gegenwart nicht zum Umsturz Alles Bestehenden führen, 
sondern es wird alle mit dem Geiste des Christentfaums übereinstimmende 
Elemente aus der Bildung der Vergangenheit sich wahren. Ist ferner 
ein Verständniss der Gegenwart ohne Anschauang der Vergangenheit nicht 
möglich , besteht aber die wahre liöhere Bildung eben in der richtigen 
Erkenntniss der Gegenwart, so wird auch der Weg zu dieser stets nur 
auf historischem Wege gesucht werden können. Demnach würde der 
wahrhaft Gebildete der Kenntniss des Alterthums nicht ermangeln dürfen, 
Soll er nun diese aus Nachbildungen und Ueberlieferungen , oder aus ei- 
gener Anschauung sich erwerben? Mag also die Medicin für ihre spa- 
ciellen Zwecke aus dem Alterthiime nichts Wesentliches mehr gewinnen 
'können, mag die Jurisprudenz eine Gestalt annehmen, dass zu ihrer 
Kenntniss das Lateinische nicht mehr nothig ist, wollen Mediciner und 
Juristen zu den. wahrhaft Gebildeten gehören, sie werden das Altertbum 
nicht bei Seite lassen dürfen. Die Theologie vollends, se lange sie noch 
eine christliche und insbesondere eine evangelische bleibt, kann nie des Stu- 
diums der alten Sprachen entbehren, weil sie nicht auf fremde Auetoritat 
hin das Wort Gottes für wahr nehmen , sondern dasselbe aus seiner nrr 
sprünglichen Quelle schöpfen muss. . Nur in diesem Sinne hat Luther die 
Kenntniss der alten Sprachen von jedem, der predigen wolle, gefordert.. 
Soll nun aber der Theolog dieses ihm so nothwendige Studium erst auf 
der Universität beginnen ? Wann wird er dann zur heiligen Schrift selbst 
kommen? Endlich wird eine neuere, lebende Sprache dier Stelle einer 
todten als Bildungsmittei ausfallen, die noch nicht abgeschlossene, dem 
steten Wechsel unterworfene, die Stelle der vollständig fixirten und ab- 
gegrenzten? Endlich wie das Altertbum die Kindheit oder Jagend d^r 
Menschheit war, so wird auch dasselbe für den jagendlichen Geist stets 
das angenehmste Lernobject sein. Dessbalb gesteht Ref. gern dem Stre- 
ben der Neuzeit das Verdienst zu , dass durch sein Ankämpfen die Be- 
handlung der alten Klassiker eine bessere, principiell riehtigere gewor- 
den sei, er räumt der Realschule gern die volle Berechtigung zu ihrem 
Bestehen ein ; den Glauben , dass die humanistischen Gymnasien einmal 
ganz aus dem deutschen Leben verschwinden werden, kann er nicht thei- 
len , desshalb, weil der acht deutsche Geist, dem das Streben nach Gründ- 
lichkeit von je innenwohnt und seichte Oberflächlichkeit verhasst ist , nie 
von ^em objectiv Gegebenen, dem Historischen, sich ganz abwenden und 
stets die selbstständige durch unmittelbare Erforschung gewonnene Er- 
kenntniss desselben für die allein befriedigende halten wird. [DJ] 



Ufekrolog Johann Christian Jahn's. 

Womit könnte der Dnterseichnete die von ilim übernommene 
Mitredaction dieser Jahrbücher besser beginnen, als Indem er dem 
Begründer derselben , welcher nach dem unerforschlichen Rath-, 
sciüusse des Höchsten mitten aus seinem segensreichen Wirken 

Jiötslich abberufen ward , ein Denkmai zu setzen sich bemühtl 
e klarer er sich das Bild des Verewigten in allen seinen Zügen 
vergegenwärtigt, je mehr er sich in seinen Geist und sein Wirken 
vertieft, mit um so grösserer Sicherheit wird er ja an die Fort- 
führung seines Werkes gehen ; und wird es wohl den zahlreichen 
Lesern dieser Blätter unerwünscht sein, sich das Bild des Mannes, 
aus dessen Feder sie so Viel geleseli , mit dem sie so lange geistig 
verkehrt, vor die Augen gestellt zu sehen? 

Johann Qtrisiian Jahn *) wurde am 15. Januar 1797 za Stoll- 
zenhain bei Elsterwerda im jetzigen preussischen Herzogthum 
Sachsen geboren. Seine Aeltem gehörten dem Bauernstande an 
und wünschten, dass auch der Sohn denselben ergreifen sollte. Da 
sie aber an ihm grosse Ungeschicklichkeit und Unlust zu allen 
ländlichen Verrichtungen bemerkten und durch den. Schulmeister 
des Orts und den Diaconus Koblenz auf die grosse Gedächtniss- 
kraft und die guten Talente des Knaben aufmerksam gemacht wur- 
den, so bestimmte ihn der Vater zum Dorfschulmeister, willigte 
aber endlich aach ein, dass er sich den gelehrten Studien widmete. 
Der Diaconus Koblenz übernahm es, ihn für die Landesschule 
zu Meissen vorzubereiten. Später als andere Kuaben , im 16. Le- 
bensjahre, und weniger vorbereitet, trat Jahn Ostern 1812 in diese 
Pflanzstätte der Wissenschaft ein. Fast verzweifelten die Lehrer, 
fast er selbst an seinem Fortkommen, aber doch gelang es seinem 
beispiellosen Fleisse, die Lücken in seinem Wissen auszufüllen. 
Der anregende Unterricht besonders Weiske's und Wel- 
ch er t^s weckte und entfaltete seine Geisteskräfte und tüchtig 
vorbereitet konnte er Ostern 1818 die Universität Leipzig bezie- 
ben. Seine äussere Lage war im höchsten Grade drückend, da 



*) Eine ausführliche Lebensbeschreibung, welche nach Jahn*s 
eigenen Mittheiinngen von einem langjährigen Freunde verfasst worden 
ist, findet sich im Conversationslexikon der Gegenwart, Leipzig, Brock- 
hau» 1839. II. Bd. S. 1128. 



Nekrolog Jobann Christian JabnV. 473 

sein Vater, nachdem er im Kriege 1813 Alles verloren hatte, ge- 
storben war. Zwar hatten seine Lehrer, uamentlith W e i c h e r t , 
welcher ihn sehr Heb gewonnen hatte, gesorgt durch gute Em- 
pfehlungen ihm eine leichtere und gesichertere Existenz zu ver- 
schaffen, aber eine unbezwingbare Schüchternheit, die aus dem 
Gefühle des Mangels an Gewandtheit in den geselligen Formen — 
einer Folge seiner bisherigen Verhältnisse — hervorging, hinderte 
ihn den rechten Gebrauch davon zu machen; lieber suchte er mit 
eigener Kraft durch Ertheilung von Privatunterricht sich die Mit- 
tel zur Fortsetzung seiner Studien zu verschaffen. Bewunderns- 
werth ist der Fleiss, den er bei solchen Verhältnissen auf seine 
eigene Ausbildung verwandte. Anfänglich war es seine Absicht 
die Theologie mit den ihm auf der Schale liebgewordenen classi- 
schen Studien zu verbinden ; seit es ihm aber geglückt war mit 
Spohn in ein näheres Verhältniss zu treten, entschied er sich 
ausschliesslich für die Philologie. Sehr erwünscht war es ihm, 
dass er schon im 2« Jahre seiner Universitätszeit , 1819, eine aus- 
serordentliche CoUaboratur an der Thomasschule erhielt, weil 
diese Anstellung seine Subsistenz sicherte und ihm gleichwohl Ge- 
legenheit gewährte, den Vorlesungen an der Universität beizu- 
wohnen. Sein erstes schriftstellerisches Werk war die 3. Ausgabe 
der Gierig'schen Bearbeitung von Ovids Metamorphosen. Im J. 
1821 ward er zum ordentlichen Collaborator au der Thomasschüle 
befördert. Durch die Empfehlung seines ehemaligen Lehrers 
Weichert, der unterdess (1819) zum Rectorate der Landes- 
schule zu Grimma berufen worden war, erhielt er im Decbr. 1823 
das Amt eines Adiuncten an der genannten Landesschule. Hier 
besorgte er für die Teubner'sche CoUection der alten Klassiker 
die Ausgabe des Horaz (1824) und des Virgil (1825). Der schon 
längst von ihm gehegte Plan, an einer Universität eine höhere 
Thätigkeit zu suchen, kam zur Ausführung, als ihm der Buch- 
händler B. G. Teubner die Hauptredaction seiner Klassikeraus- 
gaben übertrug und ihm einen seinen Wünschen entsprechenden 
jährlichen Gehalt zusicherte. Er gab mit dem Ende des Jahres 
1825 sein Amt in Grimma auf und habilitirte sich im März 1826 
durch die Vertheidigung seiner Schrift de P. Ovidii Nasonis et A. 
Sabini epistolis an der Universität zu Leipzig. Auf FranzPas- 
sow's Anregung hatte unterdess der Verleger den Plan zur Her- 
ausgabe der Jahrbücher für Philologie uud Pädagogik gefasst. 
Jahn schien beiden der geeignetste Mann zu Uebernahme der 
Redaction und bereitwilligst unterzog er sich derselben. In sei- 
nen Collegien las er vorzugsweise über die Dichter der augustei- 
schen Periode. Für ihn selbst allerdings unerfreuliche Verhält- 
nisse gaben ihn indess bald dem Berufe wieder, zu dem er vorzugs- 
weise von der Vorsehung ausersehen war« Weil man allgemein 
in seinem Abgange von Grimma einen Verlust für die dortige An- 
stalt sab und ihn für besonders befähigt hielt, ein Lehramt an 



474 Nekrolog Johann Chrisilaa Jahu's. 

einer der beiden Landesscliulen segeasreicli zu fuhren , so halte 
der danaiige Oberconsistorialpräsid^t von Globig sich bemüht^ 
ihn KU einer Aeuderung des Entschlusses zu bewegen. Die Fertig- 
keit, mit welcher er dabei beharrte , ersdiien dem hochgestdlUen 
Staatsmanne als Trotz und er verweigerte ihm in der Hoffnung^ 
ihn dadurch zu seinem Willen zu bewegen, alle Beförderung an 
der UniversiüLU Da ihm nun 1828 der Stadtrath zu Leipzig die 
von ihm früher inne gehabte , jetzt wieder erledigte Collaboratur 
an der Thomasschule antrug, so nahm er sie gern an und das 
Scbulamt wurde ihm bald so lieb, dass er 1829 die Thätigkeit an 
der Universität, welche ihm gar keinen äusseren Lohn versprach, 
ganz aufgab. Den Ruf zn einer weit einträglicheren Professur iu 
Meissen lehnte er 1830 ab , theils aus Dankbarkeit für die Tho> 
masschule, theiis weil er out der Veränderung seines Wohnorts 
einen grossen Theil seiner literarischen Thätigkeit hätte aufgeben 
müssen; in Anerkennung dafür ertheilte ihm der Stadtrath zu 
Leipzig die Adjunctur und dne Gehaltserhöhung. 183!2 rückte 
er in die 5., iioch in demselben Jahre in die 4. GoUegenstelle und 
endlich nach Rost's Tod 1835 in das Courectorat auf, welche 
Stelle er bis an sein Lebensende bekleidete. Ausser zahlreichen 
Berichten und Recensionen iu den Jahrbüchern, Hess er 1828 dea 
1« und 1832 den 2. Band seiner kritischen Ausgabe des Ovid er- 
scheinen und 1829 anonym eine nach Boysen's Plan gearbeitete 
Schulausgabe der Tristien (Leipzig, Schwickert). 1842 erschien 
die vielfach vermehrte und verbesserte 2. Ausgabe des Virgil und 
1847 die des Horaz. Trotz der angestrengten Arbeit, welche das 
Schulamt und seine literarische Thätigkeit von ihm forderte, er- 
freute er sich doch einer sehr guten Gesundheit. ESn Flechten- 
übel, welches ihn mehrere Jahre geplagt hatte, verschwand im 
J. 1846. Um so unerwarteter kam Allen sein schneller Tod. 
Am 12. Sept. dieses Jahres fohlte er sich von einem Schnupfen 
ergriffen; dennoch wohnte er am 13. dem Abiturientenexamen in 
der Thomasschule trotz des Abrathens seiner Collegen hei. Die 
bedeutende E2rkältung, welche er sich zugezogen hatte, indem er 
bei dem heftigsten Winde in leichter Kleidung den Hin« und Rück- 
weg zurücklegte, warf ihn aof das Krankenlager, von dem ihn am 
Nschmittage des 19. Sept. der Tod hinwegraffte 

Jahn gehörte nicht au den Männern, welche durch nach 
Aussen hin glänzende Gaben sofort die Bewunderung Aller auf 
sich ziehen, man lernte erst bei längerer Bekanntschaft mit ihm 
seinen hohen Werth recht kennen und würdigen* Neben einer 
schnellen Auffassung und bewundernswerthen Gedachtnisstreue 
besass er eine scharfe Beobachtungsgabe und ein eben so ruhiges 
und besonnenes, als rasches und eindringendes Urtheil. Der 
redlichste Eifer für die Wahrheit erhielt, ihm ebenso sehr den 
freien selbstständigen Bliek , wie er ihm die bereitwOIigste Ge- 
neigtheit verlieh, das fremde Gute anzuerkennen und in sich auf- 



Nekrolog Jobann ChxistiaB Jahn^s. 475 

xunehineo. Bei allem Strelieii nach Tiefe war denooeh daa einfach 
Klare sein Haaptaiel und er wies deshalb eben aa entschieden 
hohle Oberflächlichkeit, wie geistreiche Dunkelheit a^urück. 

Was zuerst seine philologischen Arbeiten betrifft, so ver- 
dankte er, seinen eigenen AeosserungeB znfolge^ hauptsächlich 
Spohtt seine Richtung; doch erkannte er eben so sehr den Ein- 
fluss an, welchen die Schule G. Hermann 's auf ihn geübt« Vor- 
zugsweise war die Blüthezeit der römischen Literatur und insbe- 
sondere wieder der Poesie der Gegenstand seiner Forschungen. 
Genaue Kenntniss der Sprache war das Erste, was er erstrebte. 
Die Empirie bildete ihm die Grundlage dazu ; aber er suchte durch 
Anwendung der allgemein gnltigeo Deukgesetze den gewonnenen 
Stoff zu sichten und zu ordnen , eben so das Widersinnige ver- 
werfend, wie dem Geiste die gebührende Freiheit bei Erschaffung 
der Form einräumend. Nächstdem war er bemüht, an der Hand 
der Theorie und Erfahrung die jeder einzelnen Stilgattung zn 
Grnnde liegenden Bedingungen und Gesetze zu erkennen. Jeden 
Schriftsteller wollte er zunächst aus sich, aus der ihm eigenen An- 
schauungs - und Sprechweise erklärt wissen, aber er Uess seine 
Stellung zu seinen Zeitgenossen und zu der Gesammtliteratur sei- 
nes Volkes nicht anberücksichtigt. Bei der Feststellung des 
Textes galt ihm gewissenhafte Prüfung des positiv Ueberlieferten 
nach allen Seiten als die erste Pflicht und seinem Scharfsinne ist 
die Rettung mancher handschriftlichen Lesart gegen willkürliche 
Kritik gelungen , aber die Treue gegen die Ueberiieferung hin* 
derte ihn nidit so an unbefangenem Urtheil , dass er nicht stets 
überwiegenden innern Gründen den Vorzug vor den äusseren ein- 
geräumt hätte. Eben so gewissenhaft wie mit den Handschriften, 
verfuhr er mit den Leistungen seiner Vorgänger und sammelte mit 
emsigem Fleisse oft aus wenig zugänglichen Quellen alles Beach- 
tenswerthe, ohne mit den äussern Flittem der Belesenheit zu 
prunken. Dass er die Ehrkläröng und Kritik des Ovid , Horaz und 
Yirgil wesentlich gefordert , wird kein mit der Sache Vertrauter 
In Abrede stellen. Aber nicht blos auf diesen engern Kreis, nicht 
auf die römische Literatur blieben sdne Studien beschränkt, glei- 
che Liebe und Sorgfalt widmete er dem Griechischen , wenn er 
dies auch weniger durch Schriften bekundete; ja er suchte das 
gesammte Alterthum in allen seinen Erscheinungen geistig aufzu- 
fassen- und Hess nicht leicht irgend Etwas unbeachtet, was dazu 
dienen konnte. 

Alles todte Wissen war ihm verfaassl. Auch daa Studium des 
Alterthuma hatte für ihn nur Interesse, weil er seine Bedeutung 
für unsere Zdt erkannte. Desshalb lag ihm auch die »deutsche 
Sprache und Geschidite nicht minder am Herzen, als das Alter- 
thum. Was er in. diesem Zweige errungen , davon liegen zer- 
streute Zeugnisse in seinen Schriften vor, davon zeugt seine Theil- 
nahme an der deutschen Gesellschaft zu Leipzig, £e ihn zuletilt 



476 Nekrolog Johann Chruüan Jabn^s. 

durch die Wahl zum Pi^gidenten seine Vcrdiensle um Förderung 
ihrer Zwecke anerkannte , davon zeugt vor Allem seine Lehrer- 
thatigiceit an der Thomasschule. 

War er auch eine Zeit lang demselben entfremdet , so er- 
kannte er doch bald die Wirksamkeit für die Gelehrtenschule als 
seine eigentliche Berufssphäre; sie bildete den Mittelpunkt aller 
seiner Studien und Bestrebungen. Als die erste Bedingung zu 
einer gesegneten pädagogischen Thätigkeit erkannte er die durch 
selbstständige Forschung und Aneignung gewonnene volle Beherr- 
schung desjenigen Materials, aus welchem der Bildungsstoff für 
die Jugend entnommen werden soll, er selbst hatte nicht, wie jetzl 
so Viele , zuerst die theoretische Pädagogik und dann erst die 
Lehrgegensländc studirt, sondern nachdem er sich das reichste 
Wissen angeeignet, war er zur zweckmässigen Anwendung des- 
selben für den Jugendunterricht fortgeschritten. Seine Leistungen 
in den Jahrbüchern beweisen hinlänglich, dass er auch in den 
übrigen Fächern des Gymuasial-Unterrichts ausserdem classischeu 
Alterlhum und dem Deutschen solche Kenntnisse besass , die zu 
einem Urtheile über dieselben befähigte. Auf dem von ihm vor- 
geschlagenen Wege hatte er erreicht , dass er über das in jedem 
Lehrgegenstande vorhandene wahrhaft Bildende ein klares und 
sicheres Urtheil besass. Als das Ziel der Gymnasialbilduog hielt 
er fest die Vorbereitung zu dem selbstständigen Studium der Fach- 
wissenschaften und demgemässe harmonische Weckung und Bil- 
dung aller Geistes- und Gemüthskräfte und mit eben so entschie- 
denem Ernste erklärte er sich gegen jedes Hinausgehen über die- 
ses Ziel, wie er auf die vollständige Erreichung desselben drang. 
Dass die alten Sprachen den Hauptgegenstand bilden müssteu, 
war seine feste Ueberzeugung , weil er in ihnen das beste Mittel 
zur Erreichung jenes Zieles erkannte; aber er hielt dabei die 
Grundsätze fest, dass die Erlernung der Sprache stets nur Mittel 
zur Aneignung des Inhaltes , dass durch das Erkennen der Sprach- 
gesetze das richtige Denken angebildet, an den Meisterwerken der 
Alten die Regeln für die eigene Production gewonnen , durch die 
Anschauung des antiken Lebens das Verständniss der Gegenwart 
vermittelt werden soll. Neben den classischeu Studien räumte er 
dem deutschen Sprachunterrichte den wichtigsten Platz ein. Ob- 
gleich ein warmer Vertheidiger des Humanismus, verachtete er 
die Realien keineswegs , vielmehr begriff er sie als nothwendige 
Glieder im organischen Ganzen, wiefr. ihnen aber auch darnach die 
Begränzung und Behandlung an. Ueber die Zweckmässigkeit der 
Methode, war seine Ansicht, müsse vor Allem eine allseitige Er- 
fahrung entscheiden; blindes Experimentiren verwarf er gänzlich, 
aber er drang auch darauf, dass die Methode dem Lehrer nicht 
etwas von Aussen Empfangenes, oder ein todter Gewohnheitsme- 
chanismus, sondern mit seinem ganzen Wesen verwachsen sein 
müsse. Als Resultate sorgfältiger Prüfung und vielfältigen Nach- 



Nelii*olog Jobann Christian Jahn's. 477 

denkens erschienen seine Urtheilc kategorisch, doch war Nie- 
mand mehr geneigt als "er, das .6nte, wo es ihm entgegentrat, auf- 
zunehmen. Aus diesem Grunde legte er grossen Werth darauf, 
die innern und äussern Zustände von anderen und zwar yon so 
vielen, als möglich kennen zu lernen; denn, wenn er auch nie 
verkannte, dass bei jeder Schule specieile Bedingungen vorwalte- 
ten , so hielt er doch die Beobachtung dessen , was anderwärts ge- 
schehe, und die Wahrnehmung der Früchte davon, für dienlich, 
weil man dadurch entweder auf dem eingeschlagenen Wege be- 
festigt, oder auf Mängel und die Mittel zu deren Verbesserung 
aufmerksam werde. Und, weil er endlich das Gymnasium als mit 
allen andern Bildungsanstalten in Wechselwirkung stehend , neben 
jenen nur einen Theil der allgemeinen Volkserziehung ausmachend 
ansah , so entgingen auch diese , selbst die Realschulen , seiner 
thcilnehmenden Aufmerksamkeit nicht. Tief erfüllt von der hohen 
Wichtigkeit, aber auch der schweren Bürdö des Lehrerberufs, 
erhob er mehrmals das Wort, um dem Lehrerstande eine der 
Würde ihres Berufs entsprechende und die Freudigkeit des Wir- 
kens nicht hemmende äussere Stellung zu vindiciren. 

Wie die Jahrbücher für Philologie und Pädagogik das Organ 
waren , durch welches er die Resultate dieser seiner Studien dem 
grösseren Publicum mittheilte , so verdankt er der Herausgabe 
derselben hinwiederum in vielfacher Beziehung die Richtung 
derselben. Warder erste Gedanke zu ihnen auch von Franz 
Pas so w ausgegangen, so waren 'sie wesentlich Jahn's eigenes 
Werk und blieben es auch, als 1832^Seebode unter Aufgebung 
der bisher von ihm herausgegebenen Miscellaneen und Klotz, 
den Jahn hauptsächlich in der Absicht zur Redaction einlud, um 
grössere Recensionen von ihm gearbeitet und andere mehr rein 
wissenschaftliche Aufgaben durch ihn gelöst zu sehen, einen Theii 
der Redactionsgeschäfte übernahmen. Weil gründliches Wissen 
und allseitige Beherrschung der lehrenden Wissenschaft die erste 
Forderung war, welche er an die Lehrer stellte, so sollten die 
genannten Blätter zuerst eine Würdigung aller bedeutenden lite- 
rarischen Erscheinungen auf allen in das Bereich des Gymnasial- 
unterrichts einschlagenden Gebieten von wissenschaftlichem Stand- 
puncte aus geben. Die Recensionen sollten Beiträge zur Weiter- 
förderung wissenschaftlicher Streitfragen bilden und desshalb auch 
selbstständige Aufsätze nicht ausgeschlossen werden ; später wurde 
aui* Aufnahme der letzteren das Archiv gegründet. Bben so sollte 
Alles Berücksichtigung finden, was auf die Methodik Bezug habe 
und ein Hülfsmittel für Lehrer oder Schüler bilden solle. Man 
hat es als ein besonderes Verdienst der Jahrbücher anerkannt, das« 
durch sie factisch bewiesen worden, wie es möglich sei , aus kri- 
tischen Zeitschriften die Anonymität zu verbannen und durch Ge^ 
sammtrecensionen und bibliographische Berichte auch grössere 
Massen der Literatur zur Anzeige zu bringen. Die Schul- und 



478 Nekrolog Jonas: ^ .'s. 

UniTeraltatmtchrichteii sollten ein Bild des üusseren und inneren 
Znstandes der verschiedenen Anstalten , nnd dadnrcli eine Beleli- 
run^ über das Erreichte, sowie über das Mangelhafte darbieten, 
zugleich aber die in ihren Crelegenheltsschriften nieder^tegten 
Resultate schnell su aligemeiner Kenntniss gefördert und dadurch 
ein Zengniss von dem wissenschaftlichen Leben der Lehrenden 
gegeben werden. Dass die Jahrbücher ein bedeutendes Organ 
Ar das höhere Unterrichtswesen seien und vielfachen Natxeo 
wirkten, wurde selbst Ton mehreren Regierungen anerkannt und 
diese förderten desshalb das Institut auf mancherlei Weise. Das 
grösste Verdienst kommt dabei immer Jahn's eigener Tili* 
tigkeit zu. Die grösstmögliche Vervollkommnung der Jahrbücher 
war ihm eine heilige Hersenssache, der er bereitwillig alle Opfer 
brachte. Er verstand es, die geeignetsten Mitarbeiter zu gewin- 
nen und , ohne ihrer Freiheit zu nahe zu treten , sie zu planmSs- 
sigem Zusammenwirken mit sich zu leiten. SeKr reich sind seine 
eigenen Recensionen und viele davon haben hohen wissenschaft- 
lichen Werth. Die Schul- und Universitätsnachrichten arbeitete 
er zum grössten Theile selbst aus und stellte fut eigensinnig daran 
die strengsten Forderungen. Wie er es verstanden , mit wenigen 
Zügen den Gang und die Resultate wissenschaftlicher Untersu- 
chungen klar und deutlich darzulegen, dafür liegen überall die 
sprechendsten Beweise vor. Seine Urtheile zeugten eben so sehr 
von Schärfe und gründlicher Gelehrsamkeit, wie von redlicher 
Wahrheitsliebe. Zu verletzen war nie seine Absicht. Da in den 
letzten Jahren die Literatur immer mehr anschwoll , so suchte er 
am Ende jeden Jahrgangs durch eine bibliographische Uebersicht 
einen vollständigen Ueberblick über alle Erscheinungen im ver- 
gangenen Jahre zu geben Wenn manche Erscheinung eine zu 
späte Berücksichtigung zu erfahren schien, so hatte dies den Grund 
stets darin, dass Jahn, aller hohlen Phrasenmacherei fefnd, nur 
gediegene und erschöpfende Aburtheilungen geben wollte, und 
wenn manche zum Theil sehr laute Regungen auf dem Gebiete 
des Gymnasiai^esens in den Jahrbüchern keinen Widerhall hatten, 
so zögerte er nur, weil er den Streit erst zur Klarheit gedeihen 
und die Sache zum Spruche reif zu sehen besonnen wünschte. 

Der Unterzeichnete hegt die Hoffnung, dass Jahn's Lehrer- 
thätigkeit entweder von einem Manne, der mit ihm in langjähriger 
Amtsverfoindung gestanden oder von einem seiner Schuler besser 
werde gewürdigt werden, als er es zu thun im Stande ist; gleich- 
wohl darf er sie nicht ganz iibergehen, weil sonst ein 8C«r we- 
sentlicher Zug dem Bilde fehlen würde. Dass Jahn ein ausge* 
ceichneter Lehrer war, beweist hinlänglich die Anerkennung, d!e 
er bei den Behörden (and. Ingersieff erklärt in seinem be- 
kannten Buche, dass eine Stunde deutscher Dedamationsnbungen, 
welcher er bei ihm beigewohnt , das Ausgezeichnetste gewesen sei, 
was er je hl diesem Fache beobachtet. Auch hier liess sich sefai 



Nekrolog Johann Christian Jafan^s. 479 

hoher Werth nicht sofort nach einzelnen Erscheinungen erkennen ; 
er erschien erst recht deutlich , wenn man seine Wirksamkeit im 
Ganzen und nach ihren Früchten ins Aug^ fasste. Wer von dem 
Lehrer rasche Rede und fortreissende Beredtsamkeit verlangt, 
konnte an seinem Vortrage Anstoss nehmen, aber alle seine Schü- 
ler versicherten , dass sein Unterricht ungemein viel Anregendes 
hatte , und man erkannte bald , dass er planmässig ein zu rasches 
Fortführen von Einem zum Andern vermied, vielmehr ein ruhiges 
und dadurch sicheres geistiges Ergreifen beabsichtigte. Eben so 
konnte es scheinen, als wenn er an die Erklärung der Alten zu 
viele sprachwissenschaftliche, ästhetische und sachliche Erörte- 
rungen knüpfe und dadurch den Genuas am Inhalte verkümmere; 
sah man aber auf die Früchte seines fortgesetzten Unterrichts, 
so wurde man inne, dass Alles^ was er that, zweckmässig in ein-^ 
ander griff und dass er, was er einmal zu vernachlässigen schien, 
auf einer andern Stelle im vollen Maasse zu geben wasste. Seine 
Schüler erkannten in der Handhabung der Disciplin bei ihm eben 
so ernste Strenge an , als wohlwollende Würdigung jeder Indivi 
dualitat Die Verdienste , welche er ausserdem um die Thomas - 
schule durch thätige Thei Inahme an fhrer Gesfaltung Im Ganzen 
und Einzelnen sich erwarb, sind von seinen Collegen stets laut und 
üffentlich gerühmt worden. 

Wer Jahn länger kannte, fühlte eich von seinem überaua 
herrlichen Gemüthe angezogen. Ruhige Heiterkeit, wie sie em 
klar bewusstes Streben gibt , Empfönglichkeit für alles Wahre und 
Gute, wohlwollende Theilnahme an Anderer Wohl und Wehe und 
aufopferungsfähige Dienstwüligkeit bildeten die Grundzüge desseU 
ben. Wer nur immer mit ihm in Verbindung stand , hatte an ihm 
einen treuen überall rathenden und helfenden Freund. Jede Bitte 
erfüllte er gern und es schmerzte ihn , wenn dies, ihm unmöglich 
war. Glaubte sich Jemand durch ihn verletzt, «o lag ihm die Ver« 
söhnung am Herzen und selbst da ^ wo das Recht entschieden auf 
seiner Seite war, gab er sich alle Mühe, des Gegners Ueberzeu- 
gung dafür zu gewinnen. Seine persönliche Bekanntschaft ward 
bei dem grossen Rufe, dessen er genoss, sehr häufig gesucht und 
bereitwillig brachte er oft seine kostbare Zeit zum Opfer, um nur 
Niemand unbefriedigt von sich zu lassen. In der That ging Keiner 
von ihm , ohne vielfache Anregung und Belehrung gewonnen zu 
haben. Denn er theilte auf das Zuvorkommendste aus dem rei- 
chen Schatze seines Wissens und seiner Erfahrung mit, wUsste 
auf jede Frage mit seltener Geschicklichkeit den Sachverhalt aus- 
einander zu setzen und gab stets jiur wohlerwogene und durch- 
dachte Urtheile ab. 

Die Liebe 9 deren er sich im Leben erfreute, gab sich in sei- 
nem ehrenvollen Leichenbegängnisse, so wie durch die zahlreichen 
Nachrufe in öffientlichen Blättern kund. Möge man in dem Bilde, 



480 Nekrolog Johann Christian Jahn*i. 

weichet der Cnterseichnete von ihmv seinem väterlichen Freunh, 
zu entwerfen bemüht war ^ die Treue nicht vermissen ! 

Wohl wird den Leser die Fra^e b^chäftigeik: was soll aus 
den verwaisten Jahrbüchern werden 1 Die Verlagabuchhandlnng 
betrachtet die Fortsetzung derselben als eine heilige Pflicht gegen 
den Verewigten und gegen das Publicum und ist desahalb selbst 
BU Opfern bereit. Herr Professor Rein hold Klotz hat sich 
entschlossen , seine Thätigkeit, welche bisher hauptsfichlich dem 
Archive gewidmet war, auch auf die Jahrbücher auszudehnen. Der . 
Unterzeichnete hat sich ihm als Mitarbeiter beigesellt. Kr be- I 
trachtet dies als eine Pflicht der Pietät gegen den aellgen Jaha^ 
welcher ihm mehrmals den Wunsch ausgedrückt hatte, f\a«8 er 
seiner ^^Jahrbücher^^ nach seinem dereinstigen Ende sich anneh- 
men möge. Mit Herrn Professor Klotz seit langer Zeit auf das 
Innigste verbunden, wird ersieh mit demselben in einem Geiste 
eifrigst bemühen, des seligen Jahn's Werk nicht nur fortzu- 
setzen, sondern auch nach Möglichkeit zu vervollkommnen. Die 
Bereitwilligkeit^ mit welcher die Verlagshandlung alle Abrech- 
nungen und Honorarzablungen , welche bisher Jahn allein be- 
sorgte, übernommen hat, wird durch einen geregelten schnellen 
Geschäftsgang die geehrten Mitarbeiter zufrieden stellen und ge- 
stattet den Redacteuren alle Zeit und Mühe auf den Innern Gehalt 
der Zeitschrift zu wenden. Aber ihre Bemühung wird eine ver- 
gebliche sein , wenn niciht treue Freunde Ihnen zur Seite stehen, 
Freunde, welche sie durch gediegene Arbeiten unterstützen. 
Freunde, welche das Mangelhafte mild beurtheilen und zur Ver- 
besserung mit Rath und That helfen. Möge' die Liebe und das 
Vertrauen, dessen der verewigte Jahn sich erfreute, auf sie über- 
gehen, mögen die zahlreichen Leser und Mitarbeiter den Jahr 
büchern das Wohlwollen, welches sie ihnen bisher geschenkt, auch 
ferner erhalten. Mit dieser herzlichen Bitte verbindet die neue 
Redaction die Versicherung , dass sie alle Wünsche zu befriedigen 
sich nach Kräften bemühen werde. 

Rudolf Dieisch.